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Russland vs. Ukraine - Druckversion

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RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 09.06.2023

Wenn man sich so durch die Telegram-Kanäle / russischen Milblogger wühlt entsteht für mich aktuell das Bild, dass die Ukrainer recht frontal in Richtung Tokmak drängen.

Angeblich sind jetzt gesichert mehrere Leopard 2A6 zerstört bzw. beschädigt worden, zumindest einer wird aktuell wieder hergestellt / repariert. Zudem hat es etliche westliche Schützenpanzer erwischt. Wenn man sich aber umgekehrt vor Augen hält, dass die Russen dort sich besonders massiv aufgestellt haben, dass sie dort Monatelang Minen verlegt haben und die Artillerie präzise auf vorher festgelegte Geländepunkte einschießen konnten und angesichts des recht frontalen Vorgehens der Ukrainer sind die Verluste sogar eher gering.

Was meiner Meinung nach dafür spricht, dass sie dort zur Zeit noch herumtasten und da noch nicht der ganze große massive Angriff läuft. Die tasten meiner Meinung nach heute noch dort die russische Front ab.
Ansonsten müssten die Verluste eigentlich ganz andere sein.

Werter Nightwatch:

Zitat:Das gerät IMO ja auch immer mehr zum Mythos. Also die 'Befähigung zum Gefecht der verbundenen Waffen'. Denken wir uns mal die direkte Luftkomponente weg - die Ukrainer haben schlicht nichts - nach dem was man liest unterstützten sie im Rahmen des möglichen durchaus massiv artilleristisch und agieren offensichtlich in gemischten Verbänden mit MBT und APC/IFV. Was soll dort jetzt groß anders gemacht werden oder wie soll das sonst aussehen?

Was da anders aussehen sollte ist die Schwerpunktbildung, die Richtung des Angriffs, die Koordination der Verbände, dass maximal schnelle Explorieren von sich auftuenden Schwachstellen, das Konterbatteriefeuer, das Vorgehen von Pionieren / Pionierpanzern / Minenräumern im Bereich der Minenfelder usw. Nur weil Kampfpanzer und Schützenpanzer zusammen irgendwo hin fahren und zugleich Artillerie auf irgend was schießt ist das kein Gefecht der verbundenen Waffen. Die entsprechenden Bestandteile müssen auch richtig zusammen wirken, ansonsten wirken sie nur nebeneinander her.

Und ich schließe es ja gar nicht aus, dass die Ukrainer das beherrschen, aber das mechanisierte Durchbruchsgefecht mit anschließender Exploration des Durchbruches ist höchst anspruchsvoll. Dass ist in der Theorie / Simulation leicht und in der praktischen Realität immens schwierig und erfordert ein enormes Können und ich stelle halt dann einfach die Frage, ob die aktuelle Reserveoffiziersarmee der Ukraine wirklich praktisch dazu befähigt ist. Denn das ist eine ganz andere Hausnummer als alles was sie bisher geleistet haben.

Zitat:Es könnte daher sein, dass hier sehr brutal auf Abnutzung gesetzt wird dann einige Dutzend Kilometer weiter östlich der eigentliche Schlag kommt, wenn die russischen Reserven gebunden sind.

Sieht angesichts der ungesunderen frontalen Angriffe in Richtung Tokmak ganz danach aus. Aber warum weiter östlich ?! Man könnte meiner Meinung nach auch weiter westlich vorstoßen, die Verbindung zur Krim die da auf einer Ost-West Linie verläuft könnte man auch dort kappen.

Mach ich mal blind eine Vorhersage: die Ukrainer werden weiter westlich auf einer Linie Polohy - Berdjansk durchbrechen und dort ihren Schwerpunkt setzen.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 09.06.2023

Zitat:Angeblich sind jetzt gesichert mehrere Leopard 2A6 zerstört bzw. beschädigt worden, zumindest einer wird aktuell wieder hergestellt / repariert. Zudem hat es etliche westliche Schützenpanzer erwischt. Wenn man sich aber umgekehrt vor Augen hält, dass die Russen dort sich besonders massiv aufgestellt haben, dass sie dort Monatelang Minen verlegt haben und die Artillerie präzise auf vorher festgelegte Geländepunkte einschießen konnten und angesichts des recht frontalen Vorgehens der Ukrainer sind die Verluste sogar eher gering.
Diesen Eindruck gewinne ich auch. Das Problem ist eher, dass die Bilder von zerstörten oder zumindest fahrunfähigen Leopard 2 recht medienwirksam aufbereitet werden können - was auch teilweise geschieht. Quasi nach dem Motto: Wir haben die 'Wunderwaffen' doch zerstört! Dabei sind das eben nur eine Handvoll von Fahrzeugen, die zerstört wurden. Anzunehmen, dass der Leopard oder Bradleys immun seien gegen Waffenwirkungen ist eh völlig illusorisch. Sie mögen zwar besser geschützt sein als T-72 oder auch T-90, aber zerstören kann man sie dennoch, wenngleich auch sicherlich schwerer. Aber hinsichtlich es Umfanges, wenn es denn eine Großoffensive wäre, müssten die Verluste eigentlich höher sein.

