BGS - Defensive Verteidigung
#1
(16.08.2024, 15:40)Quintus Fabius schrieb: Radikale Reformen:

2. Wiederaufstellung eines quantiativ sehr starken Bundesgrenzschutz. Dessen Angehörige sind in weiten Teilen Wehrpflichtige, entsprechende Gesetzgebung ist ja vorhanden, und sie die BGS Angehörigen haben wir früher auch Kombattanten-Status.

3. Paramilitärische Ausrichtung der Bereitschaftspolizeien, welche im V-Fall ebenfalls Kombattantenstatus erhalten.



(mehr folgt)

(16.08.2024, 17:24)alphall31 schrieb: Dann darf der BGS aber keine schutzpolizeilichen Aufgaben mehr übernehmen mit Wehrpflichtigen.

(17.08.2024, 18:24)Broensen schrieb: Die Bereitschaftspolizeikräfte übernehmen eine wichtige Aufgabe in der Ausbildung junger Polizisten. Das können sie aber nicht, wenn sie eine paramilitärische Ausrichtung erhalten sollen. Würde man das tun, wäre die Folge noch weniger gut auf Extremsituationen vorbereitete Polizeikräfte in den Landespolizeien und das kann man nicht wollen.
Zudem wären die Bereitschaftspolizeien im V-Fall bereits voll ausgelastet mit der dann erhöhten Gefährdungslage im Inneren, Stichworte hybride Kriegsführung und 3. Kolonne, so dass sie gar nicht zum Kampfeinsatz herangezogen werden könnten.
...

(17.08.2024, 19:01)alphall31 schrieb: Was sollen die BGS Einheiten im Frieden eigentlich machen und wer übernimmt die Aufgaben dann die jetzt von der Bundespolizei erledigt werden?
Ist das nicht doppelstruktur zur Infanterie ?

Hier stellt sich mich nun die Frage ob für den neuen/alten Bundesgrenzschutz im Schwerpunkt eine militärische oder polizeiliche Rolle angedacht ist und ob der neue BGS eine selbstständige Organisation sein?

Oder: Soll die Bundespolizei wieder zum BGS rückgewandelt werden. Wenn ja Stand 1951, 1976 oder 1992 ? Zu allen Epochen besaß er damals Kombattantenstatus als auch ab 1976 verstärkt polizeiliche Kompetenzen.

Oder: Soll der neue BGS eine paramilitärische Unterorganisation der Bundespolizei sein?

Weiterhin: Sollen die Bereitschaftspolizeien der Länder in die Verteidgungsüberlegungen wie einst 1951 miteinbezogen werden?


In meinen Augen ist für der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik eine robuste Polizeitruppe wichtiger als rein militärische Grenzschutzverbände.

Vielleicht sollten wir dies in einem neuem Thema tiefer erörtern, insbesondere was polizeiliche Befugnisse angeht.

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Ansonsten stimme ich Quitus Fabius insofern zu, dass signifikante Teile der BW in den "neuen" BGS überführt werden könnten.

Vielleicht sollte Deutschland die kostenspielige Organisation Bundeswehr und das Heer weitesgehnd auflösen und für die Landes- und Bündnisverteidgung auf gut ausgestattete See- und Luftstreitkräfte setzen. Also nurnoch Luftwaffe und Marine.

Für die bodengebundene Sicherung der Bundesrepublik stünde dann der neue/alte BGS zur Verfügung.
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#2
Rein rechtlich wird der Bewaffnung von Polizei allerdings schon Grenzen gesetzt .
Allerdings hätte man als Heer das Problem mit einer Litauen Brigade nicht mehr , aus der BV wäre man raus in so einem Fall .
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#3
(19.08.2024, 19:58)Garten-Grenadier schrieb: Hier stellt sich mich nun die Frage ob für den neuen/alten Bundesgrenzschutz im Schwerpunkt eine militärische oder polizeiliche Rolle angedacht ist und ob der neue BGS eine selbstständige Organisation sein?

Oder: Soll die Bundespolizei wieder zum BGS rückgewandelt werden. Wenn ja Stand 1951, 1976 oder 1992 ? Zu allen Epochen besaß er damals Kombattantenstatus als auch ab 1976 verstärkt polizeiliche Kompetenzen.

Oder: Soll der neue BGS eine paramilitärische Unterorganisation der Bundespolizei sein?

