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Russland vs. Ukraine - Druckversion

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RE: Russland vs. Ukraine - Nightwatch - 13.12.2022

@Quintus Fabius

Die Ukrainer sind bislang weniger damit in Erscheinung getreten nicht zu wissen wann man sich absetzt. Augenscheinlich haben sie sich entschieden die Stellung zu halten und mit frischen Verbänden zu verstärken. Ich sehe dabei weiterhin keine Anhaltspunkte, dass das die falsche Entscheidung ist oder Bakhmut in den nächsten Wochen zwangsweise fallen müsste.

Hier mal ein wenig Kartengemale, so sieht es aktuell aus, die Russen versuchen (bekloppterweise) Bakhmut zu nehmen ohne die Möglichkeiten nördlich und südlich der Stadt auszuschöpfen. Die Ukrainer verteidigten vor Bakhmut außerordentlich zäh, die Russen benötigten für wenige Kilometer zum Teil Monate.
https://imgur.com/a/TrFgsdj

Dein Vorschlag ist nun Bakhmut aufzugeben und die Russen in einem Frontbogen bis auf Kramatorsk und Slowjansk gehen zu lassen.
https://imgur.com/PvtUqTf

Dieser Rückzug gibt – meines Erachtens ohne Not – mehr Gebiet auf als die Russen hier in den letzten sechs Monaten erobert und die Ukrainer mit erheblichen Blutzoll verteidigt haben. Für die Kampfmoral wäre das wahrscheinlich nicht gerade dienlich. Dann fällt ins Auge – dein Ansatz produziert sicher einen verwundbaren Frontbogen, vervielfacht aber gleichzeitig die Frontlinie. Da ist so schwerer überall zu halten als eine wesentlich übersichtlichere und kürzere Front auf Höhe Bakhmut. Zudem wie schon geschrieben macht diese Idee Slowjansk, Kramatorsk und Kostyantynivka zu Frontstätte. Die Not der Zivilbevölkerung ist schon groß genug und der Armee bringt es auch nicht viel, dass der Russe direkt vor ihren logistischen Zentren steht.

Zudem würden sich halt auch für den Russen aus diesem Rückzug Möglichkeiten ergeben. Warum sollte er sich auf dein Spiel einlassen? Ich würde mich in Bakhmut breit machen und als ersten mal die Front nördlich und Südlich aufrollen. Im Norden kleben die Ukrainer bei Sewersk am Siwerkyi Donez, das müssen sie fast räumen wenn von Süden her Druck gemacht werden kann.
Und im Süden bietet sich vor Kostyantynivka ein Stoß in den Rücken der Verteidigung bei Toretsk / Zalizne an. Vielleicht breche ich hier durch, unterbreche die H20 und dann wankt die ganze Frontlinie vor Donezk.
Sieht dann so aus:
https://imgur.com/itDe88M

Ich stecke da nicht drin und weiß letztlich nicht, wie gut oder schlecht die Lage vor Bakhmut ist, aber wenn ich eine Aussage dazu treffen muss dann doch eher, dass der eigentliche Kampf um Bakhmut erst beginnt und die Russen da noch einen verdammt hohen Preis bezahlen müssen bevor das Spiel westlich davon weitergeht.


RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 13.12.2022

(13.12.2022, 21:30)Rudi schrieb: Besten Dank, darauf muß man erstmal kommen. Das ist nicht selbsterklärend. Da wäre Alt+0153 hilfreich. Da erkennt man es wenigsten als™ ☺

Hat er früher auch gemacht, da konnte man es sich dann schon erschließen. (Ich zumindest.) Aber der Mann wird nachlässig auf seine alten Tage. Tongue


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 13.12.2022

Mal wieder was zur finanziellen/wirtschaftlichen Situation Rußlands

https://exxpress.at/putin-hat-grund-zur-freude-russlands-haushaltsueberschuss-hat-sich-vervierfacht/


RE: Russland vs. Ukraine - Rudi - 13.12.2022

(13.12.2022, 22:53)Broensen schrieb: Hat er früher auch gemacht, da konnte man es sich dann schon erschließen. (Ich zumindest.) Aber der Mann wird nachlässig auf seine alten Tage. Tongue

Es gibt schlimmere Nachlässigkeiten Tongue
Es hat mich nur ein bißchen verwirrt und ich habe mich erst nicht getraut, meine Unwissenheit zuzugeben und zu fragen Tongue

Und dann dachte ich erst, die Antwort ist ein Späßken Tongue


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 14.12.2022

Werter Nightwatch:

Zitat:Die Ukrainer sind bislang weniger damit in Erscheinung getreten nicht zu wissen wann man sich absetzt.

Das kann man so nicht pauschalisieren. Auch wenn die militärische Leistung der Ukrainer außerordentlich ist, haben sie dennoch in vielen Fällen ganz genau so inkompetent gehandelt wie die Russen auch. Das ist im Krieg auch ganz normal. Ein ernsthafter Krieg zeichnet sich immer durch unfassbare Unfähigkeit aller Beteiligten, allgemeines Versagen und immense Verschwendung aus (übrigens ein Zitat von Eisenhower). Die Ukrainer haben durchaus in einigen Fällen den besten Zeitpunkt für den Absprung verpasst. Deshalb:

Zitat:Augenscheinlich haben sie sich entschieden die Stellung zu halten und mit frischen Verbänden zu verstärken.

