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(Allgemein) Bundeswehr – quo vadis? - Druckversion

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RE: Bundeswehr – quo vadis? - ObiBiber - 07.03.2022

(07.03.2022, 18:43)26er schrieb: Schauen wir mal, was letztendlich übrigbleibt:

"Sondervermögen Bundeswehr: 100 Milliarden Euro sind nur 60 Milliarden Euro wert:

.....Der Admiral verwies darauf, dass diese Summe nicht auf einen Schlag, sondern nach Vorstelllungen des BMVg über eine Zeitspanne von etwa zehn Jahren hinweg ausgegeben werden soll. Davon sollen offenbar mit Masse Großprojekte finanziert werden, um den regulären Verteidigungshaushalt für kleinere und mittlere Beschaffungsprojekte freizumachen. Darüber hinaus ist in dieser Summe auch der Mehrwertsteueranteil von 19 Prozent enthalten, so dass im Grunde nur 81 Milliarden Euro real für die Beschaffung von neuer Bundeswehrtechnik zur Verfügung stehen. Rechnet man die Inflation mit ein, die im Rahmen der Laufzeit von einem Jahrzehnt zu erwarten ist, stünde nach Angaben des Admirals dem Sondervermögen am Ende eine reale Kaufkraft von etwa 60 bis 65 Milliarden Euro gegenüber..."

https://soldat-und-technik.de/2022/03/aus-der-truppe/30330/sondervermoegen-bundeswehr-100-milliarden-euro-sind-nur-60-milliarden-euro-wert/

Richtig… das mit der Steuer ist immer wieder „lustig“
letztendlich muss man schauen dass man das Geld so schnell wie möglich ausgibt..
dann ist es am Ende mehr wert wie die 60-65 Mrd…
oder in einem Jahr ausgeben in dem die Steuer niedriger ist 😂
100 Mrd heute sind halt mehr wert wie 100 Mrd in 10 Jahren


RE: Bundeswehr – quo vadis? - lime - 07.03.2022

(07.03.2022, 18:58)ObiBiber schrieb: Richtig… das mit der Steuer ist immer wieder „lustig“
letztendlich muss man schauen dass man das Geld so schnell wie möglich ausgibt..
dann ist es am Ende mehr wert wie die 60-65 Mrd…
oder in einem Jahr ausgeben in dem die Steuer niedriger ist 😂
100 Mrd heute sind halt mehr wert wie 100 Mrd in 10 Jahren

Steuern wurde doch bisher auch bezahlt. Insofern kann ich die Kritik nicht ganz verstehen und das alle Investitionen nicht sofort geschehen war doch auch klar. Ginge ja auch gar nicht anders, weil soviel Material nirgends vorgehalten wird.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schneemann - 09.03.2022

@Quintus
Zitat:Helme hingegen sind bereits weniger relevant, und an sich eine Fehlentwicklung im militärischen Bereich. Man trägt heute primär deshalb Helme weil Soldaten das halt so tun. Ohne zu verstehen woher das kommt und warum man überhaupt je wieder angefangen hat Helme zu tragen. Man schaffe sie einfach ab und dieses Problem hat sich erledigt.
Das sehe ich nicht so. Ich weiß zwar, dass man den Helm leicht mit dem Stiefelabsatz kaputt kriegen kann (hatte ich sogar schon mal selbst probiert), aber Helme haben sehr wohl auch ihre Berechtigung und ihren Nutzen. Nicht von ungefähr wurden sie im Ersten Weltkrieg eingeführt, nachdem man bittere Verluste durch Splitter seitens der Artillerie hinnehmen musste. Dass sie nicht alles abhalten, aber sie können in manchen Situation tödliche oder zumindest schwere Kopfverwundungen durch Splitter und Streifschüsse sehr wohl verhindern, auch wenn sie einem direkten Beschuss mit Handwaffen natürlich meistens nicht standhalten (das ist aber bekannt).