Weiterhin: Sollen die Bereitschaftspolizeien der Länder in die Verteidgungsüberlegungen wie einst 1951 miteinbezogen werden?
Wir haben darüber ja schonmal in der Wehrpflicht-Debatte diskutiert. Kerngedanke hinter der Verwendung des Begriffs "BGS" ist, dass dieser bereits im Grundgesetz verankert ist und die Aufstellung einer Wehrpflichtigen-Organisation zwischen Polizei und Militär politisch/rechtlich deutlich vereinfachen könnte. Mit der heutigen Bundespolizei hätte das nichts mehr zu tun.
Zitat:In meinen Augen ist für der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik eine robuste Polizeitruppe wichtiger als rein militärische Grenzschutzverbände.
Den Begriff "Polizei" müssen wir in dem Zusammenhang mit Vorsicht verwenden. Polizeiliche Befugnisse und das Gebot zur Trennung dieser von militärischen Organisationen ist in Deutschland ein wichtiger Aspekt.
Zitat:Vielleicht sollte Deutschland die kostenspielige Organisation Bundeswehr und das Heer weitesgehnd auflösen und für die Landes- und Bündnisverteidgung auf gut ausgestattete See- und Luftstreitkräfte setzen. Also nurnoch Luftwaffe und Marine.

Für die bodengebundene Sicherung der Bundesrepublik stünde dann der neue/alte BGS zur Verfügung.
Das Problem bei solch einem Ansatz ist, dass es für die Bündnisverteidigung in Europa großer Mengen von Bodentruppen bedarf, die irgendjemand stellen muss. Und dabei sind die vielen kleinen Einzel-Armeen der Staaten recht inneffizient. Nehmen sich dann auch noch die großen Nationen diesbezüglich zurück, wird das Ganze dann auch schnell inneffektiv. Deshalb sollte man bei aller Konzentration auf die teuren Spezialfähigkeiten das Fundament der Bodentruppen nicht gänzlich vernachlässigen, sondern muss zumindest den größeren Rahmen, also Divisions- und Korpstruppen, Stäbe, Logistik etc. zur Verfügung stellen, um den kleineren Streitkräfte zu ermöglichen, die nötige Masse dann auch tatsächlich ins Feld zu bekommen.

(19.08.2024, 20:32)alphall31 schrieb: Allerdings hätte man als Heer das Problem mit einer Litauen Brigade nicht mehr , aus der BV wäre man raus in so einem Fall .
Vielleicht verstehe ich dich ja falsch, aber in dem von Quintus beschriebenen Szenario -sofern von mir aufgrund vorhergehender Diskussionen korrekt interpretiert- wäre Bündnisverteidigung die Kernaufgabe des reduzierten Heeres, während Landesverteidigung vom BGS übernommen werden würde. Also genau umgekehrt.
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#4
Allerdings begrenzt das reduzieren auf BGS nicht bloß die Bewaffnung sondern auch den Einsatzbereich . Wir greifen auf eine Gesetzgebung zurück als Deutschland die Grenze des bündnissgebietes war , der Einsatz von Wehrpflichtigen , egal ob Bw oder BGS in Deutschland erfolgte. Bloß ist die bündnissgrenze jetzt nicht mehr unsere Landesgrenze.
Es gibt zwar eine Regelung für besondere auslandseinsätze aber ansonsten haben Wehrpflichtige nichts auf fremden Boden zu suchen.
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#5
(20.08.2024, 17:45)alphall31 schrieb: Allerdings begrenzt das reduzieren auf BGS nicht bloß die Bewaffnung sondern auch den Einsatzbereich .
Wo steht denn im Grundgesetz etwas über die mögliche Bewaffnung eines BGS? Andere Gesetze lassen sich bekanntlich leicht ändern.
Der begrenzte Einsatzbereich ist klar. Solch ein neuer BGS wäre -zumindest in den Wehrpflichtteilen- rein für Landesverteidigung und "artverwandte" Inlandsverwendungen vorgesehen, ähnlich einem Territorialheer. Davon wäre im Gegenzug die Bundeswehr befreit und würde als reine Berufsarmee für BV/IKM ausgelegt. LV wäre dann für sie nur noch ein mögliches Szenario der BV.

