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- Shahab3 - 08.11.2006

Zitat:seit 1945 hat die Entwicklung in Europa keinen Stillstand erlebt. Die europ. Menschenrechtskonvention - die auch von den Beitrittsländern akzeptiert werden muss - verbietet jede Form der Hinrichtung und Folter.
Also hälst Du die Nürnberger Prozesse und die Urteile heute für ungerechtfertigt?
Tolle Entwicklung! Rolleyes

Zitat:Deshalb könnten weder Israel, die USA, Iran oder Irak derzeit Mitglied unseres Clubs werden.
Hauptsache der Mensch ist zufrieden mit sich Wink


- Erich - 08.11.2006

Zitat:Shahab3 postete
Zitat:seit 1945 hat die Entwicklung in Europa keinen Stillstand erlebt. Die europ. Menschenrechtskonvention - die auch von den Beitrittsländern akzeptiert werden muss - verbietet jede Form der Hinrichtung und Folter.
Also hälst Du die Nürnberger Prozesse und die Urteile heute für ungerechtfertigt?
Tolle Entwicklung! Rolleyes

...
ich halte die Todesstrafe für ungerechtfertigt
die Nürnberger Prozesse haben zudem einige rechtsstaatliche Mängel,
Stichwort: "Siegerjustiz" (Kläger und Richter wurden von den Alliierten gestellt)
und rückwirkende Geltung von Rechtsnormen zu Lasten der Angeklagten

andererseits meine ich, dass seit den Nürnberger Urteilen im Völkerrecht z.B. die Führung eines Angriffskrieges geächtet ist, und gerade die Mächtigsten in die Verantwortung gezogen werden müssen - was sich Mr. Bush vergegenwärtigen sollte


- Shahab3 - 08.11.2006

Zitat:andererseits meine ich, dass seit den Nürnberger Urteilen im Völkerrecht z.B. die Führung eines Angriffskrieges geächtet ist, und gerade die Mächtigsten in die Verantwortung gezogen werden müssen - was sich Mr. Bush vergegenwärtigen sollte
Dein Club beteiligt sich seit 45 doch auch an Angriffskriegen. Und natürlich ist das Siegerjustiz. Was auch sonst?


- Venturus - 09.11.2006

Zitat:Shahab3 postete
Die Drahtzieher der Anschläge sitzen bereits in Haft.
Ach wirklich? Dann hab ich mich wohl vertan als ich Chamenei letztens im TV als geistliches Oberhaupt des Irans gesehen habe.

Zitat:Shahab3 postete
Dabei sind im Übrigen 4 Dissidenten ("Terroristen" Rolleyes) erschossen worden.
Auf deutschem Grund und Boden. Wäre mal auf die Reaktion der Iraner gespannt, wenn wir in ihrem Land mit dem Morden per BND anfangen würden.

Zitat:Shahab3 postete
Nur um mal die Verhältnismässigen zu Saddam in das rechte Licht zu rücken.
Die ist mir schon klar. Ich wollte dir nur die Arbeit abnehmen, die schlechten Menschen die du übersehen hast auf's Schafott zu treiben.

Zitat:Shahab3 postete
Solche Exekutionen sind leider weltweit an der Tageordnung.
Macht sie das besser? Ich meine mich erinnern zu können, daß du dich ziemlich über die CIA-Gefangenenflüge erregt hast.

Zitat:Shahab3 postete
Der gesamte israelische Staat würde dafür am Galgen baumeln, weil das dort täglich(!) passiert.
Schön, und wenn wir neben die israelische Staatsführung noch die iranische Staatsführung aufhängen, wäre das vielleicht mal ein Ansatz da unten ein zartes Pflänzchen der Friedenshoffnung hochzupäppeln. Fehlt zwar noch die Führung der Hamas und der Hizbollah, aber es wäre zumindest ein Anfang. Wink

Zitat:Shahab3 postete
Von NATO-Truppen in Afghanistan oder dem Irak mal ganz abgesehen.
Dissidenten-Morde? Wusste gar nicht, daß sich so viele regimekritische Bürger der Nato-Staaten dort verstecken.

Zitat:Shahab3 postete
Bei Saddam gehts um Massenmord (eingie Hunderttausend!) und den Einsatz von
Massenvernichtungswaffen.
Und auch wenn ich dem Typen alles Übel dieser Welt gönne - was hilft's wenn der hochgelobte Rechtsstaat der dort angeblich installiert wurde nun mal keinen fairen Prozess zustande gebracht hat? Natürlich kann man ihn auch einfach so kreuzigen, aber der Argumentations-Schiene "Rechtsstaat im Irak" wird damit endgültig das letzte Feigenblatt entrissen. Zumal es schwachsinnig ist mit Saddam einen Märtyrer mehr zu schaffen.

