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Russland vs. Ukraine - Druckversion

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RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 14.10.2022

Von dem was ich bisher von diesen Stellungen gesehen habe, sind die querschnittlich sehr bescheiden bzw. schlecht angelegt. Sie nutzen das Gelände oft nicht richtig und sind teilweise dürftig. Und wenn sie nicht verteidigt werden, stellen sie im Prinzip ganz grundsätzlich eigentlich kein Hinderniss da. Ich verstehe nicht einmal warum die russische Armee mit so etwas ihre Zeit verschwendet. Eine feste Linie entlang von Befestigungen halten zu wollen ist gerade in diesem Gelände und angesichts der Strukturen der russischen Armee geradezu absurd.

Es fehlt dabei auch jede Verteidigung in der Tiefe, jede Form einer elastischen Verteidigung und natürlich erst recht jedwede Reserven, welche selbst wenn man so eine verfehlte lineare Verteidigung leisten wollte, unabdingbar notwendig sind.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 14.10.2022

Musk will nun nicht weiter Starlink in diesem Umfang auf seine eigene Kosten hin stellen:

https://www.tagesspiegel.de/politik/pentagon-soll-sich-an-finanzierung-beteiligen-musk-droht-offenbar-mit-einstellung-des-starlink-dienstes-in-ukraine-8751760.html

Zumal die Ukrainer immer mehr Starlink Terminals fordern, über die sie ja immer weitergehender ihre ganze Kriegsführung kooordinieren, insbesondere ihre Artillerie und ihre Drohnen.

Zitat:„Starlink ist das wichtigste Kommunikationsmittel für die Einheiten auf dem Schlachtfeld.“

Zitat:Zudem soll sich unter den Briefen an das Pentagon auch eine schriftliche Bitte des kommandierenden Generals des ukrainischen Militärs, General Walerij Saluschnyj, an Elon Musk befunden haben, berichtet CNN. Demnach bat der General den US-amerikanischen Tech-Milliardär im Juli um 8000 zusätzliche „Starlink“-Terminals. Bisher sollen etwa 20.000 Satelliten-Einheiten in die Ukraine geschickt worden sein.

Nett, wie man dreiste Forderungen so hübsch euphemistisch als Bitte verkaufen kann. Keineswegs war dieser Brief eine Bitte. Ganz allgemein ist das Verhalten der Ukrainer gegenüber Musk einfach nur noch dumm, er wird auch aus den höchsten Kreisen der ukrainischen Regierung zur Zeit dermaßen scharf angegangen, obwohl er von seinem eigenen Geld (!) bisher 80 Millionen Dollar für die Ukraine gegeben hat. Es gibt übrigens gar keine andere Privatperson weltweit die auch nur ansatzweise die Ukraine derart unterstützt hat.

Dafür erklärt man jetzt in der Ukraine, man solle diesen Verrräter töten, sollte er Starlink weiter beeinträchtigen usw. dabei ist nicht einmal klar woran die aktuellen Strörungen liegen, könnte genau so gut auch einfach eine Systemüberlastung sein oder auf russische Gegenmaßnahmen zurück gehen.

Zitat:„,Starlink’ ist absolut unverzichtbar“, zitiert CNN den Cybersicherheitsexperten Dimitri Alperovitch. Die russische Armee habe seit Beginn des Angriffskrieges die ukrainische Kommunikationsinfrastruktur ins Visier genommen. „Ohne ,Starlink’ würden sie in vielen Fällen wirklich im Dunkeln operieren.“

Und was hört man in der Ukraine dazu ? Musk solle sehr gut auf sein Leben aufpassen, wenn er sich weiter so Russlandfreundlich gebärdet. Und das über einen Mann der als einzelne Privatperson mehr für die Ukraine getan hat als jeder andere, insbesondere sehr viel mehr als jeder der korrupten ukrainischen Oligarchen die jetzt im Ausland sitzen und dabei genüßlich zusehen wie das einfache ukrainische Volk für ihre Pfründe kämpft.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 14.10.2022

Selenski hat sich dahin gehend geäußert, dass die neu Mobilisierten Einheiten der Russen Kanonenfutter seien, und dass sie die Ukrainer bereits jetzt unter Druck setzen. Zitat:

https://www.spiegel.de/ausland/news-zum-russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-freitag-14-oktober-a-3cdd583f-3f11-435f-a4f6-676d451e4222?dicbo=v2-3e832b31e0091776a177e1b46989e7e8

Zitat:Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, mit seiner »Teilmobilmachung« eingezogene Reservisten als »Kanonenfutter« in die Ukraine zu schicken. Die russische Armee schicke derzeit »Tausende Eingezogene an die Front«, sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache. »Die Verwendung dieser Menschen durch die russischen Generäle als Kanonenfutter erlaubt es ihnen, den Druck auf unsere Verteidiger erhöhen«, fügte der ukrainische Staatschef hinzu.