Aber genaueres dazu ist uns Quintus ja noch schuldig, is' schließlich sein Konzert.
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#6
Ich glaube in folgendem Schriftstück des wissenschaftlichen Dienstes stand dazu was
Grenzen der Bewaffnung der Polizei

https://www.bundestag.de/resource/blob/4...f-data.pdf
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#7
(21.08.2024, 01:46)alphall31 schrieb: Ich glaube in folgendem Schriftstück des wissenschaftlichen Dienstes stand dazu was
Grenzen der Bewaffnung der Polizei

https://www.bundestag.de/resource/blob/4...f-data.pdf
Soweit ich das kurz überfliegen konnte, geht es da lediglich um den Einsatz von Waffen durch Polizei oder BGS und Bundeswehr beim Einsatz im Inneren bzw. bei polizeilichen Aufgaben. U.a. deshalb schrieb ich ja auch schon, dass man bei einem neuen BGS mit Wehrpflichtigen auf die Abgrenzung zur Polizei achten muss.

Eine allgemeine Einschränkung bei der Bewaffnung des BGS kann ich hier jedoch nicht erkennen, im Gegenteil bezieht sich der Text darauf, inwieweit der BGS seine militärischen Waffen einsetzen darf, wenn er polizeilich tätig ist.
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#8
Höchstens unter verhälnissmässigkeitsgrundsatz aber das wäre ja nicht GG und könnte geändert werden .

Der Export von kriegswaffen ist strenger geregelt und definiert wie der Einsatz bei Polizei

Eine durchgehende militärische Bewaffnung wäre die Grenze aber wohl erreicht (S.5) .
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#9
(21.08.2024, 01:46)alphall31 schrieb: Ich glaube in folgendem Schriftstück des wissenschaftlichen Dienstes stand dazu was
Grenzen der Bewaffnung der Polizei

https://www.bundestag.de/resource/blob/4...f-data.pdf
Die Ausarbeitung ist aus dem Jahr 2008, weist m.E. Formfehler auf ( ausschl. Darstellung des Schusswaffeneinsatzes, obwohl das Musterpolizeigesetz den Schlagstock als Waffe mitaufführt) und bezieht sich auf die Ausstattung der Landespolizeien. Die Bundespolizei bzw. BGS als Sonderpolizei des Bundes wird in der Abhandlung weitesgehend aussen vor gelassen.
Dabei führen die Rechtsbestimmungen zum Waffeneinsatz von Hessen, RLP, NRW, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen explizit Ausnahmen für die Bundespolizei bzw. BGS auf.


Richtigerweise schreibt Broensen:

(21.08.2024, 08:36)Broensen schrieb: ...eine allgemeine Einschränkung bei der Bewaffnung des BGS kann ich hier jedoch nicht erkennen, im Gegenteil bezieht sich der Text darauf, inwieweit der BGS seine militärischen Waffen einsetzen darf, wenn er polizeilich tätig ist.
....
U.a. deshalb schrieb ich ja auch schon, dass man bei einem neuen BGS mit Wehrpflichtigen auf die Abgrenzung zur Polizei achten muss.

Gesetz über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzgesetz - BGSG)

§ 48 Heranziehung von Dienstpflichtigen

(1) Kann der Bedarf an Polizeivollzugsbeamten im Bundesgrenzschutz nicht mit geeigneten Bewerbern gedeckt werden, so können zum Ausgleich des Fehlbestandes Dienstpflichtige herangezogen werden.

(2) Bei der Ausübung ihres Dienstes haben die auf Grund der Grenzschutzdienstpflicht Herangezogenen (Dienstleistende) die Befugnisse und Pflichten von Polizeivollzugsbeamten im Bundesgrenzschutz.


Die 1965 herangezogenen Grenzjäger leisteten als Beamter auf Widerruf ihre 18 monatige Grenzschutzdienstpflicht. Waren in diesem Sinne also keine ausgebildeten Polizeivollzugsbeamten (PVB) sondern unterstützten die Wachtmeister und Polizeimeister i. BGS (als Unterführer) innerhalb von grenzpolizeilichen Aufgabenbereichen.

Auch bei einigen Bundesländern ist es auch heute nicht unüblich dass die PVB´s durch eine Wachpolizei im Angestelltenstatus (Hessen, Berlin) oder Freiwilligen Polizeidienst ( Ba-Wü) unterstützt werden.
Im Rahmen der Gefahrenabwehr haben sie weitesgehend ähnliche Befugnisse wie ein PVB, sind jedoch im Gegensatz keine Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.

