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Russland vs. Ukraine - Druckversion

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RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 01.03.2022

Sagen wir es mal lieber so: sie haben überhaupt einen Effekt, auch wenn dieser keinerlei Auswirkungen auf die Gesamtumstände hat. Hier mal ein praktisches Beispiel wie so was dort aussieht:

https://www.youtube.com/watch?v=pdwKoxtvKE0

Allgemein:

Aktuell taut es in weiten Teilen der Ukraine und in vielen Bereichen versinkt gerade alles im Schlamm. Es kommt daher gerade exakt so wie ich es vorher gesagt habe und Ukrainer und Russen stauen sich an Engstellen. Wo man versucht diese zu umgehen, steckt man im Schlamm fest. Ein paar Beispiele:

https://mobile.twitter.com/oryxspioenkop/status/1498745704566730765/photo/2

https://twitter.com/oryxspioenkop/status/1498697710429425672/photo/1

Seht euch mal den Acker und die Fahrspuren an.

Und hier noch mal eine aktuelle Karte:

https://i.imgur.com/9E53gg6.jpg

Wer da behauptet die Russen kämen nicht vorran versteht nichts vom Krieg.

Dinge die mich verblüffen und die ich im Vorab nie so erwartet hätte:

1 Wo ist die russische Luftwaffe? Die Zahl der Luftangriffe und deren Intensität ist geradezu verblüffend gering.

2 Dass Weißrussland bis dato noch nicht einmarschiert ist. Das hätte ich bereits am zweiten Kriegstag sicher angenommen.

3 Dass man derart "unrussisch" präzise und chirurgisch kämpft. Die Zahl der zivilen Todesopfer ist so gering wie noch niemals zuvor wo Russen Krieg geführt haben. Russland verballert da gerade zur Zeit de facto alles was es an Präzisionswaffen hat und schränkt sich selbst dabei militärisch derart ein, dass es dadurch nicht unerhebliche militärische Probleme hat. Wenn der Krieg noch zeitnah gewonnen werden soll, muss bzw. wird sich das drastisch ändern. Warum und für wen man sich da jetzt noch zurück hält entschließt sich mir nicht, eventuell für China damit die VR nach Kriegsende Gesichtswahrend die Russen als Juniorpartner annehmen kann.


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 01.03.2022

(01.03.2022, 22:23)Quintus Fabius schrieb: 3 Dass man derart "unrussisch" präzise und chirurgisch kämpft. Die Zahl der zivilen Todesopfer ist so gering wie noch niemals zuvor wo Russen Krieg geführt haben. Russland verballert da gerade zur Zeit de facto alles was es an Präzisionswaffen hat und schränkt sich selbst dabei militärisch derart ein, dass es dadurch nicht unerhebliche militärische Probleme hat. Wenn der Krieg noch zeitnah gewonnen werden soll, muss bzw. wird sich das drastisch ändern. Warum und für wen man sich da jetzt noch zurück hält entschließt sich mir nicht, eventuell für China damit die VR nach Kriegsende Gesichtswahrend die Russen als Juniorpartner annehmen kann.

Ich denke es liegt auf der Hand. Wenn Rußland jetzt komplett dort freidrehen würde hätten sie es danach wesentlich schwerer die Macht zu zementieren. Weiterhin glaube ich dass man sich im Westen zu früh freut wenn man denkt China wird es Rußland merken lassen dass es nur der kleine Juniorpartner wird. Diese Handlungsweise wäre wenig chinesisch.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 01.03.2022

In Bezug auf China hast du natürlich recht - dessen ungeachtet wird Russland schlußendlich als Juniorpartner enden, ohne freie Wahl wie es dann weiter geht. Und de facto treibt der Westen TM jetzt Russland den Chinesen zu und zementiert ein russisch-chinesisches Bündnis. Strategisch gesehen ist das eine Katastrophe, es ist einfach nur absurd dumm.

Die Zurückhaltung schiebe ich auch auf die Propaganda der man selbst aufgesessen ist (Slawisches Brudervolk, sind in Wahrheit Russen wie wir etc). Es gibt ja inzwischen eine ganze Reihe Videos wo bewaffnete russische Soldaten sogar vor unbewaffneten Zivilisten zurück weichen oder sogar Kampfpanzer einfach umkehren weil unbewaffnete Zivilisten mit einer Menschenkette eine Straße sperren. SOLCHE Bilder hat man von russischen Truppen noch nie gesehen.

Ein "Freidrehen" würde zudem meiner Meinung nach die Position als Besatzungsmacht nach einem konventionellen Sieg eher stabilisieren als die weitere Zurückhaltung. Die ganze Idee von Hearts and Minds kannst du in der Ukraine nachhaltig vergessen, dass wird nur durch Terror und Gewalt gehen.

Auch eine interessante Entwicklung, immer mehr Fahrzeuge fallen den Ukrainern einfach unzerstört in die Hände:

https://defence-blog.com/ukrainian-army-captures-hundreds-of-russian-vehicles-and-tanks/

Etliches davon auch einfach im Schlamm steckend, hab selbst etliche Videos davon gesehen. Die Russen zerstören die Fahrzeuge nicht, und sichern sie auch nicht, sondern gehen einfach.

Auch etliches was von den Ukrainern abgeschossen wurde um damit Bilder für die Propaganda zu produzieren war nicht einmal besetzt. Die russischen Soldaten ließen das Kriegsgerät einfach so auf dem Feld stehen.


RE: Russland vs. Ukraine - Helios - 02.03.2022

(01.03.2022, 22:23)Quintus Fabius schrieb: 1 Wo ist die russische Luftwaffe? Die Zahl der Luftangriffe und deren Intensität ist geradezu verblüffend gering.

