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Russland vs. Ukraine - Druckversion

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RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 06.04.2022

Wie stets auf den Punkt: Strelkov über die tatsächliche Kontrolle der Russen in der Ukraine u.a.

https://twitter.com/i/status/1511528504373878785

Die Übersetzung ist leider krude, aber aktuell ist Strelkov der einzige der sowohl offen im russischen Fernsehen
das Wort Krieg verwendet, als auch die Operation massiv offen kritisiert.

https://www.youtube.com/watch?v=J0tvX8Mhuk4


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 07.04.2022

Der BND hat offenbar russische Funksprüche abgefangen, die belegen sollen, dass russische Einheiten die Massaker nördlich von Kiew im Vorfeld besprochen haben:
Zitat:Abgehörte Funksprüche weisen auf Gräueltaten in Butscha hin

Dem Bundesnachrichtendienst (BND) liegen abgefangene Funksprüche russischer Militärs vor, die an der ukrainischen Zivilbevölkerung verübte Gräueltaten unweit der Hauptstadt Kiew belegen.

Wie der «Spiegel» zuerst berichtete, informierte der Auslandsgeheimdienst gestern Parlamentarier über den Inhalt der Funksprüche. Diese zeigen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur, dass außerhalb von Kiew im März auch paramilitärische Einheiten im Auftrag der russischen Armee eingesetzt waren. [...] Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte zu Berichten über Gräueltaten in dem Ort Butscha gesagt, eine Auswertung von nicht-kommerziellen Satellitenbildern zeige, dass Opfer mindestens seit dem 10. März auf einer Straße gelegen hätten. «Glaubhafte Hinweise belegen, dass ab dem 7. März bis einschließlich 30. März russische Streit- und Sicherheitskräfte in diesem Gebiet eingesetzt waren. Sie waren auch mit der Befragung von Gefangenen befasst, die anschließend exekutiert worden sind. Das ist sind die Erkenntnisse, die wir haben», sagte Hebestreit. «Die von russischer Seite getätigten Ausführungen, es handele sich um gestellte Szenen und man sei nicht verantwortlich für die Ermordungen, sind aus unserer Sicht damit nicht haltbar.»
https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/abgehoerte-funksprueche-weisen-auf-graeueltaten-in-butscha-hin-17942020.html

Kriegsverbrechen seitens der Ukraine: Ermordung russischer, verletzter Soldaten...
Zitat:Aufnahme verifiziert

Video zeigt Erschießung eines russischen Soldaten

Ein Video, nicht weit von Butscha aufgenommen, zeigt eine brutale Hinrichtung. Einem Bericht der "New York Times" zufolge exekutieren für die Ukraine kämpfende Truppen einen schwer verletzten russischen Soldaten, der mit seiner Einheit in einen Hinterhalt geraten war. [...]

Der Vorfall ereignete sich dem Bericht der "New York Times" zufolge auf einer Straße nahe des Ortes Dmytrivka, der nur einige Kilometer von Butscha und damit auch nicht weit von Kiew entfernt liegt. Die Hinrichtung soll sich Ende März ereignet haben, als sich russische Truppen im Westen von Kiew zurückzogen und an dieser Stelle in einen Hinterhalt gerieten. Bevor die Schüsse auf den am Boden liegenden Soldaten abgegeben werden, sagt eine Person laut der Zeitung: "Er lebt noch. Filmen Sie diese Plünderer. Schau, er lebt noch. Er schnappt nach Luft." [...] Die feuernden Soldaten ordnet die Zeitung anhand ihrer Flaggenabzeichen und blauen Armbinden der Ukraine zu. Mehrfach rufen sie "Ruhm der Ukraine". Mit Berufung auf ukrainische Medien wird als weitere Möglichkeit in den Raum gestellt, dass es sich bei den Kämpfern um die sogenannte "Georgische Legion" handelt, einer paramilitärischen Einheit, die bereits seit 2014 auf der Seite der Ukraine kämpft.
https://www.n-tv.de/politik/Video-zeigt-Erschiessung-eines-russischen-Soldaten-article23251773.html

Bei den Kämpfen um Mariupol scheinen Russen, Separatisten und wohl auch irgendwelche Söldner weiter vorzurücken. Anscheinend wurde das Zentrum der Stadt erreicht:
Zitat:Prorussische Separatisten: Mariupols Zentrum weitgehend eingenommen

Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben eigenen Angaben zufolge mithilfe russischer Truppen weitgehend die Kontrolle über das Stadtzentrum von Mariupol erlangt. "Man kann sagen, dass im zentralen Teil der Stadt die Hauptkämpfe beendet sind", sagte der Sprecher der prorussischen Kräfte im Gebiet Donezk, Eduard Bassurin, am Donnerstagmorgen im russischen Staatsfernsehen. Die ukrainische Seite bestätigte diese Darstellung nicht. "Mariupol hält sich", sagte Präsidentenberater Olexeij Arestowytsch. [...]

Bassurins Angaben zufolge sollen sich in der von russischen Truppen belagerten Stadt noch rund 3000 ukrainische Soldaten aufhalten. Das ließ sich zunächst nicht überprüfen. Bassurin behauptete zudem, die ukrainischen Kämpfer hätten Unterstützer in der Zivilbevölkerung. In Mariupol, das vor dem Krieg rund 440 000 Einwohner zählte, ist die humanitäre Lage seit Wochen katastrophal. Die geflüchtete Stadtverwaltung geht davon aus, dass bereits Zehntausende Zivilisten getötet worden sind.
https://www.handelsblatt.com/dpa/wirtschaft-handel-und-finanzen-roundup-prorussische-separatisten-mariupols-zentrum-weitgehend-eingenommen/28235312.html

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - voyageur - 07.04.2022

Ukraine 07. April - Kampf im Donbass: Machen drei Lahme einen Schwergewichtsboxer?

Theatrum belli (französisch)
von Stéphane AUDRAND 7. April 2022
[Bild: https://theatrum-belli.com/wp-content/uploads/2022/04/UKR-carte-070422.jpeg]
(Anstatt mir eine Karte von anderen zu leihen, habe ich meine eigene mit der ausgezeichneten App https://www.map.army/ gebastelt.)