(21.08.2024, 09:43)alphall31 schrieb: Höchstens unter verhälnissmässigkeitsgrundsatz aber das wäre ja nicht GG und könnte geändert werden
Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit erstreckt sich vorrangig auf die Angemessenheit des (polizeilichen) Handelns. So ist der Schlagstock im Streifenwagen ein unbedenklicher Gegenstand. Die Betrachtung der abstrakten Einzelfalls entscheided, ob der Einsatz des jeweiligen Wirkmittels durch den Polizisten angemessen ist/war.
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#10
(21.08.2024, 09:43)alphall31 schrieb: Eine durchgehende militärische Bewaffnung wäre die Grenze aber wohl erreicht (S.5) .
Diese Grenze hat jedoch keinerlei Einfluss auf die Ausgestaltung eines militärischen Bundesgrenzschutzes, sondern lediglich auf dessen Einsatz im Inneren/Polizeidienst.
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#11
Mir erschließt sich bloß nicht ganz worin der Nutzen besteht mit dem Aufbau einer weiteren Bundesbehörde .
Wehrpflichtige werden ja aufgrund der Geburtenrate nicht mehr . Es müsste eine fast komplette Struktur neu aufgebaut werden
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#12
(21.08.2024, 21:01)Broensen schrieb: Diese Grenze hat jedoch keinerlei Einfluss auf die Ausgestaltung eines militärischen Bundesgrenzschutzes, sondern lediglich auf dessen Einsatz im Inneren/Polizeidienst.
Die Grenze besteht nach dem zitierten Papier sogar nur auf Länderebene, da die Bundesländer mit ihren Polizeien nicht das Streitkräftemonopol des Bundes antasten dürfen.
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#13
Richtig , das streitkräftemonopol liegt beim Bund , welches er mit der Gründung der Bundeswehr umgesetzt hat . Zusätzlich wurden Mit dem inkrafttreten der Notstandsgesetze dem BGS alle militärischen Aufgabenfelder entzogen . Dadurch mussten militärischen Strukturen aufgelöst werden und Dienstgrade geändert werden.
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#14
Der BGS in seiner ehemaligen Form existiert nicht mehr.
Wenn wir hier von neuen Konzepten unter diesem Namen sprechen, dann geht es dabei lediglich darum, es sich zunutze zu machen, dass der Begriff bereits im Grundgesetz verankert ist und dadurch die Möglichkeit eröffnet, eine Wehrpflichtigenorganisation außerhalb der Bundeswehr aufzustellen. Die hat dann mit dem ehemaligen BGS nichts gemeinsam außer dem Namen und eben dieser Verankerung im Grundgesetz.

Und warum überhaupt eine von der BW unabhängige Wehrpflichtigen-Streitkraft aufbauen?
Z.B. weil man so die Bundeswehr von den Altlasten der LV befreien und mit Fokussierung auf BV/IKM weiter professionalisieren kann. Eine reine Berufsarmee ist außerhalb der Landesverteidigung sehr viel effizienter als eine solche, die Rücksicht nehmen muss auf die rechtlichen und sonstigen Besonderheiten von Wehrpflichtigen und die dafür notwendige Strukturen und Personal vorhalten muss.

Hinzu kommen politische Argumente hinsichtlich der einfacheren verfassungsrechtlichen Umsetzung und der zu erwartenden höheren gesellschaftlichen Akzeptanz für eine Wehrpflicht, die ausschließlich der Landesverteidigung und inneren Sicherheit sowie der gesamtgesellschaftlichen Resilienz dient, ohne Bezug zu fragwürdigen Auslandseinsätzen, völlig überteuerter High-Tech-Rüstung, diskussionswürdigen Traditionen und vermeintlichen Skandalen innerhalb der BW.

Ein neu aufzustellender BGS bietet auch sehr viel mehr Spielraum hinsichtlich seiner inneren Organisation und Ausrichtung sowie Aufgabenstellung. Da das Konzept mit einer allgemeinen Dienstpflicht einhergeht, ist das u.a. deshalb von hoher Relevanz, weil es Möglichkeiten eröffnet, mit dem Thema Verweigerung anders umzugehen als bei einem Territorialheer innerhalb der BW. So könnte es bspw. von vornherein auch unbewaffnete Einheiten bei diesem neuen BGS geben, so dass die Hürden für eine Verweigerung eklatant angehoben würden. Keine Pflicht zum "Kriegsdienst mit der Waffe" - also auch keine Kriegsdienstverweigerung nach Art.12a (2) GG, es bleibt lediglich die Totalverweigerung. Innerhalb der BW wäre das kaum umsetzbar.