Sollte man aus dem Handeln der Ukrainer nicht ableiten, dass dieses die sinnvollste Option wäre. Nur weil die Ukrainer etwas tun, ist es nicht dadurch automatisch das beste. Das ist meiner Meinung nach in ganz vielen Bereichen ein üblicher Fehler, rhetorisch gesehen eine Abart einer Diskussion mit Autoritäten. Weil jemand dem man eine hohe Kompetenz zubilligt etwas tut oder äußert, soll es richtig sein. In einem ernsthaften Krieg ist das aber nicht der Fall, da versagen auch die besten eigentlich fortwährend und siegt der, welcher im Vergleich weniger versagt.

Zitat:die Russen versuchen (bekloppterweise) Bakhmut zu nehmen ohne die Möglichkeiten nördlich und südlich der Stadt auszuschöpfen.

Weil sie es gar nicht können. Die Ukrainer sind zahlenmässig insgesamt überlegen, und selbst bei der Artillerie sind sie von der bloßen Kampfkraft derselben gar nicht so weit hinter den Russen. Aktuell können diese ihre Artillerie relativ disloziert gegen einen Punkt (Bakhmut) richten. Dort versuchen sie mit Infiltration und Sturmtruppentaktiken bei fortwährendem Artilleriehagel die ukrainischen Stellungen frontal zu stürmen.

Dabei reichen weder die Quantität noch die Präzision der Artillerie aus um die ukrainischen Stellungen ausreichend zu zerstören oder auch nur die ukrainischen Verteidiger ausreichend unter Schock zu setzen um entsprechende Zeitfenster bis die Verteidiger wieder kampffähig sind zu nutzen. Gerade eben daraus ergibt sich, dass eine Verlängerung der Front durch eine Rücknahme derselben auf die beschriebenen Linien sinnvoll wäre weil:

Zitat:dein Ansatz produziert sicher einen verwundbaren Frontbogen, vervielfacht aber gleichzeitig die Frontlinie. Da ist so schwerer überall zu halten als eine wesentlich übersichtlichere und kürzere Front auf Höhe Bakhmut.

Die russische Artillerie dann nicht mehr disloziert auf ein Gebiet feuern kann, sondern dann konzentriert in diesem Frontbogen stehen müsste um auf dann deutlich disloziertere ukrainische Stellungen zu feuern. Entsprechend würde das die Dichte des russischen Artilleriefeuers ausdünnen. Darüber hinaus würde es, sollten die Russen dieses dann trotzdem auf ein Gebiet konzentrieren ermöglichen, aus einer anderen Richtung entsprechend einen Gegenangriff durchzuführen.

Die dann zwingend größere Konzentration der russischen Artillerie macht diese dann zudem anfälliger für ukrainisches Konterartilleriefeuer welches dann von einer deutlich dislozierteren ukrainischen Artillerie abgegeben werden könnte. Die russische Artillerie würde so zwingend deutlich höhere Verluste erleiden.

Da die Ukrainer eine zahlenmässige Überlegenheit haben, bedeutet dies bei einer Verlängerung der Frontlinie, dass sie mehr Truppen im Kampf zugleich einsetzen können, während aktuell die Begrenzung des Kampfgebietes dazu führt, dass etliche ukrainische Verbände nur als Reserve angesehen werden können.

Darüber hinaus könnten die Ukrainer dann darüber hinaus ihre Truppen in der verlängerten Front eher und viel leichter austauschen und auffrischen was aktuell schwieriger ist, weil die Routen nach Bakhmut in Reichweite vergleichsweise konzentrierter russischer Artillerie liegen, weshalb die Ukrainer durch ihren fortwährenden Entsatz nach Bakhmut stärker abgenutzt werden als dies bei einem längeren Frontbogen der Fall wäre.

Und auch die Versorgung und der Erhalt der Truppen wäre bei einer Rücknahme auf die genannte Linie deutlich besser (Force Protection), während zugleich die Versorgung und der Erhalt ihrer Truppen für die Russen erschwert wäre, da dann deren Nachschubwege in der Reichweite dislozierter stehender ukrainischer Artillerie stehen würden (also umgekehrt zu jetzt).

Zitat:Dieser Rückzug gibt – meines Erachtens ohne Not – mehr Gebiet auf als die Russen hier in den letzten sechs Monaten erobert und die Ukrainer mit erheblichen Blutzoll verteidigt haben.


Wer alles defendieren will, defendiert am Ende gar nichts. Das beobachtete festklammern an Gelände ist auf beiden Seiten ein erheblicher Fehler, auf russischer Seite sogar noch mehr. Ganz allgemein wird in diesem Krieg von beiden Seiten der jeweilige Besitz und das Halten von Gelände drastisch überbewertet. Da fehlt es deutlich an Flexibilität und man verschenkt so erhebliche militärische Chancen. Nur weil man etwas gehalten und länger verteidigt hat, bedeutet das nicht, dass dies ein strategischer / operativer Wert für sich selbst wäre.

Zitat:Für die Kampfmoral wäre das wahrscheinlich nicht gerade dienlich………Zudem wie schon geschrieben macht diese Idee Slowjansk, Kramatorsk und Kostyantynivka zu Frontstätte. Die Not der Zivilbevölkerung ist schon groß genug

Beides lässt sich aber umgekehrt auch politisch nutzen. Aktuell verebbt in Wahrheit der Waffenstrom in die Ukraine bzw. er lässt nach. Parallel zu den Erfolgen der Ukrainer hat man begonnen den Waffenzustrom zu drosseln. Ein solcher Verlust von Gelände ließe sich medial ebenso ausschlachten wie das erhöhte Leid für die Zivilbevölkerung und man könnte entsprechend leichter weitere Hilfe aus dem Westen mobilisieren.

