Russland vs. Ukraine
Würde man die These vertreten, dass die Kreise im Kreml seit vielen Jahren versuchen Gesellschaften zu spalten, indem sie polarisierende Themen auf der einen Seite des politischen Spektrums massiv Reichweite verschaffen um eine reaktionäre Gegenbewegung der anderen Seite des politischen Spektrums zu verursachen, wodurch die Mitte zermahlt werden soll und die von ihnen als Gefährdung empfundenen Demokratien von innen gestürzt werden sollen, hätten diese Kreise in der Ukraine meiner Einschätzung nach seit 2014 ("Euromaidan") durchgehend versagt. Dass überhaupt Gebiete abgetreten werden müssen und nicht unter einem Kreml-treuen eingesetzten Präsidenten der Ukraine, belarusmäßig verwaltet werden, ist eine zerschmetternde Niederlage für diese Kreise und Putin.

Ich kann mir nicht vorstellen dass die Menschen in der Ukraine sich einer Abkehr von dem eingeschlagenen Weg zu einem demokratischen, Rechtsstaat fügen würden. Mir fehlen echte Eindrücke von dort, aber auf mich macht es den Eindruck dass er dort den Krieg in den Köpfen nicht mehr gewinnen kann. Man sollte es aber nicht herausfordern indem man (Europa) sich von ihnen abwendet. Die Ukrainer haben in 10 Jahren viel erreicht für ihre Nation. Trump und Putin fehlt die echte Gewalt über die Ukrainer, diejenige die einem nur zugesprochen werden kann aber die man nicht durch Unterdrückung, Lüge oder Brutalität erlangt. Selbst der Völkermord und die Vertreibung geben es einem nicht, denn was bleibt dann außer Territorium. Davon hat Russland wahrlich genug.
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Es war doch auch Goebbels von dem die Aufforderung kam Deutschland müsse Kriegstüchtig werden.
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(25.04.2025, 23:41)Schneemann schrieb: Angesichts des offenkundigen "Deals" zu Lasten der Ukraine, dieses drohenden neuen Münchens, den Trump anscheinend mit Putin ausgehandelt haben mag, und welcher massive Gebietsverluste bzw. -abtretungen für die Ukraine bedeuten würde (inkl. der Krim), fühle ich mich sehr ernüchtert.

Nicht so sehr wegen des Verrats am tapferen Kampf der Ukrainer. Sondern weil ich mich, als altem Elefanten, dabei ertappe, mich zu entsinnen, dass ausgerechnet der unsägliche Nazi-Propagandaminister Goebbels einstmals die Phrase von den westlichen Schleppenträgern des Bolschewismus erfand.

... Ich weigere mich, ich kämpfe gegen mein Inneres an, es anzuerkennen, dass nach mehr als 80 Jahren der größte Lügenbaron und Volksverhetzer der deutschen Geschichte, Joseph Goebbels, mit seinem damaligen Propagandaslogan in Teilen und im übertragenen Sinne doch gar recht gehabt haben können sollte? Hieße: Sehen wir also dem Umstand entgegen, dass die "westlichen Schleppenträger des Putinismus bzw. Neobolschewismus" in Washington tatsächlich eine Gefahr für uns darstellen könnten.

Es wäre zu bitter und zu katastrophal, wenn es denn so sein sollte...

Aber: Ich behalte es mir vor, diese Titulierung zu nutzen - je nachdem, wie sich die kommenden Jahre entwickeln werden und wie sich die aktuelle US-Administration gedenkt zu verhalten.

Schneemann
ich frage mich, ob der Vergleich passt. Denn Putins Russland von heute ist weltanschaulich - und der Begriff "Bolschewismus" ist eine weltanschauliche Begrifflichkeit - mit Sicherheit anders als die "marxistisch-leninistische Diktatur des Proletariats" unter dem kommunistischen Diktator Stalin.
Man kann Putins Russland nicht als ideologische Nachfolger der Sowjetunion sehen, die gemeinsam mit den Westalliierten und insbesondere mit Truppen aus der Ukraine und den anderen Sowjetrepubliken den deutschen Faschismus besiegt hat.