Dies ist die Situation im Donbass, wo sich derzeit der Großteil der russischen Offensive in der Ukraine konzentriert (was nicht bedeutet, dass sonst nichts mehr passiert, es gab ein paar Bewegungen in Richtung Kherzon).

Die Russen sind dabei, die 1. Panzerarmee (1. AB) aus dem Norden zurückzuholen. Sie ist verschlissen, hat Verluste erlitten, aber wahrscheinlich immer noch ein wenig Offensivpotenzial. Sie soll die 6. und 20. Kombinierte Armee verstärken (eine KA stellt - grob gesagt - eine große Division mit Unterstützung dar). Dies sind die "lahmen Drei".

Auf der gegenüberliegenden Seite sind die Ukrainer mit drei Brigaden, die ebenfalls ziemlich abgenutzt und müde sind, fest im Sievierodonezk-Bracket (110.000 Einwohner) etabliert. Die ukrainischen Stellungen im Donbass sind durch überfüllte Stadt- und Industriegebiete, ein ziemlich dichtes Straßennetz und Waldgebiete gegliedert: der Traum eines jeden Verteidigers.

Der russische Durchbruch bei Izyum am Fluss Donez ist von entscheidender Bedeutung. Doch bislang ist er ungenutzt. Die Russen regenerieren sich dort, bauen Brücken und bereiten sich auf einen Angriff vor. Am wahrscheinlichsten auf Sloviansk (100.000 Einwohner, durchgehender Pfeil), weniger wahrscheinlich nach Westen (gestrichelter Pfeil).

Der Vorsprung selbst steht unter russischem Druck, von Roubijne im Norden und auf Popasna im Süden. Die Russen greifen entlang der Verkehrsachsen an, was ziemlich deutlich ist und viel über die Schlammigkeit des Bodens aussagt. Das macht es schwieriger.

Wenn Sloviansk fällt, wird Kramatorsk bedroht, durch das Verstärkung und Nachschub nach Sievierodonetsk fließen (die logistischen Linien sind gestrichelt, blau für die Ukrainer, rot für die Russen).

Auf der anderen Seite drängen die Separatisten aus Donezk vor. Sie könnten helfen, Kramatorsk in den Rücken zu fallen oder in den ukrainischen Rücken vorzustoßen, aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich.

Allein Kostiantynivka ist bereits ein großes Hindernis mit über 70.000 Einwohnern (selbst wenn es keine Zivilisten mehr gibt, kann die defensive Bedeutung eines Stadtgebiets an der Anzahl der Einwohner gemessen werden, was eine Vorstellung von den bebauten Flächen vermittelt).

Das Halten von Sievierodonetsk ermöglicht es, die russischen Verluste zu erhöhen. Wenn der Vorsprung fällt, wird das Gebiet der "Republik Lugansk" erobert. Die drei ukrainischen Brigaden zurückzuziehen wird mit jedem Tag schwieriger, da sie unter dem Feuer der russischen Artillerie und Luftwaffe stehen, die hier relativ ungestraft zuschlagen können. Aber warten heißt, die Vernichtung zu akzeptieren...

Zu diesem Zeitpunkt hat der Durchbruch von Izyum also immer noch das Potenzial, alle sechs ukrainischen Brigaden in der Region zu bedrohen. Der Verlust von drei von ihnen und des am weitesten vorgeschobenen Ausläufers wäre jedoch bereits ein schwerer Schlag für Kyiw. Und für Samstag und Sonntag sind zwei Tage mit recht ordentlichem Wetter angekündigt...

Lagebericht über die Operationen in der Ukraine 7. April 2022
La voie de l'épée (französisch)
Allgemeine Lage
[Bild: https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh8dnl7Tj4Jl9bDyXT62zjgvq8yjZzYQ75XQTlWYyxUpNkxbvfcwUn8-kC7zizOzNNmJ1ZRAf3onLKWBlQLWz3ooK1giKsjMxaWrnWnOFCP2X9HOmB3zFC2Ue_n4f2EC1HIv1kJunUywbs7HcjcZigMqwCtKhpPOVkwk0u5X1E9mwM47k1kyAvGHntZ/s320/7%20avril.png]
Vollständige Evakuierung des Nordens der Ukraine. Die drei russischen Armeen, die westlich und nördlich von Kiew eingesetzt sind, werden in Weißrussland aufgefüllt und sind wahrscheinlich kampfunfähig. Die 2. ABG und die 6. A halten die Ostgrenze zwischen Sumy und Charkiw. Die 1. ABG wurde im Hinblick auf die Entscheidungsschlacht im April in den Sektor Donbass-Nord verlegt. Außerhalb von Mariupol sind die anderen Sektoren nur Gegenstand begrenzter Operationen.

Besondere Situationen

Donbass-Nord

Die Kampfzone Donbass-Nord kann in drei Sektoren unterteilt werden: Yzioum, Fluss Donez gegenüber der Bastion Sloviansk-Kabarovsk und Severodonetsk. Das Ganze scheint vom Stab der 1. Gardepanzerarmee, der aus der Gegend von Sumy kam, berücksichtigt worden zu sein, der zunächst unter dem Kommando und dann von Divisionsstäben (3. DM, 144. DM) ein Dutzend Marsch-GTIAs und wahrscheinlich auch die 106. Luftlandedivision, die bis dahin kaum eingesetzt worden war, übernimmt.

Wenn diese Angriffsmasse Ende April/Anfang Mai im Kampf verschlissen ist, wird die russische Manövrierfähigkeit auf ein Minimum reduziert sein. Was auch immer zu diesem Zeitpunkt geschehen wird, es wird wahrscheinlich eine lange operative Pause notwendig sein.

Gegenüber der 1. ABG im Sektor Yzium sind die ukrainischen Streitkräfte auf drei reguläre Einheiten reduziert: die 25. Luftlandetruppe und die 81. und 95. Luftangriffsbrigade (in Wirklichkeit mechanisierte Infanteriebrigaden). Die Bastion Slowjansk-Kabarowsk wird von der 57. motorisierten Brigade und mehreren territorialen oder paramilitärischen Einheiten (Polizei, organisierte Milizen) fest gehalten, Sewerodonezk von der 79. Luftangriffsbrigade und auch hier von mehreren territorialen und paramilitärischen Einheiten.

