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Ich glaube da verfolgt man auch langfristige Ziele und möchte die Lücke füllen, die die USA hinterlassen haben. Der Einfluss der USA schwindet mit dem zunehmenden Engagement von Russland und anderen Ländern in der Region. Vorallem da die USA ihre Integrität als zuverlässiger Verbündeter in der Gegend bei Staaten wie dem Irak verspielt haben.
Frag mich manchmal, ob die Neokonservativen in den USA nachts noch ruhig schlafen können, bei den Entwicklungen im Nahen Osten. Oder ob sie sich schon schweißgebadet von einer Seite des Bettes zur anderen winden.
Wenn das weiter so geht und die USA weiterhin diesen Kurs durchziehen, könnte das Gefüge auf der Welt gewaltig ins Schwanken geraten. Vorallem in der Region würde das einer Neuordnung gleichkommen.
Russland etabliert sich gerade als neue politische Macht in dieser Gegend. Wenn China das mitunterstützt, hat das enormes Potenzial. Ein Machtblock von Syrien bis Iran mit der politischen Unterstützung Chinas und Russland. Die USA als Akteur in dieser Region wäre nicht mehr handlungsfähig. Das wäre ein Wendepunkt der die nächsten Jahrzehnte deutlich prägen würde und auch Europa vor größere Herausforderungen stellen würde. Eine Stunde Null für diesen Teil der Erde im Nahen Osten.
Obama weis das und es ist kein Versehen.
Um die Bekämpfung des IS geht es schon lange nicht mehr. Dort wird Machtpolitik betrieben um Einfluss. Der IS ist nur der Türöffner.
Mit großen Staunen verfolge ich die Ereignisse der letzten Tage und Wochen und irgendwie möchte ich mir fast ganz konfus die Augen reiben, da ich es niemals für möglich gehalten hätte, dass sich die USA so zurückhaltend in der Angelegenheit verhalten. Schon fast tatenlos. Man überlässt jeglichen Einfluss in der Region anderen Ländern. Ohne Anstalten zu machen.
Bin gespannt wie man sich im Hinblick auf Afghanistan verhalten wird. Sobald man sich zurückziehen wird. Werden die Taliban das Land beherrschen und ein weiteres Land entzieht sich jeglicher westlicher Kontrolle.
Wenn der Westen wirklich den Zugriff auf diese Regionen verliert kann das auch starke Probleme für Europa bedeuten, da man faktisch alleine dasteht. Die USA wollen nicht mehr und die EU kann es selber nicht. Die EU ansich ist völlig handlungsunfähig und kann keine Machtpolitik. Das ist ein großes Problem.
Nur mal als weiterführender Gedanke. Natürlich alles Spekulation und nur eine Möglichkeit.
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Die Involvierung der Russen in Syrien gegen den IS (mutmaßlich, wobei man fragen könnte, ob es darum geht, den IS zu bekämpfen, oder nur darum, Assad zu unterstützen) hat offenkundig bei den Golfanrainern für einige Verstimmung gesorgt. Anscheinend nimmt man nun dort die russische Einmischung zum Anlass, über neue Waffenlieferungen an Rebellen- und Islamistengruppen nachzudenken...
Zitat:Gulf Arabs 'stepping up' arms supplies to Syrian rebels
Saudi Arabia is responding to the recent Russian air strikes on Syrian rebels by stepping up its supplies of lethal weaponry to three different rebel groups, a Saudi government official has told the BBC. [...]
He said those groups being supplied did not include either Islamic State (IS) or al-Nusra Front, both of which are proscribed terrorist organisations. Instead, he said the weapons would go to three rebel alliances - Jaish al-Fatah (Army of Conquest), the Free Syrian Army (FSA) and the Southern Front. [...] The official added that Qatar and Turkey have been instrumental in maintaining Saudi support for Sunni rebels fighting both Assad's forces and, at times, the extremists of IS. Russia brands as terrorists all rebels opposing its ally, President Assad, including those trained by the US.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.bbc.com/news/world-middle-east-34479929">http://www.bbc.com/news/world-middle-east-34479929</a><!-- m -->
Es liest sich zwar nett, aber anzunehmen, dass saudische Waffenhilfen nicht irgendwann bei al-Nusra und Co. landen würden, wirkt unglaubwürdig und ist Augenwischerei.