Zurück zum aktuellen Thema:
So wie ich den US-Friedensplan lese,
= erhält Russland territorial alles, was es einseitig annektiert hat,
= wird der Ukraine auf Dauer der Beitritt zu einem Verteidigungsbündnis verwehrt und
= plündert die USA (Seltene Erden, Atomkraftwerke) die Restsubstanz der Ukraine in die eigene Tasche

Dass das eine totale Kapitulation des angegriffenen Landes wäre übergehen die beiden Männerfreunde (waren die miteinander im Puff oder warum hängen die so eng zusammen)

Aber in einem hat DT recht: der seit 2014 andauernde Überfall auf die Ukraine ist primär eine Sache der Europäer. Also wäre es angebracht, auch den Europäern die Federführung bei der Erarbeitung eines Friedensabkommens zu überlassen.

Bin gespannt, ob der "Gegenplan" eine Chance hat:
SZ: Krieg in der Ukraine: Ukraine will Trump offenbar eigenen Friedensplan mit Zugeständnissen präsentieren
n-tv: Kiew macht eigenen Friedensplan : Ukraine laut Bericht zu schmerzhaften Zugeständnissen bereit
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(26.04.2025, 10:51)Kongo Erich schrieb: Bin gespannt, ob der "Gegenplan" eine Chance hat:
SZ: Krieg in der Ukraine: Ukraine will Trump offenbar eigenen Friedensplan mit Zugeständnissen präsentieren
n-tv: Kiew macht eigenen Friedensplan : Ukraine laut Bericht zu schmerzhaften Zugeständnissen bereit

Natürlich hat dieser Plan keinerlei Chance. Der Trumpplan ist das was Rußland noch gerade so mitmachen könnte. Was die Ukraine will ist für Trump und Putin völlig egal. Nimmt die Ukraine den Trumpplan nicht an wird sie ohne die USA-Hilfen weiterkämpfen müssen und da liegt das Ergebnis auf der Hand, eine vollständige Kapitulation binnen der nächsten 3 Jahre.
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(26.04.2025, 22:58)lime schrieb: Natürlich hat dieser Plan keinerlei Chance. Der Trumpplan ist das was Rußland noch gerade so mitmachen könnte. Was die Ukraine will ist für Trump und Putin völlig egal. Nimmt die Ukraine den Trumpplan nicht an wird sie ohne die USA-Hilfen weiterkämpfen müssen und da liegt das Ergebnis auf der Hand, eine vollständige Kapitulation binnen der nächsten 3 Jahre.

Innerhalb von 3 Jahren kann alles mögliche passieren, ich verstehe die Aussage aber deine Prognose hat wegen der Ungenauigkeit keine Belastbarkeit. Putin könnte zB dann schon unter der Erde liegen usw. Die Ukraine hat die stärkste Armee in Europa, warum sollten die "vollständig kapitulieren"? Ergibt für mich keinen Sinn. Wenn die Prognose belastbar wäre würde Putin nicht auf Verhandlungen zu seinen Gunsten setzen sondern die drei tägige SMO zügig zum Sieg in Form der von dir genannten vollständigen Kapitulation der Ukraine führen. Er müsste ja nur die Verhandlungen sabotieren sodass die Amerikaner wie angekündigt sagen "We're done". Möglicherweise passiert das auch im Hintergrund.

Tatsache ist aber, dass seine Truppen seit 3 Jahren im Donbas feststecken und Pokrovsk immer noch nicht eingenommen ist. Alles nur wegen der USA? Wohl kaum. Die USA leisten primär Aufklärung und seitdem sie Buddys mit den Regimen in Nordkorea, Sudan und natürlich Russland sind, emanzipieren sich die """Partner""" langsam. In 3 Jahren könnten sie irrelevant für die Ukraine sein um zu Überstehen, die allumfassende Total-Überwachung ist zwar nett aber Overkill und wird für klassische Auklärungsarbeit in einem Krieg nicht benötigt.

