(Allgemein) Bundeswehr – quo vadis?
(Gestern, 13:54)Frank353 schrieb: Da jetzt mehr Mittel zur Verfügung stehen, geht man jetzt den nächsten Schritt.

Genau das ist der Punkt, man geht ihn nicht, man diskutiert im Jahr 3 nach der Zeitenwende, ob man den Schritt geht.

Zitat:Im Rahmen der Erhöhung ihrer Einsatzbereitschaft denken die deutschen Streitkräfte offenbar darüber nach, zukünftig neben der Vollausstattung auch eine sogenannte Umlaufreserve als bedarfsbestimmende Kenngröße bei der Ermittlung des Materialbedarfs zu implementieren.

Jeder, der ein wenig vom Krieg versteht, weiß, dass das eine Binsenweisheit ist und das es über diesen Fakt, dass man im Krieg einen Depotbestand über die Vollausstattung hinaus braucht, keinerlei "Nachdenken" oder "Diskussion" bedarf.

Das aber im Jahr 2025 das reine "Darüber nachdenken!" schon einen Zeitungsartikel bei Hartpunkt wert ist, schockiert mich doch sehr. Für mich ist das der erneute Beweis, dass die Zeitenwende weder in den Köpfen der Gesellschaft noch der Bundeswehr angekommen ist.

Diese Feststellung, dass man eine Umlaufreserve benötigt, ist jedem Projektleiter im tiefsten Friedensbetrieb klar, der mal eine LSA nach ASD S3000L durchgeführt hat. Spätestens mit dem Ausruf der Zeitenwende in 2022 hätte diese Umlaufreserve zur Realisierung hätte angewiesen werden müssen. So hat man drei Jahre verschwendet und hat u.a. drei Jahre verloren, für diese Umlaufreserve notwendige Infrastrukturmaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Was nützt einem im Jahr 2029 eine Umlaufreserve, die erst ab 2040 geliefert werden kann, weil die Infrastruktur noch vorher zur Verfügung steht?
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@DeltaR95

Ich würde das nicht gar so eng sehen.

"Denkt darüber nach" ist die Formulierung, die eben der Journalist benutzt hat. Wer bei dem Verein oder bei einer Bundesbehörde war oder ist, kann sich denken, welcher Vorgang dahintersteckt. Jemand hat ein Papier verfasst, in dem steht, dass die Bundeswehr mit einem Materialbestand von 140% ausgestattet werden sollte, und die Vor- und Nachteile (natürlich gibt es auch sie) aufgelistet.

Die Bedarfsmeldung der Streitkräfte ist die Grundlage für die (nächste) Entscheidungsfindung im Bundestag. Aber dieser Kreislauf beginnt nun mal nicht mit der Bundeswehr. Er beginnt mit dem (letzten) vom Bundestag verabschiedeten Haushalt und der von der Bundesregierung formulierten mittelfristigen Finanzplanung, woraus das BMVg ableitet, was es künftig wird ausgeben können.

Mit dem Sondervermögen wurde das Ziel Vollausstattung formuliert.

Jetzt gibt es mehr Geld, also soll das Ziel erhöht werden.

Ist diese Verzögerung Mist? Absolut. War aber unvermeidbar.

Fehler wurden 2022 gemacht, und zwar eher von Bundestag und Bundeskanzler als von der Bundeswehr. Wer sich an die Geburtswehen des Sondervermögens erinnert, wird sich auch erinnern, dass die Shortlist der Beschaffungen ganz anders aussah als der finale Plan. Der wurde Stück für Stück durch die Politik zusammengekürzt, sodass am Ende das Heer am wenigsten bekam und für eine Umlaufreserve nichts übrig blieb.

Scholz allein hatte mit seiner "Zeitenwende"-Rede und den darin genannten Projekten (FCAS, MGCS, F-35, Typhoon ECR, Cyberdefence) sowie der Festlegung auf Arrow 3 mehr als ein Drittel des Sondervermögens bereits gebunden. Dann musste die linke Nord-SPD geködert werden, die reservierte sich einen weiteren fetten Betrag für die Werftenindustrie.