Das jetzige Abschießen einer niedrigen Anzahl von Leopard und das Hochjubeln dieser Erfolge, kann also auch nachteilhaft sein - denn es suggeriert, dass man die westlichen Tanks aufgehalten hat und man diese "meistern" kann. Das kann zu falschen Annahmen führen und dazu beitragen, dass man sich in (falscher) Sicherheit wiegt. Vielleicht also leisten die russischen Blogger so ungewollt einen Beitrag zur Niederlage der Russen. (Was ich begrüßen würde.)

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Nightwatch - 09.06.2023

Quintus Fabius schrieb:Sieht angesichts der ungesunderen frontalen Angriffe in Richtung Tokmak ganz danach aus. Aber warum weiter östlich ?! Man könnte meiner Meinung nach auch weiter westlich vorstoßen, die Verbindung zur Krim die da auf einer Ost-West Linie verläuft könnte man auch dort kappen.
Mach ich mal blind eine Vorhersage: die Ukrainer werden weiter westlich auf einer Linie Polohy - Berdjansk durchbrechen und dort ihren Schwerpunkt setzen.

Polohy - Berdjansk liegt doch östlich des Schwerpunkts Orikhiv-Robotyne Huh
Westlich von Orikhiv sind die Befestigungen bis zum Dnepr nicht weniger massiv.
Ich hätte halt Westlich des Frontbogens Velyka Novosilka mit Polohy als ersten westlichen Anker und eben auch mit dem Ziel Berdjansk angegriffen. Je nach Lage auch Entwicklung hin in den Raum auf Mariupol zu.
Aber wie gesagt, die Ukrainer sind wohl sehr auf die Krim fixiert, mir wäre dagegen eine klare Trennung der Fronten völlig ausreichend gewesen. Der Rest fällt eh wenn die Kerch-Brücke zerstört ist und man weiterhin konsequent Druck ausübt.

---

Die Russen behaupten zumindest, das sie erwarten, dass das 10. Armeekorps heute Nacht in voller Stärke angreift:
https://twitter.com/NOELreports/status/1667248479851237393

Ukrainer melden derweil eine Intensivierung des eigenen Artilleriefeuers:
https://twitter.com/WarMonitor3/status/1667248259427979271
https://twitter.com/Maks_NAFO_FELLA/status/1667248396078284802

Spike ist bei den Ukrainer aufgetaucht, hatte wir noch nicht, oder?
https://twitter.com/AndySch64494719/status/1667254132527321104

Putin geht derweil die Düse: Angel
https://www.thedailybeast.com/vladimir-putin-admits-to-significant-losses-inferior-weapons-in-war-on-ukraine
“In recent days, we have seen significant losses in Ukraine, they exceed the classical figure,” he said, according to the Kremlin.

The Russian president also confessed that Russian forces were dealing with artillery problems, adding in his remarks that “Yes, we still do not have enough of these modern weapons, but the defense industry, the country's military-industrial complex is developing rapidly.”


RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 09.06.2023

(09.06.2023, 21:57)Nightwatch schrieb: Ich hätte halt Westlich des Frontbogens Velyka Novosilka mit Polohy als ersten westlichen Anker und eben auch mit dem Ziel Berdjansk angegriffen. Je nach Lage auch Entwicklung hin in den Raum auf Mariupol zu.
Aber wie gesagt, die Ukrainer sind wohl sehr auf die Krim fixiert

Sehe ich ähnlich. Ich halte aber die Angriffe Richtung Tokmak für den Versuch, an dieser vermeintlichen Hauptangriffsachse möglichst die russischen Reserven zu aktivieren, während man entlang der Kinska von Orikhiv über Polohy in Richtung Mariupol vorstößt und je nach verlauf dann auf Berdjansk oder sogar Melitopol eindreht.


RE: Russland vs. Ukraine - Pmichael - 10.06.2023

Ich bin ja eigentlich ganz erschüttert wie man die offensichtliche Schwäche der Russen hinsichtlich Nachtkampf nicht entsprechend ausnutzt.


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 10.06.2023

(10.06.2023, 06:28)Pmichael schrieb: Ich bin ja eigentlich ganz erschüttert wie man die offensichtliche Schwäche der Russen hinsichtlich Nachtkampf nicht entsprechend ausnutzt.

Augenscheinlich hat man gehofft dass diese Offensive ähnlich läuft wie die letzte große Offensive der Ukraine und die russische Armee schnell das Laufen lernt. Es scheinen aber russ. Truppen dort zu verteidigen die Standhalten wollen und wohl auch einiges an Stellungen dort ausgebaut haben. Da wird man über quasi freies Feld mit Panzerkolonnen nicht weit kommen. Im Gegenteil wird mit jeder zusammengeschossenen Angriffsspitze die Moral der russ. Truppen steigen und die der Ukrainer sinken. Also wird man zeitnah auf Plan B umschalten müssen der hoffentlich vorhanden ist.


