11.01.2022, 22:38
Die eigentliche Idee der japanischen Defensiv-Strategie im Pazifik war es, durch die japanische Marine und durch die auf den Inseln vorgeschobenen Lufteinheiten des Heeres solche Umschiffungen so weit zu erschweren und hochproblematisch zu machen, dass sich der Feind zuerst gegen die vorgeschobenen Verteidigungsstellungen wenden muss. Allein schon um sie als "unsinkbare Flugzeugträger" für die japanischen Kampfflugzeuge auszuschalten. Dem folgend sollte er dort bei den Bodenkämpfen auf den Inseln dann so hohe Verluste erleiden, dass ein Verhandlungsfrieden dabei heraus gekämpft werden kann. Die ganze Strategie des Heeres basierte im Pazifik also auf einer Aufrechterhaltung der maritimen Kampfkraft und vor allem auf einer erheblichen Überschätzung der eigenen Luftstreitkräfte. Die kaiserlich japanischen Streitkräfte hatten ja keine eigene Luftwaffe, und die Lufteinheiten waren jeweils der Marine bzw. dem Heer unterstellt.
Es gibt nun natürlich allerlei Aussagen in Richtung: Ehre, Ruhm, der Gegner muss doch, usw usf aber dass sind nur vorgeschobene Worthülsen - welche für die tatsächliche Strategie der kaiserlich japanischen Armee in Wahrheit keine Rolle spielten. Die Japaner überschätzten ihre Stärke in der Luft, gingen davon aus, dass das Inselspringen so gar nicht machbar sei, weil die alliierten dann viel zu sehr durch japanische Lufteinheiten gefährdet wären (und japanische Kriegsschiffe, U-Boote etc) und dem folgend gezwungen wären Insel um Insel systematisch abzuarbeiten.
Nicht-Wahrhaben-Wollen und Ignorieren von Umständen war natürlich trotzdem durchaus ein sehr typisches Element in der kaiserlich-japanischen Armee. Zu dem Zeitpunkt aber als man Gegentaktiken hätte einführen müssen war es genau genommen aus mehreren Gründen gar nicht mehr möglich diese zu implementieren. Das fing schon vor dem Krieg im Pazifik an. Die kaiserlich japanische Armee wusste in der Führung durchaus exakt woran es fehlte, was die Problemstellungen waren und sie wusste auch die korrekten Lösungen dafür. Nur waren diese aufgrund des eskalierenden Krieges in China, der völlig überforderderten industriellen Kapazität, mangelndem Transportraum und dem für die Japaner unerwartet dann relativ schlagartigen Ende der japanischen Seestreitmacht einfach praktisch real nicht mehr umsetzbar.
Ein praktisches Beispiel (aus dutzenden): Bereits nach der Schlacht von Nomonhan (japanische Bezeichung) wurde eine Arbeitsgruppe gebildet welche Schlußfolgerungen aus dem Kampfgeschehen ziehen sollte. Diese war in verschiedene Bereiche eingeteilt, unter anderem einen für Panzer und Panzerabwehr. Die Gruppe führte kurze Zeit nach der Schlacht in einem Bericht an, dass die japanische Panzerabwehr völlig unzureichend sei. Es wurden deshalb neue Panzerabwehrhandwaffen, neue Munition für die Bataillons-, Regiments- und Gebirgsgeschütze und neue Panzerabwehrkanonen gefordert. Das wurde auch alles in relativ kurzer Zeit entwickelt. Die Typ 1 PaK war ebenso ein Resultat dieser Forderungen wie der Typ 5 Raketenwerfer, die 8 cm Marine-Panzerfaust, die 7 cm Armee-Panzerfaust, der Typ 2 Granatwerfer sowie die 75mm Hohlladungs-Geschosse für die leichte Feldartillerie. Was nicht so bekannt ist: es kamen 1942 zwei deutsche Offiziere nach Japan, ein Major Merkel und ein Oberst Niemüller, welche beide vom Heereswaffenamt nach Japan abgeordnet worden waren. Diese hatten diverse deutsche Panzerabwehrmittel dabei und auch komplette Pläne für deren Fertigung. Unter deren Anleitung wurden dann auch 105mm (für den Typ 91), 120mm (für den Typ 38) und 150mm (für den Typ 4) Hohlladungsgeschosse gefertigt.