Und ob das die Kampfmoral beeinträchtigt hängt davon ab, wie man es den eigenen Truppen verkauft. Wenn dann daraus eine Todesfalle für die vordringenden russischen Verbände wird, in welcher diese noch sehr viel höhere und substanziellere Verluste erleiden als bei ihren Frontalangriffen auf Bakhmut, erhöht dies die Kampfmoral.

Zitat:Zudem würden sich halt auch für den Russen aus diesem Rückzug Möglichkeiten ergeben. Warum sollte er sich auf dein Spiel einlassen? Ich würde mich in Bakhmut breit machen

Was tatsächlich die einzig sinnvolle Option wäre, eben nicht in den Frontbogen hinein nach zu stoßen. Aber: dann bedeutet dies auch für die Ukraine eine deutliche Erholung ihrer Truppen und die Möglichkeit weitere signifikante Verstärkungen in diese Region verbringen zu können, während aktuell der Truppennachschub nach Bakhmut schwierig und verlustreich und beschränkt ist.

Da aber die Russen fortwährend genau den gleichen Fehler machen, nämlich den Geländebesitz derart überzubewerten, halte ich es sogar für wahrscheinlich, dass sie in den Frontbogen hinein gezogen werden würden, allein schon aus politischen Gründen. Das Ego des Kreml und die innenpolitischen Umstände in der RF machen es sehr wahrscheinlich, dass die russischen Streitkräfte dann in diese Falle tappen würden.

Zitat:und als ersten mal die Front nördlich und Südlich aufrollen.

Dazu fehlen den Russen aktuell die Kräfte. Vor allem anderen ist das nicht gleichzeitig möglich und würde entsprechend ständig offene Flanken für die Russen bedeuten, in welche die Ukrainer im Gegenangriff vorstoßen könnten. Das würde sich dann wie von selbst anbieten und könnte zur Zerstörung der russischen Streitkräfte in diesem Bereich führen. Die von dir beschriebenen fortfolgenden Operationen der Russen würden eine immense Gefährdung für deren Streitkräfte bedeuten.

Jeder solche Vorstoß verbietet sich eigentlich aktuell, die einzig sinnvolle Aktion der Russen wäre es stattdessen in Bakhmut stehen zu bleiben und dort über den Winter in die Defensive zu gehen. Aber es ist zu bezweifeln dass sie das tun würden. Das ermöglicht dann recht rasch ein Schlagen aus der Nachhand.
Aktuell sind die Russen nicht mal in der Lage nördlich und südlich von Bakhmut ernsthafte Durchbruchsoperationen durchzuführen, obwohl das Gelände und die Umstände sich dafür anbieten würden.

Es ist ihnen also nicht mal möglich eine kleinere Stadt einzukesseln, sondern sie stürmen stattdessen frontal in das Trümmerfeld weil dies für sie vom Kräfteansatz her der einzige Weg ist (Infiltration / Sturmtruppentaktiken / kleine Einheiten). Aber du gehst davon aus, dass sie ernsthaft die gesamte Front vor Donezk mittels eines Durchbruchs an der Südseite des Frontbogens und einem Einschwenken nach links aufrollen könnten ?! Das halte ich nach allem was ich zur Lage dort gelesen habe für sehr unwahrscheinlich.

Aber selbst wenn: sobald sie so ansetzen, führt dies nur dazu, dass ein Gegenangriff in die offene rechte Flanke der russischen Verbände dann diese der Vernichtung anheim geben würde. Die Russen können hier aktuell unmöglich genug Kräfte für Durchbruch, Aufrollen und Flankensicherung aufbringen. Sie würden also statt die Front vor Donezk zum Einbruch zu bringen selbst nur eingekesselt und zerschlagen werden. Sie könnten bei einem Durchbruch hier in Richtung Süden / Südwesten zudem ihre Truppen nicht versorgen, da die ganzen Versorgungswege auf einem sehr schmalen Band bei nicht ausreichender Infrastruktur unter ukrainischem Artilleriefeuer lägen.

Zitat:Ich stecke da nicht drin und weiß letztlich nicht, wie gut oder schlecht die Lage vor Bakhmut ist, aber wenn ich eine Aussage dazu treffen muss dann doch eher, dass der eigentliche Kampf um Bakhmut erst beginnt und die Russen da noch einen verdammt hohen Preis bezahlen müssen bevor das Spiel westlich davon weitergeht.

Wenn der Preis für die Russen bei einem zurück gehen aber noch größer ist, dann macht es Sinn zurück zu gehen. Die militärischen Vorteile welche sich für die Ukraine aus einer Verlängerung der Front hier ergeben würden hoffe ich verständlich dargelegt zu haben.