RE: Russland vs. Ukraine - Helios - 10.06.2023

Man darf sich halt von Moral und Pathos nicht blenden lassen, es kämpft dort immer noch Not gegen Elend. Die westlichen Systeme ändern daran nur in technischer Hinsicht etwas, aber gerade aufgrund der Notwendigkeit von (im Endeffekt dann doch erstaunlich) schnellen Einweisungen konnte man nicht erwarten, dass nun plötzlich alle jahrzehntelang aufgebauten Verfahren eine drastische Korrektur erführen. Vielmehr werden die erweiterten Möglichkeiten assimiliert, um sich dann (vielleicht und hoffentlich) immer stärker operativ niederzuschlagen. Man kann nur hoffen, dass der Ukraine diese Zeit bleibt und die Unterstützung nicht nachlässt.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 10.06.2023

Es gab in der Vergangenheit die eine oder andere Kritik an den deutschen Panzerhaubitzen dahingehend, dass sie unzureichend belastbar seien (obgleich im Dauereinsatz) und dass die Ukrainer darüber unzufrieden wären etc. Dieser Bericht, auch wenn man die Hälfte als Werbetrommel für das Unternehmen betrachten sollte, widerspricht dem doch...
Zitat:Feedback trotzdem "sehr positiv"

Rheinmetall-Chef räumt Verluste deutscher Waffen in Ukraine ein [...]

Jüngst bejubelt Russland die Zerstörung eines Leopard 2-Panzers in der Ukraine. Für den Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall sind Verluste deutscher Waffen in der Ukraine keine Überraschung. Dennoch hat sich die Qualität der Systeme bewährt - und überrascht teilweise sogar die Hersteller selbst.

Der Chef des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, hat Verluste von Waffensystemen eingeräumt, die Deutschland an die Ukraine geliefert hat. Gleichzeitig lobte er aber deren grundsätzliche Qualität. "Im Leben gibt es immer Verluste", sagte Papperger im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), man rede aber nicht darüber. [...]

"Die Rückmeldungen der Ukrainer zu den deutschen Waffen sind sehr positiv", sagte er. Zum Teil seien die Hersteller selbst von deren Standfestigkeit überrascht. "Nehmen Sie die Panzerhaubitze PzH2000, deren Chassis und Waffensysteme Rheinmetall geliefert hat. Wir sagen eigentlich, dass das Rohr nach etwa 4500 Schuss gewechselt werden muss. Die Ukrainer aber schießen bis zu 20.000 Schuss - eigentlich unmöglich", so Papperger. "Andere Rohre wären da längst eingeknickt."
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Rheinmetall-Chef-raeumt-Verluste-deutscher-Waffen-in-Ukraine-ein-article24181343.html

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Pmichael - 10.06.2023

NATO Technik trifft alte sowjetische Artillerieschule. Wie so viele Dinge in diesem Krieg ist die Aussagekraft für zukünftige Überlegungen halt sehr relativ.


RE: Russland vs. Ukraine - Ottone - 10.06.2023

(10.06.2023, 06:28)Pmichael schrieb: Ich bin ja eigentlich ganz erschüttert wie man die offensichtliche Schwäche der Russen hinsichtlich Nachtkampf nicht entsprechend ausnutzt.
Minen wirken auch bei Nacht. Sad


RE: Russland vs. Ukraine - Pmichael - 10.06.2023

Was wir aber von russischer Ausrüstung wissen dann ist es aber schon das Einzige was so in der Nacht funktioniert.


RE: Russland vs. Ukraine - alphall31 - 10.06.2023

Niemand sagt das deutsche Waffen schlecht sind . Das Problem ist das die deutsche Industrie nicht in der Lage ist Ersatzteile und genug Munition zu liefern und deshalb die Einsatzbereitschaft so gering ist.


Es sind ja nun weitere Videos von dem Gefecht aufgetaucht bei denen klar zu sehen ist das sich Bradleys von eigenen Fahrzeug aus vielleicht zehn Meter Entfernung ausgeschaltet wird oder eine mine erwischt und dann vor das Rohr eines Deckung gebenden Fahrzeuges rutscht . Ob das trifft sieht man schlecht. Wird aber wohl mine gewesen sein


RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 10.06.2023

(10.06.2023, 18:28)alphall31 schrieb: Das Problem ist das die deutsche Industrie nicht in der Lage ist Ersatzteile und genug Munition zu liefern und deshalb die Einsatzbereitschaft so gering ist.

Was aber nicht originär die Schuld der Industrie ist. Man könnte das von staatlicher Seite her ja durchaus ändern. Sogar mit ganz simplen Mitteln der Marktwirtschaft.


RE: Russland vs. Ukraine - alphall31 - 10.06.2023

Der Staat sollte wirklich nur in ernsthaften Krisen in Wirtschaft eingreifen und nicht bei jeder Sache die irgend jemand nicht passt


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 10.06.2023

(10.06.2023, 20:33)alphall31 schrieb: Der Staat sollte wirklich nur in ernsthaften Krisen in Wirtschaft eingreifen und nicht bei jeder Sache die irgend jemand nicht passt

Die Probleme resultieren doch hauptsächlich aus den geringen Stückzahlen die abgenommen werden.