Nur: so gut wie gar nichts von all diesen dezidierten Panzerabwehrmitteln kam an die Front. Während man in Japan selbst in geringen Stückzahlen diese Systeme fertigte und dort dann einfach einlagerte, standen die Einheiten auf den Inseln im Pazifik entweder ganz ohne diese Mittel oder nur mit sehr geringen Stückzahlen davon dar. Beispielsweise wurden von der tatsächlich hervorragenden 8 cm Marine-Panzerfaust insgesamt nur 173 Stück gebaut, allesamt in der Marinebasis Sasebo eingelagert und nicht eine davon im Kampf abgefeuert.
Man identifizierte also korrekt die Schwachstelle, fand eine korrekte Gegentaktik, holte sich dafür sogar deutsche Hilfe, entwickelte Systeme welche brauchbar waren, konnte diese aber weder in ausreichender Stückzahl fertigen noch an die Front bringen.
Vereinfacht gesagt: man ignorierte die Umstände nicht, man wurde von ihnen überrollt.
Die Führung der japanischen Streitkräfte hatte nie damit gerechnet, dass sich die Seestreitkräfte und die Lufteinheiten so schnell und so weitreichend abnutzen würden. Nachdem dies dann wieder erwarten doch der Fall war, gab es gar keine Möglichkeit einen Plan B zu verfolgen. Also versuchte man trotzdem irgendwie durch bloßen Willen noch den Sieg herbei zu zwingen. Entsprechend wurde der Widerstand ja immer noch verbissener je näher man Japan kam. Die Kamikaze sind auch ein gutes Beispiel dafür: man erkannte, dass die vorhandenen Flugzeuge technisch nun veraltet waren, nicht mehr im Luftkampf bestehen konnten und dass die Verluste an guten Piloten zu hoch geworden waren, also setzte man die Flugzeuge als Selbstmordangreifer ein um auf diese Weise einen größeren Schaden anzurichten als wenn man versucht hätte sie konventionell einzusetzen.
Die Kamikaze waren querschnittlich gar nicht so erfolgreich, aber hätte man die Flugzeuge normal konventionell eingesetzt, wären sie noch deutlich erfolgloser gewesen. Man suchte also durchaus nach Gegentaktiken, war aber durch die Umstände extrem eingeschränkt und verfiel dann immer in das gleiche Muster den Sieg einfach irgendwie durch Fanatismus erzwingen zu wollen. Oder wie Hatazo Adachi es mal ausgedrückt hat: Die Waffen werden dem Willen weichen.
Noch eine Buchempfehlung mit einem ebenfalls weitgehend unbekannten japanischen Akteur, Nishimura Kokichi:
https://apjjf.org/-David-McNeill/2821/article.html
Nishimura kämpfte auf dem Kokoda-Track und überlebte dort als einziger seiner ganzen Einheit. Es gelang ihm dann mit dem allerletzten Transport aus Neu-Guinea nach Rabaul evakuiert zu werden. Auf dem Versuch von dort nach Taiwan zu gelangen wurde das Schiff auf dem er sich befand von einem amerikanischen U-Boot versenkt. Auch das überlebte er als einer von ganz wenigen. Er wurde dann umgehend nach Burma gesandt und kämpft dort schwerkrank gegen die Briten wobei er erneut verwundet wurde. Schließlich erkrankte er so schwer an Malaria dass er das Kriegsende vom Krankenbett aus miterlebte. Man ging davon aus, dass er in jedem Fall sterben werde, stattdessen wurde er wieder jedes ärztliche Ermessen gesund, heiratete und gründete eine Familie.
Darüber hinaus gründete er eine erfolgreiche Firma, wurde wohlhabend und befreundete sich mit dem Gründer von Sony und mit dem Präsidenten von Hitachi und anderen bedeutenden Persönlichkeiten. 1979 zog er sich aus dem Geschäftsleben zurück, gab sein ganzes Vermögen auf und ging einfach nach Neu-Guinea um dort die Überreste seiner gefallenen Kameraden zu suchen und diese nach Japan zurück zu führen und dort zu bestatten.