Um ehrlich zu sein bestätigt sich bisher nur, was ich schon seit Jahr und Tag (tatsächlich schon seit fast zwei Dekaden) hier schreibe: die tatsächlichen Fähigkeiten der russischen Luftwaffe (nicht das Fähigkeitsspektrum) werden gemeinhin völlig überschätzt, insbesondere was die Quantität der verfügbaren Mittel und deren Einsatzbarkeit angeht. Meine eigenen Beobachtungen über die Jahre wurden dabei durch die Einsätze in Syrien und die Parallelmeldungen von Flugbewegungen in Russland bestätigt. Auch bei der Marine lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die völlig fiktiven, kursierenden Zahlen und die tatsächlichen Einsatzunternehmungen der Flotte sowie dem dafür betriebenen Aufwand zu werfen. Für das Heer kann ich keine Aussagen treffen, aber es würde mich wundern, wenn es da grundsätzlich anders wäre. Die Stärke der russischen Luftwaffe und die Bedrohung durch den Luftraum basiert nicht auf eine traditionelle Kampfflugzeugflotte, sondern auf punktuell hohe Quantitäten an Abstandswaffen, deren Qualität sich auch mehr aus einer größeren Technologieentwicklung ergibt, als tatsächlich auf Bauebene. Das bedeutet nicht, dass wir nicht noch einen stärkeren Einsatz der Luftwaffe sehen werden, aber ich schließe ein Niveau, wie das der NATO-Länder in verschiedenen Kriegen und Konflikten der letzten Jahrzehnte, tatsächlich völlig aus.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 02.03.2022

Natürlich kann man die Luftstreitkräfte der RF nicht mit der NATO vergleichen, aber deutlich stärker als das was sie jetzt da zeigen sind die meiner Meinung nach in jedem Fall.

Meiner Einschätzung nach ist das primäre Problem hier vielleicht ein Mangel an Präzisionswaffen. Wenn die russische Luftwaffe einfach ohne jede Rücksicht Flächenbombardements vornehmen würde, sähe die Lage vor Ort komplett anders aus. Aber man hält sich meiner Ansicht nach immer noch extrem zurück im Vergleich zum möglichen, ja selbst im Vergleich zu Syrien.

Allgemein:

Ein paar Blicke ins Kaleidoskop:

https://warontherocks.com/2022/02/interpreting-the-first-few-days-of-the-russo-ukrainian-war/

https://mwi.usma.edu/seven-strategic-lesson-from-the-first-days-of-the-war-in-ukraine/

https://warontherocks.com/2022/02/can-ukrainian-resistance-foil-a-russian-victory/

https://twitter.com/RealCynicalFox/status/1498842437262925827?cxt=HHwWhoCz9azQ-swpAAAA

Zitat:Day 3-5 of Combat

1. Day 3-4 consisted of largely inconclusive fighting, somewhat decreased Russian operational tempo from Day 1-2, several local Ukrainian counterattacks.

2. Russian units appear to be attempting to reorganize.

3. Several additional unsupported drives by mounted and dismounted Russian troops into cities like Kharkiv destroyed.

4. Russian supply, particularly fuel, shortages appear to be becoming acute.

5. Russian vehicles being abandoned or destroyed in increasing numbers by Ukrainian ambushes, air, and artillery strikes. Potential mechanical failures may be contributing to this.

6. First confirmed use of VDV units as mechanized ground assault forces in significant numbers (Crimean Front).

7. First indications of Russian attempts to engage in maneuver warfare to bypass and surround pockets of major resistance, primarily in the urban centers.

8. Increased use of massed fires and heavy long range munitions late on Day 5.

9. Increased reports of civilian casualties.

10. Disposition of Ukrainian forces unclear at this time, light/moderate degradation of capability increasingly likely due to sustained combat.

Zur Entwicklung der Schlammsaison (Bilder zeigen da vermutlich mehr als Worte):

https://twitter.com/GirkinGirkin/status/1498867437953028098

Und speziell für Schneemann:

https://warisboring.com/ukrainian-guards-who-told-russian-warship-to-f-off-were-not-killed/


RE: Russland vs. Ukraine - Helios - 02.03.2022

(02.03.2022, 09:45)Quintus Fabius schrieb: Natürlich kann man die Luftstreitkräfte der RF nicht mit der NATO vergleichen, aber deutlich stärker als das was sie jetzt da zeigen sind die meiner Meinung nach in jedem Fall.

Deutlich stärker im Sinne von operativ einsatzfähig ohne die Grundpräsenz in anderen Bereichen (bspw. Ferner Osten) nicht aufzugeben? Wie gesagt, meiner Ansicht nach wurden und werden quantitativen Fähigkeiten der Luftstreitkräfte Russlands deutlich überschätzt - auch von dir (wir hatten darüber glaube ich schon einmal eine Diskussion).


RE: Russland vs. Ukraine - hunter1 - 02.03.2022

In einer Stellungnahme des WFP wird deutlich, was ein langer Krieg in der Ukraine (und darüber hinaus die Sanktionen gegen Russland) für ganz andere Regionen für Konsequenzen haben könnte:
Zitat:The Black Sea basin is one of the world’s most important areas for grain and agricultural production, and the food security impact of the conflict will likely be felt beyond Ukraine’s border, especially on the poorest of the poor. Interruption to the flow of grain out of the Black Sea region will increase prices and add further fuel to food inflation at a time when its affordability is a concern across the globe following the economic damage caused by the Covid-19 pandemic.
Quelle: https://www.wfp.org/news/wfp-executive-director-statement-impact-conflict-ukraine

Wenn die Produktion in der Ukraine still steht, spüren das vor allem die Araber. Und genau das hatten wir 2011 schon mal, dass die Brotpreise anstiegen. Das Resultat war der Arabische Frühling.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 02.03.2022

Helios:

Zitat:Deutlich stärker im Sinne von operativ einsatzfähig ohne die Grundpräsenz in anderen Bereichen (bspw. Ferner Osten) nicht aufzugeben?