RE: Russland vs. Ukraine - Nightwatch - 15.12.2022

“Quintus Fabius“ schrieb:Das kann man so nicht pauschalisieren.
Natürlich nicht, aber der Punkt hier ist doch, dass wir schlicht nicht seriös abschätzen können, wie die Lage vor Bakhmut tatsächlich ist. Wie sind die Kräfteverhältnisse dort? Welche Reserven können herangeführt werden? Wie gut ausgebaut sind die Befestigungen dort wirklich? Steht beiden Seiten ausreichend Munition zu Verfügung, wer ist artilleristisch überlegen? Warten die Russen oder die Ukrainer das der Boden endlich zufriert oder tun es beide? Welche Priorität hat das Geschehen dort überhaupt?
Unzweifelhaft ist das dort heftige Kämpfe toben, die Verluste auf beiden Seiten erheblich sind und die Russen stellenweise wenige Meter ins eigentliche Stadtgebiet eingedrungen sind. Darüber hinaus ergibt sich für mich aber kein stringentes Lagebild.
Insofern, vieles kann sein, vieles kann passieren, ich kann nur auf unzureichender Datenlage Einschätzungen ins Blaue abgeben. Deswegen auch der Rückgriff auf sekundäre Gesichtspunkte, wie eben etwa dem Umstand, dass die Ukrainer bislang rechtzeitig Gebiete geräumt haben (einzelne Gegenbeispiele lassen sich immer finden) wenn es nötig wurde und sie sich anscheinend entschieden haben hier noch mehr zu investieren als zurückzugehen.
Das lässt zumindest den Schluss zu, dass die Ukrainer dort nicht an einen schnellen Rückzug denken und die Lage positiver einschätzen. Natürlich können sie damit komplett falsch liegen, aber mir liegen keine Anhaltspunkte dafür vor und in aller Regel wissen sie eben was sie tun.

Zitat: Weil sie es gar nicht können.
Wenn die Russen die dünneren Linien im Feld südlich und nördlich von Bakhmut nicht durchbrechen können, können sie die Stadt selbst doch erst recht nicht nehmen.
Ich weiß nicht ob das Kräftegleichgewicht einigermaßen ausgeglichen ist. Mein Eindruck basierend auf dem Bildmaterial das es bis in die sozialen Medien schafft ist eher, dass die Ukrainer mit ziemlich leichter und eher unterdurchschnittlich ausgerüsteter Infanterie verteidigen und die Russen damit eine recht deutliche Materialüberlegenheit haben.
Wenn dem nicht so ist gibt es noch viel weniger Grund Bakhmut zu räumen. Dann kann dort schlicht mit recht geringen Kräfteaufwand gehalten werden und das ist dort wohl doch das Ziel der Ukrainer.

Zitat: Die russische Artillerie dann nicht mehr disloziert auf ein Gebiet feuern kann, sondern dann konzentriert in diesem Frontbogen stehen müsste um auf dann deutlich disloziertere ukrainische Stellungen zu feuern

Der Frontbogen wäre doch überhaupt nicht tief genug als das das Gros der Artillerie in den Frontbogen hinein nachrücken müsste. Ich glaube nicht, dass das einen größeren praktischen Unterschied macht.
Zudem gehst du davon aus, dass die Russen dein Spiel mitgehen und schön an der maximalen Tiefe des Frontbogens gegen Kramatorsk und Slowjansk wirken wollen. Ich würde das wie gesagt überhaupt nicht tun, sondern nach einer Einnahme von Bakhmut den Frontbogen nach Norden und Süden erweitern und den ukrainischen Schwerpunkt zwischen Kramatorsk und Kostyantynivka überhaupt ignorieren.

Das eine Verlängerung der Kampflinie für die Ukrainer insgesamt vorteilhaft sein sollte, weil sie ja mehr Reserven hätten sehe ich nicht. Diese Reserven müssten dann ja zur Verteidigung der längeren Frontlinien herangezogen werden und fehlen dann, wenn die Russen Schwerpunkte bilden. Zumal ich ernsthafte Zweifel hätte, dass die Ukrainer einen Frontbogen vor Bakhmut überhaupt mit den aktuell in der Region eingesetzten Kräften vernünftig abdecken könnte. Wenn man Siversk nicht zurücknimmt ist das locker einer Verdreifachung der Frontlinie, da müssten die Truppen dort eher substantiell verstärkt werden als irgendetwas sonst. Woher diese Truppe nehmen? Das wären dann wohl die Einheiten die jetzt zur Regenerierung aus der Frontlinie herausgelöst wurden und Verbände, die eigentlich anderen Ortes für Offensiven eingeplant sind.

Und letzteres ist doch überhaupt der gewichtigste Punkt. Es entspricht schlicht nicht der Gesamtstrategie der Ukrainer im Donbass eine möglichst breite Abwehrschlacht zu führen. Der Ansatz ist eher, die Russen an möglichst engen Stellen (wie in Bakhmut) festzunageln und freie Reserven selbst Offensiv einzusetzen sobald die Böden gefroren sind. Wir mögen uns aktuell auf Bakhmut konzentrieren, es kann aber gut sein, dass der Ukraine Generalstab für die nächsten Wochen eher nach Svatove oder auf die Südfront blickt.
Ich weiß auch nicht inwieweit die Ukrainer größere Probleme haben Nachschub nach Bakhmut zu schaffen. Wie gesagt wage ich aber zu bezweifeln, dass sie die Situation langfristig verbessert, wenn man die Russen bis an die eigentlichen Logistischen Zentren der Region heranrücken lässt. Da verteidige ich lieber weiter vorne solange das möglich ist.