Die ukrainischen Streitkräfte in diesem Gebiet machen ein Sechstel der Gesamtstreitkräfte aus. Sie haben ein gutes taktisches Niveau und stützen sich auf starke Stellungen, die jedoch bereits verschlissen sind.

Die russische Absicht ist eindeutig, im Osten so schnell wie möglich den Severdonetsk-Bracket einzunehmen und vor allem im Westen von Yzium nach Bervinkove vorzustoßen, einer Kleinstadt mit 8.000 Einwohnern 30 km westlich von Sloviansk, die von der 85. Die städtische Bastion Sloviansk-Kabarovsk soll derzeit nicht eingenommen, sondern umgangen werden.

Donbass-Ost

Das 2. Armeekorps LNR begleitet von Osten her die russische Aktion gegen Severodonezk und versucht weiter südlich, Popasna einzunehmen, das von der 24. ukrainischen mechanisierten Brigade gehalten wird.

Das 1. Armeekorps der DNR versucht weiterhin, von der Stadt Donezk aus über die N15 und vor allem die Autobahn E50 nach Westen vorzudringen, doch die 95. Luftangriffsbrigade leistet auf befestigten Stellungen Widerstand.

Donbass-Süd

Die Russen kommen immer noch in Mariupol voran, aber nur sehr langsam. Es herrscht völlige Ungewissheit darüber, wann die Stadt eingenommen werden kann. Es scheint schwer vorstellbar, dass die 150. russische motorisierte Division in der Lage ist, einen weiteren Endkampf, z. B. in Richtung Zaporijjia, zu führen.

Kräftegleichgewicht in der südlichen Donbass-Linie zwischen drei verteidigenden ukrainischen Brigaden (59., 56. und 53. motorisierte/mechanisierte Brigade) und der 42. russischen motorisierten Division. Die Einnahme von Saporischschja wäre für die Russen von großem Interesse, aber sie beschränken sich derzeit darauf, die Stadt zu bombardieren, und warten wahrscheinlich auf die Mittel für einen Angriff.

Südwesten

Ukrainische Angriffe auf Cherson von Kryvyi Rhi und Mykolayev aus. Die Rückeroberung Chersons durch die ukrainischen Streitkräfte und die Überquerung des Dnepr wäre ein sehr schwerer Schlag für die Russen, ist aber sehr unwahrscheinlich.

Anmerkungen


Die Grundstruktur des russischen Heeres ist die "schwere TAG" mit 800 bis 1000 Mann, 120 gepanzerten Fahrzeugen einschließlich einer starken Artillerie (es handelt sich eigentlich um ein "Nahkampf"-Bataillon und ein Artillerie-Bataillon, die aneinandergefügt sind). Die ukrainische Struktur ist anders: Sie besteht aus "leichten IAGs" mit 300 bis 500 Mann, die je nach ihrer Großausrüstung unterschiedlich zusammengesetzt sind, aber fast ausschließlich aus Nahkämpfern bestehen.

Die russischen JITAs sind zu zweit, zu dritt oder manchmal zu viert in unabhängigen Brigaden oder Regimentern zusammengefasst, die in Panzer- oder motorisierten Divisionen, Brigaden oder Divisionen unter dem Kommando von Armeen eingegliedert sind.

Die ukrainischen AIGs sind zu drei oder vier zusammengefasst, mit einer Artilleriegruppe in einer Brigade von etwa 3.000 Mann. Je nach Dosierung der Arten von AIGs verfügt die ukrainische Armee über rund 30 Brigaden unterschiedlicher Art (gepanzert, mechanisiert, motorisiert, Gebirge, leicht, Luftangriff, Luftlandetruppen, Marineinfanterie).

Auf taktischer Ebene (im Ortskampf) gibt es eine Schwelle für die Dichte der Kräfte an den Kontaktpunkten, unterhalb derer nicht genug Feuerkraft ausgeübt wird, um wirksam zu sein, und oberhalb derer vor allem Verluste hinzugefügt werden. Dies führt zu Volumenverhältnissen, die oft nahe beieinander liegen (sehr selten mehr als 2:1).

Die ukrainische GTIA scheint besser geeignet zu sein als die russische, die sowohl schwerfällig zu befehligen ist, zu wenig Kontakttruppen hat und bei diesen indirekten Feuern gegen einen Gegner, der sich in einer Ortschaft oder in einer stark verschanzten Stellung verteidigt, was häufig der Fall ist, weniger effektiv ist. Die erfolgreichen russischen Erfahrungen aus den Jahren 2014 und 2015 könnten insofern irreführend gewesen sein, als die GTIAs von der Infanterie der separatistischen Milizen profitierten und die weniger gut organisierten ukrainischen Einheiten nicht in so starken Positionen waren.

Die ukrainische Gesamtorganisation ist zonal mit vier Regionalkommandos, die diese Manöverbrigaden, organische Elemente (z. B. eine Artilleriebrigade und ein Aufklärungsbataillon pro Region), territoriale Reservistenbataillone und verschiedene Freiwilligenbataillone, die oft dem Innenministerium unterstellt sind, zu Ad-hoc-Gruppierungen zur Verteidigung von Zonen kombinieren. Diese Zonenverbände, die sich beispielsweise in Tschernihiw um die 1. ukrainische Panzerbrigade gruppierten, konnten jeweils einer kompletten russischen Armee standhalten.

Von der Bedeutung der Reserven, natürlich in der Territorialarmee, aber auch in der regulären Armee mit insbesondere einem Drittel der schwersten Brigaden. Ohne Reservisten hätte die ukrainische Armee zweifellos nicht standgehalten, und mit echten professionellen Reserveeinheiten wäre die russische Armee nicht in diese Lage geraten.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 08.04.2022

Aktuelle Entwicklungen:
Zitat:Importstopp für Kohle

EU billigt Sanktionspaket gegen Russland

Die EU-Staaten haben eine Reihe weiterer Sanktionen - inklusive Kohleembargo - gegen Russland auf den Weg gebracht. Der Druck auf Präsident Putin soll erhöht werden, nachdem die mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Orten wie Butscha bekannt wurden. Die EU-Mitgliedstaaten haben das fünfte große Paket mit Strafmaßnahmen für Russland gebilligt. Die EU-Kommission hatte einen Importstopp für Kohle, Holz und Wodka sowie weitere Sanktionen vorgeschlagen. [...]