Abgesehen davon: Ich stimme dir zu, was den Umstand der Größe der Truppe angeht. Nun auf die Schnelle den Truppenapparat aufzublähen bringt gar nichts, solange nicht die Strukturen geschaffen sind, die in der Lage wären, diese Truppe zu verwalten, zu versorgen und zu führen. Hierbei neige ich auch, wie du, eher dem horizontalen statt dem vertikalen Ausbau der Befehlsstrukturen zu. Meiner Meinung nach würde wir mit einer sanften Steigerung auf ca. 320.000 Mann (mehr als 370.000 Mann sind, soweit ich es im Kopf habe, gemäß dem 2+4-Vertrag auch gar nicht zulässig) und einem Ausbau von Kommunikation, Feuerkraft (hier denke ich an Artillerie und Werfer), in geringerem Umfang MBTs, IT-Sicherheit, Ausbildungsablauf und atomarer Teilhabe sowie einer Stärkung der Marine (letzteres meine persönliche Meinung) etc. vollauf klarkommen.

Schneemann


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 09.03.2022

Auch wenn ich jetzt (mal wieder) damit ein wenig das eigentliche Thema verlasse - Klugscheißmodus an: Helme wurden eben nicht eingeführt um damit Splitter abzuwehren oder gar Streifschüsse, sondern wegen des durch Artilleriegranaten hochgeschleuderten Materials welches dann von oben wieder herunter fiel und Unmengen an Kopfverletzungen erzeugte. Aus diesem Grund haben die Briten beispielsweise ihre Helme aufgrund von deren Form immer so nach hinten geschoben, weil sie dann bei einer gebückten Haltung den Kopf, vor allem aber den Nacken besser schützen.

Splitter von Granaten waren dabei tatsächlich nur eines der Dinge gegen die man sich schützen wollte, primär ging es um hochgeschleuderte Erdbrocken, Steinsplitter usw. Die ersten Helme aus Stahl fertigten sich deutsche Truppen in den Vogesen an, wegen der vielen Kopfverletzungen durch Steinsplitter.

Erst im Laufe des 1WK kam man dann auf die Idee die Helme zu verstärken um dadurch auch einen gewissen Schutz gegen Kugeln zu erzielen, durch die an die Helme vorne angehängten sogenannten Stirnpanzer. Dies erwies sich aber nicht als praktikabel. Der Stahlhelm selbst wurde dann zu einem der Symbole für Soldatisches schlechthin, zur Verkörperung von Soldatentum und Krieg und wurde so auch in der Weimarer Republik und auch heute noch immer weiter verwendet. Er ist damit ein überkommenes militärisches Erbe, dass immer weniger Sinn ergibt, sich aber aufgrund des übergroßen Konservatismus im Militärischen weiter erhält.

Und hier und heute trägt man Helme primär deshalb weil man immer schon Helme getragen hat. In den Fällen beispielsweise wo Kugeln den Helm treffen und nicht durchschlagen hätten sie ohne Helm gar nichts getroffen und wären knapp vorbei geflogen. Kurz und einfach: Helme sind hier und heute sinnfrei und die aus ihnen resultierenden Nachteile sind wesentlich größer als die Vorteile. Aber als Soldat trägt man halt einen Helm, weil ist so, weil gut.

An dieser Stelle sollte ich allerdings auch anmerken, dass ich ebenso ein entschiedener Gegner des ganzen SK4 Westen Hypes bin und das ebenso für eine absolute Fehlentwicklung halte. Man braucht möglichst leichte Westen gegen Splitter, aus einem weichen biegsamen Material, die ganzen VPAM9 Platten sind hingegen ein totaler Irrweg und rauben gerade der Infanterie ihre wesentlichsten Stärken.

Helm wie VPAM9 Weste dienen daher meiner Meinung nach heute vor allem psychologischen Motiven. Sie sollen die Angst der Soldaten reduzieren und sie dazu bringen sich eher zu exponieren, sie haben also keinen realen praktischen Zweck sondern einen psychologischen Zweck. Für diesen bloßen psychologischen Vorteil nimmt man aber etliche praktische Nachteile in Kauf, zuvorderst die Gewichtsbelastung, Überhitzung, Dehydrierung und all die Einschränkungen des Denk- und Reaktionsvermögens welche dies mit sich bringt.