Das hätte ich noch als vierten Punkt anfüngen können. Man kann nicht ernsthaft so einen Krieg führen und dann noch derart viel Material in Syrien stehen haben. Deshalb war auch ich ehrlich gesagt vom Kriegsausbruch überrascht, ich hatte angenommen die Russen rücken erstmal "nur" offen die Seperatistengebiete ein und mehr nicht. Und zwar weil noch so viel Material in Syrien geparkt ist, und auch etliche Kriegsschiffe noch dort sind die jetzt im Mittelmeer festhängen. Das hätte man alles eigentlich vor Kriegsbeginn noch heimholen müssen, gleichzeitig wäre dieser Abzug eine deutliche Steigerung der Drohung gewesen dass man es jetzt ernst meint.

Aber man wollte anscheinend wohl den Überraschungseffekt nutzen und das ist zumindest anscheinend auch gelungen, wenn man sich ansieht wie spät die Ukrainer tatsächlich mobil gemacht haben.

PS: Ja stimmt, wir haben schon mal darüber diskutiert, und verblieben mit einem Dissens. Die Frage ist hier meiner Meinung nach, wie man seine Luftstreitkräfte einsetzt. Wenn man die volle Transportkapazität ausnützt und einfach ungezielter vorgeht, dann ist die Wirkung dennoch eine deutlich größere. Aber vielleicht kommt das ja noch.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 02.03.2022

@Quintus
Zitat:Wenn man die derzeitigen Angriffe beispielsweise damit vergleicht wie sie in Grozny reingeprügelt haben, so sind das Welten. Bis dato sind gerade mal um die 350 Zivilisten umgekommen. Das ist angesichts der Größe des Geschehens so gut wie nichts. Zum Vergleich: die US Truppen haben allein im Jahr 2003 um die 40.000 Zivilisten im Irak vernichtet. Die Präzision der Russen und ihre Zurückhaltung gegenüber den Zivilisten ist daher ungefähr so wie die der USA im Irak oder in Afghanistan, also für russische Verhältnisse geradezu erstaunlich.
Aber du musst bedenken, dass der Krieg in der Ukraine auch erst (gestern) 5 Tage alt ist und die Kämpfe um die großen Städte bislang nicht voll entbrannt sind. Auch wenn mein Grosny-Vergleich hinkte, so sind auch in Tschetschenien die meisten Zivilipersonen nicht in den ersten fünf Tagen gestorben, sondern in den nachfolgenden Wochen, eben bis das ganze Gedöns zum Zerschießen der Stadt in Stellung war. Warten wir mal ab, wo wir in 14 Tagen sind. Abgesehen davon: Also dass 40.000 Zivilisten im Irak 2003 "vernichtet" worden sein sollen, das ist Blödsinn, sorry.
Zitat:Aktuell taut es in weiten Teilen der Ukraine und in vielen Bereichen versinkt gerade alles im Schlamm. Es kommt daher gerade exakt so wie ich es vorher gesagt habe und Ukrainer und Russen stauen sich an Engstellen. Wo man versucht diese zu umgehen, steckt man im Schlamm fest.
Dass sie versinken werden, war mir klar, siehe meine Unkenrufe sechs Seiten vorher. Dass es aber so schnell geht mit dem Tauwetter, das hat mich dann doch überrascht (hatte angenommen, es ist erst in zwei Wochen so problematisch) . Bzgl. der Engstellen ist auch die Frage, ob denn z. B. diese Kolonne nördlich Kiew nun darauf zurückzuführen ist, dass man einen Großangriff plant, oder eben ob dies daran liegt, dass man querfeldein eben nicht vorankommen würde. Und ein Großangriff mit Fahrzeugen auf eine Großstadt ergibt für mich keinen großen Sinn, aus bekannten Gründen.

@lime
Zitat:Weiterhin glaube ich dass man sich im Westen zu früh freut wenn man denkt China wird es Rußland merken lassen dass es nur der kleine Juniorpartner wird. Diese Handlungsweise wäre wenig chinesisch.
Letztlich spielt es keine große Rolle, wann die Chinesen etwas und wie sie etwas machen wollen. Fakt ist: Wenn sie Russland helfen wollten, müssen sie in den nächsten acht Wochen einspringen, den die russische Wirtschaft bricht gerade zusammen und die Zeit läuft ihnen davon. D. h. nicht nur schaltet der Westen durch seine Sanktionen gerade die russische Wirtschaft aus - erste Zeichen sind verheerend -, sondern er wird China indirekt nötigen, wenn sie denn überhaupt wollen, an einem gewissen Punkt einzuspringen, wenn man in Peking den russischen Partner nicht ganz verlieren will. Wer hätte angenommen, dass dieser Krieg solche globalen wirtschaftlichen Auswirkungen hat bzw. dass ein totgesagter Westen, dem man gerne in letzter Zeit viel Schwäche unterstellte, die Welt derart vor sich hertreibt?

Weiterhin:
Zitat:'Syria Was Putin's Laboratory. Now He's Taking His Methods to Ukraine'

Through the fog of war, details are beginning to emerge from the war in Ukraine – but the full picture is still unknown. Has Putin achieved any of his objectives so far? Why is the world surprised by Ukraine's defiance and resolve? And what does Israel stand to lose by refusing to take a stronger position against Russia? Israeli strategic planning expert and former army colonel Udi Evental joins the podcast to discuss the latest developments in the fighting, and how Syria was Putin's laboratory for the Ukraine war...
https://www.haaretz.com/israel-news/podcasts/PODCAST-syria-was-putin-s-laboratory-now-he-s-taking-his-methods-to-ukraine-listen-1.10640990

Das war schon lange auch mein Eindruck...

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Helios - 02.03.2022

(02.03.2022, 14:12)Quintus Fabius schrieb: und auch etliche Kriegsschiffe noch dort sind die jetzt im Mittelmeer festhängen. Das hätte man alles eigentlich vor Kriegsbeginn noch heimholen müssen, gleichzeitig wäre dieser Abzug eine deutliche Steigerung der Drohung gewesen dass man es jetzt ernst meint.

Aber man wollte anscheinend wohl den Überraschungseffekt nutzen und das ist zumindest anscheinend auch gelungen, wenn man sich ansieht wie spät die Ukrainer tatsächlich mobil gemacht haben.

