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Jiroft, Ausgrabungen einer (noch) unbekannten Kultur - Druckversion

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Jiroft, Ausgrabungen einer (noch) unbekannten Kultur - Shahab3 - 08.11.2011

Zitat:Photos: 5000-years-old Jiroft artifacts - Part I

Photos by Hamid Sadeghi, Mehr News Agency

Jiroft Culture - "Jiroft culture" has been postulated as an early Bronze Age (late 3rd millennium BC) archaeological culture, located in what is now Iran's Sistan and Kerman Provinces. The hypothesis is based on a collection of artifacts that were confiscated in Iran and accepted by many to have derived from the Jiroft area in south central Iran, reported by online Iranian news services, beginning in 2001.

Many artifacts associated with Jiroft were recovered from looters described as "destitute villagers" who had scavenged the area south of Jiroft before 2001, when a team led by Yousef Madjidzadeh began excavations. The team uncovered more than two square kilometers of remains from a city dating back to at least the late 3rd millennium BC.

[Bild: http://news.payvand.netdna-cdn.com/news/11/nov/ancient-artifacts-Jiroft-Iran-43.jpg]

Jiroft is a city Kerman Province, Iran. Jiroft is located in a vast plain, Halil River, on the southern outskirts of the Jebal Barez mountain chain, surrounded by two rivers. The name "Jiroft" has recently become known in archaeological circles, after Iran's Cultural Organization announced the discovery of remains from an ancient city buried near the current city of Jiroft, leading to theories proposing the remains belong to a forgotton culture known as the Jiroft civilization.
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<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.payvand.com/news/11/nov/1049.html">http://www.payvand.com/news/11/nov/1049.html</a><!-- m -->

Zitat:Jiroft wurde in jüngerer Zeit unter Archäologen bekannter, als die iranische Kulturorganisation verlauten ließ, die Überreste einer Jahrtausende alten Stadt bzw. eines Königreiches in der Nähe von Jiroft entdeckt zu haben. Auf einem Ausgrabungsgelände, das nur einen Kilometer vom heutigen Zentrum entfernt liegt, wird aktuell eine Vorgängerstadt von Jiroft erforscht. Die iranischen Experten sprechen bereits von der Jiroft-Kultur, die ein Bindeglied zwischen der Indus-Kultur und dem alten Sumer im 3. Jahrtausend v. Chr. darstellt. Manche sehen darin aufgrund der Fundsituation von Keramiken das mythische Aratta, die in den Keilschrifttexten genannte Herkunftsstadt der Sumerer.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.wikipedia.org/wiki/Jiroft">http://de.wikipedia.org/wiki/Jiroft</a><!-- m -->


Re: Jiroft, Ausgrabungen einer (noch) unbekannten Kultur - Shahab3 - 14.11.2011

Ein Teil der gestohlenen Ausgrabungsgegenstände ist wieder zuhause:

Zitat:Stolen ancient Iranian relics brought back home

Celebrating the return of 5000 year old ancient relics back home; Iran's President and cultural heritage officials unveiled some 18 historical artifacts which had recently been taken back from a gallery in Britain.

The items belong to the Jiroft Civilization which formed one of the most mysterious chapters of human history in southern Iran. They were smuggled out of the current city of Jiroft between 2001 and 2004. The artifacts were later found in the Barakat Gallery in London which planned to auction them. But after winning the legal battle by Iran they were sent back home.
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<!-- m --><a class="postlink" href="http://presstv.com/detail/209945.html">http://presstv.com/detail/209945.html</a><!-- m -->


Re: Jiroft, Ausgrabungen einer (noch) unbekannten Kultur - Quintus Fabius - 15.11.2011

Das große Problem ist hier meiner Ansicht nach die zeitliche Datierung. Stammen die ältesten dieser Funde aus einer Zeit noch vor den Sumerern oder gerade eben danach?

Könnte es die Urheimat der Sumerer gewesen sein, oder handelte es sich um von den Sumerern kulturell beeinflusste Völker die die sumerische Kultur teilweise übernahmen?

Man sollte aber meiner Meinung nach diese Funde nicht so interpretieren, dass hier ein Bindeglied zwischen Sumerern und Indus-Kultur bestanden hat. Ein solches Bindeglied war im übrigen nicht einmal notwendig, die beiden Kulturen kamen nachweislich auf dem Seeweg zum ersten Mal in Berührung.