Ich hab' hier jetzt kein konkret zu bewertendes Konzept vorliegen, da der Vorschlag ja von Quintus kam und noch nicht von ihm ausformuliert wurde, aber es gibt viele denkbare Gründe, warum man sich dem Instrument des BGS bedienen könnte, wenn man beabsichtigt, eine mehr oder weniger allgemeine Wehr-/Dienstpflicht umzusetzen.
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#15
(22.08.2024, 18:57)Broensen schrieb: Der BGS in seiner ehemaligen Form existiert nicht mehr.
Wenn wir hier von neuen Konzepten unter diesem Namen sprechen, dann geht es dabei lediglich darum, es sich zunutze zu machen, dass der Begriff bereits im Grundgesetz verankert ist und dadurch die Möglichkeit eröffnet, eine Wehrpflichtigenorganisation außerhalb der Bundeswehr aufzustellen. Die hat dann mit dem ehemaligen BGS nichts gemeinsam außer dem Namen und eben dieser Verankerung im Grundgesetz.
Was die Organisation, die sich auf diese Verankerung beruft, sein, tun und lassen darf, ergäbe sich aber ebenfalls aus dem geschriebenen bzw. gesetzten Verfassungsrecht. Eine solche Organisation wäre zwangsläufig eine Neuauflage des BGS alter Schule. Und wo sie sich erheblich davon zu unterscheiden beginnt, müsste die Verfassung dennoch geändert werden.
Mehr dazu im Folgenden.
(22.08.2024, 18:57)Broensen schrieb: Und warum überhaupt eine von der BW unabhängige Wehrpflichtigen-Streitkraft aufbauen?
Z.B. weil man so die Bundeswehr von den Altlasten der LV befreien und mit Fokussierung auf BV/IKM weiter professionalisieren kann.
Dieser Ansatz ist meines Erachtens schon deswegen abzulehnen, weil er den (aus militärischer und geostrategischer Sicht) Trugschluss salonfähig macht, dass Landes- und Bündnisverteidigung nicht dasselbe seien.

Auf absehbare Zeit gibt es nur einen staatlichen Akteur, der fähig und willens sein könnte, Deutschland militärisch zu bedrohen: Russland.

Eventuell tritt noch der Iran hinzu, wenn es zum Krieg zwischen den USA und Iran kommen oder Deutschland sein Engagement für Israel verstärken sollte; aber selbst dann würde sich die Gefahr für das Bundesgebiet auf bestimmte Bedrohungen beschränken. Iranische Panzer wird man nicht in Deutschland sehen.

Zu Lande, zu Luft und zu Wasser ist Deutschland nur von Russland bedroht. Alles russische Offensivpotential muss aber Polen bzw. das Baltikum durchqueren, um im Bundesgebiet zu wirken. Und selbst wenn wir mal so tun, als wäre es politisch möglich, dass Deutschland EU- bzw. NATO-Länder, Nachbarn und Handelspartner im Stich lässt, macht es absolut keinen Sinn zu warten, bis russisches Offensivpotential sich in Deutschland entfaltet. Es wäre im Gegenteil im deutschen Interesse, dafür zu sorgen, dass es nicht bis zu uns durchbricht.

Die Amerikaner haben ja auch nicht aus Großherzigkeit die NATO aufgebaut und über vierzig Jahre Millionen Soldaten und hunderte Milliarden Dollar zur Verteidigung v.a. Deutschlands bereitgestellt. Nein, sie haben auf diese Weise sichergestellt, dass jeder konventionelle Krieg zwischen ihnen und der Sowjetunion nicht auf amerikanischem Boden ausgetragen werden müsste.