Damit ist diese ganze Schutzausrüstung in Wahrheit ein Ausfluss unserer gegenwertigen Kultur (und so spanne ich mal einen Weg zum Thema des Stranges zurück). Man schützt sich selbst, aber in jedem Kampf sollte niemals man selbst im Mittelpunkt stehen, sondern das eigentliche Zentrum des Kampfes muss der Feind sein. Und das Ziel des Kampfes ist nicht sich selbst zu schützen, sondern den Gegner kampfunfähig zu machen (diese Aussagen sollte man weit über ihre direkte wortwörtliche Bedeutung hinaus verstehen). Überhöht man nun den eigenen Schutz so wie wir das heute tun, hat dies erhebliche militärische Nachteile, es wirkt auch auf die ganze Kultur und Innere Verfasstheit der Soldaten. Es erzeugt über seine direkten physikalischen und biomedizinischen Nachteile hinaus also auch psychologische und sozialkulturelle Nachteile und verfestigt diese.

Meiner Meinung nach könnte diese ganze Fehlentwicklung auch ein Resultat der Expeditionskriegsführung der letzten Jahre sein. Kein Soldat wollte sich für diese bizarren und sofort für jederman erkennbar sinnlosen Einsätze opfern. Um in diesen bestehen zu können hat man also sowohl den Schutz überbläht und immer höher (zu hoch) gewichtet, als auch das ganze Sanitätswesen und die ganze Verwundetenevakuierung usw. immer noch weiter überhöht, bis beides schließlich fast zum Selbstzweck wurde.

Davon müssen wir weg.

Wenn also die Bundeswehr insgesamt wieder kriegstauglich werden soll, muss auch einiges in Bezug auf die militärische Kultur in der Armee unternommen werden. Und eine deutliche Reduzierung der Schutzausrüstung wäre dazu ein möglicher Schritt, ein Faktor in einem ganzen Faktorenbündel mit dem man einen solchen Einfluss auf die weitere Entwicklung erzeugen könnte. Daher sollte man sowohl alle Helme als auch alle Westen mit festen Platten (VPAM 6 / VPAM 9) abschaffen. Allein schon das würde anfangen eine andere Mentalität zu erzeugen.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - lime - 10.03.2022

(09.03.2022, 23:52)Quintus Fabius schrieb: Wenn also die Bundeswehr insgesamt wieder kriegstauglich werden soll, muss auch einiges in Bezug auf die militärische Kultur in der Armee unternommen werden. Und eine deutliche Reduzierung der Schutzausrüstung wäre dazu ein möglicher Schritt, ein Faktor in einem ganzen Faktorenbündel mit dem man einen solchen Einfluss auf die weitere Entwicklung erzeugen könnte. Daher sollte man sowohl alle Helme als auch alle Westen mit festen Platten (VPAM 6 / VPAM 9) abschaffen. Allein schon das würde anfangen eine andere Mentalität zu erzeugen.

Es gibt Gründe dafür dass sich Mentalitäten ändern. Die Umformung hin zur Angstgesellschaft hat meines Erachtens eine relativ simple Ursache, nämlich die stark gesunkene Geburtenrate. Vor wenigen Generationen war es normal viele Kinder zu bekommen, genauso normal war es allerdings auch dass viel mehr gestorben sind, ob an Krankheiten, Hunger, Unfällen oder eben im Krieg. So bitter es klingt, die Menschen waren solche Verluste wesentlich mehr gewohnt, auch wenn sie ihre Kinder sicher genauso liebten, wie der Durchschnittsbürger es jetzt auch tut, nur dass er eben ein oder maximal zwei Kinder hat und ein Verlust insofern mehr wiegt dass eine Familie damit quasi endet. Dies will man mit allen Mitteln verhindern und das Unterbewusstsein stärkt zusätzlich diesen Trieb.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Tarond - 11.03.2022

(09.03.2022, 23:52)Quintus Fabius schrieb: Auch wenn ich jetzt (mal wieder) damit ein wenig das eigentliche Thema verlasse - Klugscheißmodus an: Helme wurden eben nicht eingeführt um damit Splitter abzuwehren oder gar Streifschüsse, sondern wegen des durch Artilleriegranaten hochgeschleuderten Materials welches dann von oben wieder herunter fiel und Unmengen an Kopfverletzungen erzeugte. Aus diesem Grund haben die Briten beispielsweise ihre Helme aufgrund von deren Form immer so nach hinten geschoben, weil sie dann bei einer gebückten Haltung den Kopf, vor allem aber den Nacken besser schützen.

Splitter von Granaten waren dabei tatsächlich nur eines der Dinge gegen die man sich schützen wollte, primär ging es um hochgeschleuderte Erdbrocken, Steinsplitter usw. Die ersten Helme aus Stahl fertigten sich deutsche Truppen in den Vogesen an, wegen der vielen Kopfverletzungen durch Steinsplitter.

