Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Ein meiner Meinung nach äußerst sehenswerter Film mit vielen kritischen Äußerungen des vormaligen Stabschef von Azov:

https://www.youtube.com/watch?v=jm_vo6iS3Cg

Zitat:The Kyiv Independent's Francis Farrell sits down with the former chief of staff of Ukraine's Azov Brigade, Lieutenant Colonel Bohdan Krotevych, to discuss the situation on the front line after three years of Russia's full-scale war, why he thinks Ukraine should change its culture of military leadership, why the U.S. army doctrine wouldn't work for Russia's war against Ukraine, and shares his takes on Russia's next steps after a potential ceasefire. Krotevych took part in the heroic defense of the Azovstal steel plant in Mariupol in 2022; he went through Russian captivity and was released during the prisoner exchange the same year.

Aus den Reihen von Azov sind etliche militärische Vordenker und RMA Vertreter hervor gegangen, welche in der Ukraine wesentliche Dinge voran gebracht haben. Einer der wesentlichsten Punkte dabei war und ist Selbstkritik und eine kritische Analyse des eigenen Versagens.

Zur Person:

https://en.wikipedia.org/wiki/Bohdan_Krotevych

Praktische Kriegserfahrung in allen denkbaren Funktionen (vom Gruppenführer bis zum Brigade-Kommandeur) und das durchgehend seit 2014. Das sind die Leute, denen man zuhören sollte.

https://babel.ua/en/news/115775-lieutena...on-at-azov

https://babel.ua/en/texts/116220-bohdan-...roffensive
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Über die russischen Streitkräfte in der Ukraine:

https://www.youtube.com/watch?v=iSpnLSHyy1E

Zitat:Macer Gifford is a former currency trader who volunteered to fight for the Ukrainian army against Russia in 2022.

Gifford speaks with Business Insider about what it was like being in Kyiv during the outbreak of the war and his motivations for joining as a volunteer fighter. He recounts stories from his reconnaissance unit, the 131st, and their activities in Lyman and Kherson. He also explains how FPV drones and antidrone technology are used.

He is the author of "Fighting Evil."

https://www.amazon.de/Fighting-Evil-Ordi...author_mpb

Zitat:

Zitat:The russian war machine is incredibly efficient, incredibly big and incredibly dangerous. So for them it is a war of annhiliation. And the people you are fighting against are incredibly dangerous, often times fanatical, or desperate people, that would torture you and kill you if they call you.
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Was haltet ihr eignetlich von den Gräben in diesem Krieg? Ich muss sagen nach drei Jahren Krieg bin ich echt überascht, wie schlecht ausgebaut die Gräben und Bunkersysteme sind. Wenn ich sie mit den Gräben aus dem WW1 vergleiche (nach der Somme), dann habe ich eine ganze Reihe an fundamentalen Fehlern.

1. Die Gräben sind nicht tief genug. Ein guter Graben muss mindesten mannshoch sein damit ein Soldat sich schnell und geschützt duch den Graben bewegen kann. Zum schießen baut man eine kleine Stufe über die komplette Länge des Grabens ein.

2. Die Gräben sind nicht breit genug. Nach meinen Beobachtungen sind Gräben nicht breit genug damit 2 Menschen gut aneinander vorbei kommen. Das ist jedoch extrem wichtig da sonst ein ein Einsturz des Grabens, etwa durch einen Treffer der Atillerie oder anderer Wirkmittel, diesen blockiert was das Bewegen und damit auch das Verteidigen des Grabens deutlich erschwert. Auch ein Verwundeter oder Gefallener blockiert den Graben was zusätzlich auch das Versorgung des Getroffenden hemmt.

3. Alle Bunker die ich gesehen hab haben nur einen Ausgang. Mehrere Ausgänge sind ein muss, da man sonst leicht eingekesselt und zerstört werden kann. Auch vor Verschüttung durch Direkttreffern oder Angriffen mit schweren Bomber-Drohnen schützt es. Auch scheinen die meisten Bunker nicht sehr tief zu sein was eine leichte re Vernichtung durch diverse Wirkmittel ermöglicht.

4. Die meisten Gräben scheinen nicht oder nur unzureichend gegen den Einsturz des Grabens gesichert zu sein. Das beste was ich gesehen habe ist eine Verbretterung des Grabens, das ist jedoch eine nur mäßige Lösung da es viele Probleme mitbringt. Bretter werden von Wasser unterspült was diese ungesehen und leichter zum Einsturz bringt. Eingestürzte Bretter blockieren gut den Graben und man sollte die Splitterwirkung von Holz nicht unterschätzen. Besser als Bretter ist ein Geflecht aus Zweigen.