Die Bewegungen der russischen Marine werden schon seit geraumer Zeit verfolgt, und die Verlegungen ins Mittelmeer und von bestimmten Kräften auch ins Schwarze Meer wurden entsprechend dokumentiert. Ich glaube nicht, dass es da in der Hinsicht einen großen Überraschungseffekt gab. Vielmehr resultierte der daraus, dass man entsprechende Verlegungen und Bewegungen schon seit gut einem Jahr immer mal wieder durchführt, genauso wie es auch immer wieder zu Bewegungen und Übungen an der Grenze durch die Landstreitkräfte kam.

Und deine Einschätzung hinsichtlich der Positionierung im Mittelmeer kann ich nicht teilen. Man muss sich in Russland zumindest der Gefahr einer Schließung des Bosporus bewusst gewesen sein, eine Positionierung im Schwarzen Meer hätte die Flotte eingeschlossen - zu welchem Zweck? Für den Angriff auf die Ukraine wurden die Schiffe nicht gebraucht. Jetzt im Mittelmeer haben sie nicht nur die volle Bewegungsfreiheit, sondern erfüllen auch den Zweck mit weitreichenden Waffen und einer punktuellen Übermacht ein mögliches Eingreifen anderer Nationen abzuschrecken. Wenn man sich anschaut, was Russland da zusammengezogen hat (tatsächlich ja sogar Einheiten der Pazifikflotte), dann befindet sich aktuell ein Großteil der russischen Überwassereinheiten aktuell genau da, wo sie diese Aufgabe am besten erfüllen können, wenn man von einem regionalen Konflikt ausgeht. In dieses Bild passt übrigens auch die Verlegung von Marinekampfflugzeugen, ausgerüstet mit weitreichenden Seeziel-FK, nach Syrien. Einzig etwas ungewöhnlich ist meines Erachtens die hohe Zahl an Unterseebooten, die man im Schwarzen Meer konzentriert hat.

Zitat:Ja stimmt, wir haben schon mal darüber diskutiert, und verblieben mit einem Dissens.

Die Zahlen lügen halt nicht, und inzwischen kann man halt per OSINT deutlich besser zählen als in der Vergangenheit. Wenn Maschinen als aktiv gelistet sind, aber seit Monaten oder teils Jahren keine Flugbewegungen mehr registriert wurden, dann liegt eher die Vermutung nahe, dass sie Opfer der teilweise extremen Versorgungsengpässe geworden sind, als dass dies ein großer Plan der Täuschung ist.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 02.03.2022

Schneemann:

Zitat:Bzgl. der Engstellen ist auch die Frage, ob denn z. B. diese Kolonne nördlich Kiew nun darauf zurückzuführen ist, dass man einen Großangriff plant, oder eben ob dies daran liegt, dass man querfeldein eben nicht vorankommen würde.

Man kommt tatsächlich querfeldein nur sehr schwer voran. Hab jetzt schon mehrere Filmchen gesehen wo T-90 im Schlamm stecken oder ein T-90 versucht eine Panzerhaubitze abzuschleppen und schlußendlich stecken beide im Schlamm usw.

Umgekehrt sind die ukrainischen Einheiten (abgesehen von leichter Infanterie, lokalen Kräften etc) ebenso dadurch erheblich eingeschränkt und es waren ja vor allem mechanisierte ukrainische Truppen welche gegen die ersten Überraschungsangriffe von luftbeweglichen russischen Verbänden so erfolgreich waren und diese zurückschlagen bzw. verhindern konnten.

Schlußendlich reduziert dass die Kämpfe auf einen verengten Bereich und damit auf frontales aufeinanderschlagen, worin die Russen wie ich es ja schon 6 Seiten vorher ausgeführt hatte einen Vorteil haben.

Dafür exponieren die Russen ihre Flanken und rückwärtigen Dienste immer stärker für leichte ukrainische Einheiten welche diesen zusetzen und immer mehr Kräfte binden. Diese ukrainische leichte Netzstruktur ist zur Zeit effektiver als alles andere was die Ukrainer so versuchen.

Zitat:Warten wir mal ab, wo wir in 14 Tagen sind.

Auf jeden Fall besteht von russischer Seite noch ein immenses Potential zur Eskalation. In russischen Propaganda-Foren fabuliert man sogar schon davon taktische Nuklearwaffen einzusetzen um die Sache abzukürzen und um dem Westen endgültig aufzuzeigen, dass er sich hier nicht einzumischen hat. Aber ein flächendeckender Einsatz thermobarischer Waffen und unterschiedlose Bombardierungen durch die Luftstreitkräfte würden vermutlich auch schon genügen.

Und wenn man sich den aktuellen Feuerzauber der rusischen Ari mal real ansieht, beispielsweise:

https://old.reddit.com/r/CombatFootage/comments/t4rfgy/russian_heavy_bombing_in_the_city_of_j%C3%A1rkov/

Und sich dann die geringen zivilien Verluste (bis dato) vor Augen führt, zeigt das klar auf was man stattdessen auch in 5 Tagen hätte anrichten können. Bei einem Vorgehen wie in Syrien könnten die Verluste bei den Zivilisten bereits in den Tausenden sein.

Aber du hast schon recht: was jetzt noch nicht ist, kann ja noch werden.

Zitat:Abgesehen davon: Also dass 40.000 Zivilisten im Irak 2003 "vernichtet" worden sein sollen, das ist Blödsinn, sorry.

Es stört dich vermutlich mehr der Begriff, also die Wortwahl. Hätte ich also besser "ums Leben gekommen sind" schreiben sollen ?!

https://www.news.ch/Schon+39+000+irakische+Zivilisten+getoetet/216577/detail.htm

Die genaue Zahl spielt übrigens auch gar keine Rolle. Fakt ist: die USA haben im Irak jede Menge Zivilisten ermordet, Kriegsgefangene ermordet (so wie auch in Afghanistan) und kein Hahn hat danach gekräht. Es gab jede Menge Kriegsverbrechen durch US Truppen, aber so ist Krieg halt nun einmal.