So nennen die Saudis selbst z. B. die sog. "Südfront" der Rebellen als eines der Ziele einer Unterstützung. Diese "Südfront" allerdings besteht aus einer Vielzahl von kaum zu kontrollierenden Gruppen (mehr als 20?), von denen einige nachweislich einen islamistischen Hintergrund haben und auch offen mit der al-Nusra kooperieren. Gleiches gilt auch für die genannte Jaish al-Fatah ("Army of Conquest"), die bspw. die salafistisch-islamistische Ahrar ash-Sham (eine Gruppe, die wiederum aus Gruppen besteht) unter ihren Fittichen hat. Insofern dürften die saudischen Waffen über früh oder spät in den Händen auch von Islamisten landen, selbst wenn man pressewirksam seitens der Saudis davon redet, dass man dies nicht beabsichtigt.
Schneemann.
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Sven Ortmann hat eine interessante These aufgestellt die ich selbst auch schon vor geraumer Zeit mal ähnlich angedacht hatte weil Shahab3 hier im Forum darüber geschrieben hatte, dass lokale Milizen in diesem Krieg eine Lösung sein könnten, was ich bezweifelte:
Seine These ist, dass die lokalen Milizen zu wenig mobil sind um den IS ernsthaft bekämpfen zu können weil sie keinen Schwerpunkt bilden können und umgekehrt der IS aufgrund der Herkunft seiner Kämpfer hochmobil ist und damit Schwerpunkte bilden kann.
Im Umkehrschluss ist für mich die zwingende Schlußfolgerung, dass nur eigene Bodentruppen vor Ort, dass nur eine Besetzung Syriens und von Teilen des Irak durch unsere eigenen Streitkräfte hier eine Lösung sein kann. Und zwar um die These von Herr Ortmann aufzugreifen: weil nur wir die notwendige Mobilität haben, um gegen den IS wirklich ausreichende Kräfte jeweils zusammen ziehen zu können.
Der Bodenkrieg in Syrien und Teilen des Irak ist unumgänglich, die Fern- und Nebenwirkungen wenn wir uns dem weiter verweigern unübersehbar schlimm bis hin zu einem Flächenbrand und größeren Kriegen zwischen Iran, SA usw
Wir müssen hier und jetzt Krieg führen, einen Bodenkrieg.
Wir müssen hier und jetzt zusammen mit den Russen Syrien und den Irak besetzen und aufspalten und neue Staaten schaffen.
Wenn uns das nicht gelingt (aus Feigheit!, aus Handlungsunfähigkeit! aus Kriegsunfähigkeit!) werden die Folgen unabsehbar katastrophal sein !
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Das folgende Video zeigt angeblich russische Kampfhubschrauber in Syrien im Kampf gegen den IS (oder wen auch immer):
<!-- m --><a class="postlink" href="https://www.youtube.com/watch?v=H8ujh0HrhJs">https://www.youtube.com/watch?v=H8ujh0HrhJs</a><!-- m -->
Der Fehler den "der Westen" macht ist, den Charakter des IS als Befreiungsbewegung zu übersehen. So reaktionär die blutrünstige Ideologie auch sein mag, für die Hungerleider vor Ort ebenso wie für die Unterstützer und Terrortouristen aus aller Welt ist der Dschihadismus eine emanzipatorische Ideologie. Er verschafft den Armen und Doofen der Welt Stimme und Geltung. Er bedroht die Vorherrschaft der wahlweise Juden, Kapitalisten, Kommunisten (das hängt von der jeweiligen Lage ab) sowie ihren "Handlangern". Anders als bei sozialistischen Ideen ist das individuelle Leben dabei wertlos. Das Selbstopfer ist kein Preis den man zahlt, sondern ein Gewinn.
Alles was man dagegen militärisch tut bestärkt den Glauben und zieht mehr Anhänger an. Jede militärische Lösung müsste also im demographischen Maßstab wirken, denn das Nachwuchspotential an jungen Männern ist trotz aller bisherigen Maßnahmen unaufhörlich steigend. Geographische Abgrenzung ist kurz- und mittelfristig alles was man tun kann, befreite Gebiete schaffen, deren Bewohner ihren privilegierten Status zu schätzen wissen und ihn an den Grenzen verteidigen.
Wenn es nicht gelingt, dem Dschihadismus auch ideologisch zu begegnen bleibt das ein Kampf gegen Windmühlen. Dass auch Putin darauf vor 14 Jahren bereits hingewiesen hat, sollte uns nicht davon abhalten darüber nachzudenken.