Wenn also die Tatsache, dass die Verteidigung der NATO-Außengrenzen für uns von elementarem Interesse ist, der Bevölkerung wirklich nicht zu vermitteln sein sollte, haben wir ein sehr viel tieferes Problem als Detailfragen hinsichtlich der künftigen Organisation der Streitkräfte.
(22.08.2024, 18:57)Broensen schrieb: Eine reine Berufsarmee ist außerhalb der Landesverteidigung sehr viel effizienter als eine solche, die Rücksicht nehmen muss auf die rechtlichen und sonstigen Besonderheiten von Wehrpflichtigen und die dafür notwendige Strukturen und Personal vorhalten muss.
Im Verteidigungsfall – und dies wäre der Bündnisfall –, könnten Wehrpflichtige auch jenseits der deutschen Grenzen eingesetzt werden.

Und ich sehe nicht, warum es quasi ein Naturgesetz sein sollte, dass eine Wehrpflichtarmee schwierig und schwerfällig zu organisieren ist. Deutschland müsste halt nur die Bereitschaft zeigen, von seinem hochproblematischen "Haben wir immer so gemacht" endlich einmal abzugehen, und andere Wege zu gehen. Schweden und Finnland zeigen, wie eine Wehrpflichtarmee flexibel und effektiv organisiert werden kann.
(22.08.2024, 18:57)Broensen schrieb: Hinzu kommen politische Argumente hinsichtlich der einfacheren verfassungsrechtlichen Umsetzung
Die ("militärische") Wehrpflicht könnte schon morgen per Bundestagsbeschluss wieder eingeführt werden. Sie wurde nur einfachgesetzlich ausgesetzt. Für die Frage der Wehrgerechtigkeit gibt es durchaus praktikable Lösungsansätze (z.B. Losverfahren), die teils schon seit Jahrzehnten in den Grundgesetzkommentaren stehen.

Sie werden bloß deshalb nicht diskutiert, weil das Problem der Wehrpflicht aus politischer Sicht unlösbar bleiben muss. Die gegenwärtigen Regierungsparteien stehen für die Wehrpflicht nicht zur Verfügung, da sie sich sowieso im freien Fall befinden und nicht auch noch die zur politischen Linken tendierenden Jungen vergraulen dürfen. CDU/CSU hingegen wollen zwar die Wehrpflicht wieder einführen, die Wehrgerechtigkeit muss ihnen aber als Notausknopf erhalten bleiben, sollten sie die Forderung in Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können.

Der Wiederaufbau einer paramilitärischen Bundespolizei mit Dienstpflicht scheint mir da rechtlich sehr viel schwieriger zu stemmen.
(22.08.2024, 18:57)Broensen schrieb: und der zu erwartenden höheren gesellschaftlichen Akzeptanz für eine Wehrpflicht, die ausschließlich der Landesverteidigung und inneren Sicherheit sowie der gesamtgesellschaftlichen Resilienz dient, ohne Bezug zu fragwürdigen Auslandseinsätzen, völlig überteuerter High-Tech-Rüstung, diskussionswürdigen Traditionen und vermeintlichen Skandalen innerhalb der BW.
Ehrlich gesagt, dreht sich meiner Wahrnehmung nach die Debatte kaum um die von Dir angesprochenen Themen. Die größte gesellschaftliche Hürde bleibt die Frage, was die Gesellschaft vom Einzelnen verlangen darf, und was die Älteren von den Jüngeren. Zuletzt kommt noch eine wachsende Staatsferne in bestimmten Milieus hinzu.

Die anderen Punkte halte ich für wenig relevant, zumindest in der Konsequenz. Wer z.B. dazu bereit ist, eine Wehrpflicht aufgrund von "fragwürdigen Auslandseinsätzen" abzulehnen, und dabei ignoriert, dass Wehrpflichtige ohnehin niemals im Ausland eingesetzt wurden, der hat ein wesentlich grundlegenderes Problem mit der Institution Bundeswehr oder gar dem Staat, dem sie dient.

Auch glaube ich nicht, dass ein deutlicherer Bezug zur inneren Sicherheit die Akzeptanz stärken würde. In Österreich z.B. gilt der Assistenzeinsatz im Grenzschutz sogar als einer der Hauptgründe dafür, warum immer mehr Wehrpflichtige verweigern und immer weniger Wehrdiener sich für eine Karriere beim Bundesheer entscheiden. Kann ich persönlich zwar nicht nachvollziehen, ich selbst hätte lieber an der frischen Luft Grenzen bewacht als in muffigen Kasernen aus den 1930er Jahren Däumchen gedreht, aber sei's drum …

Ich wundere mich übrigens, dass Du ausgerechnet hier größere gesellschaftliche Um- bzw. Durchsetzungsschwierigkeiten siehst als bei der Idee, den BGS als "Grenzschutzlandesverteidigungspolizei" mit Dienstpflicht wiederaufzustellen und zur Trägerin der inneren Sicherheit zu machen.