Schwupps und weg war der Batzen.
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Dieses Jahr werden schon vor der Sommerpause Stöckchen geworfen . Sind noch mal 25 Mio Vorlagen vor der Sommerpause geplant?
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'Reuters' meldet gerade, dass das 5%-Ziel auf dem NATO-Gipfel beschlossen worden ist. (Quelle)
(Gestern, 17:51)alphall31 schrieb: Dieses Jahr werden schon vor der Sommerpause Stöckchen geworfen . Sind noch mal 25 Mio Vorlagen vor der Sommerpause geplant?
Im Sitzungskalender des Haushaltsausschusses stehen bislang nur noch zwei nicht-öffentliche Sitzungen.

Vermutlich kommt nichts mehr. Wir haben noch immer nur eine vorläufige Haushaltsführung. Bis zum Erlass des Bundeshaushalts 2025 ist der Spielraum für neue Projekte begrenzt. Der Bundestag darf nur unabdingbare Ausgaben genehmigen. Im Geschäftsbereich des BMVg also nur das, was für den Erhalt der Einsatzbereitschaft, die Beseitigung sicherheitskritischer Probleme oder die Fortführung bereits begonnener Projekte nötig ist.
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(Gestern, 18:31)muck schrieb: Vermutlich kommt nichts mehr. Wir haben noch immer nur eine vorläufige Haushaltsführung. Bis zum Erlass des Bundeshaushalts 2025 ist der Spielraum für neue Projekte begrenzt. Der Bundestag darf nur unabdingbare Ausgaben genehmigen. Im Geschäftsbereich des BMVg also nur das, was für den Erhalt der Einsatzbereitschaft, die Beseitigung sicherheitskritischer Probleme oder die Fortführung bereits begonnener Projekte nötig ist.

Und genau das hätte der "alte Bundestag" als Änderung des Grundgesetzes verhindern können - zur Kriegstüchtigkeit gehört aus meiner Sicht auch, dass der Gesetzgeber die nationalen Gesetze "kriegstüchtig" aufstellt.

Allerdings ist nichts passiert und so verliert die Bundeswehr in der Beschaffung "Jahr um Jahr", während der hypothetische Kriegsbeginn verbal immer weiter nach links gerückt wird ("Letzter Sommer in Frieden [...]").

Aus meiner Sicht passt hier das schöne Bild, in dem ein Fuß auf dem Vollgas steht oder der andere auf der Vollbremse - irgendwann macht der Motor (oder in diesem Fall das Beschaffungssystem) nicht mehr mit und kotzt sprichwörtlich ab.

Die Bundeswehr kann es sich nicht leisten, alle vier Jahre auf ein Haushaltsgesetz zu warten bzw. sogar jedes Jahr, wenn das Parlament sich nicht einigen kann.

Zitat:BRUSSELS, June 22 (Reuters) - NATO countries agreed a statement on Sunday for their upcoming summit that sets a goal of 5% of GDP for annual defence and security-related spending by 2035, overcoming objections from Spain, diplomats said.

Bis 2035? Na sehr schön, dann hat die aktuelle Regierung ja genau "0,0" Druck, die Probleme der Finanzierung der Bundeswehr anzugehen und kann das getrost auf die übernächste Legislaturperiode verschieben Big Grin
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Das Ziel wird ohnehin vor 2035 wieder gesenkt werden.
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(Gestern, 18:51)DeltaR95 schrieb: Bis 2035? Na sehr schön, dann hat die aktuelle Regierung ja genau "0,0" Druck, die Probleme der Finanzierung der Bundeswehr anzugehen und kann das getrost auf die übernächste Legislaturperiode verschieben Big Grin

Alles andere wäre auch nicht möglich. Wenn andere NATO Partner auch noch unter 2% liegen, wie soll man dann ein Einverständnis für 5% bekommen?