Diese Truppenaufstockung schaffe einen »spürbaren Druck« auf die ukrainische Armee, sagte Selenskyj weiter. Der Chefkommandeur der ukrainischen Armee, Valery Saludschny, erklärte, die Lage an der Front sei »kompliziert, aber unter Kontrolle«. Allerdings sei die Ukraine auf weitere Hilfe angewiesen. »Die Überlegenheit der feindlichen Artillerie zeigt die Notwendigkeit, die Feuerkraft der ukrainischen Armee zu erhöhen«, sagte Saludschny. »Auch die Frage der integrierten Luftabwehr ist essenziell.«

Interessant finde ich, dass die russische Artillerie immer noch als Überlegen wahrgenommen wird, was keineswegs nur als Propagandaaussage um dadurch mehr Hilfen und Gelder aus dem Westen zu erhalten zu verstehen ist. Meiner Einschätzung nach müsste die russische Artillerie inzwischen stark abgenutzt sein, dazu noch die Dislozierung der Versorgungswege und die Zerstörung vieler Depots usw. dennoch ist der tägliche Feuerhagel zumindest an manchen Frontabschnitten immer noch ungebrochen. Das ist finde ich sehr erstaunlich. Und es kann so von den Russen eigentlich nicht auf Dauer aufrecht erhalten werden.

Zur Truppenaufstockung sollte man anmerken, dass von den offiziell 300.000 Mobilisierten in Wahrheit gerade mal um die 100.000 tatsächlich ausgerüstet und an die Front geschickt werden können und selbst unter Annahme, dass diese allesamt so schnell wie möglich nach vorne geworfen werden, aktuell kaum mehr als 50.000 neue russische Kämpfer an der Front angekommen sein können, und das würde ich für eine Maximalschätzung halten. Von daher wird der Druck mit der Zeit noch erheblich zunehmen, vor allem wenn man davon ausgeht - wie es ja kolportiert wurde - dass die Russen in Wahrheit eher so um die 1 Millionen mobilisieren. Die werden dann erst nach und nach eintreffen, da das System aktuell schon mit ca. 100.000 pro Monat überfordert ist. Entsprechend könnte Russland über den Winter hier durchaus auch anfangen eine entsprechende strategische Reserve aufzubauen.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 14.10.2022

Die Ukraine erhält HAWK Systeme:

https://www.thedrive.com/the-war-zone/ukraine-to-receive-hawk-aspide-surface-to-air-missiles-from-spain

Und die USA überlegen derweilen Patriot zu geben:

https://www.thedrive.com/the-war-zone/patriot-floated-as-possible-air-defense-system-for-ukraine-by-top-u-s-general

Wenn die Luftraumverteidigung nun genau so zusammen gestückelt wird wie die westliche Artillerie in der Ukraine, wird das noch richtig interessant.


Und noch eine Meinung zu einer möglichen nuklearen Eskalation:

https://warontherocks.com/2022/10/the-end-of-the-world-is-nigh/

In westlichen Medien, Militärforen usw. werden die russischen Drohnungen meiner Meinung nach zu weitgehend als reine psychologische Kriegsführung abgetan. Allgemein ist das Narrativ, dass es nie dazu kommen wird. Das stelle ich in Frage. Meiner Ansicht nach handelt es sich eben nicht um eine bloße psychologische Kriegsführung, sondern um eine reale Möglichkeit. Wenn wir uns dem weiter gedanklich verweigern, wird uns dann dieser Schritt umso kälter erwischen.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 14.10.2022