Erst im Laufe des 1WK kam man dann auf die Idee die Helme zu verstärken um dadurch auch einen gewissen Schutz gegen Kugeln zu erzielen, durch die an die Helme vorne angehängten sogenannten Stirnpanzer. Dies erwies sich aber nicht als praktikabel. Der Stahlhelm selbst wurde dann zu einem der Symbole für Soldatisches schlechthin, zur Verkörperung von Soldatentum und Krieg und wurde so auch in der Weimarer Republik und auch heute noch immer weiter verwendet. Er ist damit ein überkommenes militärisches Erbe, dass immer weniger Sinn ergibt, sich aber aufgrund des übergroßen Konservatismus im Militärischen weiter erhält.

Und hier und heute trägt man Helme primär deshalb weil man immer schon Helme getragen hat. In den Fällen beispielsweise wo Kugeln den Helm treffen und nicht durchschlagen hätten sie ohne Helm gar nichts getroffen und wären knapp vorbei geflogen. Kurz und einfach: Helme sind hier und heute sinnfrei und die aus ihnen resultierenden Nachteile sind wesentlich größer als die Vorteile. Aber als Soldat trägt man halt einen Helm, weil ist so, weil gut.

An dieser Stelle sollte ich allerdings auch anmerken, dass ich ebenso ein entschiedener Gegner des ganzen SK4 Westen Hypes bin und das ebenso für eine absolute Fehlentwicklung halte. Man braucht möglichst leichte Westen gegen Splitter, aus einem weichen biegsamen Material, die ganzen VPAM9 Platten sind hingegen ein totaler Irrweg und rauben gerade der Infanterie ihre wesentlichsten Stärken.

Helm wie VPAM9 Weste dienen daher meiner Meinung nach heute vor allem psychologischen Motiven. Sie sollen die Angst der Soldaten reduzieren und sie dazu bringen sich eher zu exponieren, sie haben also keinen realen praktischen Zweck sondern einen psychologischen Zweck. Für diesen bloßen psychologischen Vorteil nimmt man aber etliche praktische Nachteile in Kauf, zuvorderst die Gewichtsbelastung, Überhitzung, Dehydrierung und all die Einschränkungen des Denk- und Reaktionsvermögens welche dies mit sich bringt.

Damit ist diese ganze Schutzausrüstung in Wahrheit ein Ausfluss unserer gegenwertigen Kultur (und so spanne ich mal einen Weg zum Thema des Stranges zurück). Man schützt sich selbst, aber in jedem Kampf sollte niemals man selbst im Mittelpunkt stehen, sondern das eigentliche Zentrum des Kampfes muss der Feind sein. Und das Ziel des Kampfes ist nicht sich selbst zu schützen, sondern den Gegner kampfunfähig zu machen (diese Aussagen sollte man weit über ihre direkte wortwörtliche Bedeutung hinaus verstehen). Überhöht man nun den eigenen Schutz so wie wir das heute tun, hat dies erhebliche militärische Nachteile, es wirkt auch auf die ganze Kultur und Innere Verfasstheit der Soldaten. Es erzeugt über seine direkten physikalischen und biomedizinischen Nachteile hinaus also auch psychologische und sozialkulturelle Nachteile und verfestigt diese.

Meiner Meinung nach könnte diese ganze Fehlentwicklung auch ein Resultat der Expeditionskriegsführung der letzten Jahre sein. Kein Soldat wollte sich für diese bizarren und sofort für jederman erkennbar sinnlosen Einsätze opfern. Um in diesen bestehen zu können hat man also sowohl den Schutz überbläht und immer höher (zu hoch) gewichtet, als auch das ganze Sanitätswesen und die ganze Verwundetenevakuierung usw. immer noch weiter überhöht, bis beides schließlich fast zum Selbstzweck wurde.

Davon müssen wir weg.

Wenn also die Bundeswehr insgesamt wieder kriegstauglich werden soll, muss auch einiges in Bezug auf die militärische Kultur in der Armee unternommen werden. Und eine deutliche Reduzierung der Schutzausrüstung wäre dazu ein möglicher Schritt, ein Faktor in einem ganzen Faktorenbündel mit dem man einen solchen Einfluss auf die weitere Entwicklung erzeugen könnte. Daher sollte man sowohl alle Helme als auch alle Westen mit festen Platten (VPAM 6 / VPAM 9) abschaffen. Allein schon das würde anfangen eine andere Mentalität zu erzeugen.