Und einer Gegenüberstellung Kriegsverbrechen vs Kriegsverbrechen dürfte der aktuelle Krieg in der Ukraine bis dato der sauberste jemals geführte völkerrechtswidrige Angriffskrieg sein um es mal so zynisch wie möglich auszudrücken.

Eigentlich amüsant was für ein moralisches Bohei man nun veranstaltet, war der Irakkrieg der USA ja auch nichts anderes als das was wir da heute betrachten können: ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.

Zitat:bzw. dass ein totgesagter Westen, dem man gerne in letzter Zeit viel Schwäche unterstellte, die Welt derart vor sich hertreibt?

Zu seinem eigenen Schaden und langfristigen Nachteil.

Allgemein:

Wenn man auf Reddit, Twitter, Telegram usw. stöbert, dann haben heute die ganzen Handy-Videos von Zivilisten deutlich abgenommen. Es wird wesentlich weniger ins Netz gestellt. Zudem scheint in manchen Regionen die russische EloKa nun richtig in Fahrt zu kommen und kappt dort einfach alles. In immer weiteren Teilen der Ukraine ist das Internet eingeschränkt, oder nicht mehr verfügbar, auch weil der Strom aus ist und Sendemasten weg sind etc

Das ist schlecht für die Ukrainer, die bisher im Medienkrieg den Russen deutlich überlegen waren und rein medial gesehen einen Sieg davon getragen hatten. Wenn auch in weiten Teilen ohne eigenes Zutun, so hat die Ukraine doch eine verblüffende Zahl von Ländern als mindestes moralisch auf ihre Seite bringen können.

Und noch was: Aufgrund gewisser Umstände kenne ich persönlich ein paar russische Soldaten im aktiven Dienst. Die stehen allerdings recht weit ostwärts um mich mal so auszudrücken. Die konnte ich jetzt - wider Erwarten - erreichen. Sie sind immer noch im Fernen Osten, wurden also Gott sei Dank nicht in die Ukraine entsandt, aber vielleicht ist es für den geneigten Leser ja interessant zu hören was sie zu dem aktuellen Krieg so meinten. 1. Die waren fast noch überraschter vom Kriegsausbruch als wir es sind. Sie gingen fest davon aus, dass man keinen Großangriff auf die Ukraine durchführen wird, sondern lediglich dass man die Seperatistengebiet besetzen wird, dann dort eine Volksabstimmung macht und diese dann nach Russland eingliedert. 2. Der Krieg ist ihnen sehr sehr unangenehm, die Ukrainer werden ja in Russland von vielen einfach als Russen (Klein-Russen) usw gesehen und als Brudervolk dem man eigentlich näher stehen sollte als jedem anderen. Nach Ansicht meiner Bekannten hat der Westen über irgendeine sinistre Verschwörung hier zwei Brudervölker in einen Krieg hinein getrieben, wie der Westen das aber geschafft haben soll konnten sie mir auch nicht erklären. Die haben halt irgendwie das diffuse dumpfe Gefühl dass da etwas nicht stimmt und suchen nun krampfhaft eine Erklärung dafür. 3. Genau so glauben sie, dass in der Ukraine nicht die Ukrainer als Volk, sondern irgendwelche Nazis und NATO Söldner kämpfen und dass dort westliche Spezialeinheiten operieren um Russland bluten zu lassen.

An dieser Stelle ein kurzer Einschub: ich hab primär einfach nur zugehört weil ich keinen Streit wollte und weil mir der Einblick in diese Gedankenwelten und Sichtweisten wichtiger war. Alles was ich da hörte zeigt klar auf, wie stark die Propaganda da einwirkt und wie weit weg die gedanklich von allem sind was wir so dazu denken.

4. Ist man sehr empört über die westlichen Waffenlieferungen. Das wurde explizit als Casus Bellli bezeichnet, und dass der Westen damit im Endeffekt Russland den Krieg erklärt. Es wurde sinngemäß so argumentiert, dass der Westen es ausnützt dass Russland schwach ist und den Westen nicht im offenen konventionellen Krieg besiegen kann und de facto Krieg gegen Russland führt ohne dass Russland etwas dagegen tun kann. Dafür will man sich sobald wie möglich rächen bzw. dass werde noch drastischste extremste Konsequenzen für den Westen haben, dass er Schuld daran hat dass nun sinnlos slawisches Blut vergossen wird.

Faszinierende Gedankenwelten, und es zeigt meiner Meinung nach auf dass wir hier einem wesentlich größeren Problem gegenüberstehen, den es ist mein rein persönlicher Eindruck, dass sogar Teile der russischen Führung angefangen haben ihre eigene Propaganda und ihre eigenen Lügenmärchen zu glauben. Ich hoffe sehr dass ich mich in diesem Punkt täusche, aber sollte dem so sein, dann wäre die Lage in Wahrheit fatal. Den wie geht man mit einem Gegner um, der in einer völlig anderen (selbstkonstruierten) Realität agiert, weshalb man überhaupt gar keinen Zugang mehr zu ihm findet ?!


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 02.03.2022

Und die noch aussstehende Kürzest-Zusammenfassung von Tag 6:

Zitat:Day 6 of Combat

1. Russians appear to be reverting to traditional doctrine to some degree.

2. Use of large scale, long range fires have commenced in earnest against urban centers, Kharkiv in particular. Bombardment appears somewhat indiscriminate, possibly due to increased use of unguided munitions.

3. Increased use of general advances, rather than hi-speed unsupported “thunder run” thrusts, against Ukrainian defensive lines and centers of urban resistance.

4. Large concentrations of Russian forces massing, logistics concerns may hamper their use.

5. Russians beginning to secure rear areas along routes of advance and encircle major centers of urban resistance that have obstructed their axis of advances. These operations far from complete or fully successful.

6. Increased sightings of dismounted Russian troops advancing with APCs/IFVs. New units or increased focus on basic disciple after initial losses.

7. Heavy fighting in Kherson and Mariupol, both surrounded.

8. Large uptick in reported massacres and indiscriminate killing of Ukrainian civilians. Unclear if this is a matter of official/unofficial policy, or a response to local civilian militia attacks.