Ohne nun zu sehr orakeln zu wollen: Wenn die Russen ihre Linien nach und nach stabilisieren, wenngleich auch unter schweren Verlusten von 20.000, 30.000 oder mehr Soldaten (was aber bei 300.000 Reservisten ihnen wohl egal wäre), wenn die innenpolitische Lage in Russland nicht ins völlige Durcheinander oder einen wirren Machtwechsel kippt, wenn die Ukrainer Starlink verlieren und im Winter nicht mehr groß vorankommen, wenn es die Russen halbwegs schaffen, ihren korrupten Saustall aufzuräumen und die Reserven einigermaßen auszustatten (auch wenn es kaum mehr das modernste Gerät sein dürfte) und zu trainieren - dann...möglicherweise, könnten sie im Frühjahr nächsten Jahres nochmals zur Gegenoffensive antreten. Okay, es sind viele "Wenn's" in der Rechnung, aber ich habe das Gefühl, dass diese Sache noch nicht ganz durchgefochten ist, trotz des aktuell desolaten und moralisch viertklassigen Zustandes der Russen. Die russische Armee war für Überraschungen immer schon gut - übrigens einerseits im völligen Versagen (wie wir aktuell sehen) wie auch andererseits im unerwarteten Erfolg...

Und umgekehrt sind die Ukrainer natürlich hochmotiviert, aber auch sie haben dennoch Verluste, die es zu ersetzen gilt. Und deswegen sollten sie sich jetzt langsam zurücknehmen, Reserven hegen und pflegen und die zurückeroberten Gebiete konsolidieren. Verausgaben sie sich jetzt, wird es im Frühjahr umso schwieriger. Hinzu kommt, dass die Ukrainer alleine zwar bei ihrem Gegenangriff vermutlich an die 300+ fahr- und brauchbare Panzer - sowjetische Typen, die sie eh also kennen sollten - erbeutet haben, aber (gerüchteweise) nur rund 100 spontan einsetzen konnten, weil ihnen entweder ausgebildete Besatzungen oder die Wartung fehlte. D. h. so dick ist deren Personaldecke auch nicht, auch die Logistik ist bereits mehr als überlastet, irgendwelche raschen Vorstöße mit Jeeps hin oder her. Und wenn ihnen jetzt noch Starlink abhanden kommen sollte, dann würde es im wahrsten Sinne des Wortes wohl "dunkel" werden und diese flinken Technical-Aktionen hätten auch erhebliche Schwierigkeiten in der Koordination.

Gut denkbar also, dass wir im Frühjahr '23 die "zweite Runde" sehen - mal schauen, welcher "Experte" dann in der Schlammphase im März angreift - und dass dann die Karten doch wieder neu gemischt werden. Übrigens auch ohne Atomwaffen, denn es könnte konventionell durchaus noch spannend bleiben.

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 14.10.2022

Starlink wird denen nicht abhanden kommen. Das Pentagon wird die Kosten übernehmen, die haben sogar meiner Kenntnis nach schon angefangen damit (finde gerade den Artikel nicht mehr). Die ganzen Störungen oder Friedensvorschlag könnten auch nur einfach Geschäftsbaren von Musk sein, um dadurch Druck aufzubauen, damit sich die Sache für ihn auf Dauer rechnet. Denn man muss es ehrlich sagen: er kann nicht auf lau dieses System unbegrenzt anbieten, er muss damit Geld verdienen.

Derweilen nölt man andernorten schon, dass man Musk, dieses Zitat: Arschloch am besten enteignen sollte usw. Man denke mal über die jeweils dahinter steckende Geisteshaltung nach.

Schlussendlich wird dieser Krieg meiner Meinung nach durch uns allein entschieden. Weder Russland noch die Ukraine sind da eigentlich noch wesentlich:

Es wird keinerlei ukrainische Offensive mehr geben, wenn wir nicht Waffen, Munition, Verbrauchsmittel, immense Mengen an Geld und sonstige Hilfestellungen wie Informationen und strategische Aufklärung mehr nachschieben. Noch darüber hinaus sind wir der einzige Grund warum die Russen noch keine Nuklearwaffen oder andere vergleichbare Systeme gegen die Ukraine eingesetzt haben, also die Abschreckung welche unsere Reaktion erzeugt.

Deshalb sind wir die einzig verbliebene relevante Partie hier, gerade deshalb versucht Russland ja so hektisch irgendwie auf den Westen Einfluss zu nehmen, und sei er noch so gering.