Zuvor hatte es Streit um die Maßnahmen gegeben. Polen war dagegen, die Frist für das Ende des Kohleimports auf vier Monate hochzusetzen - statt wie von der EU-Kommission geplanten drei Monaten Übergangszeit. Länder wie Griechenland und Malta wollten zudem eine Hafensperre nicht so streng fassen wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. [...] Das Kohleembargo könnte bis zu vier Milliarden Euro Einnahmeausfälle für Russland bedeuten. Im Umfang von zehn Milliarden Euro soll es außerdem weitere Handelsbeschränkungen für Produkte wie Quantencomputer und Transportmittel geben. [...]

Erzeugnisse wie Holz, Zement und Meeresfrüchte sollen nicht mehr importiert werden - im Wert von 5,5 Milliarden Euro. Für russische Unternehmen soll es nicht mehr möglich sein, an öffentlichen Ausschreibungen in der EU teilzunehmen.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-russland-saktionen-101.html

Hierzu auch - deutsch-britische Konsultationen bzgl. deutscher Gas-Abhängigkeit von Russland:
Zitat:PM to meet German Chancellor today to discuss weaning Europe off Russian oil

Boris Johnson is set to meet the German Chancellor as they look to discuss how European countries can wean themselves off Russian gas. The prime minister will host Olaf Scholz at Downing Street today, with a press conference planned for the afternoon.

Mr Johnson is expected to offer Berlin - which is heavily reliant on Russian gas - assistance to reduce its dependency on Moscow's energy exports in a bid to starve Vladimir Putin's war machine of funds.
https://news.sky.com/story/ukraine-live-news-germany-rejects-putin-gas-supply-demands-as-blackmail-148-children-killed-in-russian-airstrikes-un-prepares-to-visit-chernobyl-12541713

Auch Japan wird den Import russischer Kohle wohl zurückfahren:
Zitat:Japan plans to gradually reduce coal imports from Russia

The world's third-largest coal importer Japan plans to reduce Russian coal imports gradually while looking for alternative suppliers in the wake of sanctions against Moscow, the industry minister said on Friday. The move also highlights a potential shift in Japan's energy procurement policy.

The minister, Koichi Hagiuda, told reporters that Japan will aim over time to end coal imports from Russia, the country's second-biggest supplier of thermal coal in 2021. [...] Russia accounted for 11% of Japan's total coal imports in 2021, according to the government data. Russia was Japan's fifth-biggest supplier of crude and liquefied natural gas (LNG) in 2021. [...]

Prime Minister Fumio Kishida said on Thursday that Japan will unveil further sanctions against Russia for its invasion of Ukraine as early as Friday after coordinating with G7 allies on further punitive steps.
https://www.asahi.com/ajw/articles/14593661

Weiterhin hat der Kreml, allerdings ohne spezifische Zahlen zu nennen oder zu bestätigen, erstmals indirekt sehr hohe Verluste eingeräumt (Schätzungen variieren ja bekanntlich, wobei zumeist von 10.000 bis 15.000 Toten und etwa 40.000 Gesamtverlusten, d. h. inkl. Verwundeten, Vermissten und Gefangenen, gesprochen wird):
Zitat:Kremlin says Russia has suffered 'significant losses' in Ukraine

April 7 (Reuters) - Kremlin spokesman Dmitry Peskov said on Thursday that Russia had sustained "significant losses" in Ukraine, which its troops entered on Feb. 24 in what it calls a "special military operation". [...] "We have significant losses of troops," Peskov told the British channel Sky News in an interview, "and it's a huge tragedy for us." [...]
https://www.reuters.com/world/europe/kremlin-says-russia-has-suffered-significant-losses-ukraine-2022-04-07/

Finnland scheint den Weg beschritten zu haben bzw. es gibt eine innenpolitische Mehrheit hierfür, einen Aufnahmeantrag in die NATO stellen zu wollen:
Zitat:Finnland will der Nato beitreten

Laut internationalen Presseberichten will Finnland einen Antrag stellen, um der Nato beizutreten.

Laut internationalen Presseberichten will Finnland einen Antrag stellen, um der Nato beizutreten. Dieser befindet sich derzeit offenbar in Vorbereitung. Eine Entscheidung wird im kommenden Monat erwartet, womöglich schon zum 1. Mai. Das schreibt die finnische Zeitung Iltalehti. Demnach strebt Finnland aktuell eine dauerhafte Nato-Mitgliedschaft als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine an. [...]

Nach Ostern müssten laut der finnischen Zeitung Iltalehti die parlamentarischen Ausschüsse dann über eine mögliche Bewerbung beraten. Die Zeitung beruft sich hier auf eigene Quellen und erwartet bereits in den ersten beiden Maiwochen eine Entscheidung, ob Finnland sich ernsthaft um eine Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis bewerben will. [...]

Am selben Tag bestätigte bereits der finnische Außenminister Pekka Haavisto, dass seine Regierung aktuell ein Papier zur Sicherheits- und Verteidigungslage für das Parlament vorbereite. Ob es sich dabei um die nun in finnischen Medien angesprochene Ergänzung zur Nato-Mitgliedschaft handelt, ist derzeit unklar. Laut Haavisto sei in Finnland seitdem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erstmals aber eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für eine Nato-Mitgliedschaft.
https://www.berliner-zeitung.de/news/finnland-will-der-nato-beitreten-li.221274

Meldung von Beginn der Woche: Australien will offenbar Bushmaster IMVs nach der Ukraine luftverlasten...
Zitat:Australian Bushmaster armoured vehicles painted and ready to fly to Ukraine within days

Four ADF Bushmaster vehicles have been hastily repainted and modified so they can be flown to Europe within days of a direct public request from Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy. [...] Now the ABC can reveal the first four troop carriers were repainted and refitted in Brisbane over the weekend ahead of their delivery to RAAF Base Amberley, where they are expected to be loaded onto a C-17 Globemaster before being flown to Europe.