Zitat:Wer alles defendieren will, defendiert am Ende gar nichts.
Deswegen wollen die Ukrainer ja auch angreifen anstatt die Verteidigungslinien noch künstlich zu erweitern …
Ich denke aber das es hinsichtlich der Aufgabe von Gelände weniger an Flexibilität als an Mobilität fehlt, gerade in der Schlammperiode. Die Ukraine können mit leichter Infanterie auf maximal M113 schlicht keine materialintensive mobile Verteidigung darstellen. Es muss an festen Stätten gehalten werden und hier ist schlicht die Wahl zwischen einer Stadt und enger Front oder drei Städte und breite Front ein paar Kilometer weiter westlich.

Für irgendwelche Ideen hinsichtlich Angriffe auf offene Flanken oder einem Schlagen aus der Nachhand sind mobile Kräfte notwendig, die zu Offensivoperationen befähigt sind. Warum sollte es besser sein diese Kräfte für mögliche russische Operation aus Bakhmut heraus zurückzuhalten zu müssen, als mit diesen Kräften vielleicht schon in Kürze selbst wieder offensiv zu werden?

Du gibst damit ohne Not Initiative auf, der Ansatz ist darauf angewiesen, dass sich die Russen nach der Einnahme von Bakhmut (wesentlich besseres Winterquartier für die Russen als auf dem Feld vor der Stadt übrigens) passend verhalten. Da halte ich doch lieber den Urbanen Raum in Bakhmut mit dem halt nötigen Kräfteeinsatz (oder gehe mit der Zeit dort auch verzögernd zurück) und baue dafür woanders Druck auf.


RE: Russland vs. Ukraine - Seafire - 15.12.2022

https://militaryland.net/news/invasion-day-294-summary/
Invasion Day 294 – Summary
December 14, 2022 Jerome News

Jetzt mit Karte Bakhmut City NEW

The summary of the situation of Russian re-invasion to Ukraine covering the last 48 hours, as of 14th December 2022 – 22:00 (Kyiv time).
Die Lage in der Gegend von Bakhmut bleibt schwierig, da es den russischen Truppen gelungen ist, in die ersten Gebäude am östlichen Stadtrand einzudringen. Die ukrainischen Streitkräfte sind trotz der jüngsten Verstärkungen nicht in der Lage, die endlosen Wellen russischer Truppen aufzuhalten, und die Luft- und Artillerieüberlegenheit hilft den Russen, weiter vorzurücken.

Die Anzahl und Intensität der russischen Angriffe an der gesamten Front scheint zuzunehmen, aber die Russen haben bisher keine Wunderwaffe gefunden, um einen größeren Vorstoß zu unternehmen.

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)


RE: Russland vs. Ukraine - Nightwatch - 16.12.2022

Zaluzhny lässt in einem neuen Interview nichts unversucht um endlich die Lieferung von Panzern anzustoßen
https://www.thedrive.com/the-war-zone/ukraine-situation-report-kyiv-expects-major-russian-offensive-in-the-new-year

Zitat: “I know that I can beat this enemy. But I need resources. I need 300 tanks, 600-700 IFVs, 500 howitzers. Then, I think it is completely realistic to get to the lines of February 23rd. But I can’t do it with two brigades. I get what I get, but it is less than what I need … We can and should take a lot more territory.”

Es ist einfach nur frustrierend.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 16.12.2022

Zur inneren Lage in Russland I - wirtschaftliche Folgen:
Zitat:Pleiten, Inflation, Kriegsangst

In Russland ist die Stimmung trübe

Russen sind Krisen gewohnt - doch nach fast zehn Monaten Krieg ist die Lage verzweifelt. Viele haben ihre Jobs verloren, Geschäfte sind pleite, alles wird teurer. Und dann ist da noch die Angst vor weiteren Einberufungen. Doch Putin setzt wohl auf eine Eigenschaft seiner Landsleute. [...]

Im Moskauer Einkaufszentrum Jewropejski am Kiewer Bahnhof stehen Boutiquen von Dior, Chanel und Swarovski leer. Tausende westliche Firmen haben ihre Repräsentanzen in Russland wegen Moskaus Krieg gegen die Ukraine abgestoßen, weil die Sanktionen der EU und der USA Geschäfte erschweren oder unmöglich machen. Zahlreiche Einkaufszentren stünden vor dem Bankrott, sagt der Wirtschaftsprofessor Kirill Kulakow. Schon durch die Schließungen während der Pandemie seien viele in die Schieflage geraten. "Die Probleme haben sich nun nach Beginn der militärischen Spezialoperation in der Ukraine und wegen der sinkenden Kaufkraft der Bevölkerung verschärft", sagte er in einem Radiointerview. Und Kulakow erwartet, dass sich die Lage zuspitzt. [...]

Aber auch bei denen, die Arbeit haben, ist wegen der Inflation von etwa 15 Prozent das Geld knapp, weil Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs immer teurer werden. Zwar zeigen russische Staatsmedien in Auslandsberichten immer wieder voller Häme auch aus Deutschland Demonstranten und andere Unzufriedene, die sich über Energiepreise, kalte Wohnungen und andere Härten beklagen. Das soll den Russen zeigen, dass es in der Heimat, wo viele Wohnungen überheizt sind, besser ist. Wer aber zwischen Russland und Deutschland pendelt, merkt schnell, dass die Stimmung in Moskau und anderen Städten trotz des Lichterglanzes düster ist. Der Lebensstandard fällt. Niemand weiß, wie lange der Krieg dauert. [...]