Insgesamt lassen sich die Funde zur Zeit noch viel eher dem Mesopotamischen Raum zuordnen als dem der Indus-Kultur. Gleich ob Vorläufer, Urheimat, Paralellkultur oder Nachfolgend, zeigen diese Funde bisher primär nach Westen, nach Mesopotamien hin.

Vor allem wird auch die Frage des zeitlichen Endes dieser "Kultur" sehr wichtig sein. Dazu habe ich noch nirgends etwas gelesen. Primär wird immer die Frage der ältesten der Funde und der Vergleich mit Sumerern usw gestellt, aber die wesentliche Frage des Nieder-Untergangs wäre ebenso wesentlich für die zeitliche Einordnung und die Zuordnung dieser Funde und allgemein für die Frage der Ethnogenese der Iranischen Völker.

Die ganze Besiedelung des Iran durch Indoeuropäische Völker ist bis heute genau genommen höchst unklar. Weder ist das wann noch das wie in irgendeiner Weise wirklich bekannt. Früher ging man ja davon aus, dass das Ende der Indus-Kultur durch aus dem Iranischen Hochland vordringende Indoeuropäische Stämme mittels Krieg und Zerstörung verursacht wurde (Arier-Hypothese). Nachdem man aber heute weiß, dass der Niedergang der Indus-Kultur nicht abrupt, sondern schleichend über einen langen Zeitraum hinweg geschah, und es Indizien gibt, die für eine Einwanderung der Proto-Iraner von Osten her, aus dem Gebiet Pakistans her sprechen, ist die Ethnogenese der Iranischen Völker und die Entstehung der Proto-Iraner im Endeffekt wieder völlig ins Dunkel der Geschichte gesunken.


Re: Jiroft, Ausgrabungen einer (noch) unbekannten Kultur - Samun - 15.11.2011

Aus der Schrift und Sprache der Sumerer ist bekannt, dass sie keiner heute existierenden oder schriftlich nachgewiesenen in der Vergangenheit existierenden anderen Sprachguppe angehören/angehörten. Ihre Sprache unterscheidet sich signifikant von jeder bekannten anderen Sprache. Sie hat also weder etwas mit den sie umgebenen semitischen noch mit den indoarischen Sprachgruppen zu tun. Schon deswegen sind viele Zuordnungen sehr fraglich.

Die Elamiten auf dem Gebiet des heutigen Iran sind ebenfalls eine Isolierte Sprachguppe ohne Verbindungen zur semitischen oder indoarianischen Sprachguppe. Aber mit dem sumereischen haben sie leider auch nichts zu tun. Leider lässt sich aus der aktuellen Faktenlage keine Herkunft oder Abstammung der einen oder anderen Gruppe oder aus einem bestimmten Gebiet nachweisen.

Von den Indoariern wird heute angenommen so weit ich weiss, dass sie ursprünglich aus dem Gebiet um den Kaukasus stammen und sich in alle Richtungen ausgebreitet haben - unter anderem auch nach Indien, Europa und Mesopotamien. Dies geschah aber lange nach der Blüte Induskultur. Und auch die indigenen Sumerer waren schon auf dem absteigenden Ast, als die Indoarier das erste mal in Mesopotamien auftauchten. Die Sumerer selber scheinen schon recht früh wieder aus der Geschichte verschwunden zu sein. Nur ihre Schrift - die Keilschrift - überdauerte die Zeiten und ihre Sprache wurde als Hochsprache für Verwaltung, Wissenschaft und Religion weitergenutzt ähnlich dem Latein im Mittelalter. Nur die Sprecher und Schreiber waren keine Sumerer mehr, sondern Semiten und andere.

Die größten Probleme mit Jiroft als Ursprung der Sumerer ist zum einen, dass ihre Kultur nach den bisher bekannten Fakten jünger ist als die Kultur der Sumerer in Mesopotamien und das zum anderen zwischen Jiroft und Mesopotamien ein Gebiet liegt, nämlichdas der Elamiter, dass offensichtlich nicht zur selben Kultur gehören würde. Was schon verwunderlich wäre. Außerdem gibt es keine ausgewerteten schriftlichen Zeunisse, die überhaupt eine Zuordnung von Jiroft erlauben. Dann kommt noch hinzu, dass ein großer Teil der Spekulationen auf den hier schon geposteten vermeintlichen Raubgrabungen basiert. Dummerweise sind Raubgrabungsstücke, wie schon in anderen Threads geschrieben, bestenfalls höchst unzuverlässig und dank der fehlenden Dokumentation mit sehr geringen Erkenntniswert. Schlimmstenfalls werden sie deswegen sogar falsch zugeordnet oder sind sogar schlicht Fälschungen.
Ich fände es durchaus interessant mehr über diese Kultur zu erfahren, allein im Moment gibt es noch sehr viele Lücken in den Erkenntnissen, die die Einordnung dieser Kultur unmöglich machen.