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@Mitleser
Ich denke, dass der Begriff des "Dschihadismus" hier gewaltig an Wirkung und Inhalt überschätzt wird. Wenn die gesellschaftliche Sogwirkung wirklich so hoch wäre, würde die Anhängerschaft von IS und Konsorten größer sein als 10.000 oder 20.000 aktive Kämpfer (was anbei das reine "Mitläufertum" betrifft, so müsste man wiederum zudem bedenken, dass viele Menschen im IS-Machtbereich schlicht die Klappe halten, um nicht massakriert zu werden; allerdings ist es schwierig hier genaue Zahlen zu kriegen). Dabei gäbe es in der Region ja "noch viel mehr Arme und Doofe" (um deine Formulierung mal aufzugreifen), die dem Dschihadismus deiner Definition nach nachlaufen müssten. Dem ist aber offenkundig nicht so. D. h., dass dies also nicht die Erklärung sein kann.
Nein, vielmehr ist der IS ein Konstrukt einiger Drahtzieher, die sehr genau und gut geplant diese Organisation aufgebaut haben und dabei ausnutzen, dass ihnen wenig Widerstand in den ärmeren Bereichen entgegentreten wird, auch weil das Umfeld evtl. durch Kriege zuvor ausgeblutet und zermürbt und durch generell schlechte Infrastrukturverhältnisse geschwächt ist (v. a. in Syrien). Trifft die Organisation jedoch auf ein zumindest halbwegs gefestigtes und funktionierendes System, so fährt sie sich mit ihrer Taktik schnell fest. Dies kann man in den autonomen Kurdengebieten des Nordirak erkennen. Die Kämpfe waren sicherlich heftig, aber letztlich ist die Taktik des IS (Ausspionieren eines Gebietes, dann schnelle Vorstöße) dort bislang gescheitert.
Zitat:Jede militärische Lösung müsste also im demographischen Maßstab wirken, denn das Nachwuchspotential an jungen Männern ist trotz aller bisherigen Maßnahmen unaufhörlich steigend.
Wie ist das denn zu verstehen? Eine "militärische Lösung im demographischen Maßstab" hieße ja, die jungen Männer gezielt zu dezimieren. Und das kann sicher nicht die Lösung sein, weil dies wäre dann schlicht Massenmord.
Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass die eklatanten Umbrüche im Nahen Osten in den letzten Jahren auch ihre Ursache in der Demographie haben (ohne die vielen jungen Menschen und ihre Perspektivlosigkeit wären die Unruhen des arabischen Frühlings gegen die zahlreichen Potentaten des Nahen Ostens sicher so nicht erfolgt), aber d. h. nicht, dass nun jeder frustrierte junge Muslim begierig darauf wäre, es sich dem Dschihadismus hinzugeben. Das wäre zu einfach gedacht und wird der Realität auch nicht gerecht; im Gegenteil: die meisten jungen Menschen wollen einfach nur leben und eine Perspektive haben, da aber ihnen in Diktatur, Bürgerkrieg und Islamismus keine geboten wird (außer ein paar Extremisten, die es aber überall gibt), flüchten sie. Und sie flüchten bevorzugt dorthin, wo sie am ehesten noch eine Chance sehen - in den Westen...
Schneemann.
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Quintus Fabius schrieb:Wir müssen hier und jetzt Krieg führen, einen Bodenkrieg. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Ihr müsst gar nichts, ihr wisst ja wie effektiv ihr in Afghanistan performt habt. Hier ist es noch viel komplizierter, weil viel mehr Parteien mit völlig unterschiedlichen Interessen, mitmischen.
Zitat:Wir müssen hier und jetzt zusammen mit den Russen Syrien und den Irak besetzen und aufspalten und neue Staaten schaffen.
Du willst ja schlussendlich den Leuten helfen?! Schau mal an wie sich die Länder die von den Russen befreit oder besetzt wurden, unter ihren Fittichen entwickelt haben! Da ist nichts Positives zu vermelden. Du hast ein viel zu positives Bild von den Russen, die haben den ganzen Ostblock runter gewirtschaftet. Sie haben keinerlei Plan wie man eine Gesellschaft zu mehr Wohlstand führen kann. Was sie bieten, ist Staat, Militär, Kontrolle, Ausgrenzung und Repression. Viele asiatische Staaten haben die Russen längst überholt, einzig die militärische Stärke kann Russland noch in die Waagschale werfen und das machen sie jetzt auch.