A RAAF Globemaster can carry up to four Bushmasters on board at any one time, but it is understood the ADF is also examining whether some of the vehicles used by the Dutch military could be given to the Ukrainians as well.
https://www.abc.net.au/news/2022-04-04/australian-armoured-vehicles-bushmasters-ukraine-ar/100965042

Zu den nachwievor heftigen Gefechten um Mariupol (gestern war vermeldet worden, dass Kräfte der Separatisten das Stadtzentrum erreicht hätten - was die Ukrainer bestreiten - und dass mittlerweile dort ein prorussischer Bürgermeister eingesetzt wurde):
Zitat:Two more of Putin's tanks are blown up in new footage from Mariupol

Two more of Vladimir Putin's tanks have been destroyed in Mariupol, new drone footage shows.

Separate aerial video shows Ukrainian soldiers dodging a Russian bombardment as they run through trenches in Donetsk Oblast, where civilians have been told it is their 'last chance' to flee before a fresh offensive by Moscow.

Footage posted online purports to show two Russian tanks driving along the road in a residential area in the outskirts of the besieged southern port city Mariupol. Moments later Moscow's men are ambushed by Ukrainian troops using tracers with two direct hits. The Russian tanks attempt to flee the scene but are gunned down a second time in a volley of shots.
https://www.dailymail.co.uk/news/article-10696177/Two-Putins-tanks-blown-Mariupol-Ukrainian-troops-seen-dodging-Russian-shells.html

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, welche Art von Waffe hier zum Einsatz kam. Offenkundig ist es quasi ein Hagel von Geschossen, einige prallen auch ab, der die Panzer hier von schräg achteraus trifft. Für eine MK eines SPW, z. B. Kaliber 30 mm etc., erscheinen mir die Geschosse zu groß. Für Panzergranaten wiederum ist die Kadenz zu hoch (wenn nicht ein halbes Dutzend Panzer zugleich feuern würde). Und Raketen scheinen es auch nicht zu sein. Hat jemand eine Idee?

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - speciman - 08.04.2022

ich denke das ist 30mm, vielleicht eine Mischgurtung von HE und AP, einige mit Leuchtspur. Bei Dämmerung und langer Belichtung kommt dann dabei so eine Lightshow heraus.
Auf jeden Fall wird deutlich, dass der T-72 ein klassischer Duell MBT ist und der Schutz im Heckbereich nicht so besonders gut zu sein scheint.


RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 08.04.2022

Irgendeine FlaK, vielleicht auf Tactical? AZP S-60 z.B.: 57mm, 70-120 Schuss/Minute.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 08.04.2022

Das kann auch an der Aufnahme liegen und deren Belichtung etc dass das so wirkt.

Aber auch meiner Meinung nach könnte das eine 57mm sein.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 08.04.2022

Also, abgesehen von der martialischen Musik, kann man grob 7-8 Wirkungstreffer in diesem Film erkennen (mutmaße ich). Ist nur eben noch die Frage, was es war? 57 mm? Denkbar. Aber das, was die Ukrainer da haben könnten, z. B. den ZSU-57-2, haben sie eben (offiziell) nicht. Und mal ehrlich: Ausgeleierte Flakpanzer der 1950er wirken so nicht...auch wenn man das Kaliber nicht unterschätzen darf...

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 10.04.2022

Eventuell setzen die Russen darauf diesen Krieg einfach immer weiter vor sich hinköcheln zu lassen, gerade damit der Westen sich daran gewöhnt und schlußendlich in seinem Interesse erlahmt, also eine Strategie der Abnutzung mit der Zielsetzung die eigene größere Ausdauer in der Sache auszunützen.

Ein äußerst intelligenter Gedanke in der Washington Post:

https://www.washingtonpost.com/opinions/2022/04/05/disease-sickness-threaten-ukraine-battlefield-war/?utm_campaign=wp_opinions&utm_medium=social&utm_source=twitter

Zitat:Ukrainians have been fighting for the survival of their country. Their ferocious resistance has forced Russia to alter its strategy, a tacit acknowledgement of Ukraine’s success. But as the weather warms, Kyiv will be forced to confront a less visible enemy: disease.

War and disease have been deadly bedfellows for as long as armies have fought one another.

Es wäre von russischer Seite aus auch ein leichtes verdeckt Cholera, Typhus, Amöbenruhr, Diphterie usw zu verbreiten und dem Gegner damit immens zu schaden.

Ein wenig auch in diese Richtung gehen die Meldungen, dass aus Tschernobyl in erheblichem Umfang stark strahlendes Material entwendet wurde. Wir sprechen hier von nicht weniger als 700 kg Material das für den Bau schmutziger Bomben geeignet wäre.

https://www.merkur.de/politik/luhansk-ukraine-krieg-news-putin-selenskyj-russland-donbass-moskau-kiew-kramatorsk-butscha-zr-91468840.html

Die Tschechei entsendet derweilen Panzer in die Ukraine:

https://www.wsj.com/articles/ukraine-quietly-receives-tanks-from-czech-republic-to-support-war-effort-11649160666?mod=e2tw

Und eventuell auch die Polen:

https://twitter.com/basedpoland2/status/1512865993793716224?s=21

Und wir bieten der Ukraine angeblich 100 Panzerhaubitzen 2000 aus Bundeswehrbeständen an:

https://www.welt.de/politik/ausland/plus238089483/Waffenlieferungen-Ukraine-liegt-Angebot-fuer-deutsche-Panzerhaubitzen-vor.html

Bei der aktuellen Produktionsrate für Artillerie in diesem Bereich stünden wir damit für Jahre de facto ohne Artillerie dar, sollte die Ukraine das ernsthaft annehmen.


Die letzten Tage:

Militaryland:

https://militaryland.net/ukraine/invasion-day-43-summary/

https://militaryland.net/ukraine/invasion-day-44-summary/

https://militaryland.net/ukraine/invasion-day-45-summary/

Jomini:

Zitat:Gesamtkarte:

https://twitter.com/JominiW/status/1511571783576694786/photo/1

1/ Ukrainian Theater of War, Day 41: The past 24 hours saw Russian forces continue retreat from the Sumy oblast, although a small portion maintains a token Russian force. Redeployment of units from Kyiv & Sumy to Izium continues.

2/ Humanitarian Impact. Ukrainian refugees near 6 million, with over 6.6 million IDPs throughout Ukraine. The UN Human Rights Office now states Russian forces directly & killed civilians in Bucha. Russian forces continue to block access to Mariupol.