Wow, wie du den Bogen spannst ist wirklich bizarr.
Jeder Soldat/Krieger wie auch immer wollte schon immer Schutz. Mit Ausnahme religiöser Fanatiker.
Helme und Schutzausrüstung gab es schon lange vor der Neuzeit.
Mit der Erfindung von immer durchschlagsstärkeren Schusswaffen bzw dem Aufkommen von Massenheeren wurde es nur nicht mehr möglich, sich adequat zu schützen bzw zu teuer für den Herrschenden, der auch nicht unbedingt das Wohl seiner Soldaten im Blick hatte.
Es ist erst seit relativ kurzer Zeit möglich, entsprechende Schutzausrüstung zu erschwinglichen Preisen herzustellen.
Das jetzt in Verbindung zu bringen damit, dass Soldaten sich nicht im Ausland erschiessen lassen möchten etc ist sehr verdreht.
Die wollen sich auch hier nicht umbringen lassen.
Und vorhandene Schutzausrüstung hilft da sehr. Deine Weltsicht da durchzuboxen und "Argumente" anzubringen, die Überhitzung durch die Helme und Schutzausrüstung etc würde das Überleben eher negativ beeinflussen, ist konstruiert.
Glaubst du wirklich, die Länder würden Schutzausrüstung kaufen, die trotz allem immer noch teuer ist, um einen Nachteil im Kampf zu haben?
Das galt im Übrigen auch für die Wehrmacht. und obwohl da zur Zeit des 3. Reiches ein richtiger Kult um Abhärtung und Tapferkeit etc entstand ist niemand auch nur auf die Idee gekommen, die Helme abzuschaffen.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 11.03.2022

Tarond:

Zitat:Jeder Soldat/Krieger wie auch immer wollte schon immer Schutz.

Nicht jeder Soldat heute hat wirklich Ahnung davon was ihn tatsächlich auf dem Gefechtsfeld schützt und was nur eine Illusion von Schutz ist. Ich schrieb ja zudem ausdrücklich über die psychologischen Faktoren der ganzen Sache. Tatsächlich haben sogar viele Soldaten erstaunlich wenig Ahnung vom Krieg und seinen wirklichen Anforderungen, sie geben nur wieder was ihnen innerhalb der Armee vermittelt wurde, ohne dies in Frage zu stellen. Und da Armeen extrem konservativ sind und mehr als jede andere Organisation zu Strukturextrapolierung neigen, entspricht das nicht immer dem was eigentlich das beste wäre oder was zumindest das bessere wäre. Zu viele Soldaten heute glauben, sie würden das Kriegshandwerk beherrschen, aber in Wahrheit beherrschen sie es nicht. Und nirgends ist dieser eklatante Mangel sichtbarer als bei der Infanterie, meiner Ansicht nach deshalb, weil man die Infanterie extrem lange Zeit vernachlässigt hat und auch heute immer noch vernachlässigt. Man setzt stattdessen auf Großsysteme.

Zitat:Helme und Schutzausrüstung gab es schon lange vor der Neuzeit.

Was nichtssagend ist, weil die Umstände komplett andere waren. Die jeweils notwendige Ausrüstung unterlag und unterliegt einem ständigen Wandel, so wie sich die Umstände wandeln.

Zitat:Es ist erst seit relativ kurzer Zeit möglich, entsprechende Schutzausrüstung zu erschwinglichen Preisen herzustellen.

Das ist falsch. Man konnte auch schon früher kugelsichere Schutzausrüstung herstellen, zu erschwinglichen Preisen oder kaufkraftbereinigt sogar günstiger als heute. Das reicht von Rondartschen über den Küraß und die Civil War Vest hin zu Sappenpanzer, Stirnplatten und Infanteriepanzer wie den SN-42.

All dieser Ausrüstung war gemein, dass sie sehr schwer war im Vergleich zur Schutzwirkung und die Soldaten dadurch erheblich einschränkte. Und dass die Schutzwirkung durch immer neue bessere Schützenwaffen wieder obsolet wurde.

