(Land) Mittlere Kräfte
(Gestern, 08:24)Quintus Fabius schrieb: Ich konnte mich gestern mit einem Bundeswehroffizier unterhalten, der in besagten mittleren Kräften zukünftig im Bataillonsstab eines der besagten "Jäger"-Bataillone sein wird. Also trug ich ihm meine üblichen Bedenken und Ansichten dazu vor.

Er hielt sich eher bedeckt, ließ aber dennoch ein paar hochinteressante Sachen dazu raus:

1. Man gehe davon aus, dass eine solche Brigade mittlerer Kräfte im Ernstfall in ungefähr einer Woche vor Ort wäre. Das ist also viel schneller als von uns hier angenommen oder teilweise offiziell deklariert.

2. Es fehle massiv an Artillerie. Das ganze Konzept könne seiner eigenen Meinung nach nur funktionieren, wenn die Brigade eine deutlich stärkere Artillerie-Komponente hätte. Neben mehr RCH-155 als geplant nannte er auch explizit eigene Raketenartillerie. Und natürlich viel mehr Drohnen, wobei er diese (anscheinend nach ukrainischen Vorbilden) in einem eigenen Bataillon konzentrieren würde.

3. Die genannten Räume welche eine solche Brigade decken soll stimmen laut seiner Aussage nicht. Es seit keineswegs so, wie es hier in dem Vortrag beschrieben wurde, dass die Brigade einen derart großen Raum abdecken soll (ad extremum ein Bataillon auf 60 x 100 km), dass sei völlig falsch. Zudem müsse man sich den Kampf der Brigade als einen die Litauer und andere vor Ort kämpfende Kräfte unterstützenden vorstellen. Die Brigade übernehme nicht für sich alleine einen Raum und versuche dann dort Verzögerung durchzuführen, sondern der feste Plan sei es, litauische und andere Kräfte vor Ort mit der Brigade zu unterstützen. Explizit genannt wurde beispielsweise die Übernahme von Flankensicherung für die litauische Division oder für polnische schwere Kräfte.

4. Aber auch das sei gar nicht die eigentliche Hauptaufgabge, insbesondere in Bezug auf die Jäger in der Brigade. Man gehe eher davon aus, dass es vor einem großen konventionellen Krieg und wahrscheinlich sogar anstelle eines solchen seitens der Russen eher unkonventionelle Kriegsführung geben wird. Also Aufstand der russischen Bevölkerungsanteile im Baltikum, Terrorismus, "grüne Männchen", Pseudo-Guerilla, Einsätze von russischen PMC und Sondereinheiten usw. Die mittleren Kräfte würden sich primär gegen solche unkonventionelle Kriegsführung richten und nicht gegen einen großen konventionellen Angriff.

5. Die mittleren Kräfte würde dann zugleich vor Ort dadurch eine Abschreckung gegen einen großen konventionellen Angriff darstellen, nicht weil sie selbst die Russen aufhalten oder auch nur verzögern könnten, sondern weil ihre Präsenz vor Ort ein Nachweis darüber wäre, dass wir ernsthaft für das Baltikum kämpfen würden. Sie seien daher eine Erweiterung des Gedankens von "Stolperdraht"-Verbänden und damit primär eine Möglichkeit eine politische Botschaft an die Russen zu senden, dass man tatsächlich auf einen Angriff auf das Baltikum hin Krieg führen wird. Ohne zugleich umgekehrt durch eine massivere Truppenverlegung zur Eskalation beizutragen. In diesem Kontext sei die primäre Aufgabe der mittleren Kräfte einen politisch-strategischen Effekt zu erzielen.

6. Mittlere Kräfte seien für IKM ideal und etwaig kommt es ja in der Zukunft erneut zu solchen Einsätzen.



Wenn man sich das so anhört, klingt es gar nicht so schlecht - respektive scheint man sich Gedanken darüber zu machen, was man mit den mittleren Kräften so wie man sie aufstellen kann im weiteren bewirken kann.

Ändert natürlich nichts an den grundsätzlichen Schwächen und konzeptionellen Fehlern.

