(21.05.2025, 21:26)lime schrieb: Die nationale Gesetzgebung steht über der der EU. ...
Nein - auch wenn man davon ausgeht, dass die »Hüter« beider Rechtsordnungen, das (nationale, z.B. deutsche) Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sowie der EuGH miteinander
ein gleichrangiges »Kooperationsverhältnis« pflegen - es kann immer wieder unterschiedliche Ergebnisse in der Auslegung des jeweiligen Rechts geben.
Einerseits soll der EuGH für die Rechtseinheitlichkeit innerhalb der EU sorgen - andererseits fehlt ihm die Kompetenz, nationales Verfassungsrecht zu prüfen.
Was passiert dann?
2017 hat die Universität Speyer die Problematik anhand der Bankenaufsicht erläutert.
Ergänzend:
Zitat:Nach Auffassung des EuGH haben die Mitgliedstaaten durch Abschluss der Gründungsverträge ihre Souveränitätsrechte dauerhaft beschränkt und einen neuen eigenständigen und autarken Rechtskörper geschaffen. Die Funktionsfähigkeit dieses Rechtskörpers könne nur dann gesichert werden, wenn dessen Recht in den Mitgliedstaaten einheitlich angewandt wird.
so schon der Rechtsstand in der ZJS 1/2018, der sich inzwischen weitestgehend durchgesetzt hat.Inzwischen besteht in der Literatur, Rechtsprechung und Wissenschaft weitestgehende Einigkeit, dass die
EU-Rechtsordnung unantastbar ist.
Wenn nationales Recht etwas erlaubt, das dem EU-Recht entgegen steht, dann gilt die strengere Regelung. Was EU weit verboten ist, kann nicht durch nationales Recht für ein EU-Mitgliedsland alleine erlaubt werden. Wenn also etwa die Todesstrafe oder - um beim Thema zu bleiben - Völkermord in der EU verboten sind, dann gilt das auch für die Ungarn, selbst wenn sie gegenteilige Gesetze erlassen.
Der Grundsatz des
Vorrangs des EU-Rechts hat sich im Laufe der Zeit anhand des Fallrechts (Rechtsprechung) des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelt.
Das hat sich insbesondere im "Staatskirchenrecht" deutlich gezeigt. Die vom nationalen Verfassungsgericht den Kirchen zugestandene Sonderregelungen hielten der Kontrolle durch den EuGH nicht stand.
Um etwas klar zu machen:
Mir ist es schei..egal, ob in Ungarn Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Verbrechen der Aggression- also Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung erlaubt oder geduldet werden (und das sind
die relevanten Tatbestände, in denen der IStGH als Gericht in letzter Instanz vorgesehen ist).
Wenn die Ungarn diesen europäischen Wertekodex nicht mehr anerkennen wollen, dann steht es ihnen frei - dann aber bitteschön nicht in der EU, sondern nach einem entsprechenden Austritt aus der EU, weil sie unseren gemeinsamen Wertekanon verlassen haben.
Und da bin ich jetzt gespannt, ob Ungarns Orban mit seinem Abnickerparlament genug Eier in der Hose hat, und ein EU-Austrittsverfahren lostritt, weil er ganz offiziell die vorgenannten Tatbestände in Ungarn nicht mehr verfolgt sehen möchte. Solange Ungarn nicht austritt, gelten die Clubregeln aber auch für Ungarn.
Wer im Club ist, muss während der Mitgliedschaft dessen Regeln einhalten. Dass das so getan wird, ist Aufgabe der jeweils für die Regeleinhaltung zuständigen Institutionen - bis hin zum EuGH. Wer die Regeln nicht einhalten will, der muss den Club verlassen. "Rosinen picken" und nur das tun, was man im aktuellen Fall gerade lustig findet, geht nicht. Dafür brauchen wir keine gemeinsamen Regeln.
Der IStGH hat unabhängig von der Person und politischen Freundschaftsverhältnissen entsprechend tätig zu werden. Dort wird ggf. angeklagt, was die nationalen Gerichte (etwa aus politischem Druck) unterlassen und dann in einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren geurteilt, ob diese völkerrechtlich vereinbarten Straftatbestände vorliegen.
Und dass er ein Verfahren gegen Israels Netanjahu wegen Gaza genauso einleitet und diesen nicht anders behandelt als Russlands Putin wegen der Ukraine, das spricht gerade für die politische Unabhängigkeit des IStGH.
(21.05.2025, 22:23)alphall31 schrieb: Wäre Ungarn nicht automatisch über dieses EU Abkommen als EU Mitglied automatisch Mitglied des IStGH? Damit wäre es egal ob Ungarn als Nationalstaat Mitglied ist ?
auch wenn Ungarn nicht Mitglied des IStGH wäre - als EU-Mitglied muss es so handeln, als ob es auch dem IStGH angehören würde. Es hat sich mit dem EU-Beitritt zur entsprechenden Anwendung des europäischen Rechts verpflichtet. Und es kann dieser Verpflichtung nur durch einen - und nach einem Austritt entgehen.