Zitat:Wenn uns das nicht gelingt (aus Feigheit!, aus Handlungsunfähigkeit! aus Kriegsunfähigkeit!) werden die Folgen unabsehbar katastrophal sein !
Ach was, nichts zu tun (militärisch) ist auf jeden Fall eine Option. Das kann man ja an der katastrophalen Politik von Bush / Republikaner sehen. Die hatten nach 9/11 auch das Gefühl, dass sie in Aktionismus verfallen müssen. Das Find ich generell mal ein Thema was wir diskutieren könnten, dass die Presse in völlig schwachsinniger Weise, Politiker zur Aktion zwingt. Auch hier im SPON gibt es immer wieder Artikel, die ein Eingreifen mit Bodentruppen fordern, obwohl man weiss welches Chaos im Irak dadurch entstanden ist.
Obama wird ja oft als handlungsunfähig beschrieben, aber in meinen Augen macht er genau die richtige Politik. Auch als "Weltpolizist" macht es keinerlei Sinn sich überall einzumischen um "Stärke" zu beweisen. Es ist keine Stärke überall reinzuhauen, man macht sich ja selber völlig handlungsunfähig wenn man immer wieder undifferenziert Gewalt anwendet / nicht selten auch dazu gezwungen wird. Ab einem gewissen Punkt kannst du es niemandem mehr Recht machen, weil du immer zur Parteinahme gezwungen wirst.
Nehmen wir das Beispiel Bush und wie er die Handlungsfähigkeit der USA mehr oder weniger auf Null reduziert hat. Durch diese (Boden)Kriege hielt am Schluss nur noch der treueste Verbündete GB zu den USA, aussenpolitisch war man doch völlig isoliert und konnte keinerlei Koalitionen mehr schmieden. Zurückhaltendes, überlegtes Vorgehen ist auf lange Sicht immer besser, als der konfrontative und häufig auch völlig naive, kriegerische Ansatz der z.B. im republikanischen Lager der USA stark verbreitet ist.
@Schneemann
Zitat:so müsste man wiederum zudem bedenken, dass viele Menschen im IS-Machtbereich schlicht die Klappe halten, um nicht massakriert zu werden; allerdings ist es schwierig hier genaue Zahlen zu kriegen). Dabei gäbe es in der Region ja "noch viel mehr Arme und Doofe" (um deine Formulierung mal aufzugreifen), die dem Dschihadismus deiner Definition nach nachlaufen müssten. Dem ist aber offenkundig nicht so. D. h., dass dies also nicht die Erklärung sein kann.
So wie du dir das vorstellst, kann es aber auch nicht sein, sonst hätten das die Amerikaner mit den heimischen Sicherheitskräften im Irak lösen können. Meiner Meinung nach gibt es viel mehr Indizien, dass der Fundamentalismus tief in die Bevölkerung hineinreicht, sonst hätte man all diese Leute längst verraten und die Iraker hätten das Problem selber lösen können. Aber offensichtlich ist es nicht so, das Chaos kann sich wieder ausbreiten, weil die Leute heillos zerstritten sind, in Syrien und im Irak.
Zitat:Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass die eklatanten Umbrüche im Nahen Osten in den letzten Jahren auch ihre Ursache in der Demographie haben (ohne die vielen jungen Menschen und ihre Perspektivlosigkeit wären die Unruhen des arabischen Frühlings gegen die zahlreichen Potentaten des Nahen Ostens sicher so nicht erfolgt), aber d. h. nicht, dass nun jeder frustrierte junge Muslim begierig darauf wäre, es sich dem Dschihadismus hinzugeben.
