(Zweiter Weltkrieg) Der Fall "Bistera"
#1
Seit einiger Zeit suche ich Details zu einem (mutmaßlichen, evtl. gar nicht existierenden?) US-Geleitschiff namens Bistera.

Zum Hintergrund: In der Nacht zum 3. Dez. 1943 griffen rund 100 Ju-88 der Luftflotte 2 die Hafenanlagen und den Schiffsverkehr des bereits von den Alliierten besetzten Hafens Bari an. Durch Bombentreffer und Explosion der Munitionsschiffe John E Motley und Joseph Wheeler und anschließender Explosion des Benzintankers Aroostock wurden 18 alliierte Schiffe mit zusammen 71.566 BRT und 38.000 t Ladung vernichtet.

Unter den versenkten Schiffen befand sich auch der US-Frachter John Harvey, welcher Senfgas-Bomben an Bord hatte. Diese Ladung geriet ins Hafenbecken, wodurch zahlreiche Schiffbrüchige und Seeleute schwer veraetzt wurden. Nach mehreren Autoren (u. a. Piekalkiwicz: Luftkrieg/Seekrieg [2 verschiedene Bücher]) nahm ein ominöser US-Geleitzerstörer namens Bistera zahlreiche Seeleute aus dem Wasser auf, wodurch die Crew dieses Schiffes, da sich das Senfgas an Bord verteilte, ebenfalls schwer verletzt wurde und - angeblich - großteils erblindet das Schiff nach Tarent verbrachte.

Ich habe nun nach einem Geleitzerstörer (also ein DE, in der Kennung) der US-Navy gesucht. Aber weder die bekannten Zerstörerbücher (etwa Conways, oder auch Whitley: Destroyers of World War II) führen einen DE Bistera auf, noch findet man - von fraglichen Seiten abgesehen - etwas darüber im Internet. Genauso wenig erbrachte ein Abgleich von Korvetten oder PCs (patrol crafts) einen Treffer (!), nichts, gar nichts. Es scheint so, als wenn es nie einen US-Geleiter mit diesem Namen gab.

Bei mir herrschte zeitweilig der Gedanke vor, dass es diese Geschichte nie gegeben hat und ein Autor vom anderen abgeschrieben hatte, aber da auch renomierte Autoren (etwa Piekalkiwicz) dieses Schiff anführen, erschien mir dies etwas einfach...

Insofern: Hat jemand hierzu Informationen? Besten Dank.

Schneemann.
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#2
Hallo Schneemann!

Meine gesammelten marinegeschichtlichen Werke zeigen bei einer USS Bistera ebenfalls gähnende Leere. Begegnet ist mir der Name (ohne nationales Präfix, wohlgemerkt!) ausgerechnet in einer medizinischen Studie über die Gefährdung von Kriegsveteranen und deren Folgeschäden nach der Berührung mit Senfgas, weswegen ich die vage Vermutung hege, daß der Name des Schiffes aufgrund eines Übermittlungsfehlers falsch notiert wurde (schließlich sind Ärzte keine Historiker, weswegen man es bei solchen Details angesichts der Interessenlage der geneigten Leserschaft schon mal weniger genau nimmt).

Erster Gedanke: Buchstabendreher, das Schiff ist nach der Schlacht von Biserta benannt. Fehlanzeige.

Zweiter Gedanke: Artverwandte Namen in den Flottenarchiven der US Navy. Dort findet sich ein DE-327 namens USS Brister, der aber erst Ende November 1943 in Dienst gestellt wurde, also grundsätzlich ein Alibi hat. Erst ab Juni 1944 war er im Konvoidienst aktiv, sogar in Richtung Italien.

Nun könnte man sich wundern, daß die veröffentlichte Einsatzgeschichte gerade dieses Schiffes verblüffend kurz ist im Vergleich zu denen anderer Geleitzerstörer, die durchweg mehrere Seiten füllen und mitunter taggenau ihren Aufenthaltsort mitteilen. Mißtrauische Naturen könnten darin den Versuch sehen, seine Anwesenheit im Hafen von Bari - oder gleich die Senfgasladung als solche - unter den Teppich zu kehren. Ob das im wohlinformierten 21. Jahrhundert noch Sinn macht, vermag ich nicht zu beurteilen.

Eine andere Quelle (militaryanalysis.blogspot) wiederum spricht von einer HMS Bistera, also von einem Briten, was insofern Sinn machen würde, als der Begriff anscheinend aus der Hindi-Sprache entlehnt wurde, und die Angelsachsen gerne ihre Kriegschiffe nach Aspekten ihrer Kolonien benannten (auch wenn ich bislang noch keinen Schimmer habe, was Bistera eingedeutscht heißt). Dasselbe Problem wie oben: ich finde keinen passenden schwimmenden Untersatz. Nicht einmal in der Royal Indian Navy findet sich ein Pott, der auch nur andeutungsweise HMIS Bistera heißt.

Berichte über Rettungsmaßnahmen in Bari erwähnen namentlich einen Tanker namens USS Pumper sowie explizit mehrere britische Motortorpedoboote (MTB 81, 242 und 243). Tote hat es auf dem geheimnisvollen Fahrzeug jedenfalls nicht gegeben, denn in den amtlichen Verlustlisten finden sich nur die Namen von Handelsschiffen als Referenz.

Ein Blick in die Listen des Hafenkommandanten, welche Kriegschiffe zum fraglichen Zeitpunkt vor Ort waren, würde Licht ins Dunkel bringen. Hat jemand eine Idee, wie man da drankommt? Oder sind das Unterlagen, die auch weiterhin unter Verschluß liegen?

Viele Grüße
Schnappi
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#3
Ahoi.

Danke für die Beteiligung. Ich habe mir mittlerweile noch verschiedene Gedanken gemacht und u. a. mir mal die US-Rescue-Tugs (ARS) angeschaut, ebenfalls kein Treffer. Auch eine Überprüfung aller US-Küstenwachkutter / USCGC erbrachte kein Ergebnis. Sad

Ich habe mir auch schon überlegt, ob es sich möglicherweise um ein ziviles Transportschiff oder gar z. B. ein italienisches Schiff handeln könnte. Tendenziell indessen scheint es diesen Zwischenfall nicht gegeben zu haben. Ist zumindest derweilen meine Vermutung.

Besten Gruß.
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