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(Allgemein) Bundeswehr – quo vadis? - Druckversion

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RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 16.04.2023

Über die Nicht-Finanzierbarkeit unserer aktuellen Vorstellungen und Konzepte was die Kriegsführung angeht:

https://www.nzz.ch/international/bundeswehr-trotz-sondervermoegen-befuerchten-politiker-die-pleite-ld.1733808

Zitat:was Andreas Schwarz, Haushalts- und Wehrfachmann der Sozialdemokraten, so beschreibt: «Wenn wir den Verteidigungsetat nicht massiv erhöhen, dann sieht es für die Bundeswehr schon bald düster aus.»

Schwarz ist nicht irgendwer. Er verantwortet für die Kanzlerpartei den Wehretat. Er ist ein mächtiger Mann. Sein Gegenüber bei der Opposition heisst Ingo Gädechens. Er und Schwarz sind Konkurrenten. Doch in diesem Fall liegen der Christlichdemokrat und der Sozialdemokrat auf einer Linie. «Wenn es bei der aktuellen Finanzplanung bleibt, ist die Bundeswehr bald pleite», sagt Gädechens.

100 Milliarden Sondervermögen, 50 Milliarden Wehretat, und die Bundeswehr ist bald pleite?

Zitat:Wenn der Staat Schulden macht, muss er Zinsen zahlen. Wie hoch diese sein werden, das liess das Verteidigungsministerium im Januar auf einer internen Veranstaltung in Bonn erkennen. Dort sagte ein ministerieller Haushälter, es sei im Laufe der Jahre mit Zinsen in Höhe von 13 Milliarden Euro zu rechnen.

Das bedeutet, dass im Sondervermögen nicht 100 Milliarden Euro liegen, sondern nur 87 Milliarden. Hinzu kommt die hohe Inflation. Alles in allem Abzüge vom Sondervermögen, die so gross sind, dass die vom Bundestag im vergangenen Sommer beschlossene Beschaffungsliste heute obsolet ist. Schon Ende vorigen Jahres mussten Korvetten K130 und Fregatten F126 von der Liste gestrichen werden.

Nun soll nach NZZ-Informationen das Verteidigungsministerium erwägen, auch die Beschaffung von 15 Eurofightern ECR aus dem Sondervermögen zu streichen.

Zitat:Zudem hat Verteidigungsminister Boris Pistorius bereits angedeutet, weitere Projekte aus dem Sondervermögen in den Wehretat verlagern zu müssen.

Das dürfte aber kaum möglich sein.

Zitat:Alles in allem bleiben in diesem Jahr etwa 7,8 Milliarden Euro für militärische Beschaffungen. Das sind 15,5 Prozent des gesamten Verteidigungsbudgets. 1,1 Milliarden Euro davon gehen in den Kauf neuer Munition, ein Bruchteil dessen, was die Bundeswehr gerade brauchte. Allein nur, um Munition für 30 Kriegstage vorzuhalten, so wie es die Nato fordert, veranschlagen die deutschen Streitkräfte zwischen 30 und 40 Milliarden Euro. Ihre Lager sind so gut wie leer.

Zitat:sollte der Wehretat in den nächsten Jahren nicht signifikant steigen, wird sie möglicherweise schon bald gar kein Geld mehr aus dem laufenden Etat in neue Waffen, Gerät und Munition stecken können. Andreas Schwarz von den Sozialdemokraten geht davon aus, dass diese «Katastrophe» schon 2025 eintreten wird. Ingo Gädechens von der Union sieht das ähnlich.

Zitat:Dafür gibt es drei Gründe.

Der erste Grund sind die Personalkosten. Die Arbeitnehmerseite will 10,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, die öffentlichen Arbeitgeber bieten 5. Derzeit läuft die Vermittlungsrunde. Schwarz und Gädechens rechnen mit einer Einigung auf 8 Prozent. Das hätte zur Folge, dass die Personalausgaben der Bundeswehr um jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro steigen. Mögliche Einmalzahlungen sind noch nicht berücksichtigt.