Verkäufer von Möbeln, Haushaltstechnik und Elektronik klagen über Umsatzeinbrüche von 30 Prozent oder mehr. Ähnlich sieht es bei Baumaterialien, Schuhen und Kleidung sowie Kosmetik aus. [...] Spürbar ist die Krise besonders auf dem russischen Automarkt. Nach Branchenangaben brach der Neuwagenverkauf von Januar bis November um gut 60 Prozent ein. Von den einst 60 Automarken, die in Russland verkauft wurden, sind 14 übrig: 3 russische - Lada, UAZ und GAZ - und 11 chinesische. [...] In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, in dem sich ein Käufer darüber aufregt, dass in einem Moskauer Autosalon das chinesische SUV-Modell Chery Exceed für umgerechnet fast 90.000 Euro verkauft wird. "Dafür kann man in den USA einen Mercedes GLE kaufen." Hier bekomme er ein chinesisches Auto, das im Herkunftsland ein Drittel koste, schimpft der Mann. [...]

Der Kreml setzt vielmehr auf die krisenerprobte Genügsamkeit vieler Russen. Als Putin einmal gefragt wurde, ob es nicht schlimm sei, dass es etwa auf Joghurtbechern kaum noch Farbe gebe, erwiderte er, ob eine schöne Verpackung wichtiger sei als die Souveränität Russlands.
https://www.n-tv.de/politik/In-Russland-ist-die-Stimmung-truebe-article23788137.html

Zur inneren Lage in Russland II - erneut gab es eine seltsame Explosion in einem vergleichsweise wichtigen Objekt:
Zitat:Huge blast hits major Putin oil refinery in latest suspicious explosion to hit Russian infrastructure amid suspicions of Ukrainian sabotage

Explosion struck Angarsk Oil Refinery around 5.50am local time Thursday. Two people were killed and five more wounded in the explosion, which is the latest in a series of blasts to hit Russian infrastructure. [...]

The Angarsk refinery produces jet fuel and diesel that can be used by Russia's military and is owned by oil giant Rosneft, which is owned by Putin ally Igor Sechin. It is the second fire in less than a month at the refinery, with an earlier incident reported on 27 November. Angarsk is located almost 3,000 miles away from the frontlines in Ukraine. [...] Footage showed the destruction of buildings at the refinery site. More than 100 people were involved in fighting the flames, it was reported.
https://www.dailymail.co.uk/news/article-11540839/Huge-blast-hits-Russian-oil-refinery-latest-suspicious-explosion.html

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 16.12.2022

Ergänzend zu dem von Nightwatch schon erwähnten Interview, hier im Original beim Economist:

https://www.economist.com/zaluzhny-transcript

Und hier in Auszügen auf Deutsch:

https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-news-britischer-geheimdienst-berichtet-von-zusaetzlichen-russischen-reservisten-in-belarus-a-091258e5-01d6-4521-9a0c-2bd6acea049a

Zitat:Chef der ukrainischen Streitkräfte erwartet neuen Angriff auf Kiew

14.02 Uhr: Die Ukraine stellt sich darauf ein, dass Russland am Ende des Winters erneut auf die Hauptstadt Kiew vorrücken könnte. In einem Interview mit dem »Economist« sagt General Walerij Saluschnyj, Oberkommandierender der ukrainischen Streitkräfte, er erwarte eine solche Attacke im Februar oder Anfang März, »schlimmstenfalls« Ende Januar.

»Die Russen bereiten etwa 200.000 neue Soldaten vor. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie Kiew erneut angreifen werden«, führt er aus. Die neuen Rekruten seien »vielleicht nicht so gut ausgerüstet, aber sie stellen trotzdem ein Problem für uns dar. Wir schätzen, dass Russland über eine Reserve von 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen verfügt.«

Der 49-Jährige zog einen Vergleich zum Zweiten Weltkrieg und sagte, »irgendwo jenseits des Urals bereiten sie neue Mittel vor«. Die Ressourcen von Beginn des Kriegs seien vermutlich auf drei Monate ausgelegt gewesen, diese seien nun erschöpft. »Wahrscheinlich suchen sie nach Wegen, um die Kämpfe zu beenden und eine Pause zu erreichen, egal mit welchen Mitteln: Beschuss von Zivilisten, Erfrierenlassen unserer Frauen und Kinder.«

Die Angriffe auf die Infrastruktur bereiten Saluschnyj große Sorgen. »Ich bin kein Energieexperte, aber ich habe den Eindruck, dass wir uns am Abgrund befinden.« Wenn die Frauen und Kinder der Soldaten frieren – »können Sie sich vorstellen, in was für einer Stimmung die Kämpfer dann sein werden? Können wir ohne Wasser, Licht und Wärme unsere Reserven für den weiteren Kampf vorbereiten?«



RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 16.12.2022

Noch ein weiteres sehr aufschlußreiches Gespräch mit dem ukrainischen General Oleksandr Syrsky:

https://www.economist.com/syrsky-interview

Zitat:“The Russians aren’t idiots,” he says. “They aren’t weak. Anyone who underestimates [them] is headed for defeat.”

Described by colleagues as an ascetic, an obsessive planner with an addiction to the gym, even building one at his headquarters, the head of Ukraine’s ground forces has done much to tilt the war in his country’s favour. He was responsible for two critical victories: stopping what Russia considered to be the “world’s second army” at the gates of Kyiv in March; and then pushing it out of the Kharkiv region in September. Now he is the man charged with facing down a humiliated but regrouped Russian army that is throwing everything it has at the town of Bakhmut in Donbas.