Mir warf er umgekehrt vor, ich würde unrealistische Forderungen aufstellen. Es sei zwar alles schön und gut was ich dazu sagen würde, aber es gäbe rein theoretische Idealbilder und es gäbe die Realität und die sei auch bei allen anderen nicht so wie sie es in der Theorie sein könnte. Man müsse mit dem arbeiten was real sei, und nicht irgendwelchen militärischen Utopien nachjagen. Eine Kritik, die ich so nicht teile, weil die konzeptionellen Fehler der mittleren Kräfte keine sind, die eine militärische Utopie zur Lösung voraussetzen würden, ganz im Gegenteil.

so habe ich den Sinn mittlere Kräfte auch verstanden!
1) unterstützen im Rückraum
2) sichern Flanken
3) Artillerie kann auch schwere Kräfte an der Front unterstützen
4) schnell verlegbar zur Abschreckung
5) sichert temporär Räume gegen Durchbrüche
6) Einsatz gegen asymmetrische Kräfte/Bedrohungen

wichtig!
Viel mehr Artillerie RCH155
generell auch RakArt (EuroPuls)
Drohnen
Loitering Munition
Flugabwehr (hauptsächlich mobil gegen Drohnen -> Skyranger30)

und ich ergänze… moderne Panzerjäger mit SPIKE NLOS
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(Gestern, 08:24)Quintus Fabius schrieb: Er hielt sich eher bedeckt, ließ aber dennoch ein paar hochinteressante Sachen dazu raus:

Schon mal bei den Schlapphüten vorgestellt? Du bist ein echter Offizier-Flüsterer, wenn der sich trotzdem so öffnet.
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Du meine Güte, dass ist viel weniger als das was andere Bundeswehr-Offiziere einfach bei Youtube, oder Vorträgen, oder beispielsweise noch sehr viel krasser bei Veranstaltungen des ASP rauslassen, ohne überhaupt zu wissen wer die Personen ihnen gegenüber überhaupt sind und ob sie überhaupt dem ASP angehören oder irgendeine Sicherheitsfreigabe haben. Gerade über Parteiinterne Organisationen werden manchmal Informationen rausgehaut, die definitiv nicht ansatzweise in die Öffentlichkeit gehören. Dass das dann nicht geschieht bzw. keine Breitenwirkung erzielt, liegt mehr oder weniger nur darin, dass diese ganze Thematik die absolute Mehrheit der Öffentlichkeit in keinster Weise interessiert.

Und unsere Gegner wissen dies alles so oder so.

Zudem ist das alles kein Geheimwissen und es stellt sich da in ganz vielen Fällen allgemein die Frage, inwieweit irgendwelche Aussagen von Bundeswehr-Offizieren überhaupt reale Grundlagen haben. Und damit meine ich nicht, dass hier seitens dieser Kreise intentional getäuscht würde, sondern dass sie es sogar selbst nicht besser wissen.

Nehmen wir den Vortrag neulich der nun wieder gelöscht wurde. Auch nichts anderes. Gab in den letzten Jahren reihenweise offizielle Vorträge von Bundeswehroffizieren in Uniform die man sich dann im Netz einfach so ansehen konnte, die definitiv nie in die Öffentlichkeit hätten gelangen dürfen. Über wesentlich sensiblere Themen.



ObiBiber:

Zitat:so habe ich den Sinn mittlere Kräfte auch verstanden!
1) unterstützen im Rückraum
2) sichern Flanken
3) Artillerie kann auch schwere Kräfte an der Front unterstützen
4) schnell verlegbar zur Abschreckung
5) sichert temporär Räume gegen Durchbrüche
6) Einsatz gegen asymmetrische Kräfte/Bedrohungen

wichtig!
Viel mehr Artillerie RCH155
generell auch RakArt (EuroPuls)
Drohnen
Loitering Munition
Flugabwehr

Mir ist da gerade durch dich ein amüsanter Gedanke gekommen !

Schlussendlich ähnelt das konzeptionell dem, was die Russen mit ihren Bataillons-Taktischen-Gruppen tun wollten bzw. tun wollen. Russische BTG sollten laut russischer Doktrin folgende Eigenheiten haben:

- Von den Fähigkeiten her sehr breit aufgestellte Einheiten deren Kern aber die Artillerie ist. Schlussendlich ein Kampftruppen-Bataillon das mit einem Artillerie-Bataillon zusammen gekoppelt wird.