3/ Weather assessment. The Donbas region will experience extended periods of cloud cover and rain during the early part of next week (11-13 Apr). These conditions and varying wind speed will hamper the accuracy of air & artillery strikes for VKS & UAF.

Karte Kharkiv / Donbas:

https://twitter.com/JominiW/status/1511572257814069248/photo/1

4/ Kharkiv-Donbas Strategic Front. Russian forces continue small-scale offensive action SW of Izium and in the Sievierodonetsk salient. Separatist forces are still attempting to breakthrough Ukrainian defenses along the LOC. Mariupol has yet to fall to Russian forces.

Karte Osten / russischer Aufmarsch:

https://twitter.com/JominiW/status/1511572367209861121/photo/1

5/ Russian force buildup. The Russian military has begun to concentrate redeployed forces from the Sumy & Kyiv-Chernihiv Strategic Fronts to the region between Balakilisk and Izium. These units most likely are the best capable to come from these former fronts.

6/ It is likely these units have probably been filled with cannibalized personnel and equipment from units deemed too damaged to function effectively, though this assessment is highly speculative.

Karte Donets:

https://twitter.com/JominiW/status/1511572694906683392/photo/1

7/ Donets River Line. Russian & Separatist forces have not made any meaningful gains in the Sievierodonetsk Salient for the past several days. Russian forces will undoubtedly advance on Sloviansk, this may not be the main effort of a renewed offensive.

8/ Russian forces may instead advance further to the west and south to create a large cauldron to be reduced by artillery and air strikes. Given the high losses sustained by Russian forces throughout the UTW, these seems like the logical operational approach.

9/ Aerospace Assessment. VKS continues to steadily increase air sorties in east and south Ukraine. Priority of missions seem to be in Mariupol & in the Sievierodonetsk Salient. Pressure is maintained against Kharkiv through air & artillery strikes.

10/ Battle Damage Assessment. New Russian losses include 2x MBTs destroyed (1x T-72B, 1x unknown), 28x BMP IFVs (21x destroyed, 6x captured, 1x abandoned), 1x KA-52 AH & 1x Orlan-10 UAV shot down, 2x KamAZ trucks & 7x other types destroyed.

11/ Information Advantage. President Zelensky delivered a powerful message to the UN Security Council today. However, there is a risk that continued brow beating of international leaders, especially from Europe, may work against attempts to secure aid.

12/ Zelensky’s frustration is completely understandable. Without substantial and expanded military assistance, Ukraine will not be able to defeat Russia. Without humanitarian and financial assistance Ukraine will take decades to recover.

13/ Ukraine needs assistance like the Czech Republic may provide. The West cannot allow itself to be paralyzed in fear of what Russia might do if it provides more substantive lethal aid. If the West does not Ukraine will struggle in the long term to win.



RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 10.04.2022

Noch ein paar Analysen und Sonstiges:

Wargaming a Long War: Ukraine Fights On

https://mwi.usma.edu/wargaming-a-long-war-ukraine-fights-on/

Strategic Foresight and the War in Ukraine

https://rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/strategic-foresight-and-war-ukraine

War Termination and Escalation in Ukraine

https://mwi.usma.edu/war-termination-and-escalation-in-ukraine/


The Army, the Government, and the People in the Russo-Ukrainian War

https://warontherocks.com/2022/04/the-army-the-government-and-the-people-in-the-russo-ukrainian-war/

Die Ukraine wird mit weiteren westlichen Waffen vollgemüllt:

https://defence-blog.com/britain-to-send-more-anti-tank-missiles-to-ukraine/

ISW:

https://www.iswresearch.org/2022/04/russian-offensive-campaign-assessment_9.html


Getting Serious About SEAD: European Air Forces Must Learn from the Failure of the Russian Air Force over Ukraine


https://rusi.org/explore-our-research/publications/rusi-defence-systems/getting-serious-about-sead-european-air-forces-must-learn-failure-russian-air-force-over-ukraine



Und zum Abschluss noch ein Film:

"Who is winning?" - Mythbusting the Ukraine-Russia war

https://www.youtube.com/watch?v=MH0xWWSJL00

https://www.youtube.com/watch?v=OZUMJ_T1YBI


Und als allerletztes noch die aktuelle Gesamtkarte:

https://twitter.com/War_Mapper/status/1512945340755939328/photo/1


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 11.04.2022

Zitat:Es wäre von russischer Seite aus auch ein leichtes verdeckt Cholera, Typhus, Amöbenruhr, Diphterie usw zu verbreiten und dem Gegner damit immens zu schaden.
Sie würden sich in erster Linie selbst dabei schaden. Cholera, Typhus und Diphterie sind bakteriell verursacht - und letztgenannte Erkrankung, die durch Tröpfcheninfektion leicht von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, ist in Russland seit dem Fall der UdSSR stark auf dem Vormarsch, ohne dass das überforderte russische Gesundheitssystem wirklich hier bei der Eindämmung vorankäme. Amöbenruhr ist zwar parasitär, aber nur in sehr geringem Umfang wirklich gefährlich, die Letalität dürfte unter 1% liegen.

Problematisch ist ferner, dass Cholera, Typhus und Amöbenruhr allesamt vor allem durch Verschmutzungen im Wasser oder auf Lebensmitteln bzw. unsanitäre Verhältnisse verursacht werden und dass in einem Kriegsgebiet die Chance, die Ausbrüche wieder einzudämmen, aufgrund der Verwüstungen und zusammengebrochenen Versorgungsstrukturen stark erschwert sein dürfte. Verbindet man dies mit dem Umstand, dass die russische Armee in einer sehr schlechten logistischen Lage ist und Plünderungen allenthalben geschehen, so wäre die Chance, dass sich russische Soldaten in einem Gebiet, wo man zuvor solche Erreger ausgesetzt hatte, selbst massenweise infizieren würden, sehr hoch. Und im Gegensatz zu den Russen würden die Ukrainer, wenn es z. B. zu einem Cholera-Ausbruch käme, medizinische Unterstützung aus dem Westen erhalten - während die Russen nicht mal die Diphterie in den Griff bekommen und zudem wohl unter einer schlechten, auch zivilgesellschaftlichen, Versorgung leiden.