Re: Jiroft, Ausgrabungen einer (noch) unbekannten Kultur - Erich - 15.11.2011

Samun schrieb:Aus der Schrift und Sprache der Sumerer ist bekannt, dass sie keiner heute existierenden oder schriftlich nachgewiesenen in der Vergangenheit existierenden anderen Sprachguppe angehören/angehörten. Ihre Sprache unterscheidet sich signifikant von jeder bekannten anderen Sprache. Sie hat also weder etwas mit den sie umgebenen semitischen noch mit den indoarischen Sprachgruppen zu tun. Schon deswegen sind viele Zuordnungen sehr fraglich.
....
diverse Funde deuten rege Verbindungen zur Indus-Kultur mit Mohenjo-Daro an, also auch einer vor-indoarischen Hochkuktur ...
also:
Indus-Kultur: 2800 -1800 v. Chr. entlang des Indus,
Jiroft-Kultur: spätes 3. Jahrtausends (2500) v. Chr. in den Provinzen Sistan und Kermān des heutigen Iran,
mit einem Monumentalbau (Zikkurat-ähnliche Pyramide mit nahezu 400 m Seitenlänge)
Sumerer: in Südmesopotamien bis etwa 3500 v. Chr. - 1700 v. Chr.
die Sumerer kennen eine Aratta-Kultur, die im 3. Jahrtausend v. Chr. als überaus reiches Land hinter mehreren Gebirgszügen beschrieben wird

Sollten da Verbindungen bestehen??? Shahab3 hat das ja bereits angesprochen - und es erscheint logisch: warum nicht, wenn die beiden entgegengesetzten "Nachbarn" nachweislich in engen Handelsbeziehungen verbunden sind.
Nachdem durchaus auch über eine vergleichbare (verwandte) Sprache zwischen Indus- und Sumerer-Kultur spekuliert wird wäre dann mit der Jiroft- oder Aratta-Kultur ein Bindeglied möglich, das dann mit der indoarischen Wanderung zerstört wurde.


Re: Jiroft, Ausgrabungen einer (noch) unbekannten Kultur - Samun - 16.11.2011

Wie schon gesagt müsste eine Ursprungskultur logischerweise älter sein als die daraus entstandenen Kulturen. Und die Daten, die du geschrieben hast, zeigen, dass das nach jetzigem Forschungsstand eben nicht der Fall ist.
Untersuchungen der Sprachen zeigen, dass das Elamitisch vermutlich ein klein wenig näher an den afroasiatischen Sprachen steht, zu denen auch die semitischen Sprachen gehören, als zu den drawidischen Sprachen, die die Induskultur gesprochen hat. Aber selbst dort ist die Verwandschaft immernoch extrem weit.
Bei der Sumerischen Sprache steht es noch schlechter. Die Verwandschaftsbeziehungen sind mit jeder bekannten Sprache extrem weit entfernt. Im Prinzip ist sie jeder Sprache die in Nordafrika, Europa und Asien (mit Außnahme Südostasien) gleich weit verwandt.
Dann kommt, wie auch schon geschrieben hinzu, dass von der Jiroft-Kultur keine Auswertung der Sprache vorliegt und schon deswegen nichts darüber gesagt werden kann.
Dass in sumerischen Texten ein mythischer Ursprungsort vorkommt, ist nicht verwunderlich. Ursprungsmythen sind die verbreitetsten Mythen überhaupt. Jede Kultur hat sie. Außerdem steht im ersten Text in dem Aratta vorkommt noch garnicht, dass es der Ursprungsort der Sumerer sein soll. Das es das Ursprungsland der Sumerer sein soll, kommt erst in späteren Texten vor. Und der Ort wo Aratta zu finden ist, ist auch alles andere als sicher. Spekulationen reichen vom Gebiet der heutigen Türkei bis halt nach Indien.