Lustigerweise haben sie sich mit ihren wirklich militärisch relevanten Tech-Giganten-Dienstleistern (betrifft deren gesamten MIC)so abhängig gemacht vom Markt (Bezug hier: SpaceX), dass sie gar nicht anders können als diese Dienstleistungen weiter anzubieten. Warum bellt der Musk wohl weniger rum? Abstellen und damit Hardball spielen geht nicht, die sind jung und brauchen das Geld. Zur Not gibts nen Wink mit dem Anleihenmarkt und auch Typen wie Trump kommen ganz schnell wieder auf die Bodenplatte der Geldpresse zurück.
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@Kongo Erich
Zitat:ich frage mich, ob der Vergleich passt. Denn Putins Russland von heute ist weltanschaulich - und der Begriff "Bolschewismus" ist eine weltanschauliche Begrifflichkeit - mit Sicherheit anders als die "marxistisch-leninistische Diktatur des Proletariats" unter dem kommunistischen Diktator Stalin.
In gewisser Weise hast du recht. Das Russland von heute ist nicht mehr die Sowjetunion und auch nicht Sowjetrussland, und auch wenn der hiesige Anführer dort dem alten Sowjetsystem entspringt, so haben die heutigen Herrscher dort nicht mehr das Format der alten Sowjetriege. Was früher ein nicht funktionierendes und zunehmend bankrottes System war mit einem diktatorischen, versteinerten Staatsapparat, wurde von den Kindern dieses Systems, die zugleich genau diesem System noch hinterherträumen, umgewandelt in einen mafiösen, hochkorrupten und autoritären Gangsterstaat. In einem sind sie sich aber durchaus ähnlich: Sie lügen sich beide die Realität schön.

Hinsichtlich des Bolschewismus-Vergleiches: Ja, er passt aktuell natürlich nicht wirklich, aber warten wir mal ab, welche Geister noch hochkommen, wenn Putin irgendwann abtreten wird. Und ultranationalistische bis neobolschewistische Kräfte gibt es im Land zuhauf.

Schneemann
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@Lime und @Jakob:
Ich sehe durchaus Chancen - bzw. realisiere, dass der Trump-Putin-Plan keine Chancen hat.

Was kommt dann?

Erst einmal:
Russland ist es bisher nicht gelungen, einen entscheidenden Durchbruch zu bewirken. Die ukrainische Abwehr steht. Russland kriecht zwar im Schneckentempo immer weiter auf ukrainisches Territorium, hat aber nicht einmal die beanspruchten ukrainischen Provinzen vollständig erobern können. In der besonders umkämpften Region um Pokrowsk rücken russische Truppen zwar an verschiedenen Punkten weiter "schrittweise" vor - die erfolgreichen ukrainischen Gegenvorstöße (auf der Karte gelb markiert) häufen sich aber.

In dem Tempo wird es noch ein Jahrhundert dauern, bis die Westgrenze der Ukraine erreicht ist.
Wir befinden uns in einem "Abnützungskrieg" - und da ist maßgeblich, wer den längeren Atem hat. Für mich ist das die Ukraine, auch wenn sie "nur" auf die Unterstützung der EU angewiesen und ohne jede US-Hilfe wäre. Und die Ukraine zu unterstützen ist im ureigensten Eigeninteresse der EU.

Was fehlt bei fehlendem US-Engagement:
Das sind vor allem drei Dinge - Aufklärung und Luftabwehr - und Kampfflugzeuge.
Die Aufklärung liefert die Ukraine selbst recht gut. Es gibt über Jahrzehnte gewachsene Verbindungen nach Russland, und Hunderte - wenn nicht Tausende - versteckte "Augen" zumindest in den von Russland besetzten Gebieten.
Luftabwehr - für was? Es gibt sehr unterschiedliche Bedrohungen. Die US-Amerikanische Patriot ist für ein Segment optimal - aber ohne "Alleinstellungsmerkmal". Die Systeme IRIS-T und Arrow 3 könnten die - etwas älteren - Patriot ersetzen, zumal IRIS-T inzwischen mit einer vergrößerten Reichweite zur Verfügung steht.
Für den Objektschutz gibt es genug europäischer Systeme - man braucht nicht einmal mehr auf die bewährten Gepard zu setzen, die aber auch weiterhin sehr gute Dienste für die Ukraine tun.
Verbleiben die Kampfflugzeuge: Die Ukraine hat sich primär für F-16 entschieden. Das waren nachvollziehbare Gründe - schon alleine die Anzahl von kurzfristig verfügbaren Maschinen samt Ersatzteil- und Waffenpaketen war ein maßgebliches Argument. Nun ist die Ukraine mit der F-16 aber auf die - zumindest passive - Duldung von Ersatzteillieferungen durch die USA angewiesen,
Und wie das Gezerre um Kolumbiens Gripen-Entscheidung zeigt, wären auch europäische Systeme von einem US-Embargo betroffen. Bricht dann die ukrainische Luftverteidigung zusammen? Glaube ich nicht - denn es gibt auch andere Hersteller in Europa. Frankreich ist bereit, Mirage und Rafale zu liefern, und Mirages sind ja schon im Einsatz - weitere Maschinen können wohl kurzfristig bereit gestellt werden. Darüber hinaus wird wohl daran gearbeitet, die Gripen ohne US-Triebwerk einsatzfähig zu machen.