Erst seit relativ kurzer Zeit ist es möglich, entsprechende Schutzausrüstung herzustellen, die bei einem sehr hohen Schutzniveau dennoch vergleichsweise "leicht" ist. Aber auch hier und heute kann man dann problemlos auf Waffen umstellen die auch diese Schutzausrüstung durchschlagen. Den Wettkampf verliert die Schutzausrüstung genau so wie sie ihn schon früher verloren hat. Damit ist es sinnlos sich von Doktrin, Ausbildung, Taktik und Gefechtsgewohnheiten auf solche Schutzausrüstung zu verlassen und sich auf den Gebrauch derselben so einzurichten, dass man keine andere Kampfweise mehr beherrscht (wie es zur Zeit der Fall ist).

Zitat:Das jetzt in Verbindung zu bringen damit, dass Soldaten sich nicht im Ausland erschiessen lassen möchten etc ist sehr verdreht. Die wollen sich auch hier nicht umbringen lassen.

Es macht von der Bereitschaft ein Risiko für sich selbst einzugehen einen immensen Unterschied ob man im eigenen Land für die eigene Heimat kämpft um das Leben der eigenen Landsleute dadurch zu schützen, oder ob man irgendwo in einem völlig fremden Land völlig sinnlose Pseudoaufträge ausführt die für jederman erkennbar absolut gar nichts bringen. Der Unterschied in der Frage der Risikobereitschaft ist himmelhoch.

Unter gewissen Umständen lassen sich Leute viel eher umbringen, unter anderen Umständen wollen sie dies unter allen Umständen vermeiden. Das ist nicht verdreht, es entspricht der menschlichen Natur wie diese nun einmal so ist.

Zitat:Deine Weltsicht da durchzuboxen und "Argumente" anzubringen, die Überhitzung durch die Helme und Schutzausrüstung etc würde das Überleben eher negativ beeinflussen, ist konstruiert.

Es ist nicht nur die Überhitzung. Abgesessen operierende Infanterie muss in einem ernsthaften Kampf fortwährend in Bewegung bleiben, die Stellung schnell und weiträumig wechseln und das querfeldein. Das ist zwingend erforderlich weil sonst die Verluste durch feindliche Flächenwaffen viel zu schnell viel zu hoch sein werden. Um dies überhaupt bewerkstelligen zu können muss man möglichst leicht ausgerüstet sein. Die in einem ernsthaften modernen Krieg erforderliche Verhaltensweisen sind mit der heute beschafften Schutzausrüstung (Helm, VPAM9, Chestrig) so gar nicht möglich. Das ist eine auf den aufgesessen Einsatz und auf Auslandseinsätze unterhalb des militärischen Horizontes zugeschnittene Spezialisierung die im modernen echten Krieg zum Scheitern verurteilt ist. Und es gibt noch weitere Argumente und ja, die Schutzausrüstung gefährdet heute das Überleben, vor allem aber die militärische Leistungsfähigkeit der Infanterie, weil das Primat viel zu sehr auf die Schutzausrüstung gelegt wird.

Zitat:Glaubst du wirklich, die Länder würden Schutzausrüstung kaufen, die trotz allem immer noch teuer ist, um einen Nachteil im Kampf zu haben?

Absolut glaube ich das, weil ich weiß, dass Armeen jede Menge Unfug kaufen und falsche Entwicklungen befördert haben und auch heute befördern. Wenn man sich die ganze Kriegsgeschichte ansieht kam das immer wieder vor. Keineswegs macht alles Sinn was beschafft wird und folgt rein rational-logischen Gründen. Man hat gewisse Ideen und Vorstellungen, folgt vorgegebenen Strukturen und hinterfragt nicht was ist. Gerade in Streitkräften gab es das immer wieder, dass man Sachen tut die zu einem Nachteil im Kampf führen - was natürlich erstmal kontraintuitiv ist. Und heute ist das nicht anders.

Zitat:Das galt im Übrigen auch für die Wehrmacht. und obwohl da zur Zeit des 3. Reiches ein richtiger Kult um Abhärtung und Tapferkeit etc entstand ist niemand auch nur auf die Idee gekommen, die Helme abzuschaffen.