"What the Luhansk experience showed, he suggests, was that Vladimir Putin’s conscription drive can work."



RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 18.12.2022

Werter Nightwatch:

Zitat:Der Frontbogen wäre doch überhaupt nicht tief genug als das das Gros der Artillerie in den Frontbogen hinein nachrücken müsste.

Von Bakhmut bis zur neuen Frontlinie wären es zwischen 20 km und 30 km, bei einem Durchschnittswert von um die 28 km. Entsprechend müsste die russische Artillerie in den Frontbogen einrücken wenn sie dort weiter agieren soll, denn die querschnittliche effektive Reichweite der russischen Artillerie liegt unter 28 km.

Zitat:Zudem gehst du davon aus, dass die Russen dein Spiel mitgehen und schön an der maximalen Tiefe des Frontbogens gegen Kramatorsk und Slowjansk wirken wollen.


Wenn sie es nicht mitmachen, können sie nur in Bakhmut stehen bleiben, womit meine Truppen sich so vom Feind gelöst haben, dass eine deutliche Ruhephase eintritt. So wie die russische Führung aber bisher agiert hat halte ich es für sehr viel wahrscheinlicher, dass sie genau das tun: in den Frontbogen einrücken und dann vor allem Slowjansk angreifen, denn ganz vieles im miitärischen Gebaren der Russen hat keinerlei militärische Gründe, sondern ist rein politisch und direkt vom Kreml aus gesteuert.

Zitat:Ich würde das wie gesagt überhaupt nicht tun, sondern nach einer Einnahme von Bakhmut den Frontbogen nach Norden und Süden erweitern und den ukrainischen Schwerpunkt zwischen Kramatorsk und Kostyantynivka überhaupt ignorieren.

Wenn du diesen Schwerpunkt ignorierst, kannst du nicht nach Süden erweitern. Und nach Norden scheitert am Fluss, den Waldungen dort und schließlich Slowjansk als festem Punkt. Im übrigen sind die Russen laut ISW und anderen aktuell nur dazu in der Lage eine logistische Linie und einen Vorstoß entlang einer strategischen Linie zugleich durchzuführen, also entweder nach Norden ODER nach Süden, aber nicht beides zugleich.

Nach Süden würde dazu führen, dass der von dir genannte Schwerpunkt die Flanke der Russen zermalmen würde. Nach Norden würde sie in den Kampf um Slowjansk führen oder ganz genau so ihre Flanke entblößen und dass mit welcher Zielsetzung ? Um von Süden her wieder am Fluss zu stehen ?

Denn auch da würdest du nur deine Flanken komplett für einen Gegenangriff auf machen. Und gerade eben im Norden wäre die von der Entfernung her größte Ausdehnung des Frontbogens, hier kommst du dann nicht darum herum die Artillerie in den Frontbogen hinein zu ziehen, mit dem Ergebnis dass sie dort konzentrierter stehen muss und umgekehrt die ukrainische Artillerie dislozierter stehen kann. Damit könnte die Ukraine dann das Artillerieduell dort gewinnen.

Zitat:Diese Reserven müssten dann ja zur Verteidigung der längeren Frontlinien herangezogen werden und fehlen dann, wenn die Russen Schwerpunkte bilden.

Die können aber nicht nach belieben Schwerpunkte bilden, sondern egal wohin sie im Frontbogen ihren Schwerpunkt auch richten, immer exponieren sie ihre Flanke und ihre Artillerie dabei. Und der von mir genannte urbane Komplex verstärkt die Kampfkraft der Verteidiger immens (so wie in Bakhmut auch), da könnte man ein Verhältnis von bis zu 20 zu 1 benötigen um voran zu kommen. Das haben die Russen nicht. Die Ukraine benötigt gar nicht so viele Truppen um diesen Frontbogen zu halten wie du hier annimmst. Es wären meiner Einschätzung nach sogar immer noch Reserven möglich.

Zitat:Woher diese Truppe nehmen? Das wären dann wohl die Einheiten die jetzt zur Regenerierung aus der Frontlinie herausgelöst wurden und Verbände, die eigentlich anderen Ortes für Offensiven eingeplant sind.

Die Frage ist, ob Offensiven andern Orts überhaupt sinnvoll sind. Allgemein halte ich ukrainische Offensiven aktuell für höchst fragwürdig.

Zitat:Und letzteres ist doch überhaupt der gewichtigste Punkt. Es entspricht schlicht nicht der Gesamtstrategie der Ukrainer im Donbass eine möglichst breite Abwehrschlacht zu führen. Der Ansatz ist eher, die Russen an möglichst engen Stellen (wie in Bakhmut) festzunageln und freie Reserven selbst Offensiv einzusetzen sobald die Böden gefroren sind. Wir mögen uns aktuell auf Bakhmut konzentrieren, es kann aber gut sein, dass der Ukraine Generalstab für die nächsten Wochen eher nach Svatove oder auf die Südfront blickt.

Da hast du recht. Aber ich halte diese Gesamtstrategie an sich schon für falsch. Die Ukraine wäre besser darin beraten eine stark defensiv ausgerichtete Strategie zu fahren und diese dazu zu benützen eine signifikante strategische Reserve aufzubauen.