Ein solcher Vorstoß könnte nach der heutigen Rechtsprechung durchaus verfassungswidrig sein.

Das Grundgesetz verbietet den Streitkräfteeinsatz im Innern im Regelfall. Dabei geht es ihm aber um die abstrakte Gefahr, die eine schwer bewaffnete, streng hierarchisierte Organisation für das Primat des Zivilen darstellt; denn die theoretische Möglichkeit, per Gesetz oder Verordnung die Befugnisse der Streitkräfte im Inlandseinsatz auf das Maß der Polizei (oder sogar darunter) zu beschränken, reicht ja gerade nicht aus, die Bedenken des GG zu zerstreuen (vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Depenheuer GG Art. 87a Rn. 167-171). Wenn das GG aber aufgrund des bloßen "Was wäre wenn" die innere Sicherheit der Bundeswehr nicht anvertrauen will, muss das Gleiche auch für eine Armee gelten, die sich Bundesgrenzschutz nennt, aber militärisch ausgestattet und organisiert ist.

Der paramilitärische Aspekt des alten BGS war nur verfassungsrechtlich zulässig, weil die Organisation einen recht begrenzten Umfang hatte. Würde man den BGS heute militärisch neuaufstellen und ihn per entsprechender Ausstattung und Befüllung mit Wehrpflichtigen zur Landesverteidigung befähigen, dürfte Karlsruhe das als Versuch werten, § 87a Abs. 2 GG zu umgehen. Das, worüber Ihr diskutiert, wäre ja auftragsnotwendig eine Organisation mit einem eher sechs- als fünfstelligen Personalbestand.

Davon abgesehen dürfte die Neuaufstellung einer paramilitärischen Organisation für das Inland heute hochgradig umstritten sein, gerade im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima. Da stimmen die Parteien (bzw. ihre Anhänger) links der Mitte und die extreme Rechte eher einer Neuauflage der Wehrpflicht zu, als dass sie diesen Weg gehen werden.
(22.08.2024, 18:57)Broensen schrieb: Ein neu aufzustellender BGS bietet auch sehr viel mehr Spielraum hinsichtlich seiner inneren Organisation und Ausrichtung sowie Aufgabenstellung. Da das Konzept mit einer allgemeinen Dienstpflicht einhergeht, ist das u.a. deshalb von hoher Relevanz, weil es Möglichkeiten eröffnet, mit dem Thema Verweigerung anders umzugehen als bei einem Territorialheer innerhalb der BW. So könnte es bspw. von vornherein auch unbewaffnete Einheiten bei diesem neuen BGS geben, so dass die Hürden für eine Verweigerung eklatant angehoben würden. Keine Pflicht zum "Kriegsdienst mit der Waffe" - also auch keine Kriegsdienstverweigerung nach Art.12a (2) GG, es bleibt lediglich die Totalverweigerung. Innerhalb der BW wäre das kaum umsetzbar.

Ich hab' hier jetzt kein konkret zu bewertendes Konzept vorliegen, da der Vorschlag ja von Quintus kam und noch nicht von ihm ausformuliert wurde, aber es gibt viele denkbare Gründe, warum man sich dem Instrument des BGS bedienen könnte, wenn man beabsichtigt, eine mehr oder weniger allgemeine Wehr-/Dienstpflicht umzusetzen.
Ehrlich gesagt … Jedes Mal, wenn jemand auf die Wehrdienstverweigerer oder die Notwendigkeit der Neuorganisation der Bundeswehr bei einer Rückkehr zur Wehrpflicht abstellt, liest sich das für mich nicht als Argument gegen die Rückkehr zur Wehrpflicht, sondern als Argument dagegen, überhaupt irgendetwas zu tun. Ist nicht böse gemeint, ist aber mein Eindruck.

Die Rückkehr zur Wehrpflicht könnte die Neuorganisation der Bundeswehr sogar erheblich vereinfachen und vorantreiben, weil sie auch dem reformmüden Personal einen konkreten Anhaltspunkt liefern würde, wohin die Reise geht und was bewerkstelligt werden soll.