Weil der Stahlhelm schon in der Zwischenkriegszeit DAS Symbol des Militärischen, der Abhärtung und der Tapferkeit geworden war, weshalb sich sogar paramilitärische Kampfverbände (Stahlhelm) nach ihm benannten. Weil im 1WK die Sturmtruppen als erste flächendeckend Stahlhelme verwendeten und von dort der Nimbus sich auf die Truppe ausbreitete. So wie sich gekürzte AR15 Systeme überall ausbreiteten weil die Spezialeinheiten solche führten, obwohl diese Systeme nur nachteilig waren und sind. Aber sie sind halt Special Forces Style und Tacticool usw

Ganz vieles was im militärischen Bereich geschieht ist nicht rein von den bloßen militärischen Anforderungen her gedacht.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Mike112 - 12.03.2022

https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/aktuelles/jan-christian-kaack-neuer-inspekteur-marine-5370354

Zorn gab daher einen kurzen Ausblick auf absehbare neue Beschaffungen auch für die Marine. Das sei Ausrüstung, die sie dringend brauche. „In diesem Zustand sind wir jetzt aktuell“, sagte Zorn

Gibt es dazu schon irgend welche Info´s ?


RE: Bundeswehr – quo vadis? - reflecthofgeismar - 12.03.2022

(09.03.2022, 20:12)Schneemann schrieb: "..."
Gekürzt durch mich

Meiner Meinung nach würde wir mit einer sanften Steigerung auf ca. 320.000 Mann (mehr als 370.000 Mann sind, soweit ich es im Kopf habe, gemäß dem 2+4-Vertrag auch gar nicht zulässig) und einem Ausbau von Kommunikation, Feuerkraft (hier denke ich an Artillerie und Werfer), in geringerem Umfang MBTs, IT-Sicherheit, Ausbildungsablauf und atomarer Teilhabe sowie einer Stärkung der Marine (letzteres meine persönliche Meinung) etc. vollauf klarkommen.

Schneemann

Ja, laut 2+4 Vertrag "dürfen" wir 370.000 Soldaten haben.
Davon nicht mehr wie 345.000 in Heer und Luftwaffe, ergo wenn voll ausgereizt 25.000 in der Marine.

Ich habe da mal ne Frage an dich/euch.
https://en.wikipedia.org/wiki/Treaty_on_Conventional_Armed_Forces_in_Europe
Ich habe diesbzgl. auch schon mal ein wenig bei Google gesucht aber nichts gefunden.
Wie viele KPz, TPz, TPz, Helis, Flieger, Schiffe usw. "dürfte" Deutschland haben?
Sollte man Sanktionen gegen kleinere Frechdachsstaaten erlassen, die diese Limitierungen überschreiten und die Gesamtzahl für vernünftige Staaten wie Deutschland schmälern?
Bzw. gilt diese Regelung überhaupt noch, da Russland ja darauf pfeift?


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Pmichael - 12.03.2022

Russland hat die KSE Verträge einseitig gekündigt. Es gibt nur innenpolitische Gründe wieso man sich daran weiterhin hält oder nicht.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - kato - 12.03.2022

(12.03.2022, 13:04)reflecthofgeismar schrieb: Wie viele KPz, TPz, TPz, Helis, Flieger, Schiffe usw. "dürfte" Deutschland haben?
Gemäß dem Übereinkommen zur Anpassung des KSE-Vertrags darf Deutschland (in aktiven Einheiten) haben:

3444 Kampfpanzer (Gewicht >= 16,5 t, BK >=75mm)
3201 Schützenpanzer (Personentransport und BK >=20mm)
80 Kampffahrzeuge mit schwerer Bewaffnung (Gewicht >= 6,0t, BK >=75mm)
2255 Artilleriesysteme (Geschütze, Mörser und Raketenwerfer >=100mm)
765 Kampfflugzeuge
280 Angriffshubschrauber (alles was für Lenkwaffen verdrahtet ist)

Für Transportpanzer oder sonstige gepanzerte Fahrzeuge ohne obige Bewaffnung gibt es keine Beschränkung.

Die "Holdings" im Sinne vorhandenen Gesamtbestands im Land (nicht in aktiven Einheiten wie oben verlangt, sondern alles was irgendwo im Depot oder bei der Industrie rumliegt) liegen laut dem letzten Bericht an die UNROCA relativ hierzu bei:
26% für Kampfpanzer
34% für Schützenpanzer
14% für Artilleriesysteme
31% für Kampfflugzeuge
40% für Angriffshubschrauber

Für Schiffe gibt es keine Beschränkung nach KSE. Die Bundesmarine war durch ein Abkommen der WEU im Bezug auf "größere" Kampfeinheiten zahlen- und ausrüstungsmäßig beschränkt, daher der damalige Fokus auf kleinere Kampfschiffe die da nicht drunter fielen (und parallel ständiges Anpassen des Abkommens im Bezug vor allem auf Technik...).