9. First reports of starvation being used as a weapon against Ukrainian civilians in occupied areas.

10. First reports of Russians targeting major civilian infrastructure in cities with artillery and missile strikes.

11. Shortages of Ukrainian aircraft and artillery limiting their ability to break up concentrated assault forces.

12. Continued shortages of small arms hampering Ukrainian militia effectiveness and mass mobilization efforts.

13. Ukrainian Air Force/Air Defense still partially operational.

14. Progressive degradation of UAF capability from long term combat without relief increasing. Increasingly dangerous in case of major Russian breakthroughs.

Die Kriegsführung wird also jetzt russischer. Sollte sich das so bewahrheiten, wird es jetzt dann ab heute so richtig hässlich werden. Die zivilen Verluste werden dann innerhalb der nächsten Tage sprunghaft ansteigen.

Zu den zivilen Verlusten aktuell sollte man noch anmerken, dass viel zu viele Zivilisten von der ukrainischen Führung ermutigt irgendwelche Molotov-Cocktails geworfen oder bar jeder Sachkenntnis mit irgendwelchen Kleinwaffen auf russische Truppen gefeuert haben. Das die dann umkommen und dabei noch ein paar Unschuldige mit dazu ist eigentlich selbsterklärend.

Aber das richtige Schlachten wird erst in den nächsten Tagen kommen .


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 02.03.2022

Und noch ne Zusammenfassung und Analyse:

https://militaryland.net/ukraine/invasion-day-6-summary/

Demgegenüber nervt mich die lächerlich unwissende Berichterstattung der sogenannten Qualitätsmedien in dieser Bundesrepublik immer mehr. Beispielsweise:

https://www.fr.de/politik/news-ukraine-krieg-russland-wladimir-putin-verluste-militaer-strategie-artillerie-raketen-zr-91380231.html

Zitat:+++ 16.00 Uhr: Laut eines Berichts des Nachrichtenportals Kyiv Independent hat Russland im Ukraine-Krieg eine ganze Brigade verloren. Konkret soll das bei Kämpfen um die Stadt Tschernihiw passiert sein. Demnach soll die 35. Motorisierte Schützenbrigade fast vollständig vernichtet worden sein. Laut einer Textnachricht, die dem Kyiv Independent vorliegt, haben nur „18 von 150 Soldaten“ den gescheiterten Angriffsversuch überlebt.

Könnte noch endlos weiteren solchen Schwachfug anführen. Eine Brigade besteht nicht aus 150 Soldaten. Es ist traurig wie der Krieg hierzulande medial präsentiert wird.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 02.03.2022

@Quintus
Zitat:Schlußendlich reduziert dass die Kämpfe auf einen verengten Bereich und damit auf frontales aufeinanderschlagen, worin die Russen wie ich es ja schon 6 Seiten vorher ausgeführt hatte einen Vorteil haben.

Dafür exponieren die Russen ihre Flanken und rückwärtigen Dienste immer stärker für leichte ukrainische Einheiten welche diesen zusetzen und immer mehr Kräfte binden. Diese ukrainische leichte Netzstruktur ist zur Zeit effektiver als alles andere was die Ukrainer so versuchen.
Dem zweiten Satz stimme ich unumwunden zu. Beim ersten Satz mache ich aber ein Fragezeichen dahinter. Zwar ist die russische Feuerkraft deutlich überlegen, aber wir wissen auch alle, dass Ruinen sogar noch schwerer einzunehmen sind als existierende Bauten. Und ich bin mir nicht sicher, ob die Russen die Kapazitäten haben, nach einer Durchbruchsschlacht diese Gebiete soweit wieder zu sichern, als dass rückwärtige Dienste da nicht doch Probleme haben. Zumal unklar sein wird, welche Kräfte den Durchbruch nutzen und ob diese dann ausreichen, den nächsten Schritt umzusetzen.
Zitat:Auf jeden Fall besteht von russischer Seite noch ein immenses Potential zur Eskalation.
Ja, zweifelsohne.
Zitat:Aber ein flächendeckender Einsatz thermobarischer Waffen und unterschiedlose Bombardierungen durch die Luftstreitkräfte würden vermutlich auch schon genügen.
Sicher, aber so viele derartige Waffe sehe ich eigentlich nicht. Die Luftwaffe ist bislang hinter den Befürchtungen zurückgeblieben und thermobarische Waffe gibt es nur eine Handvoll, den TOS-1 (der aber, trotz medialer Befürchtung, nicht eingesetzt wurde; und das Bild der feststeckenden TOS-1 von dir spricht auch Bände), gewisse tragbare Handwaffen und Freifallbomben. Handwaffen sind wohl irgendwo da (etwa Shmel), aber ihre Wirkung ist begrenzt. Aerosol-Freifallbomben hat man nur wenige wirklich nutzbare - gab da (wohl) auch gewisse Kritik innerhalb der russischen Luftwaffe an diesen -, und die Luftwaffe selbst blieb bislang recht zurückhaltend - egal, was hier nun die Ursache ist. Das Hauptrisiko, das ich sehe, ist eher der massive Beschuss mit Werfern aller Art - aber auch hier sehe ich irgendwie wenige auf Bildern bzw. in den Kolonnen. Aber dies würde, wenn gegen städtische Gebiete angewendet, die endgültige Verurteilung Russland bedeuten, vermutlich selbst durch Indien. Man hätte also keinen großen Nutzen davon.
Zitat:Es stört dich vermutlich mehr der Begriff, also die Wortwahl. Hätte ich also besser "ums Leben gekommen sind" schreiben sollen ?!
Ja, der Begriff störte mich durchaus etwas. Aber auch diese Zahl. Selbst das Rote Kreuz redet von vermutlich irgendwo zwischen 3.000 und 5.000 toten Zivilisten 2003 im Irak. Und hierbei ist noch unklar, ob wirklich diese Zivilisten alle von den US-Truppen getötet wurden. Etwaige Kriegsverbrechen, und diese gab es, sind davon unberührt.
Zitat:Eigentlich amüsant was für ein moralisches Bohei man nun veranstaltet, war der Irakkrieg der USA ja auch nichts anderes als das was wir da heute betrachten können: ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.
Willst du mir nun einen Whataboutism unterbreiten? Die Mongolen haben 1258 auch Bagdad zerstört, insofern darf man den Russen ja keinen Vorwurf machen, oder?
Zitat:Zu seinem eigenen Schaden und langfristigen Nachteil.
Nein. Es wird manches etwas teurer und wir werden fluchen wegen der Gas- und Spritpreise, aber das war es. Russland aber wird wirtschaftlich ruiniert und reduziert auf das Niveau von Andorra, und viele junge Russen werden ihr Heil im Ausland suchen, was dann noch zusätzlich einen "brain drain" verursacht. Und die durchaus ebenso autokratischen wie pragmatischen Chinesen werden überlegen, ob sie einem verlogenen Irren sein Land retten - und darauf liefe es ja hinaus - oder eben doch lieber an den Westen verkaufen und den Russen ein "nettes" Angebot für ihre Rohstoffe unterbreiten (so wie dem Kongo). Insofern: Der Westen zeigt, zum ersten Mal seit einiger Zeit auch geeint, wie stark er wirklich ist und lässt seine Muskeln spielen. Und die Welt weiß es und wartet vorsichtig ab, weil sie eben weiß, welche Folgen es haben kann, sich hier einzumischen. Ehrlich gesagt: Ich kann nicht sagen, dass es mir - angesichts des aktuellen Existenzkampfes (so nenne ich es) zwischen Demokratie und Autokratie - nicht gefiele...