Und auch das Recht, den Dienst an der Waffe zu verweigern, lässt sich organisatorisch verfassungskonform leicht darstellen, wenn man nur die Interessensgruppen im Bereich Pflege und Soziales mal außen vor lässt.

Was ist die Wehrpflicht, aus Sicht des GG? Sie ist ein im Interesse der Allgemeinheit für gerechtfertigt gehaltener Eingriff in die Grundrechte, v.a. Art. 3 II GG (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts), von Art. 11 I GG (Freizügigkeit) und Art. 12 I GG (freie Berufswahl).

Wer sich dieser Belastung unter Berufung auf sein Gewissen entzieht, ist im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG ähnlich zu belasten wie der Wehrdienstleistende. Dass die Belastung nur "ähnlich" sein muss, ergibt sich schon daraus, dass sie niemals gleich sein kann. Kein vorstellbarer Wehrersatzdienst wäre ähnlich körperlich anspruchsvoll sowie potentiell gefährlich wie der Dienst an der Waffe.

Es braucht also zur Herstellung von Wehrgerechtigkeit gar keinen organisierten Wehrersatzdienst. Es könnte z.B. genügen, den Wehrdienstverweigerer zu einem finanziellen Beitrag zur Landesverteidigung zu verpflichten. Dann zahlt er eben für soundsoviel Jahre einen erhöhten Steuersatz.

Aber sogar wenn man diesen Weg nicht gehen will, müsste man nicht zum Wehrersatzdienst alter Schule zurückkehren. Bei den Feuerwehren etwa besteht akuter Mitgliedermangel. Mir ist nicht klar, was dagegenspräche, Wehrdienstverweigerer dazu anzuhalten, bei ihrer nächstliegenden Feuerwehr vorstellig zu werden.

Einige Eurer Bedenken aufgreifend, wäre mein Vorschlag: Kehren wir zur Wehrpflicht zurück. Der Wehrersatzdienst entfällt; die Verweigerer zahlen eine Abgabe oder gehen zu Feuerwehr und THW. Wir nehmen den Paradigmenwechsel als Anlass zu einer umfassenden Reform.

Die militärischen Organisationsbereiche werden rückabgewickelt (denn die Protokolle der Weizsäcker-Kommission sprechen jeder Behauptung Hohn, dass diese Organisationsform kriegstauglich wäre). Die wenigen wirklich querschnittlichen Aufgaben (z.B. stationäre sanitätsdienstliche Versorgung im Inland, strategische Aufklärung) können in Fähigkeitskommandos gebündelt werden.

Dazu zählen für mich auch die Spezialkräfte. Denn die Benachteiligung des KSM bei der Ausstattung durch die Flotte, die tatsächlichen und eingebildeten Skandale des KSK, sowie die langhaltenden Wehen der Luftwaffe bei der Aufstellung von CSAR-Fähigkeiten, legen für mich nahe, dass alle Spezialkräfte der Bundeswehr in einem Kommando gebündelt dem Generalinspekteur oder seinem Stellvertreter unterstellt werden sollten.

Dann: Zusätzlich zu Heer, Luftwaffe und Marine wird als vierte Teilstreitkraft eine Heimatschutzorganisation nach nordischem Vorbild aufgebaut. Die kann gerne Landwehr, Nationalgarde oder was auch immer heißen.

Diese Landwehr aus freiwilligem Stammpersonal und Wehrpflichtigen würde dem militärischen Heimat- und Objektschutz und der zivil-militärischen Zusammenarbeit im Katastrophenfall dienen, und könnte auch als Rekrutierungspool für das Feldheer dienen. Er sollte nach dem Vorbild der nordischen Heimwehren möglichst dezentral aufgestellt sein, damit Ortskenntnis und -verwurzelung entsteht.

Wenn man z.B. ein Landwehrbataillon á ca. 500 Soldaten je 250.000 Einwohner rechnet, was im Groben und Ganzen einem Bataillon pro Land- oder Stadtkreis entspricht (bei größeren Kreisen wäre es natürlich anteilig mehr Verbände), käme man auf eine Heimwehr von gut 150.000 Soldaten.

Das scheint mir nicht unrealistisch. Und mit ein bisschen Flexibilität (ich weiß, wir leben in Deutschland, aber trotzdem) ließen sich, auch angesichts des begrenzten Auftrags, die Infrastrukturmaßnahmen in Grenzen halten.
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