Der zweite Grund ist die Teuerungsrate.

Der dritte Grund wirkt auf den ersten Blick paradox: Es ist das Sondervermögen. Panzer, Geschütze, Flugzeuge, Helikopter, Schiffe und Boote, im Grunde alles neue Gerät, das die Bundeswehr in den kommenden Jahren bekommt, sorgen dafür, dass im Wehretat immer weniger Geld für Investitionen übrig bleibt. Ursache sind die Kosten für den Unterhalt dieser hochkomplexen, wartungsintensiven Waffensysteme.

Zitat:Mit den neuen Waffen aus dem Sondervermögen ist es wie beim Autokauf. Während man einen alten Wagen früher selbst reparieren konnte, kostet heute bereits ein kleiner Schaden an der Stossstange Tausende Euro, weil dort Dutzende Sensoren verbaut sind, die mit dem Elektronik- und Computersystem des Autos verbunden sind.

Zitat:Die Bundeswehr hat gerade so viel Geld wie nie zuvor und läuft doch Gefahr, bald keine Investitionen mehr aus dem laufenden Etat tätigen zu können. Denn bei gleichbleibendem Wehrbudget werden alle Mehrausgaben für Personal und Betriebskosten zulasten des Beschaffungsetats gehen.

Zitat:10 Milliarden. Das sei der Umfang, so Pistorius, in dem der Verteidigungsetat in den kommenden Jahren mindestens steigen müsste, um die zu erwartenden Ausgaben bewältigen und gleichzeitig Waffen und Munition kaufen zu können.

Zitat:Eigentlich aber wären langfristig jährlich 70 Milliarden Euro nötig, um die Finanzvorgaben der Nato zu erreichen und damit wieder voll einsatzfähig zu werden.



RE: Bundeswehr – quo vadis? - Broensen - 16.04.2023

Zitat:Der dritte Grund wirkt auf den ersten Blick paradox: Es ist das Sondervermögen. Panzer, Geschütze, Flugzeuge, Helikopter, Schiffe und Boote, im Grunde alles neue Gerät, das die Bundeswehr in den kommenden Jahren bekommt, sorgen dafür, dass im Wehretat immer weniger Geld für Investitionen übrig bleibt. Ursache sind die Kosten für den Unterhalt dieser hochkomplexen, wartungsintensiven Waffensysteme.

Das halte ich für eine schwierige Pauschalaussage. Das würde bedeuten, dass es günstiger wäre, den Tornado weiter zu nutzen, als F35 zu kaufen. Gleiches bei CH-53G und CH-47J sowie Orion und Poseidon.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - alphall31 - 17.04.2023

Alleine dieses Jahr muss die Bundeswehr 310 Millionen Euro Zinsen für das sondervermögen aus dem Verteidigungshaushalt bezahlen. Das ist schon länger bekannt .


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schneemann - 17.04.2023

Wobei diese Summe im Grunde kein Problem darstellt, da diese Zinszahlungen ja nicht "von der Bundeswehr" geleistet werden müssen, sondern über den Bund verrechnet werden. Und das sind ca. 1,5% der laufenden Zinszahlungen hinsichtlich der Staatsverschuldung. Zwar verrechnet es der Bund wieder über das Sondervermögen, aber 300 Mio. von 100 Mrd. Euro auf eine Jahresfrist heruntergebrochen ist ein "überschaubarer Betrag" (bewusst in Anführungszeichen).
Zitat:Das würde bedeuten, dass es günstiger wäre, den Tornado weiter zu nutzen, als F35 zu kaufen. Gleiches bei CH-53G und CH-47J sowie Orion und Poseidon.
Nun ja, alte Systeme weiter sicherheitsrelevant so zu warten, dass sie weiterhin einsatzbereit bleiben, verschlingt über die Jahre immer mehr Geld, ohne aber dass ich ein neues System in den Händen halte. Ist also auch keine Lösung. Hinzu kommt eben, dass die aktuellen Systeme nicht nur moderner, sondern dadurch eben immer aufwendiger - teils auch anfälliger und reparaturintensiver - werden, was entsprechende Kosten verursacht. Zu einem Stückpreis von 45 Mio. Euro (inflationsbereinigt umgerechnet die Kosten eines Tornados Ende der 1970er Jahre) bekomme ich heute eben kein akzeptables Kampfflugzeug mehr...