Bis 2005 setzte er diese Tätigkeit unter größten Schwierigkeiten fort und barg schier unglaubliche Mengen von getöteten Kameraden und unternahm alles nur denkbare die Überreste auch zu identifizieren und dann ihren Familien für die Bestattung zuzuführen. Dafür verwendete er auch erhebliche Summen seines Privatvermögens. Im Oktober 2015 starb er dann im Alter von 95 Jahren.
Es gibt nun natürlich allerlei Aussagen in Richtung: Ehre, Ruhm, der Gegner muss doch, usw usf aber dass sind nur vorgeschobene Worthülsen - welche für die tatsächliche Strategie der kaiserlich japanischen Armee in Wahrheit keine Rolle spielten. Die Japaner überschätzten ihre Stärke in der Luft, gingen davon aus, dass das Inselspringen so gar nicht machbar sei, weil die alliierten dann viel zu sehr durch japanische Lufteinheiten gefährdet wären (und japanische Kriegsschiffe, U-Boote etc) und dem folgend gezwungen wären Insel um Insel systematisch abzuarbeiten.
Nicht-Wahrhaben-Wollen und Ignorieren von Umständen war natürlich trotzdem durchaus ein sehr typisches Element in der kaiserlich-japanischen Armee. Zu dem Zeitpunkt aber als man Gegentaktiken hätte einführen müssen war es genau genommen aus mehreren Gründen gar nicht mehr möglich diese zu implementieren. Das fing schon vor dem Krieg im Pazifik an. Die kaiserlich japanische Armee wusste in der Führung durchaus exakt woran es fehlte, was die Problemstellungen waren und sie wusste auch die korrekten Lösungen dafür. Nur waren diese aufgrund des eskalierenden Krieges in China, der völlig überforderderten industriellen Kapazität, mangelndem Transportraum und dem für die Japaner unerwartet dann relativ schlagartigen Ende der japanischen Seestreitmacht einfach praktisch real nicht mehr umsetzbar.
Ein praktisches Beispiel (aus dutzenden): Bereits nach der Schlacht von Nomonhan (japanische Bezeichung) wurde eine Arbeitsgruppe gebildet welche Schlußfolgerungen aus dem Kampfgeschehen ziehen sollte. Diese war in verschiedene Bereiche eingeteilt, unter anderem einen für Panzer und Panzerabwehr. Die Gruppe führte kurze Zeit nach der Schlacht in einem Bericht an, dass die japanische Panzerabwehr völlig unzureichend sei. Es wurden deshalb neue Panzerabwehrhandwaffen, neue Munition für die Bataillons-, Regiments- und Gebirgsgeschütze und neue Panzerabwehrkanonen gefordert. Das wurde auch alles in relativ kurzer Zeit entwickelt. Die Typ 1 PaK war ebenso ein Resultat dieser Forderungen wie der Typ 5 Raketenwerfer, die 8 cm Marine-Panzerfaust, die 7 cm Armee-Panzerfaust, der Typ 2 Granatwerfer sowie die 75mm Hohlladungs-Geschosse für die leichte Feldartillerie. Was nicht so bekannt ist: es kamen 1942 zwei deutsche Offiziere nach Japan, ein Major Merkel und ein Oberst Niemüller, welche beide vom Heereswaffenamt nach Japan abgeordnet worden waren. Diese hatten diverse deutsche Panzerabwehrmittel dabei und auch komplette Pläne für deren Fertigung. Unter deren Anleitung wurden dann auch 105mm (für den Typ 91), 120mm (für den Typ 38) und 150mm (für den Typ 4) Hohlladungsgeschosse gefertigt.
Nur: so gut wie gar nichts von all diesen dezidierten Panzerabwehrmitteln kam an die Front. Während man in Japan selbst in geringen Stückzahlen diese Systeme fertigte und dort dann einfach einlagerte, standen die Einheiten auf den Inseln im Pazifik entweder ganz ohne diese Mittel oder nur mit sehr geringen Stückzahlen davon dar. Beispielsweise wurden von der tatsächlich hervorragenden 8 cm Marine-Panzerfaust insgesamt nur 173 Stück gebaut, allesamt in der Marinebasis Sasebo eingelagert und nicht eine davon im Kampf abgefeuert.