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Broensen - 12.03.2022

(12.03.2022, 18:59)kato schrieb: 80 Kampffahrzeuge mit schwerer Bewaffnung (Gewicht >= 6,0t, BK >=75mm)

Also bloß keine 76mm-PzFlaK einführen! Aber notfalls geht die ja auch als Artillerie oder Kampfpanzer durch. Sagt zumindest Quintus immer. WinkBig Grin


RE: Bundeswehr – quo vadis? - kato - 13.03.2022

(12.03.2022, 21:32)Broensen schrieb: Aber notfalls geht die ja auch als Artillerie oder Kampfpanzer durch. Sagt zumindest Quintus immer. WinkBig Grin
Alles was eine Sekundärfunktion zum Schießen im indirekten Richten sowie über 100mm hat zählt als Neubeschaffung nach KSE-Vertrag tatsächlich unter Artillerie.

Die 76mm-OTO-Selbstfahrlafetten würden aufgrund Gewicht mutmaßlich unter Kampfpanzer fallen.

Die Kategorie "Kampffahrzeug mit schwerer Bewaffnung" diente zur Abdeckung von sowas wie ASU-85 oder PT-76 auf sowjetischer und sowas wie AMX-10RC auf NATO-Seite, das halt genau in die genannten Grenzen reinfiel.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 13.03.2022

Ergänzend: Tatsächlisch sind damit Kampffahrzeuge mit einem Gewicht zwischen 6 Tonnen und 16,5 Tonnen gemeint, die eine BK über 75mm haben oder eine Rohrwaffe die man auch zum indirekten Feuer verwenden kann über 75mm - aber dann unter 100mm.

Ein Mehrzweck FlaK-Panzer mit 16 Tonnen und einer 76mm Mehrzweck-Kanone würde also tatsächlich darunter fallen.

Was mir allerdings nicht klar ist, warum man genau diese Art von Kampffahrzeugen derart von der Zahl her beschränkt hat. Man darf tausende Kampfpanzer und Panzerhaubitzen haben, aber nur 80 solcher leichter Kampffahrzeuge?! Liegt das daran, dass deren Signatur so viel geringer ist und/oder weil sie eher für Überraschungsangriffe geeignet wären und/oder weil sie luftbeweglich wären und damit eine besondere Offensivbedrohung ?

Wie dem auch sei, nach den aktuellen Ereignissen sollten wir diese Beschränkungen in Zukunft mal einfach ignorieren.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - kato - 13.03.2022

(13.03.2022, 08:55)Quintus Fabius schrieb: Was mir allerdings nicht klar ist, warum man genau diese Art von Kampffahrzeugen derart von der Zahl her beschränkt hat.
Weil man keine hatte und auch keinen Bedarf für solche sah.

Das entsprechende Kampffahrzeug der Bundeswehr - der Kanonenjagdpanzer - fiel aufgrund Gewicht unter die Kategorie "Kampfpanzer". Dasselbe galt für die Anfang der 90er noch in einigen NATO-Ländern vorhanden "leichten" Panzer (M41, M24).

Auf NATO-Seite waren diese "schwer bewaffneten Kampffahrzeuge" unter 16,5 Tonnen vor allem bei Frankreich (AMX-10RC, Sagaie) sowie Großbritannien, Belgien und Spanien (jeweils CVR(T) aka Scorpion, Belgien evtl. Restbestände AMX-13) vorhanden und sind mit entsprechenden Zahlen im Vertrag hinterlegt.

Der KSE-Vertrag diente der Beschränkung auf ein ähnliches Zahlenniveau zwischen beiden Seiten. Die Sowjetunion hatte zigtausend Fahrzeuge in dieser Kategorie, die man auf dreistellige Zahlen runter drücken wollte.

(13.03.2022, 08:55)Quintus Fabius schrieb: Wie dem auch sei, nach den aktuellen Ereignissen sollten wir diese Beschränkungen in Zukunft mal einfach ignorieren.
Solang man den Vertrag nicht aktiv kündigt ist dieser vollumfänglich weiter gültig.