- Höhere Mobiliät.

- Kampf gegen assymetrische Gegner.

- Eröffnung des Kampfes bis die größeren Einheiten von hinten her aufschließen.

- Vorbereiten des Schlachtfeldes für diese Einheiten - Einwirken auf den Gegner so dass die größeren nachfolgenden Einheiten diesen dann angehen können.

- Keine Durchhaltefähigkeit. Insbesondere Probleme mit der Munitionsversorgung.


Beklagt wurde ja im Kontext der BTG immer, dass denen Infanterie fehlt (bei deren Einsatz in der Ukraine 2022, davor hatten sie mehr Infanterie in Form von gesonderten Einheiten dabei). Die Mittleren Kräfte der Bundeswehr haben aber nun organisch mehr Infanterie dabei.

Man könnte die Mittleren Kräfte daher als eine Fortführung des Konzeptes der Bataillons-Taktischen-Gruppen ansehen bzw. eine Analogie zu diesen herstellen und sie im Vergleich zu den russischen BTG untersuchen !

Fehlen lediglich die Kampfpanzer.

Man könnte aber die Litauen-Brigade welche vor Ort stationiert ist als einen reinen Sammelverband für Kampfpanzer aufstellen (Kürassiere) zzgl. Unterstützung, dann hätte man besagte Kampfpanzer. Dann könnte man witzigerweise schlussendlich mit den nachrückenden mittleren Kräften und den bereits vor Ort befindlichen Kampfpanzern genau das, was die Russen mit ihren BTG wollten. Man könnte dann aus den mittleren Kräften und den Kampfpanzern der Litauen-Brigade mehrere Kampfgruppen aufstellen, die schlussendlich exakt das wären, was die Russen als BTG angedacht haben.
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(Gestern, 08:24)Quintus Fabius schrieb: Er hielt sich eher bedeckt, ließ aber dennoch ein paar hochinteressante Sachen dazu raus
...
Wenn man sich das so anhört, klingt es gar nicht so schlecht - respektive scheint man sich Gedanken darüber zu machen, was man mit den mittleren Kräften so wie man sie aufstellen kann im weiteren bewirken kann.
Das stimmt und es ist beruhigend, dass offenbar innerhalb dieser Truppenteile anders gedacht wird, als es die Konzepte vorsehen.

In der hier dargestellten Weise können mKr ja durchaus funktionieren und Sinn ergeben. Sie sind dabei halt nur fürchterlich ineffizient durch ihre Aufstellung als Infanteriebrigade und ihre für diese Aufgaben unzureichende Ausstattung.
(Gestern, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Man könnte aber die Litauen-Brigade welche vor Ort stationiert ist ...
Da werden so enorme Potentiale einfach verschenkt und die fraglos hohen Belastungen der Truppe durch diese Stationierung bei weitem nicht zu der Wirkung genutzt, die sie haben könnten.
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Mich fasziniert diese Analogie zur BTG. Eine BTG ist schlussendlich ein Mot-Schützen Bataillon / oder ein Panzer-Bataillon, dem ein komplettes Artillerie-Bataillon unterstellt wird, zuzüglich eticher Unterstützungskompanien. Vorherrschend war der Typus mit dem Panzer-Bataillon - und vor 2022 wurden solche BTG dann durch Infanterieverbände bzw. Milizen der Seperatisten aus der Ost-Ukraine verstärkt. So kam man von 2014 bis 2022 de facto vom Truppenverhältnis auf 1 Panzer zu 1 Inf zu 1 Art - was im übrigen exakt die Mischung ist, welche im 2WK bei Kampfgruppen sowohl der US Streitkräfte, als auch der Wehrmacht, als auch in Teilen der Sowjets sich durch die Evolution der Kriegsumstände herausbildete und welche anfangs in der Bundeswehr sogar noch konzeptionell angedacht war.

2022 jedoch ließ man die Infanterie weg und hatte dann einen Infanteriemangel bei den BTG der sich schnell katastrophal gegen die leichteren ukrainischen Einheiten auswirkte - wobei hier die Bodenverhältnisse, dass Wetter und der Zeitpunkt des Angriffes noch wesentlich mitwirkten. Genau deshalb waren die Russen im Süden dann ja auch wesentlich erfolgreicher, während die Ukrainer im Norden das Gelände für sich vorteilhafter nutzen konnten.