Ein Versuch, mit solchen Erregern eine Wende einzuleiten, wäre also ein weiterer Schlag gegen die russische Kampfkraft selbst. Und ohne nun rechtlich-moralische Belange anzuführen, sie dürften in der russischen Führung derzeit wohl eh kaum jemanden interessieren, erinnere ich daran, dass auch Russland die Biowaffenkonvention unterzeichnet und ratifiziert hat (und sogar Depositarstaat ist).

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - voyageur - 11.04.2022

Lagebericht zu den Operationen in der Ukraine 10. April 2022-Die Schlacht um die Mittel
La voie de l'épée (französisch)
Die russischen Streitkräfte führen weiterhin begrenzte Angriffe in Mariupol und im Norden des Donbass durch, während sie sich darauf vorbereiten, aktiver von Yzium aus in Richtung Westen auf die Bastion Sloviansk-Kramatorsk vorzustoßen.
[Bild: https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhZpF5Yk0puSyE1QzAjZEP4rHrSftdnDK0mjMUfntw57MNpnUges9903e-DG-mzdumzwuMcX4Sjrw5AfVTD-KGTn1O_4_IXuXYBlSckQckrsPn9mla9vYYoFzuwWLcoLI48MgUH9XZXqi_BfkEVXEZLZfhKFE2jECIFXJ5F-xstyv1EsYoc9YjjBoFO/w378-h254/10%20avril.png]
Russlands Ziel scheint es zu sein, den Donbass bis zum 9. Mai vollständig einzunehmen. Unabhängig davon, ob dieses Ziel erreicht wird, was unwahrscheinlich ist, oder nicht, dürfte es bis zu diesem Zeitpunkt zu einem Stillstand der Operationen kommen, da es beiden Gegnern an Offensivkapazitäten fehlt, um die Frontlinie wesentlich zu verändern.

Diese Phase kann in Form eines Waffenstillstands mit anschließenden, wahrscheinlich ergebnislosen Verhandlungen oder in Form eines Krieges stattfinden. Später würde es dann zu einer neuen Offensivphase kommen, sobald eine Seite über genügend Mittel verfügt, um sie zu versuchen.

Organische Operationen oder Operationen mit Mitteln sind bereits wichtiger als Eroberungsoperationen, die zwar gewalttätig, aber territorial begrenzt sind (bestenfalls ein Kilometer pro Tag). Die erste Herausforderung besteht darin, die taktische Bandbreite der Gruppierungen und Brigaden/Regimenter im Kontakt schneller als die andere zu erhöhen.

Zweitens geht es darum, die Kontaktpunkte mit einem höheren Niveau als dem anderen zu vervielfachen, um kleine Siege zu sammeln, die zu operativen Erfolgen führen (ein Durchbruch, eine Front, die deutlich zurückgeht, ein Zusammenbruch) und letztlich zur Erreichung strategischer Ziele: Eroberung des Donbass und Erhaltung des Südens des Landes in unmittelbarer Zukunft für die Russen, Widerstand gegen diese Offensive und vielleicht Rückeroberung von Boden im Süden für die Ukrainer.

Die meisten Gruppierungen auf beiden Seiten haben derzeit ihr Niveau gesenkt, vor allem durch die hohen Verluste an Menschen und Material und die Ermüdung durch die Kämpfe, die durch einen Zuwachs an Erfahrung ausgeglichen wurden.

Kurzfristig besteht die beste Möglichkeit, sie zumindest wieder auf ihr früheres Niveau zu bringen, darin, sie aus dem Kampfgebiet zu entfernen, sie ruhen zu lassen und sie wieder mit Menschen und Ausrüstung aufzufüllen. Dann ist eine den Verlusten proportionale Wiederauffüllungszeit erforderlich.

Eine Einheit, die 30 % Verluste erlitten hat, braucht dreimal so lange, um sich wieder aufzufüllen, wie eine Einheit, die 10 % Verluste erlitten hat. Bei einem Bataillon/einer Gruppe muss für jede 10 % mindestens eine Woche veranschlagt werden. Beachten Sie, dass das taktische Niveau am Ende durch den reinen Erfahrungseffekt höher sein wird als zu Beginn des Krieges.

Um Bataillone zur Ruhe zu bringen, muss die Möglichkeit einer Ablösung an der Frontlinie bestehen. Ist dies nicht der Fall, müssen die Einheiten direkt an der Frontlinie wieder aufgefüllt werden. Das ist zwar weniger effizient, aber die Dringlichkeit ist Gesetz. Die materielle Auffüllung bereitet am wenigsten Probleme, vorausgesetzt natürlich, dass man über diese Ausrüstung und die dazugehörige Logistik verfügt.

Es wird notwendig sein, eine kleine Basis hinter der ersten Linie zu haben, möglichst außerhalb des feindlichen Feuers, eher nachts zu agieren, verstreut zu sein usw., aber das ist vor allem ein organisatorisches Problem. Die Bereitstellung neuer Ausrüstung wird etwas problematischer sein, da man lernen muss, sie zu benutzen, ohne viel Zeit und Manövergelände/Schießplätze zur Verfügung zu haben.

Die Verstärkung durch Menschen ist schwieriger. Einzelne Verstärkungen direkt mitzubringen, um Züge an der Frontlinie ohne jegliche soziale Bindung zu ergänzen, ist in der Regel eine Katastrophe. Der Gesamtbeitrag ist gleich null oder sogar negativ. Es ist besser, eine unterbesetzte, aber kohärente Einheit zu behalten, als sie unter Feuer mit Neulingen zu ergänzen. Wenn man eine Brigade an der Front verstärken will, ist es besser, ihr ein komplettes Bataillon aus dem Hinterland zu schicken, und um ein Bataillon zu verstärken, ist es besser, ihr eine komplette Kompanie oder allenfalls Züge zu schicken, aber immer zusammenhängende Einheiten.

Derzeit sieht es so aus, dass die Russen überall an der Ostfront die am wenigsten beschädigten Joint Battlegroups zurückgewinnen und sie zwischen Charkiw und Yzium einsetzen, während sie so schnell wie möglich mit Freiwilligen und Ausrüstung aus den Depots so viele beschädigte Battlegroups im Norden und Osten wieder auffüllen, um sie wahrscheinlich in den kommenden Wochen auch im Donbass einzusetzen.