Man identifizierte also korrekt die Schwachstelle, fand eine korrekte Gegentaktik, holte sich dafür sogar deutsche Hilfe, entwickelte Systeme welche brauchbar waren, konnte diese aber weder in ausreichender Stückzahl fertigen noch an die Front bringen.
Vereinfacht gesagt: man ignorierte die Umstände nicht, man wurde von ihnen überrollt.
Die Führung der japanischen Streitkräfte hatte nie damit gerechnet, dass sich die Seestreitkräfte und die Lufteinheiten so schnell und so weitreichend abnutzen würden. Nachdem dies dann wieder erwarten doch der Fall war, gab es gar keine Möglichkeit einen Plan B zu verfolgen. Also versuchte man trotzdem irgendwie durch bloßen Willen noch den Sieg herbei zu zwingen. Entsprechend wurde der Widerstand ja immer noch verbissener je näher man Japan kam. Die Kamikaze sind auch ein gutes Beispiel dafür: man erkannte, dass die vorhandenen Flugzeuge technisch nun veraltet waren, nicht mehr im Luftkampf bestehen konnten und dass die Verluste an guten Piloten zu hoch geworden waren, also setzte man die Flugzeuge als Selbstmordangreifer ein um auf diese Weise einen größeren Schaden anzurichten als wenn man versucht hätte sie konventionell einzusetzen.
Die Kamikaze waren querschnittlich gar nicht so erfolgreich, aber hätte man die Flugzeuge normal konventionell eingesetzt, wären sie noch deutlich erfolgloser gewesen. Man suchte also durchaus nach Gegentaktiken, war aber durch die Umstände extrem eingeschränkt und verfiel dann immer in das gleiche Muster den Sieg einfach irgendwie durch Fanatismus erzwingen zu wollen. Oder wie Hatazo Adachi es mal ausgedrückt hat: Die Waffen werden dem Willen weichen.
Noch eine Buchempfehlung mit einem ebenfalls weitgehend unbekannten japanischen Akteur, Nishimura Kokichi:
https://apjjf.org/-David-McNeill/2821/article.html
Nishimura kämpfte auf dem Kokoda-Track und überlebte dort als einziger seiner ganzen Einheit. Es gelang ihm dann mit dem allerletzten Transport aus Neu-Guinea nach Rabaul evakuiert zu werden. Auf dem Versuch von dort nach Taiwan zu gelangen wurde das Schiff auf dem er sich befand von einem amerikanischen U-Boot versenkt. Auch das überlebte er als einer von ganz wenigen. Er wurde dann umgehend nach Burma gesandt und kämpft dort schwerkrank gegen die Briten wobei er erneut verwundet wurde. Schließlich erkrankte er so schwer an Malaria dass er das Kriegsende vom Krankenbett aus miterlebte. Man ging davon aus, dass er in jedem Fall sterben werde, stattdessen wurde er wieder jedes ärztliche Ermessen gesund, heiratete und gründete eine Familie.
Darüber hinaus gründete er eine erfolgreiche Firma, wurde wohlhabend und befreundete sich mit dem Gründer von Sony und mit dem Präsidenten von Hitachi und anderen bedeutenden Persönlichkeiten. 1979 zog er sich aus dem Geschäftsleben zurück, gab sein ganzes Vermögen auf und ging einfach nach Neu-Guinea um dort die Überreste seiner gefallenen Kameraden zu suchen und diese nach Japan zurück zu führen und dort zu bestatten.
Bis 2005 setzte er diese Tätigkeit unter größten Schwierigkeiten fort und barg schier unglaubliche Mengen von getöteten Kameraden und unternahm alles nur denkbare die Überreste auch zu identifizieren und dann ihren Familien für die Bestattung zuzuführen. Dafür verwendete er auch erhebliche Summen seines Privatvermögens. Im Oktober 2015 starb er dann im Alter von 95 Jahren.