5. Die meisten Gräben sind nicht von Netzen geschützt. Diese haben aber wichtige Funktionen wie zum Beispiel, Tarnung, Schutz vor Drohnen und etwas Schutz vor Thermaloptiken.




Ich verstehe nicht warum beide Seiten so schlecht im Bau von Grabensytemen sind. nicht nur kann man auf über hundert Jahre Erfahrung zurück schauen, sondern die führen ja jetzt seit mindestens 2 Jahren hauptsächlich einen Grabenkrieg. Ich kann mir eigentlich nur vorstellen das es an der geringen Mannstärke in den Gräben liegt, denn sonst ist das sicher einer der größten Fehler der Armeen die viele tausend Männer das Leben kostet oder kosten wird. Man könnte denen das Lehrbuch für deutsche offiziere von 1911 geben, da steht das meiste dazu schon drin (auch wenn das bei den meisten deutschen Offizieren erst 1916 nach der Somme angekommen/ beachtet worden ist).

Wie sieht es eigenlich heute mit der Bundeswehr aus, lernen da die Offiziere noch richtig und gut Gräben zu bauen?
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Man fängt bei der Bundeswehr meiner Kenntnis nach gerade wieder damit an. Auch Grabenkampf wird jetzt wieder trainiert.

Im übrigen könnte man noch mehr zu den Gräben schreiben, von den Winkeln in welchen sie abknicken (relevant in Bezug auf die Reduzierung von Druckwellen im Graben, über die Bermen, wo man das ausgehobene Material wie hin tut bis hin zur Frage der Drainage usw usw

Das ist schon sehr auffällig. Ebenso der geradezu verblüffende Mangel an Stacheldraht, dabei ist dieser dort wo er vorhanden ist immer noch sehr effektiv (gibt etliche Filmaufnahmen davon). Im 1WK verbaute man schier unfassbare Mengen von Stacheldraht und heute sind Bandstacheldraht-Rollen noch viel besser als das was die damals hatten, wären immer noch günstig.

Spezifisch aber noch zu Gräben und Bunkern:

Aktuell lässt die Bedeutung von beidem nach ! Das liegt an der Drohnenkriegsführung. Die ausgehobenen Gräben welche du da siehst sind sehr oft weitgehend nicht besetzt und größtenteils übrigens vermint. Deshalb gibt es beispielsweise ein aktuelles Verbot für russsische Soldaten in nicht besetzte ukrainische Gräben zu gehen. Im übrigen sind Gräben natürlich jeweils von der Position her bekannt und sind AGS-17, Mörser und Artillerie bereits auf ihre Position eingestellt. Entsprechend führt das Erstürmen eines Grabens oft schnell dazu, dass der Feind dort massiv mit Artillerie wirkt. Auch wenn man dann selbst im Graben sitzt, ist dass schnell hochproblematisch wenn der Feind auf seine eigenen Gräben feuert welche er ja von der Position her genau kennt. Aktuell sind übrigens russische AGS-17 darin verblüffend gut geworden. Die stehen dann üblicherweise ungefähr 600 m bis 1600 m weit entfernt davon, und treffen trotzdem oft erstaunlich gut in den Graben. Wo man derweilen festsitzt bzw. beim Bewegen dann in Minen / Sprengfallen läuft.

Die Gräben welche benutzt werden, dienen meist nur als vorübergehende Verbindungswege für Hit-and-Run Taktiken aus den eigentlichen Stellungen. Die Gräben sind also zunehmend keine Kampfpositionen mehr.

Die primäre Stellung "ganz vorne" ist ein unterirdisches Versteck. Von diesem aus steuert man Drohnen bzw. setzt Drohnen ein und wenn möglich macht man davon aus kurze Ausfälle und kehrt dann sofort wieder in das Versteck zurück. Die Front besteht also nicht aus besetzten Gräben (die sind meist weitgehend leer), sondern aus einem Gewirr aus lauter Löchern - teilweise tief im Boden in welchen die Soldaten sind. Viele dieser Verstecke sind nicht direkt an die Gräben angebunden, sondern es gibt von dort verdeckte Wege welche dann zum Graben führen. Der Graben führt also nicht zur eigentlichen Stellung.

Ein weiteres Problem ist, dass die Russen aktuell fortwährend derartigen Druck machen, dass die Gräben meist nicht lange gehalten werden können. Man hebt diese also (auch aufgrund sinkender Bedeutung) meist nur als temporäres System aus und investiert daher nicht so viel Mühe darin. Meist gräbt man weiter hinten schon neue Gräben und dahinter nochmal neue Gräben während man vorne gerade noch neue Gräben fertigt.