Bei den 10 Jahren orientiert man sich an dem Zeitrahmen der bei dem Gipfel von 2014 gegeben wurde (das Ziel gab es schon eher, aber die Festlegung auf "in 10 Jahren" stammte von dem Gipfel). Zu dem Zeitpunkt waren NATO Länder näher am 2% als man heute an dem 5% Ziel ist. Hier ist also ein deutlicher Aufwuchs erkennbar.

Dazu kommt, dass das Geld auch Sinnvoll ausgegeben werden muss. Das braucht ebenfalls Zeit.
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(Gestern, 18:59)Gecktron schrieb: Alles andere wäre auch nicht möglich. Wenn andere NATO Partner auch noch unter 2% liegen, wie soll man dann ein Einverständnis für 5% bekommen?

Bei den 10 Jahren orientiert man sich an dem Zeitrahmen der bei dem Gipfel von 2014 gegeben wurde (das Ziel gab es schon eher, aber die Festlegung auf "in 10 Jahren" stammte von dem Gipfel). Zu dem Zeitpunkt waren NATO Länder näher am 2% als man heute an dem 5% Ziel ist. Hier ist also ein deutlicher Aufwuchs erkennbar.

Dazu kommt, dass das Geld auch Sinnvoll ausgegeben werden muss. Das braucht ebenfalls Zeit.

So what? Für mich ist es egal, ob 2 %, 5 % oder 100 %. Die NATO muss endlich anfangen, ihre Mitgliedstaaten an harten Fähigkeiten zu messen, die zu stellen sind - und nicht an sinnlos verbranntem Geld. Der NATO ist nicht geholfen, wenn ein Staat zu Apothekenpreis Material bei der heimischen Rüstungsindustrie beschafft, aber dafür nur in homöopathischen Dosen.

Hier muss endlich was passieren und ein Umdenken stattfinden - ja, an den % des BIP glaubt man, sehr einfach Beiträge messen und bewerten zu können. Aus meiner Sicht ist das ein Trugschluss.

Sprich, ich würde mir gerne mal die Mühe machen zu bewerten, wie viel "verteidigungsfähiger" die NATO in 2022 gemessen an 2014 war und insbesondere zwischen 2025 und 2022. Meine Befürchtung ist, dass zumindest bei der Bundeswehr dort nicht besonders viele Zahlen Grund zu Freude geben werden.

Meine Hoffnung war daher nur, dass die NATO das 5 % Ziel (sprich 3,5 % + 1,5 %) für Infrastruktur und sonstiges) "ab sofort" beschließt - natürlich im Wissen, dass das kein Staat real erreichen kann. Man hätte dann eine "Gnadenfrist" einführen können, aber dann hätte es am Ende eines Regimes zur Sanktionierung der Mitglieder bedurft, auf das man sich bestimmt mal wieder nicht hätte einigen können.

Mal ganz ehrlich: Wie, wenn nicht mit harten Vorgaben seitens der NATO, bewegt sich denn was in der Politik?

Oder mal noch plakativer: Welchem deutschen Wähler will ich denn ernsthaft erklären, dass in 2029 eine reale Kriegsgefahr für die NATO und Deutschland besteht, wenn die NATO sich nicht auf klare und harte Maßnahmen einigen kann und unsere deutsche Politik weiter vom Tagesgeschäft bestimmt wird?

Die Krisen um uns herum werden gefühlt jeden Tag mehr und nicht weniger.
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(Gestern, 18:51)DeltaR95 schrieb: Bis 2035? Na sehr schön, dann hat die aktuelle Regierung ja genau "0,0" Druck, die Probleme der Finanzierung der Bundeswehr anzugehen und kann das getrost auf die übernächste Legislaturperiode verschieben Big Grin
Diese Befürchtung geht an der haushalterischen Realität vorbei. Niemand wird bis 2034 jährlich 2% ausgeben, und dann auf einmal 5%, das ist viel zu viel Verwaltungsaufwand und bringt viel zu viel Unruhe in mühsam zusammenklamüserte Koalitionen.