Schneemann


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Broensen - 17.04.2023

Mein Punkt dabei ist, dass es im NZZ-Artikel so dargestellt wurde, als würden die Kosten nicht ansteigen, wenn nicht -durch das Sondervermögen ermöglicht- modernere Systeme beschafft werden würden. Das unterschlägt einfach, was die Alternativen wären, in den von mir genannten Beispielen eben ein Weiterbetrieb der alten Systeme, für den umfangreiche Maßnahmen zur NDV und Obsoleszenzbeseitigung erforderlich würden, die man in den Betriebskostenvergleich mit einrechnen müsste.

Noch sinnfreier: Im Artikel wird erfolglos versucht, die Betriebskosten des Eurofighter mit denen der F35 zu vergleichen. Also ob ohne Sondervermögen statt der F35 entsprechend viele Eurofighter gekauft werden würden.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 17.04.2023

Broensen:

Natürlich ist diese Aussage in dieser Pauschalität falsch und so nicht haltbar. Und dies völlig gleich ob die Flugstunden eines Tornado auch ganz am Schluss immer noch niedriger sind als die einer F-35. Das spielt dafür gar keine Rolle, und man sollte es daher auch nicht so sehr am Einzelsystem festmachen.

Insgesamt gesehen erzeugen Hochtechnologische Systeme die auf dem neuesten Stand der Dinge sind oft querschnittlich gesehen höhere Kosten in allem, insbesondere während des Friedensbetriebs. Die F-35 ist mit ihren stark erhöhten Anforderungen ein gutes Beispiel. Man kann daher die Aussage sicher nicht so pauschalisiert treffen, aber pauschal kann man schon sagen, dass an diesem Argument etwas dran ist.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - alphall31 - 18.04.2023

Die Frage ist eher , warum nehme ich jetzt einen Kredit auf wenn ich in vielleicht fünf oder zehn Jahren ein Haus kaufen will. Das sondervermögen ist ein politikum für das der Steuerzahler völlig sinnlos tief in die Tasche greifen muss . Man hätte vielleicht erst mal das Problem Bundeswehr angehen sollen .

Und dieser überschaubare Betrag macht am Ende 13 Milliarden aus die dem sondervermögen ja entnommen werden


RE: Bundeswehr – quo vadis? - ObiBiber - 18.04.2023

(18.04.2023, 09:38)alphall31 schrieb: Die Frage ist eher , warum nehme ich jetzt einen Kredit auf wenn ich in vielleicht fünf oder zehn Jahren ein Haus kaufen will. Das sondervermögen ist ein politikum für das der Steuerzahler völlig sinnlos tief in die Tasche greifen muss . Man hätte vielleicht erst mal das Problem Bundeswehr angehen sollen .

Und dieser überschaubare Betrag macht am Ende 13 Milliarden aus die dem sondervermögen ja entnommen werden

Das ist eine sehr gute Frage…
und wenn ich das mache dann sichere ich mir einen niedrigen Zinssatz (letztes Jahr lag der noch bei 1-2%)


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Pmichael - 18.04.2023

Das Sondervermögen ist das Ergebnis von Linder keine neue Schulden jenseits der Schuldenbremse aufzunehmen. Konservative und Liberale haben da ihre Fetische.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - lime - 18.04.2023

(18.04.2023, 10:25)Pmichael schrieb: Das Sondervermögen ist das Ergebnis von Linder keine neue Schulden jenseits der Schuldenbremse aufzunehmen. Konservative und Liberale haben da ihre Fetische.