Fakt ist: der Krieg in der Ukraine ist durch uns mit den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen einer Friedenswirtschaft nicht dauerhaft mit Waffen belieferbar. Die Bestände der NATO Staaten schmelzen gerade in gewissen Bereichen erstaunlich dahin. Dazu kommen noch die sonstigen wirtschaftlichen und finanziellen Belastungen, im Winter eventuell Massen von Flüchtlingen usw usw, kurz und einfach:

Werden die westlichen Gesellschaften das durchhalten oder nicht. Das ist die einzig relevante Frage.

Denn dass die Russen dass schon irgendwie aushalten werden in ihrer üblichen nihilistischen Melancholie und die Ukrainer in ihrem überbordendem Nationalismus, dass ist klar. Verbleibt die Frage, wie lange wir diesen Krieg aushalten werden?

Ausreichend lange bis der Feind physisch einfach ausgeschaltet ist ?! Oder werden wir vorher einbrechen ?!


RE: Russland vs. Ukraine - Falli75 - 14.10.2022

(14.10.2022, 11:19)Quintus Fabius schrieb: Von dem was ich bisher von diesen Stellungen gesehen habe, sind die querschnittlich sehr bescheiden bzw. schlecht angelegt. Sie nutzen das Gelände oft nicht richtig und sind teilweise dürftig. Und wenn sie nicht verteidigt werden, stellen sie im Prinzip ganz grundsätzlich eigentlich kein Hinderniss da. Ich verstehe nicht einmal warum die russische Armee mit so etwas ihre Zeit verschwendet. Eine feste Linie entlang von Befestigungen halten zu wollen ist gerade in diesem Gelände und angesichts der Strukturen der russischen Armee geradezu absurd.

Es fehlt dabei auch jede Verteidigung in der Tiefe, jede Form einer elastischen Verteidigung und natürlich erst recht jedwede Reserven, welche selbst wenn man so eine verfehlte lineare Verteidigung leisten wollte, unabdingbar notwendig sind.

Interessant hierbei ist der Stellungsbau ansich. Grabenbaumaschinen hundert Meter geradeaus, Panzersperren in zwei Reihen davor.
Kurz vor der Stellung Deckung für den Angreifer und eine Granate fegt den ganzen Graben leer Big Grin
Schade daran ist, dass wir in den Sechzigern "Schützenlochbohrer" auf Unimog in bestimmten Einheiten hatten ( ich meine es waren die Panzergrenadiere ), die Löcher wurden dann kurz von Hand verbunden. Zickzack im Schnellverfahren, in meiner Vorstellung einer rechts Schützenlöcher, zwei hintereinander links daneben den "Graben", oder nur Schützenlöcher in temporären Stellungen.
So unsinnig feste Stellungen auch sind, gerade als Falli fände ich sowas auf Wolf oder Mungo (sinniger) tatsächlich nützlich. Brückenkopf sichern....


[geteilt] Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 14.10.2022

Falli75:

Ja ich erinnere mich, das hatte ich glatt gar nicht mehr auf dem Schirm. Das ist ja ewig her dass ich da das letzte Mal einen Gedanken dran verwendet habe.

Ich wollte jetzt nicht so verstanden werden, dass feste Stellungen per se unsinnig sind, aber damit sie funktionieren bedarf es halb eben sehr viel mehr als nur der festen Stellung für sich. Und feste Stellung ist halt auch nicht gleich feste Stellung. Es macht beispielsweise heute wenig Sinn eine solche Lineare feste Stellung zu bauen. Es macht viel mehr Sinn, ein ganzes Netz von lauter voneinander getrennten Einzelstellungen zu bauen, welches sich dann "nach hinten" hin verdichtet. So dass der Gegner eben nicht auf eine Linie aufläuft, sondern mitten zwischen die ganzen Stellungen hinein läuft, so dass meine Stellungen auch hinter ihm sind und seitlich von ihm usw.

Statt also eine Linie zu schaffen, welche quer durch die Landschaft läuft, sollte man eben eine elastische Verteidigung in einem Netz vorsehen, in welchem sich die gegnerischen Einheiten verfangen und systematisch abnutzen, statt frontal irgendwo drauf zu prallen.


RE: Russland vs. Ukraine - Helios - 15.10.2022

Die Diskussion um Starlink habe ich hierhin verschoben:
https://www.forum-sicherheitspolitik.org/showthread.php?tid=6614



RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 15.10.2022

Strelkov ist anscheinend an die Front gezogen, höchstwahrscheinlich zusammen mit der Newski Freiwilligen Einheit die er mit aufgestellt hat. Er hat es ja schon im Juli mal über die Krim versucht und wurde damals von der russischen Polizei vorübergehend festgenommen (höchst unklare Hintergründe).