Zitat:Deswegen wollen die Ukrainer ja auch angreifen anstatt die Verteidigungslinien noch künstlich zu erweitern …

Man kann auch aus dem Rückzug heraus angreifen, und ein Schlagen aus der Nachhand würde sich hier geradezu anbieten. Um eine Offensive gegen den Feind zu führen kann ich selbst in sein Gebiet vordringen, oder ich lasse ihn vordringen und greife ihn während dessen in seine Flanken und rückwärtigen Gebiete an.

Zitat:Für irgendwelche Ideen hinsichtlich Angriffe auf offene Flanken oder einem Schlagen aus der Nachhand sind mobile Kräfte notwendig, die zu Offensivoperationen befähigt sind. Warum sollte es besser sein diese Kräfte für mögliche russische Operation aus Bakhmut heraus zurückzuhalten zu müssen, als mit diesen Kräften vielleicht schon in Kürze selbst wieder offensiv zu werden?

Weil die Offensive in russisches Gebiet hinein meiner Einschätzung nach schwieriger und verlustreicher ist. Die Russen haben dann dort Stellungssysteme, ihre Artillerie ist eingeschossen, sie haben durch die Mobilisierung viele ebenfalls hochgradig immobile Einheiten welche verteidigen können, aber kaum etwas anderes.

Es ist meiner Meinung nach eben falsch selbst in Kürze wieder offensiv werden zu wollen. Und eine Offensive in Form eines Gegenangriffs kann auch im Zurückgehen erfolgen.

Zitat:Du gibst damit ohne Not Initiative auf, der Ansatz ist darauf angewiesen, dass sich die Russen nach der Einnahme von Bakhmut (wesentlich besseres Winterquartier für die Russen als auf dem Feld vor der Stadt übrigens) passend verhalten. Da halte ich doch lieber den Urbanen Raum in Bakhmut mit dem halt nötigen Kräfteeinsatz (oder gehe mit der Zeit dort auch verzögernd zurück) und baue dafür woanders Druck auf.

Die Russen haben vor Bakhmut gar nicht so viel stehen, ein vermeintlicher Erfolg dort könnte sie dazu bringen dorthin weitere Kräfte zu verlegen und damit sich noch mehr dort festzulegen. Aber mit dem Punkt, dass die Russen sich dem einfach verweigern und dann in Bakhmut stehen bleiben könnten hast du schon recht. In dem Falle aber habe ich auch nichts verloren, zudem könnte ich die Stadt ganz leicht auch in einen einzigen Todesgarten aus Minen und Fallen umbauen und durch die Zerstörungen ist sie schon jetzt kaum noch benutzbar.

Nehmen wir also mal an die Russen bleiben stehen, gehen nicht in die Falle und graben sich in Bakhmut ein. Dann entsteht dadurch in der Ecke erstmal eine Kampfpause, auch die könnte man seitens der Ukrainer nutzen.


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 18.12.2022

Also wenn die Verlustangaben so halbwegs stimmen dann wäre es dumm von der Ukraine Bakhmut einfach aufzugeben. Wobei hier allerdings die Frage gestellt werden könnte ob die Verluste der Ukrainer an diesem Frontabschnitt in Wahrheit nicht viel höher sind. Wenn dem so wäre dann könnte man die Überlegungen von Quintus mal genauer unter die Lupe nehmen.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 18.12.2022

Die Ukrainer nannten vor kurzem mal die Zahl von 100 getöteten Russen pro Tag und um die 200 verletzte Russen pro Tag. Die New York Times nannte vor kurzem unter Verweis auf ukrainische Quellen an die 300 verletzte Ukrainer in zwei Tagen, wären also ungefähr 150 verletzte Ukrainer pro Tag, die Zahl der Toten dürfte aber deutlich niedriger sein, man kann meiner Einschätzung nach von 20 bis 30 pro Tag ausgehen. Alle genannten Zahlen sind noch recht konservative Schätzungen.

Sollten die Zahlen so ungefähr stimmen, würden die Ukrainer mit 25 Toten zu 100 Toten und 150 Verletzten zu 200 Verletzten pro Tag abtauschen. Das klingt natürlich auf den ersten Blick ganz brauchbar, aber eine solche Verlustrate ist für die Ukraine auf Dauer nicht aufrecht erhaltbar, zumal die Russen hier keine ausgebildeten fähigen Soldaten verheizen, sondern irgendwelchen Abschaum aus Lagern, Gefängnissen und Psychatrien und andere zwangsrekrutierte ohne jede Ausbildung und auch zwangsrekrutierte Ukrainer !

Zudem läuft dieses Gemetzel dort jetzt schon seit fast 5 Monaten, lassen wir es mal für eine einfache Berechnung 150 Tage sein. Damit hätte die Ukraine bereits 3750 Tote und 22.000 Verwundete in Bakhmut erlitten.

Irgendwo auf verschiedenen Telegramkanälen las ich übrigens Zahlen von 4000 bis 5000 Toten für die Ukrainer in Bakhmut selbst, dass würde sich also mit der gröbstmöglichen Berechnung hier erstaunlich gut decken.


RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 18.12.2022

Ich gebe Quintus zwar grundsätzlich recht, dass es für die Ukraine sinnvoller ist, sich zurück zu nehmen und die nachrückenden Russen dabei in Fallen zu locken, anzugreifen, abzuschneiden etc. Aber das bedeutet auch immer, dass sie Teile ihres Landes -zumindest vorübergehend- dem Feind ausliefern. Und das fällt insbesondere bei den Erfahrungen mit diesem Feind jedem schwer, der nicht die rücksichtslos-klare militärische Denkweise eines Quintus Fabius teilt.