Schulden sind es trotzdem. Liberaler Selbstbetrug.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schneemann - 21.04.2023

Na, Schockschwerenot! Eine Militarisierung des Verteidigungsministeriums droht? Himmel hülf...
Zitat:"Militarisierung" des Hauses

Verband warnt vor Pistorius' Umbauplänen

Verteidigungsminister Boris Pistorius will sein Ministerium reformieren. So soll der Führungs- und Planungsstab unter militärische Leitung kommen. Beim Verband der Bundeswehrbeschäftigten ruft das Besorgnis hervor. Der Minister riskiere den "Zusammenhalt der Belegschaft". [...] "Das ist eine Militarisierung des Verteidigungsministeriums", sagte die Bundesvorsitzende des Verbandes der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr, Imke von Bornstaedt-Küpper, dem Berliner "Tagesspiegel". [...]

Sie bezog sich darauf, dass der Brigadegeneral Christian Freuding dem zentralen Steuerungsorgan des Ministeriums vorstehen soll. Der neue Führungs- und Planungsstab "filtert künftig inhaltlich alle Vorlagen aus dem Haus, die an den Minister, die Staatssekretäre oder den Generalinspekteur der Bundeswehr gehen", sagte von Bornstaedt-Küpper. "Die Machtfülle des neuen, militärisch geführten Stabes empfinden wir als besorgniserregend."
https://www.n-tv.de/politik/Verband-warnt-vor-Pistorius-Umbauplaenen-article24068320.html

Ernsthaft: Diese hysterische Reaktion - und dass der Verband hier den "Zusammenhalt der Belegschaft" ins Spiel bringt, ist sehr schäbig - zeigt mir, dass Pistorius auf dem richtigen Weg ist und dass nun all diese überflüssigen Beraterchen und Pöstchenschieber des ministeriellen Wasserkopfes um ihre Pfründe bangen. Und das zurecht, weil sie nämlich auch überflüssig sind. Gleichwohl wünsche ich Pistorius viel Energie - denn es wird noch dauern, diesen "Augiasstall" auszumisten...

Schneemann


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Nightwatch - 21.04.2023

Derartige Einlassungen bestärken mich nur meiner Aufassung, dass der erste Schritt einer ernsthaften Reform dieses Ladens wäre, alle zivilen und militärischen Beschäftigten ab Besoldungsgruppe B6 von ihren Aufgaben zu entbinden. Und zwar ausnahmlos.
Unglaublich soetwas.

Ich drücke Pistorius auch alle Daumen, aber er ist nicht ansatzweise radikal und schnell genug, als das ihn das Haus nicht in absehbarer Zeit kleinkriegen würde.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 21.04.2023

Die Militarisierung des Verteidigungsministeriums als Problem.......

Wir haben offenkundig wirklich ernsthafte (andere) Probleme - ich weiß nicht mal was man überhaupt noch auf so eine Aussage hin schreiben soll.

Die Militarisierung des Verteidigungsministeriums ist also eine besorgniserregende Entwicklung und gefährdet den Zusammenhalt der Belegschaft.....

Spektakulär !


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Leuco - 21.04.2023

Ich denke da fühlen sich einige richtig bedroht, wenn solche verbalen Keulen raus geholt werden. Dass das Argument inhaltlich auch noch lachhaft schlecht ist, zeigt dass der Finger in die richtige Wunde gelegt wird.

Bleibt zu hoffen, dass bis zu den nächstem Wahlen möglichst viele Fakten geschaffen sind. Wer weiß welcher Bremser als nächsten ans Ruder kommt.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - alphall31 - 21.04.2023

Welche Aufgabe hat dieser Stab überhaupt wenn er zivil besetzt ist ?