Aktuell dienen die Gräben dann oft nur dem Ausfall um in das ukrainische Stellungsystem eingedrungene Russen vernichten zu können. Das sind also keine Kampfstellungen, sondern de facto das moderne Äquivalent zu Poternen, also Ausfall"pforten" (manche Ukrainer sprechen sogar von Ausfall-Gräben).

Es gibt aber immer noch einzelfallweise auch sehr tiefe, sehr gut ausgebaute Grabensysteme. Dann aber meist in Positionen die schon länger gehalten werden und wo die Russen nicht so stark sind (Grenze zu Belarus beispielsweise) und wo im Verhältnis zum gehaltenen Raum viele Ukrainer stehen.

Denn dass ist abschließend dazu noch einer der wesentlichsten Punkte zur Erklärung: die Mannzahl der Ukrainer welche unmittelbar "vorne" in den Gräben kämpft ist insgesamt erstaunlich gering. Die Front ist teilweise sehr dünn besetzt. Das ist kein Vergleich mit dem 1WK. Die Ukrainer kompensieren dass aktuell (noch) durch Drohnen, aber die Schwäche was Infanterie "vorne im Graben" angeht, die geringe Quantität an Infanterie also, ist einer der wesentlichsten Gründe warum die Gräben teilweise sehr schwach ausfallen.

Und übrigens auch warum die Russen immer wieder und wieder mit ihren Sturmtruppen in die ukrainischen Stellungssysteme eindringen können und die Ukrainer dann zurück gehen müssen (auf das nächste Graben / Verstecksystem).

Die heutigen ukrainischen "Bunker" sind übrigens meist mehr Verstecke als echte Bunker. Man hat gar nicht mehr die Zeit, das Material und die Kraft richtige Bunker zu bauen. Die dienen also vor allem dem Schutz vor Drohnen, und der Tarnung. Aktuell geht der Trend weg vom Bunker zum bloßen Versteck.
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PS:

Die Ukrainer haben im übrigen einige Einheiten aufgestellt, die sich primär auf den Grabenkampf spezialisiert haben, und die einzelfallsweise sogar Brigadestärke aufweisen, beispielsweise die 3 selbstständige Sturm-Brigade (3 seperate Assault Brigade).

https://www.youtube.com/@ab3army/videos

Eine der wenigen Einheiten übrigens, die im Grabenkampf Gefangene machen, weil man sich üblicherweise im Graben nicht damit aufhält Gefangene zu nehmen. Die sehen das aber als wertvolle Gelegenheit für HUMINT.
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(Gestern, 23:22)Quintus Fabius schrieb: Spezifisch aber noch zu Gräben und Bunkern:
Aktuell lässt die Bedeutung von beidem nach ! Das liegt an der Drohnenkriegsführung.

Kannst du das noch etwas ausführen? Weil für mich ist das keine zwingende Logik. Ich hätte gedacht das man dann zum Beispiel eine Art von Vorhängen in Gräben einbaut durch die eine FPV-Drohen einfach nicht durchfliegen kann, und das mit den Netzen zur Tarnung und zum Schutz gegen bomber Drohnen habe ich ja auch schon geschrieben. Am Ende ist es warscheinlich echt die geringe Mannstärke die zu diesen schlecht ausgebauten Stellungen führt. Und das die Ukraine ein Problem mit Korruption und inkompetenz im Festungsbau ein paar Kilometer hinter der gehaltenen Front hat ist ja auch bekannt.


Noch eine andere Frage. Ich sehe auch recht viele Angriffe an Tag und nur wenige in der Nacht. Haben Wärmebildoptiken den Angriff in der Nacht überflüssig gemacht oder haben die Sachen die ich sehen einfach einen Bias?
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Die Russen machen das sehr beständig und auch genügend in die Tiefe gestaffelt.durch denn beständigen vormarsch der letzten Jahre haben die Russen so viele Verteidigungslinien in ihrem Rücken das wenn sie diese schnell genug besetzen können die Ukrainer spätestens an der zweiten Linie hängen bleiben .
Die Ukrainer vergeben solche Aufträge an Firmen in rückwärtigen Gebiet Stellungen vorzubereiten , da aber keiner kommt es kontrollieren versickert das Geld meist in irgendwelchen Kanälen. Das führte Schon mehrfach dazu das ganze frontabschnitte sich weiter absetzen mussten als geplant. Dazu kommt das die Ukrainern auch nicht erlaubt ist einfach mal so alle Bäume zu fällen zum stellungsbau, man hat sich selber wahnwitzige Umweltbedingungen aufgelegt.
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