Es wäre aber einfach wenn sich diese Leute einig wären, dann man es mit einer homogenen Meinung zu tun hätte. Erstaunlicherweise sind es aber nicht die Alten die den Fundamentalismus in der Form nach vorne treiben, es sind die Jungen die Zugriff auf die Medien haben und sich ja auch ein ganz anderes Bild der Welt machen könnten. Ist aber nicht so, sie wollen durch Gewalt und nicht durch Arbeit und Demokratie, "ihren" Anteil holen. Meiner Meinung nach halt zum grossen Teil selber Schuld, man hatte ja im Irak die Möglichkeit es selbst in die Hand zu nehmen, selbst zu bestimmen, selbst die destruktiven Elemente zu verraten. Aber nein, man hat es selbst vergeigt und sich freiwillig durch völlige Zerstrittenheit entmachtet, und alles selbst verspielt. Man hätte sich auch gütlich trennen können, auch das hätte man mit Vernunft sicher hingekriegt. Die Vernunft ist in der Region einfach nicht vorhanden, das sieht man ja am Beispiel Israel, wo gemeinhin alles in demokratischen Bahnen abläuft. Aber du kannst an vielen Ecken und Enden diese Engstirnigkeit und konfrontative Haltung sehen. Es ist wirklich zum Verzweifeln wenn man diesen Leuten zusieht, wie sich selbst Schaden zufügen.
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@phantom
Zitat:So wie du dir das vorstellst, kann es aber auch nicht sein, sonst hätten das die Amerikaner mit den heimischen Sicherheitskräften im Irak lösen können. Meiner Meinung nach gibt es viel mehr Indizien, dass der Fundamentalismus tief in die Bevölkerung hineinreicht, sonst hätte man all diese Leute längst verraten und die Iraker hätten das Problem selber lösen können. Aber offensichtlich ist es nicht so, das Chaos kann sich wieder ausbreiten, weil die Leute heillos zerstritten sind, in Syrien und im Irak.
Ich habe zu diesem Umstand einmal (im Mai d. J.) eine kleine Zusammenfassung im Strang über die irakischen Streitkräfte (<!-- l --><a class="postlink-local" href="http://www.forum-sicherheitspolitik.org/viewtopic.php?f=39&t=1694&start=180">viewtopic.php?f=39&t=1694&start=180</a><!-- l -->) verfasst. Auszugsweise, weswegen es dennoch zu einem solchen US-Dilemma bezüglich "heimischer Sicherungskräfte" gekommen ist, möchte ich diese noch einmal hier einstellen.
Zitat Schneemann:
Zitat:...a) lässt sich sagen, dass es Anzeichen gibt, wonach 1.) vor allem die sunnitischen Soldaten der NIA wenig Bereitschaft haben, gegen ihre eigenen (wenngleich auch oftmals und weitgehend umstrittenen, gefürchteten und angefeindeten) sunnitischen "Glaubensbrüder" vom IS zu kämpfen und sich somit für die schiitische Regierung in Bagdad einzusetzen, von der sie bislang wiederum doch eher wenig zu erwarten hatten. Zudem gab es 2.) schon Fälle, bei denen irakische Soldaten ohne Luftunterstützung ein Vorgehen schlicht verweigerten - das erinnert fast ein wenig an die südvietnamesische Armee (ARVN) in der Endphase des Indochina-Krieges, als südvietnamesische Truppenteile ohne massive US-Luftunterstützung keinerlei Offensivgeist mehr entwickelten und zahlenmäßig haushoch überlegene ARVN-Verbände vor kleineren nordvietnamesischen Kontingenten geradezu auseinanderfielen.
[...]
...b) lässt sich sagen, dass dies teils ein bislang wenig betrachtetes Problem ist. D. h.: Obgleich man auf dem Papier eine Vielzahl von leichteren Waffen, Werfern, MRAPs und sogar einen Artillerie- und Panzerfuhrpark besitzt, kann man diese ganzen Systeme oftmals nicht richtig nutzen, da die Treibstoff- und Munitionslogistik nicht funktioniert und weil man weder eine Wartungs- noch eine Instandhaltungssystematik hat (zumindest keine ausreichende). Zudem gibt es auch noch den Umstand, dass viel US-Ausrüstung, die in Depots den Irakern seit 2011 überlassen wurde, zwar verfügbar ist, es schlicht aber kaum die notwendigen Techniker dafür gibt. Dabei hatten die USA extra sogar ein System zur Ausbildung für irakische Techniker an mehreren Standorten aufgebaut (u. a. in Camp Taji); das Problem war aber, dass die irakische Regierung kaum Interesse an der Einrichtung zeigte, vor allem der schiitische Ministerpräsident al-Maliki (2006 - 2014) muss hier genannt werden, der hier die engere Zusammenarbeit mit den Amerikanern vermutlich aus ideologisch-innenpolitischen Gründen untergrub bzw. tunlichst vermeiden wollte. Das Ergebnis war, dass 50% der geplanten Schulungsteilnehmer überhaupt nicht kamen - wie der Special Inspector General for Iraq Reconstruction (SIGIR) ja auch monierte -, der Rest kam halbherzig und die, die die Kurse mit viel Gewürge abschlossen, würden vermutlich in Deutschland nicht mal zu einer Kfz-Schlosser-Lehre zugelassen werden. Kurzum: Die NIA kann ihr ganzes "Gerümpel" weder richtig nutzen und versorgen noch warten und instandhalten. [...]