Zum Abschied ein Photo:

https://twitter.com/nexta_tv/status/1581183903791951873/photo/1

Sehr schade, weil damit eine der vertrauenswürdigsten Quellen verloren geht (er postet deshalb seit ein paar Tagen auch nichts mehr), denn man kann gegen ihn sagen was man will (Kriegsverbrechen, MH-17 usw), er hat schon 2014 (wie sich oft erst im Nachgang heraus stellte einfach nur durchgehend öffentlich die Wahrheit gesagt oder war an ihr zumindest am nächsten dran, und im jetzigen Krieg ebenso). Zudem glaubt er absolut alles was er sagt, ist in keinster Weise korrumpierbar (O-Ton von Nawalny selbst), und lebt was er behauptet, von seinem privat bescheidenen Lebensstil bis hin zu seiner Religiösität.

Es ist gut für uns und schlecht für Russland, dass solche Leute wie er dort nicht in Führungspositionen sind. Wäre er - mal rein theoretisch - beispielsweise unter einem Präsidenten Nawalny über Jahre hinweg Verteidigungsminister gewesen, stünden wir heute vor einem ernsthaften militärischen Problem.

Stattdessen wird er jetzt entweder im Kampf fallen, oder von der Korruptokratie ermordert und dann behaupten die er sei gefallen. Ist offenkundig zu unbequem geworden. прощальный привет !


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 16.10.2022

https://kyivindependent.com/uncategorized/russian-propagandists-warlord-girkin-sent-to-frontline-in-ukraine

https://www.stern.de/politik/kriegsverbrecher-und-separatisten-kommandeur-igor-girkin-geht-an-die-front-32818294.html

Die russische Führung geht angeblich ganz allgemein gegen die bisher sehr frei berichteten ultranationalistischen Militärblogger vor. Das reicht von Rybar (herausragend!) bis zu Semyon Pegov.

Diese sind im Endeffekt das öffentliche Sprachrohr aller Bevölkerungsanteile rechts von Putin, meiner Einschätzung nach zwishen 25 und 30% der Gesamtbevölkerung. Die Sache schlägt selbst in Russland ziemliche Wellen, weil die gleichen Blogger absolut für den Krieg sind und man ihnen eben nicht mangelnden Patriotismus vorwerfen kann.

Die meisten von denen sind aber vor allem nach dem Austausch der Gefangenen des Azov Bataillons aus Mariopol gelinde gesagt nicht mehr gut auf Putin zu sprechen, insbesondere weil die Azov Kämpfer, deren öffentliche Hinrichtung sie allesamt forderten, auch noch gegen einen Oligarchen und Freund von Putin ausgetauscht wurden. Die Kommentare dazu waren selbst für russische Verhältnisse krass.

Nun geht man anscheinend vor allem von Seiten der Armeeführung gegen die Ultranationalisten vor. Das könnte in diesen Kreisen die bisherige Loyalität zu Putin als Person selbst nachhaltig in Frage stellen. Bisher hat man dort immer noch versucht Putin selbst zu schonen und die Schuld seinem Umfeld zuzuschieben. Mit der aktuellen Zensur wird das kippen.

Das ISW hat dazu auch einen Artikel veröffentlicht. Darin kommt das ISW zu dem Schluss, dass das Vorgehen der russischen Regierung ausgerechnet gegen Kreise nur schädlich für die russische Führung ist.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 16.10.2022

@Quintus
Zitat:Die russische Führung geht angeblich ganz allgemein gegen die bisher sehr frei berichteten ultranationalistischen Militärblogger vor.
Die Fragen, die bei mir dazu aufkommen, sind:

1.) Könnte das der Beginn der internen Abrechnung sein? Wir hatten ja auch schon angenommen, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem jetzigen Regime und den Ultranationalisten kommen wird und dass das Risiko besteht, dass diese Kräfte nach einem Sturz Putins an die Macht kommen könnten. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass gerade z. B. in den Separatistengebieten irgendwelche der dortigen Anführer recht seltsam zu Tode kommen. Hinzu kommt, dass auch die Front nach einigen Rückschlägen gerade etwas zur Ruhe zu kommen scheint und Putin mit der Annexion der vier eroberten Gebiete sich politisch ein wenig den Rücken freigemacht hat - Zeit also, für die Kaltstellung der Ultranationalisten?