Hierzu:
Zitat:Weltgrößte Containerreederei

Maersk stoppt russische Transporte

Der Containerriese Maersk und andere große Reedereien setzen wegen des Ukraine-Kriegs alle Lieferungen von und nach Russland aus. [...] Maersk betreibt Containerschifffahrtsrouten nach St. Petersburg und Kaliningrad in der Ostsee, Novorossiysk im Schwarzen Meer und nach Wladiwostok und Wostochny an der russischen Ostküste. Etwa 500 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in Russland.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/maersk-container-transport-logistik-russland-101.html
Zitat:Ukraine-Krieg: Auch Visa und Mastercard sperren russische Banken aus

Bei den Finanzsanktionen gegen Russland ziehen nun auch die großen US-Kreditkarten-Anbieter Visa und Mastercard mit. [...] Mastercard erklärte bereits am Montag, dass man zahlreiche russische Finanzinstitute von den Diensten des Unternehmens ausgesperrt habe. Man werde auch in den kommenden Tagen eng mit Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten, um kommende Sanktionsauflagen umzusetzen. Sowohl Mastercard als auch Visa kündigten jeweils Spenden in Höhe von 2 Millionen US-Dollar für humanitäre Zwecke zugunsten der Ukraine an.
https://www.heise.de/news/Ukraine-Krieg-Auch-Visa-und-Mastercard-sperren-russische-Banken-aus-6530072.html
Zitat:Bei deutschen Anlegern beliebtes Institut

Europäische Sberbank-Tochter muss Betrieb einstellen

Die Sberbank muss sich aus Europa zurückziehen – und wickelt ihre Europatochter in Österreich in einem Insolvenzverfahren ab.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/sberbank-tochter-in-wien-russisches-institut-in-europa-muss-betrieb-einstellen-a-e5e7ee0f-1129-44d7-bb84-15d86f722141
Zitat:Beispiellose Rubel-Entwertung

Putin verbietet Ausfuhr von Devisen

Wladimir Putin will Kapital im Land halten: Der Kremlchef verfügte das Verbot der Ausfuhr größerer Beträge in Devisen. Putin begründete den Schritt mit "unfreundlichen Schritten" anderer Staaten gegen Russland. Unterdessen verfällt der heimische Rubel.
https://www.n-tv.de/politik/Putin-verbietet-Ausfuhr-von-Devisen-article23166456.html

Ich könnte nun noch mehr Meldungen posten (übrigens wurde wohl die BBC durch Hacker-Angriff getroffen), erspare es aber allen hier. Kurzum: Das sind nach 2 Tagen die Anfangssymptome. Das ist also keineswegs nur eine leere Drohung des Westens - es ist ein ausgemachter Boykott, ja eine Art Blockade. Und ich sehe keine Chance, dass der Kreml das auffangen kann.

Schneemann.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 02.03.2022

Wir müssen hier vielleicht getrennt voneinander zwei verschiedene Ebenen sehen, zum einen die strategisch/politische (Strategie aufwärts): In Bezug auf diese stellt sich die Frage wie es überhaupt für Russland weiter gehen soll, den selbst ein konventioneller Sieg und die komplette Besetzung der Ukraine wären ja keineswegs das Ende, sondern nur das Ende der konventionellen Kampfhandlungen.

Zum anderen die konkrete strategisch/operative (Strategie abwärts) Ebene des konventionellen Krieges selbst, der von der ersten Ebene anscheinend weitgehend getrennt verläuft.

Und genau darin liegt meiner Meinung nach der primäre Fehler der Russen vor allem anderen! Dass sie hier einen Krieg führen, anscheinend weitgehend losgelöst von sinnvollen strategisch-politischen Zielen. Das ist das Rezept für eine Katastrophe, die sich dann sehr leicht noch erheblich ausweiten kann. Den wozu führt ein wirtschaftlicher Kollaps des Systems Putin ?! Eben nicht zu Demokratie und Freiheit, sondern zum Aufstieg noch deutlich radikalerer Kräfte und Revanchisten. Diese getrennte Betrachtung von zwei Ebenen kann man dann auf die verschiedenen Umstände anwenden:

Zitat:Und ich bin mir nicht sicher, ob die Russen die Kapazitäten haben, nach einer Durchbruchsschlacht diese Gebiete soweit wieder zu sichern, als dass rückwärtige Dienste da nicht doch Probleme haben.