........................................
Folgend auf deine Ausführung...
Zitat:Erstaunlicherweise sind es aber nicht die Alten die den Fundamentalismus in der Form nach vorne treiben, es sind die Jungen die Zugriff auf die Medien haben und sich ja auch ein ganz anderes Bild der Welt machen könnten. Ist aber nicht so, sie wollen durch Gewalt und nicht durch Arbeit und Demokratie, "ihren" Anteil holen. Meiner Meinung nach halt zum grossen Teil selber Schuld, man hatte ja im Irak die Möglichkeit es selbst in die Hand zu nehmen, selbst zu bestimmen, selbst die destruktiven Elemente zu verraten. Aber nein, man hat es selbst vergeigt und sich freiwillig durch völlige Zerstrittenheit entmachtet, und alles selbst verspielt. Man hätte sich auch gütlich trennen können, auch das hätte man mit Vernunft sicher hingekriegt.
Jein, das Problem ist, dass eine richtige Entwicklungsbefähigung im politischen und gesellschaftlichen Sinne in Irak quasi ja kaum möglich war. Das Land hat zunächst eine Abfolge von Putschen und Potentaten erlebt, dann die Herrschaft Saddams mit einem dementsprechenden Unterdrückungsapparat, dann zwei verheerende Golfkriege (1980 bis 1988 sowie 1991), danach einen gnadenlosen UN-Sanktionskurs (verbunden mit einem wirtschaftlichen Zusammenbruch), dann einen neuen Krieg 2003 und danach wiederum Chaos und faktisch beinahe völlige Rechtlosigkeit unter einer überforderten Besatzungsmacht. Kurzum: Quasi ist der Irak für beinahe seit 50 Jahren von einer politischen bzw. zivilpolitischen und demokratischen Entwicklung abgekapselt gewesen und erlebte nur Diktatur, Putsche, Kriege, Hunger und Zusammenbrüche. Man kann also der heutigen Generation junger Irakis nur schwer den Vorwurf machen, dass sie "es ja in die Hand hätten nehmen können, aber dass sie es eben vergeigt haben".
Schneemann.
Schneemann schrieb:Zitat:Jede militärische Lösung müsste also im demographischen Maßstab wirken, denn das Nachwuchspotential an jungen Männern ist trotz aller bisherigen Maßnahmen unaufhörlich steigend.
Wie ist das denn zu verstehen? Eine "militärische Lösung im demographischen Maßstab" hieße ja, die jungen Männer gezielt zu dezimieren. Und das kann sicher nicht die Lösung sein, weil dies wäre dann schlicht Massenmord.
Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass die eklatanten Umbrüche im Nahen Osten in den letzten Jahren auch ihre Ursache in der Demographie haben (ohne die vielen jungen Menschen und ihre Perspektivlosigkeit wären die Unruhen des arabischen Frühlings gegen die zahlreichen Potentaten des Nahen Ostens sicher so nicht erfolgt), aber d. h. nicht, dass nun jeder frustrierte junge Muslim begierig darauf wäre, es sich dem Dschihadismus hinzugeben. Das wäre zu einfach gedacht und wird der Realität auch nicht gerecht; im Gegenteil: die meisten jungen Menschen wollen einfach nur leben und eine Perspektive haben, da aber ihnen in Diktatur, Bürgerkrieg und Islamismus keine geboten wird (außer ein paar Extremisten, die es aber überall gibt), flüchten sie. Und sie flüchten bevorzugt dorthin, wo sie am ehesten noch eine Chance sehen - in den Westen...
Schneemann.
Das war keine Forderung von mir, eine Generation Männer umzubringen :wink:
Ich bin nur der Meinung, dass man den IS und die anderen Kopfabschneider nicht anders bekämpfen könnte. Wird schließlich schon eine ganze Zeit lang erfolglos versucht.
Bei den Taliban hieß es auch immer, das seien nur einige Tausend. Einige Tausend, die ein kampferprobtes Millionenvolk trotz militärischer Hilfe des Westens unterdrücken ? Nein, das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen.