2.) Wäre diese Entwicklung nicht auch gut? Ich habe auch noch deine Aussagen im Kopf, wonach es für unsere Position besser wäre, wenn Putins Regime weiterhin an der Macht bliebe, da so nicht mit einer Stärkung Russlands zu rechnen sei (in den nächsten Jahren zumindest), während bei einer möglichen Machtübernahme von Ultranationalisten das Konfliktpotenzial wesentlich gravierender wäre, bis hin zu einer nuklearen Option, mit der wohl manche Extremisten beinahe liebäugeln.

Es könnte aber natürlich auch sein, dass das Problem damit nur aufgeschoben wird. Auch nach dem verlorenen Krieg 1904/05 gegen Japan hat das Zarenregime die Bolschewisten mit halbdemokratischen Zusagen und zugleich Verbannungen und Todesurteilen zunächst eingehegt, mit dem Ergebnis, dass sie im Untergrund dennoch stärker wurden und dann 1917 die Macht an sich rissen. Naja, spekulativ meinerseits...

Aktuelles:
Zitat:Eleven Russian soldiers killed in mass shooting by fellow volunteers

Defence minister says two assailants shot dead after attack at training ground in region bordering Ukraine

At least 11 people were killed and 15 more wounded at a military training ground in the Belgorod region in south-western Russia on Saturday when two volunteers opened fire on other troops, the Russian defence ministry has said.

The ministry said in a statement that the two shooters were nationals from a former Soviet republic and had been shot dead after the attack. The ministry called the incident a terrorist attack. “The two terrorists were eliminated in return fire,” the statement, cited by the Russian news agency Tass, said. [...]

At a press conference in the Kazakhstan capital of Astana on Friday, Putin said that 16,000 mobilised troops were already fighting in Ukraine, and that 222,000 Russians had already been called up. According to local reports, more than 20 newly mobilised soldiers have already been killed fighting in Ukraine. [...]

Multiple videos have also emerged that showed scores of men being subjected to poor conditions at training centres as they waited to be sent to Ukraine, while some of the deaths at Russia’s mobilisation centres have also indicated severe issues with morale.
https://www.theguardian.com/world/2022/oct/15/11-russian-volunteer-soldiers-reportedly-shot-dead-and-15-wounded-in-training-ground-attack

Es gibt da einige Spekulationen, aber es könnten muslimische Usbeken oder Tadschiken gewesen sein, was ja für die Annahme sprechen würde, dass vor allem Personen aus weiter entfernten Teilen des Landes herangezogen werden.

Zudem scheint sich die Lage in Bachmut nicht sonderlich gut für die Ukrainer zu entwickeln:
Zitat:Bakhmut: The Ukrainian city where Russia is still advancing

Almost eight months on from Russia's invasion of Ukraine, its forces are struggling while Ukraine has advanced and regained territory in the east and south. In the eastern Donbas region, the city of Bakhmut remains a Russian target, however, and its troops are making progress. [...]

The city reverberates to the sound of constant shelling, day and night. It's been going on for weeks. Most of Bakhmut's 70,000 citizens have already fled. Those who remain are mostly the elderly. They're living without running water or electricity. [...] In Bakhmut, Russia is desperately trying to change the narrative of this war. It's one of the few places where it is not in retreat. Its advances here have been slow and costly, but Russian forces have been gaining ground. [...]

Col Serhiy Cherevatyi, a spokesman for Ukraine's Eastern Command, still doubts the Russians have the numbers or equipment to take Bakhmut - which he says is now the concentration of its military efforts. At the same time, he said, Russia is trying to build new defences further north around the towns of Svatove and Kremenna - where key supply lines are also now being threatened by Ukraine.
https://www.bbc.com/news/world-europe-63261600

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 16.10.2022

Zitat:Es könnte aber natürlich auch sein, dass das Problem damit nur aufgeschoben wird. Auch nach dem verlorenen Krieg 1904/05 gegen Japan hat das Zarenregime die Bolschewisten mit halbdemokratischen Zusagen und zugleich Verbannungen und Todesurteilen zunächst eingehegt, mit dem Ergebnis, dass sie im Untergrund dennoch stärker wurden und dann 1917 die Macht an sich rissen. Naja, spekulativ meinerseits...