Fakt: die Russen haben keinerlei ausreichende Kapazitäten um die Gebiete welche sie jetzt erobern tatsächlich zu kontrollieren. Die sich daraus ergebende Problemstellung reicht weit über rückwärtige Dienste hinaus.

Das Geschehen dort meiner Meinung nach auch auf, dass echte Jäger-Einheiten die in einer Netzstruktur kämpfen in der Defensive selbst weit überlegene Verbände erheblich abnutzen und verlangsamen können, eine Doktrin die ich entschieden vertrete seit ich Brossollet und Afheldt gelesen habe.

Zitat:Beim ersten Satz mache ich aber ein Fragezeichen dahinter. Zwar ist die russische Feuerkraft deutlich überlegen, aber wir wissen auch alle, dass Ruinen sogar noch schwerer einzunehmen sind als existierende Bauten.

Diese Aussage liest man oft, aber dadurch wird sie nicht richtiger. Fakt: Ruinen sind immer leichter einnehmbar. Das ist nur eine Frage der Methodik und der Geduld. In Ruinen funktioniert beispielsweise keine Trinkwasserversorgung mehr. Wenn man dann entsprechend durch Feuer jeder Art (von Artillerie über Mörser und Scharfschützen bis hin zu Heckenschützen) die Bewegung zwischen den Ruinen so einschränkt, dass die Verteidiger sich nicht versorgen können, ist nach wenigen Tagen Schluss wegen Wassermangel. Städte sind durch gewisse Linien unterbrochen. Diese kann man kontrollieren und dann Widerstandskämpfer wie Zivilisten von der Wasserversorgung abschneiden. Eine klassische Belagerung und den Rest erledigt die Notwendigkeit Trinken zu müssen. Aber das ist nur eine Möglichkeit von vielen. Man könnte beispielsweise auch Weißen Phosphor nehmen der in Ruinen besser wirkt als in intakten Gebäuden, oder noch vieles andere.

Im übrigen schert es niemanden wenn man in Ruinen hinein schlägt, im Gegensatz zu noch stehender Infrastruktur, also kann man dann seine Feuerkraft eskalieren und die Feuerkraft heutiger Waffen ist so groß, dass du dich nicht in den Ruinen halten kannst.

Zitat:Das Hauptrisiko, das ich sehe, ist eher der massive Beschuss mit Werfern aller Art - aber auch hier sehe ich irgendwie wenige auf Bildern bzw. in den Kolonnen. Aber dies würde, wenn gegen städtische Gebiete angewendet, die endgültige Verurteilung Russland bedeuten, vermutlich selbst durch Indien. Man hätte also keinen großen Nutzen davon.

Gestern schon, aber vor allem heute hat man durchaus angefangen massiv mit Werfern aller Art in Städte hinein zu wirken. Das geschieht also während wir hier schreiben. Und der Maximalschaden für Russland ist schon eingetreten, von daher kann man jetzt anfangen so richtig hart zuzuschlagen, es spielt in Wahrheit auch keine Rolle mehr. Gestern Nacht gab es unterschiedsloses Flächenbombardement durch russische Artillerie wie man es bisher in diesem Krieg so noch nicht gesehen hat. Hab oben ja schon mal was dazu vernetzt und im weiteren auch schon geschrieben, dass die Russen gerade eben während ich hier schreibe zu einer "russischeren" Kampfweise zurück kehren und ihre Zurückhaltung abnimmt.

Den Medienkrieg hat die Ukraine (nicht intentional aber wayne) derart für sich gewonnen, dass es sogar niemanden mehr hierzulande interessiert was die Ukrainer so alles finsteres treiben, wie beispielsweise Kriegsgefangene foltern und ermorden.

Zitat:Willst du mir nun einen Whataboutism unterbreiten?

Eigentlich ist es ein Whataboutism von MIR. Alle erklären jetzt unisono, es sei ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg Russlands und so etwas sei verboten, deshalb seien die Russen böse. Aber der Angriff der USA auf den Irak war ganz genau so ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg und es hat niemanden derart gestört. Ebenso war der Angriff der Bundesrepublik auf Serbien ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg und jedem war es egal.

Oder nehmen wir den Krieg von Russland gegen Georgien. War ebenso ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg und niemanden hat es so gekümmert.

Und hier und jetzt veranstaltet man ein hysterisches Schmierentheater wegen der Ukraine.

Zitat:Der Westen zeigt, zum ersten Mal seit einiger Zeit auch geeint, wie stark er wirklich ist und lässt seine Muskeln spielen.

Der wahre Feind des Westens aber ist China. Und wir werden uns noch umsehen wie sehr uns die Fernwirkungen dieser ganzen Sache schaden werden. Gerade deshalb halte ich den Angriff von Russland auf die Ukraine für einen extrem schwerwiegenden Fehler der russischen Führung, den China ist in Wahrheit auch DER Feind Russlands. Das was das System Putin hier politisch und strategisch verbrochen hat ist derart katastrophal für die Weltordnung dass es die meisten noch gar nicht verstehen, den es wird weltweit (!) erheblich zum Niedergang von Demokratie und Freiheit beitragen und kann sogar den Sieg des chinesischen Modells zur Folge haben.

Zitat:Ich kann nicht sagen, dass es mir - angesichts des aktuellen Existenzkampfes (so nenne ich es) zwischen Demokratie und Autokratie - nicht gefiele...

In diesem aktuellen Existenzkampf ist die Demokratie aktuell auf dem Rückzug ! Demokratie und Freiheit nehmen weltweit zur Zeit dramatisch ab. Die Fernwirkung des aktuellen Krieges wird es meiner Ansicht nach sein, dass sich diese Entwicklung beschleunigt sich das chinesische Modell schneller und nachhaltiger global durchsetzen wird.

Das ist es auch was ich den Russen primär vorwerfe. Und wie dumm muss man sein, den Sieg der Autokratie weltweit mit einem derart großen Schaden für einen selbst und zum Nutzen des eigenen Todfeindes voran zu treiben !