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@Schneemann
OK, wir sollten aber nicht zu entschuldigend die Vergangenheit zu Rate ziehen. Wenn ich das alles les was du aufzählst, könnte man zum Schluss kommen, das spätestens jetzt alle die Schnauze voll haben müssten, und kriegsmüde oder von all Kriegsdeppen in den der Region einfach genug haben. Aber offensichtlich ist es nicht so.
Es geht um die Zukunft und da muss man bereit sein, ungute Dinge zu vergessen und konstruktiv an einer besseren Lösung zu arbeiten. Schlussendlich müssen die vernünftigen Kräfte im Irak im Klaren sein, entweder regeln sie es oder der IS übernimmt die Macht und stellt seine Regeln auf. Sprich, man arbeitet im Irak auf eine geregelte Trennung hin oder man rafft sich zusammen und regelt das IS Problem / heisst, erzeugt das nötige Vertrauen in der Bevölkerung durch Kooperation und dann wird sich das IS-Problem vergleichsweise schnell lösen, sofern es nicht wirklich in der Bevölkerung verankert ist.
Ist dem nicht so, und die Bevölkerung ist latent radikalisiert, seh ich keine Lösung. Dann sind diese Leute halt so (ich fürchte es ist so), da gibt es doch keine Ausreden. Man kann doch diese Bevölkerung nicht dauernd aus der Verantwortung nehmen wie das in Europa dauernd geschieht. Die USA sind immer Schuld, das ist eine dümmliche Platte die immer aufgelegt wird. Syrien hat mit den USA nichts zu tun, der ganze gescheiterte arabische Frühling genauso wenig. Diese Leute sind leider zu einem grossen Teil radikal und reinem sich eine seltsame Logik zusammen, wo die muslimische Welt noch sehr gut drin aussieht / Selbstbetrug.
Ich sag ja nicht dass der Einzelne da viel dagegen tun kann, man wird so sozialisiert, die Gesellschaft formt dich. Aber man kann nicht alles immer entschuldigen, wenn der Weg falsch ist kann man nicht dauernd bestätigen. Sie müssen sich ändern.
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Die Stärke des IS ist vor allem anderen dessen Mythos, dass Kalifat zu sein - gerade deshalb legt der IS so großen Wert auf Staatliche Strukturen und hat einen kompletten Quasistaat aufgestellt.
Als bloße Terrorgruppe (unter bzw. neben vielen anderen) würde er immens an Bedeutung verlieren und sich auf Dauer nicht halten können (da der harte Kern seiner Kämpfer nicht endemisch ist in Bezug auf die vorhandenen Stammesstrukturen).
Dem Wunsch der Sunnitischen Stämme nach einem islamistischen Staat frei von schiitischer Vorherrschaft könnte man ebenfalls entsprechen, indem man Irak und Syrien entsprechend aufteilt und die sunnitischen Gebiete beider Staaten in einem neuen Staat zusammen fasst dessen Verfassung und Rechtsprechung dann nach Saudischem Vorbild durchaus der Scharia entstammen können.
Voraussetzung aber ist vor allem anderen die Vernichtung aller quasistaatlichen Strukturen des IS, und dass ist militärisch gesehen gar nicht so schwer. Der radikale Opportunismus der Stämme und die Stammesstrukturen tun dann ihr übriges dazu und am Ende hat man den IS de facto eliminiert, da ein Islamischer Staat ohne Staat seinem eigenen Anspruch nicht weiter genügen kann.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/irak-baidschi-105.html">http://www.tagesschau.de/ausland/irak-baidschi-105.html</a><!-- m -->
Zitat:Die wegen seiner Ölraffinerien wichtige Stadt Baidschi ist von der irakischen Armee zurückerobert worden. Die Stadt nördlich von Bagdad sei "vollständig" unter Kontrolle, meldete die Militärführung. Seitdem der IS Baidschi erobert hatte, arbeiteten die Raffinerien nicht mehr.
Die irakische Armee hat nach eigenen Angaben Baidschi von der Terrormiliz "Islamischer Staat" zurückerobert. Die Stadt sei unter "vollständiger Kontrolle" von Soldaten und verbündeten paramilitärischen Gruppen, teilte die Militärführung mit. Zu Verlusten bei den Gefechten machte er keine Angaben. In der Stadt rund 250 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad stehen viele Raffinerien.