Die Ukraine wird unterschätzt:
Schon jetzt stellt die Ukraine ~ 60 % der benötigten Waffensystem selbst her. Sie hat sich zu einem der größten Waffenhersteller in Europa - und das auch mit neuesten Waffensystemen (Stichwort: Drohnen) - entwickelt.
Das ist keine "Eintagsfliege". Die kostengünstige Produktion dort wird wohl dazu führen, dass auch nach dem Ende der Kriegshandlungen westeuropäische Hersteller dort produzieren - und damit den Absatz auf dem Weltmarkt erhöhen.

Schlußfolgerung?
Mit jedem Monat wird die Ukraine stärker. Sie befindet sich jetzt schon in einer gesicherten Position.
Ein Rückzug der USA wird die weitere Stärkung der Ukraine zwar behindern und verzögern - aber solange Europa hinter der Ukraine steht, kann auch ein solcher Rückzug den Russen nicht zum Sieg verhelfen.

@Schneemann:
Es ist richtig, Putin einen nationalistischen Autokraten zu nennen - aber Bolschewismus ist das nicht. Putins Agenda steht dem historischen Faschismus deutlich näher.
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Zur Dokumentation:

Zitat:Auf Beschluss des russischen Präsidenten wird anlässlich des 80. Jahrestags des Sieges über Deutschland ein Waffenstillstand ausgerufen

Auf Beschluss des Präsidenten der Russischen Föderation, Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Russischen Föderation W. W. Putin, wird aus humanitären Gründen anlässlich des 80. Jahrestages des Sieges vom 7. Mai um 0 Uhr bis zum 10. Mai um 0 Uhr ein Waffenstillstand ausgerufen. Für diesen Zeitraum werden alle Kampfhandlungen eingestellt.
Russland ist der Ansicht, dass die ukrainische Seite diesem Beispiel folgen sollte.
Im Falle von Verstößen gegen die Waffenruhe durch die ukrainische Seite werden die Streitkräfte der Russischen Föderation eine angemessene und wirksame Antwort geben.
Die russische Seite bekräftigt erneut ihre Bereitschaft zu Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen, die auf die Beseitigung der Ursachen der Ukraine-Krise und eine konstruktive Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern abzielen.
AG mit Übersetzung und Verweis auf Originalquelle

Kommentar:

Finde ich äußerst schwierig sich an einen unilateral erklärten Waffenstillstand zu halten weil dieser dem Feind gerade aus welchen Gründen auch immer genehm ist, insbesondere verbunden mit der Drohung. Der Verweis auf humanitäre Gründe nachdem Peskow eingeräumt hat zielgerichtet die Streusprengköpfe am Palmsonntag auf Sumy gefeuert zu haben* lassen das ganze wie eine Demütigung aussehen. Befolgen oder nicht befolgen, irgendwie ist beides unbefriedigend und kann propagandistisch ausgeschlachtet werden. Da ohnehin Krieg ist würde ich dann den Krieg vorziehen.

* https://www.derstandard.de/story/3000000...l-an-trump


Frage:
Wie seht ihr das,
- konkret in Bezug auf diesen Krieg / Moment und

- allgemein in einem Krieg?
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