Das ist sogar ein exzellentes Beispiel. WENN es Putin gelingt trotz einer vollständigen militärischen Niederlage an der Macht zu bleiben, dann könnte der Verlauf tatsächlich ähnlich sein, und dann wäre der Umsturz von Rechts lediglich aufgeschoben, weil dann Putin seine eigentlich wichtigste Machtbasis wegbricht. Und die Armee ist ebenfalls in keinster Weise loyal zu ihm.

Meine rein private Einschätzung ist auch, dass Putin diese Kreise bisher bewusst genutzt hat um die Schuld von sich als Person abzuwälzen und die rasant zunehmende Wut großer Teile der Bevölkerung auf die von diesen Kreisen ausgemachten Sündenböcke zu lenken. Nun aber ist wohl der Moment gekommen, wo dieser Versuch das russische Volk in Richtung einiger Sündenböcke abzulenken zunehmend zu einem Problem geworden ist, weil sich hier Prozesse verselbstständigt haben und diese Kreise durch diese von oben her angedachte Ablenkung zunehmend zu viel Einfluss gewonnen haben.

Entsprechend hat das System Putin hier eingegriffen, weil die Situation meiner Einschätzung nach ohnehin kurz vor dem Kippen war. Und im Gegensatz zur geknuteten normalen russischen Bevölkerung sind diese Gruppen bewaffnet und extremst gewaltbereit. Da fehlte nur noch ganz wenig, irgendein zündendes Element, oder eine Führungsfigur (welche vom Kreml seit vielen Jahren schon mit allen Mitteln verhindert wird), dann würde das sehr schnell außer Kontrolle spiralieren.


RE: Russland vs. Ukraine - voyageur - 16.10.2022

eine ukrainische Video Front Kherson
[Video: https://www.lalettrea.fr/entreprises_defense-et-aeronautique/2022/10/04/les-industriels-francais-et-allemands-en-competition-sur-le-systeme-spatial-reactif,109831070-art?cxt=PUB&utm_source=LLA&utm_medium=email&utm_campaign=AUTO_EDIT_SOM&did=109653022]


RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 16.10.2022

(14.10.2022, 13:36)Quintus Fabius schrieb: Die Ukraine erhält HAWK Systeme: ... Wenn die Luftraumverteidigung nun genau so zusammen gestückelt wird wie die westliche Artillerie in der Ukraine, wird das noch richtig interessant.
Wenn sie schon HAWK bekommen, dann sollte man auch alles zusammenkratzen, was davon noch rumsteht. Schweden hat HAWK doch gerade abgelöst. Weiß jemand, ob die Systeme noch existieren und einsetzbar wären? Nach den griechischen frage ich besser mal nicht...

(16.10.2022, 01:28)Quintus Fabius schrieb: Das ISW hat dazu auch einen Artikel veröffentlicht. Darin kommt das ISW zu dem Schluss, dass das Vorgehen der russischen Regierung ausgerechnet gegen Kreise nur schädlich für die russische Führung ist.
Dazu die ZEIT:
Zitat:Prominente russische Militärblogger, die am Samstag davon sprachen, auf schwarzen Listen des russischen Verteidigungsministeriums gelandet zu sein, haben die Behauptung wieder zurückgenommen. Semyon Pegov vom WarGonzo Telegramkanal teilte mit: "es gibt keine Listen mehr". Die Listen seien von der Agenda genommen worden. Pegov gratulierte seinen Fans und der Militärblogger-Community, sich erfolgreich gegen das Vorgehen der Behörden gewehrt zu haben. Er wiederholte seine Aussage, er habe von Listen bereits vor Wochen gewusst. Andere Blogger teilten seine Angaben.

Das Institute for the Study of War (ISW) geht in seinem täglichen Lagebericht davon aus, dass die Blogger Gerüchte über die Listen genutzt haben, um weiter Zwietracht zwischen dem Verteidigungsministerium und anderen Institutionen zu sähen. Das Ministerium wird sowohl für das militärische Scheitern als auch für die Fehler bei der Mobilisierung verantwortlich gemacht und dadurch zunehmend zum Sündenbock des Krieges. Die einflussreichen Blogger, die als erste Kritik am Ministerium übten, gehen laut dem ISW gestärkt aus der Situation hervor – unabhängig davon, ob die Gerüchte überhaupt stimmten.

Das Thema scheint mir von außen betrachtet recht undurchsichtig bis widersprüchlich.