Armee und schiitische Milizen hatten seit Monaten versucht, die wichtige Stadt einzunehmen. In der vergangenen Woche begannen sie eine neue Offensive. IS-Kämpfer waren im Frühjahr in die Raffinerie-Stadt eingedrungen. Die Produktion liegt seitdem brach. Baidschi liegt auf dem Weg in die nordirakische Ölstadt Mossul, die noch vom IS kontrolliert wird.
Die Erfolgsmeldung fiel fast mit der Ankunft des neuen US-Generalstabschefs Joseph Dunford in Erbil zusammen. Dort wollte er sich bei der kurdischen Führung ein Bild von der militärischen Lage machen. Beim Kampf am Boden haben sich die kurdischen Peschmerga als wichtige Verbündete gegen den IS erwiesen.
Eine US-geführte Militärkoalition unterstützt die irakische Regierung mit Luftangriffen. Kritikern in der irakischen Führung verlangen eine deutliche Intensivierung der Bombardements, um den IS zu schwächen.
Zeitgleich mit der Offensive in Syrien.
Ob da russisch-amerikanische Konkurrenz im Spiel ist ? :wink:
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@Mitleser
Das irakische Baiji wurde von den PMF, einer Koalition schiitischer Milizen, zurückerobert. In solchen Fällen wirst Du keinen Amerikaner in der Nähe finden. :wink:
Zitat:World | Tue Oct 6, 2015 1:28pm
How Iranian general plotted out Syrian assault in Moscow
BEIRUT | BY LAILA BASSAM AND TOM PERRY
At a meeting in Moscow in July, a top Iranian general unfurled a map of Syria to explain to his Russian hosts how a series of defeats for President Bashar al-Assad could be turned into victory - with Russia's help.
...
Khamenei also sent a senior envoy to Moscow to meet President Vladimir Putin, another senior regional official said. "Putin told him 'Okay we will intervene. Send Qassem Soleimani'. He went to explain the map of the theater."
...
The military intervention in Syria is set out in an agreement between Moscow and Tehran that says Russian air strikes will support ground operations by Iranian, Syrian and Lebanese Hezbollah forces, said one of the senior regional sources.
The agreement also included the provision of more sophisticated Russian weapons to the Syrian army, and the establishment of joint operations rooms that would bring those allies together, along with the government of Iraq, which is allied both to Iran and the United States.
...
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.reuters.com/article/2015/10/06/us-mideast-crisis-syria-soleimani-insigh-idUSKCN0S02BV20151006">http://www.reuters.com/article/2015/10/ ... BV20151006</a><!-- m -->
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@Quintus Fabius
Zitat:Die Stärke des IS ist vor allem anderen dessen Mythos, dass Kalifat zu sein - gerade deshalb legt der IS so großen Wert auf Staatliche Strukturen und hat einen kompletten Quasistaat aufgestellt.
Genau HIER bietet sich imho die beste Möglichkeit den IS zu zerstören: Greife seine staatlichen Strukturen an.
Dabei würde sich besonders die Sharia-Rechtsprechung als lohnendes Ziel erweisen. Ich weiß nicht wie es in Syrien ist, aber in Saudi-Arabien locken Hinrichtungen etc. jede Menge Schaulustige an. Einfach deshalb weil es kaum andere Unterhaltungsmöglichkeiten ist. Meine Idee wäre es genau bei solchen Gelegenheiten zuzuschlagen. Wenn der Sharia-Richter des IS vor allen Augen getötet wird demoralisiert das schon. Man kann sogar noch weiter gehen und in die Menge die sich anlässlich einer Steinigung versammelt hat ein paar Mörsergranaten hineinschießen...
Auch die Stromversorgung wäre ein lohnendes Ziel. Weiterhin könnte man auch Einrichtungen des IS - ich denke etwa an die von ihm betriebene Sklaverei - gegen ihn wenden. Zünde einfach eine Sprengladung in der Masse potentieller Käufer...
Tiger schrieb:... Man kann sogar noch weiter gehen und in die Menge die sich anlässlich einer Steinigung versammelt hat ein paar Mörsergranaten hineinschießen.....
Ich musste jetzt wirklich einen Moment darüber nachdenken ob es irgendwie unmoralisch oder so wäre, eine Rakete in eine Menge abzufeuern die gerade beim Steinigen ist.
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