Alle stehen unter dem Kommando des Stabes der 1. Gardepanzerarmee, die aus der Region Sumy verlegt wurde, und dem Joint Staff von General Dwornikow, der den Süddistrikt befehligt. Da die Artillerieverbände weniger gelitten haben als die Nahkampfeinheiten, gewinnen die Russen auch Artillerieeinheiten selbst aus den verschlissenen Kampfgruppen zurück, um Tiefenfeuerbrigaden zu bilden, während die Luftwaffe im Donbass ihre traditionelle russische Rolle als fliegende Artillerie voll ausspielt.

Es zeichnet sich also eine Kampfform ab, die auf massiven Tiefenfeuern und anschließenden konzentrierten Angriffen von Ad-hoc-Divisionen beruht, die sich erst mit zunehmender Abnutzung offenbaren. Wäre der Donbass und nicht Kiew die Hauptfront zu Beginn des Krieges gewesen, wäre es möglich gewesen, ein ehrgeiziges Nord-Süd-Umfassungsmanöver von Charkiw bis Dnipro aufzustellen, aber das war nicht der Fall, da der Donbass und nicht Kiew ursprünglich dazu diente, die ukrainischen Streitkräfte zu binden. Mit den verbleibenden Kräften gibt es kaum eine andere Möglichkeit, als eine Verbindung Yzium-Donetsk oder Yzium-Zaporajjia zu versuchen.

Auf der Gegenseite sind es immer noch dieselben zehn regulären ukrainischen Brigaden, die von Anfang an die Front im Donbass halten, fünf davon mit Blick nach Norden. Sie sind, insbesondere im Norden, zweifellos die besten Kampfeinheiten in diesem Krieg. Sie haben jedoch viel gelitten und es scheint schwierig zu sein, sie im Einsatz vollständig abzulösen.

Es ist jedoch möglich, dass die ukrainischen Streitkräfte ein Verstärkungsmanöver unter "Verbot" (d. h. trotz der Schlagkampagne gegen das Straßennetz/VF und eventuell gesichtete Konvois) bei Nacht, in kleinen Einheiten und Logistikkonvois usw. bis zu den Brigaden an der vordersten Front durchführen können.

Diese zehn Brigaden werden außerdem von ebenso vielen territorialen Einheiten und Freiwilligen unterstützt, um jede Ortschaft zu einer Bastion zu machen. Eine von den Spezialkräften organisierte rückwärtige Belästigungs- und Aufklärungsstreitmacht in der besetzten Nordzone wäre ebenfalls sehr wertvoll. Vielleicht existiert sie bereits.

Westliche Hilfe ist natürlich von entscheidender Bedeutung, ob es sich nun um Geheimdienstinformationen, moderne leichte Ausrüstung wie die SATCP Starstreak (die bereits im Einsatz ist, da am 1. April ein Mi-28-Hubschrauber abgeschossen wurde) und die 1.000 Switchblade-Rodeodrohnen handelt, oder um schwerere Ausrüstung, die nun eintrifft und von der die AA S 300-Raketen und die ebenfalls slowakischen Selbstfahrlafetten wohl die wichtigsten sein dürften.

Letztendlich ist nicht ersichtlich, wie die russischen Kampfgruppen, selbst wenn sie von der Überlegenheit des Unterstützungsfeuers profitieren, die ukrainischen Bataillone im Donbass, die zwar verschlissen sind, aber eine solide Verteidigungsposition einnehmen, zweifellos eine bessere Moral haben und möglicherweise verstärkt wurden, an den Kontaktpunkten in ihrer taktischen Bandbreite übertreffen könnten. Und selbst wenn es den Russen gelingt, überlegen zu sein, ist nicht absehbar, wie sie genügend siegreiche Kontaktpunkte schaffen können, um in dieser Frühjahrsoffensive zu siegen.

Wenn dies der Fall ist, wird es wahrscheinlich eine Revanche in einer Sommeroffensive geben, und dort werden die Armeen anders aussehen.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 11.04.2022

https://www.youtube.com/watch?v=qNeXbNY3HYQ

Zitat:Erfolgreiche Abwehr einer russischen Kampfgruppe in einem Vorort von Kiew.

In diesem Video erläutert Oberst Markus Reisner, warum der Angriff einer russischen "Bataillonstaktischen Gruppe" (BTG) gegen eine einfallsreiche ukrainische Verteidigung gescheitert ist. Der Kampf ereignete sich am 10. März 2022 in Browary, einem Vorort nordostwärts der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Und falls es jemand verpasst haben sollte ergänzend:

https://www.youtube.com/watch?v=baW0m83O99c

https://www.youtube.com/watch?v=5n7jAXgxFRQ

Slowakei liefert ZUZANA Haubitzen:

https://www.reuters.com/world/europe/slovakia-could-sell-howitzers-ukraine-defence-minister-2022-04-10/

Und beschließend mal von unseren Brüdern aus Neustrien:

https://augengeradeaus.net/wp-content/uploads/2022/04/20220410_FRA_Lage_UKR.pdf


RE: Russland vs. Ukraine - Pogu - 11.04.2022

@Quintus_Fabius:
Zitat:https://www.youtube.com/watch?v=qNeXbNY3HYQ

Zitat:
Erfolgreiche Abwehr einer russischen Kampfgruppe in einem Vorort von Kiew.

In diesem Video erläutert Oberst Markus Reisner, warum der Angriff einer russischen ...

Ja, Oberst Reisner ist einer unserer tüchtigsten Offiziere (Ex-Jagdkommando, mehrfach verlegter Militärhistoriker etc.). Im nachfolgenden Link von voriger Woche geht er in hohem Detailgrad auf den Ukrainekonflikt und die mitunter rätselhaften Vorgänge dort ein:

https://youtu.be/GNOhxfIN_Uc


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 11.04.2022

Vielen Dank für die Vernetzung !

Allgemein:

Der folgende Text ist vielleicht auch recht interessant:

https://www.thebulwark.com/i-commanded-u-s-army-europe-heres-what-i-saw-in-the-russian-and-ukrainian-armies/