(Nebenbei: Der Zehn-Jahre-Zeitrahmen kam von Trump!)

Das Bundeskabinett hat bereits eine Resolution gefasst, dass der EP14 um ein mehrjähriges Haushaltsrahmengesetz erweitert werden und die Gesamtausgaben alljährlich um 0,2% erhöht werden sollen. Das ist insgesamt auch sinnvoll, weil die Kapazitäten der Rüstungs- und Bauindustrie ebenso begrenzt sind wie der Personalbestand der Bundeswehr.

In der Praxis wird der Anstieg wohl nicht gleichmäßig verlaufen, sondern es dürfte bedarfsgemäß mal mehr, mal weniger ausgegeben werden, auf insgesamt steigendem Niveau.

Das Gute an der neuen Etatgesetzgebung ist nämlich die gesteigerte Flexibilität. Nehmen wir zum Beispiel an, während eines laufenden Haushaltsjahres wird ein Vertrag für ein Mammutprojekt spruchreif. Das muss dann nicht aufs nächste Jahr verschoben oder durch Umschichtungen zu Lasten anderer Projekte finanziert werden, sondern kann auf der Stelle mit frischem Geld (a.k.a. Schulden) genehmigt werden.
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(Gestern, 19:10)muck schrieb: Das Gute an der neuen Etatgesetzgebung ist nämlich die gesteigerte Flexibilität. Nehmen wir zum Beispiel an, während eines laufenden Haushaltsjahres wird ein Vertrag für ein Mammutprojekt spruchreif. Das muss dann nicht aufs nächste Jahr verschoben oder durch Umschichtungen zu Lasten anderer Projekte finanziert werden, sondern kann auf der Stelle mit frischem Geld (a.k.a. Schulden) genehmigt werden.

Inwiefern ist das anders als ein Sondervermögen bzw. das bisherige System des Eckwertebeschlusses in Verbindung mit den Verpflichtungsermächtigungen?

Innerhalb eines Jahres konnte man doch schon immer mit üpl und apl Verpflichtungsermächtigungen und im Zweifel einem Nachtragshaushalt Projekte aufsetzen? Auch überjährige...
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Laut Bild vom 23.06.2025:

Finanzminister plant mit:

alt
2024 und 2025: je 53 + 20 Mrd. EUR

neu
2026: 82,7 Mrd. EUR, ~ 2% vom BIP
2029: 152,8 Mrd. EUR, wahrsch. ~ 3,5% vom BIP
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Vielleicht sind wir im Jahr 2029 aber auch bei der gleichen Summe wie 2024 und geben trotzdem 3,5% aus.

Dazu kommt das dieses Mal in der Vereinbarung zum Ausgabenziel nicht mehr von „ allen NATO Mitgliedern“ die Rede ist.
Hat doch Trump selbst erklärt das dies vielleicht für die usa nicht gelten werde.
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Ich verstehe dein Problem ehrlich gesagt nicht.
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(Vor 5 Stunden)Frank353 schrieb: Laut Bild vom 23.06.2025:

Finanzminister plant mit:

alt
2024 und 2025: je 53 + 20 Mrd. EUR

neu
2026: 82,7 Mrd. EUR, ~ 2% vom BIP
2029: 152,8 Mrd. EUR, wahrsch. ~ 3,5% vom BIP

Dann wäre Geld wirklich kein Problem und keine Ausrede mehr! Ich kann die Panik in Koblenz förmlich spüren vor dem Druck, sich jetzt endlich mal so aufstellen zu müssen, dass man diese Masse an Geld auch sinnvoll umgesetzt bekommt.

Positive Entwicklung und endlich Druck auf dem Beschaffungsapparat!
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Das primäre Problem des "Beschaffungsapparates", der ja viele Stellen und Ebenen umfasst, ist die Planlosigkeit der Generalskaste. Wortwörtlich. Die haben meiner Meinung nach eigentlich immer noch kein wirkliches strategisches Gesamtkonzept.
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