Heute lässt eine solche Struktur natürlich die Frage der Drohnen offen. Aktuell hat jede ukrainische Brigade mindestens eine Drohnen-Kompanie, dazu treten aber noch pro Frontabschnitt in welchem sich 3 bis 4 Brigaden tummeln jeweils 1 oder 2 selbstständige Drohnen-Bataillone hinzu, und dazu noch weitere selbstständige Drohnenkompanien. Gemittelt kommt man so auf ungefähr 2 Drohnen-Bataillons-Aquivalente auf jeweils 3 Brigaden, also 0,66 zu 1. Die Tendenz geht aber zu 1 Bataillons-Äquivalent pro Brigade, also 1 zu 1.

Meiner Meinung nach müsste man das konsequent aufgreifen und für jede Brigade mittlere Kräfte ein selbstständiges Drohnen-Bataillon vorsehen. Damit man Personal und Mittel dafür frei bekommt, würde ich bewusst auf die Rad-Panzergrenadiere verzichten, womit man sich zugleich den PuBo einspart. Damit würde die Brigade zugleich kompakter, und schneller / beweglicher. Wenn man dann die "Jäger" nicht als Infanterie aufstellt, sondern eher als eine Art Mischung aus Panzerspähern und Panzerjägern (nennen wir sie der Einfachheit halber mal Panzerschützen) deren infanteristische Komponente wie von Broensen schon öfter beschrieben solchen Zwecken dient, spart man sich erneut Mannzahl ein. Mit dieser könnte entsprechend das Artillerie-Bataillon verstärkt werden.

Es entstünde folgende Struktur:

1 Drohnen-Bat / 2 Panzerschützen-Bat / 1 Art-Regiment

Wenn man einen solchen Verband dann zur Unterstützung der Infanterie der Osteuropäer einsetzt, könnte man damit meiner Meinung nach durchaus einige Effekte erzielen.
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(Vor 10 Stunden)Quintus Fabius schrieb: Mich fasziniert diese Analogie zur BTG. Eine BTG ist schlussendlich ein Mot-Schützen Bataillon / oder ein Panzer-Bataillon, dem ein komplettes Artillerie-Bataillon unterstellt wird, zuzüglich eticher Unterstützungskompanien.
Wir haben hier ja schon vor ewigen Zeiten derartige Kombinationen als sinnvoll für die mKr diskutiert.
Zitat:Damit man Personal und Mittel dafür frei bekommt, würde ich bewusst auf die Rad-Panzergrenadiere verzichten, womit man sich zugleich den PuBo einspart. Damit würde die Brigade zugleich kompakter, und schneller / beweglicher. Wenn man dann die "Jäger" nicht als Infanterie aufstellt, sondern eher als eine Art Mischung aus Panzerspähern und Panzerjägern (nennen wir sie der Einfachheit halber mal Panzerschützen)deren infanteristische Komponente wie von Broensen schon öfter beschrieben solchen Zwecken dient, spart man sich erneut Mannzahl ein. Mit dieser könnte entsprechend das Artillerie-Bataillon verstärkt werden. ... Wenn man einen solchen Verband dann zur Unterstützung der Infanterie der Osteuropäer einsetzt, könnte man damit meiner Meinung nach durchaus einige Effekte erzielen.
Es läuft wieder darauf hinaus, dass die richtigen Ansätze hinter dem Konzept der mKr, insbesondere die Abstandsthematik, erfordern, die mKr ohne klassische Infanterie aufzustellen, da sie sonst den Rahmen einer Brigade sprengen würden und diese Infanterie auch keineswegs in der Brigade unmittelbar eingebunden sein muss. Sie kann von ihr unabhängig agieren und somit entweder von Verbündeten gestellt werden oder - was ich für uns zukünftig für sinnvoll erachten würde - als separate Infanteriebrigade mit hohem Wehrpflichtigenanteil und in dessen Folge einer starken Personalreserve sowie den Kräften der DSK im Rahmen von IKM/StabOP.
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