Zitat:Shahab3 postete
Waren die Todesurteile gegen Nazi-Größen die an der Judenvernichtung beteiligt waren denn auch "inhuman"? :pillepalle:
Woher also plötzlich diese sanfte Seite, wenn es um Schiiten, Kurden und Iraner geht, statt um Juden?
Es ist doch immer wieder interessant zu sehen, wie die Deutschen so von anderen Völkern gesehen werden. Die Israelis bezeichnen uns immer noch mehr oder minder offen als verkappte Nazis, die nichts lieber machen würden, als die Verbrennungsöfen wieder anzuwerfen und die Völker des Nahen Ostens hingegen als Steigbügelhalter und Mittäter der Zionisten.

Vielleicht sollte Deutschland einfach mal jeglichen moralischen Grundsatz über Bord werfen und nach dem Motto "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's völlig ungeniert." verfahren. Rolleyes


- Ingenieur - 09.11.2006

Bei Nürnberg ging es doch nicht um Recht sondern um Gerechtigkeit. Das damalige Recht war nicht angemessen, um die meisten Nazi-Verbrechen zu ahnden. Es schreien zwar viele "Siegerjustiz", aber letztendlich stimmen wir alle den Grundsätze nach denen Recht gesprochen wurde zu.
Schade dass es nicht öfters ein Nürnberg gibt.

Im übrigen ist die Reaktion der Europäer verlogen. Saddam Hussein ist der letzte Mensch auf dieser Erde, gegen dessen Verurteilung protestiert werden sollte. Bevor sie sich dessen Fall annehmen, sollten sie konsequenterweise bei allen anderen Hinrichtungsopfern Protest einlegen.

Wenn irgendjemand die Todesstrafe verdient hat, dann Saddam, ebenso wie die Nazi-Führer vor 60 Jahren.
Im übrigen finde ich das Urteil genau richtig. Wenn ich höre, dass die Bundesrepublik (!) einige gehängte Nazi-Verbrecher rehabilitiert hat und deren Urteile posthum aufgehoben hat, bin ich froh, dass diese zu dem Zeitpunkt schon unter Erde lagen.


- Tiger - 09.11.2006

Ich wage zu bezweifeln, das die Todesstrafe das richtige Strafmaß für Saddam Hussein ist. Es gäbe nämlich noch eine härtere Strafe, die ihn auch deutlicher treffen würde: Man sperre ihn in einen Käfig und lasse ihn der Lächerlichkeit oder zumindest dem Vergessen anheimfallen.
Was wäre das, wenn der Gewaltherrscher Saddam Hussein, der wollte, das man sich noch in x-hundert Jahren mit Schaudern an ihn erinnert, erleben muss, wie er noch zu Lebzeiten ignoriert oder lächerlich gemacht wird. :evil:


- Turin - 09.11.2006

Zitat:Bei Nürnberg ging es doch nicht um Recht sondern um Gerechtigkeit. Das damalige Recht war nicht angemessen, um die meisten Nazi-Verbrechen zu ahnden. Es schreien zwar viele "Siegerjustiz", aber letztendlich stimmen wir alle den Grundsätze nach denen Recht gesprochen wurde zu.
Ja, aber warum stimmen wir ihnen zu, das ist doch die relevante Frage bei solchen Überlegungen. Nicht weil wir uns von vornherein entschieden hätten, dass das der richtige Weg ist. Sondern weil die BRD selbst ein Konstrukt dieser Ereignisse ist. Und es ist und bleibt Siegerjustiz, das kann man drehen und wenden, wie man will. Dass das Interesse der Siegermächte sich ausschließlich oder gar wesentlich um Gerechtigkeit drehte, betrachte ich als ziemlich blauäugig. Ansonsten hätte auch Wernherr von Braun hängen müssen, schließlich kann mir niemand erzählen, er hätte nicht gewusst, was er da tat. Aber dem hat man lieber ein Ticket in die Staaten spendiert. Und wie will man die Anklage gegen Dönitz rechtfertigen, der letztlich für das verurteilt wurde, wozu jeder US-Militär ebenso verpflichtet gewesen wäre. Siehe die Aussage von Nimitz im Prozess. Aber ich gleite ab...

Zitat:Im übrigen ist die Reaktion der Europäer verlogen. Saddam Hussein ist der letzte Mensch auf dieser Erde, gegen dessen Verurteilung protestiert werden sollte. Bevor sie sich dessen Fall annehmen, sollten sie konsequenterweise bei allen anderen Hinrichtungsopfern Protest einlegen.
Es wird immer Protest eingelegt, wenn ein Fall öffentliches Interesse weckt. Ob das Hussein ist oder die LaGrand-Brüder oder Tookie Williams. Bei "allen Hinrichtungsopfern" (im Irak? Weltweit?) Protest einzulegen, ist gelinde gesagt eine unrealistische Forderung, die als Argument wenig taugt. Genausogut kann man sich den Weltfrieden für nächsten Dienstag wünschen.

Bei der Einstellung "für oder gegen Todesstrafe" ist die Person uninteressant. Wo kommen wir hin, wenn wir je nach Mensch entscheiden, ob er nun zb rechtlichen Beistand "verdient" hat oder nicht oder ob bei diesem Mensch die Todesstrafe angemessen ist oder nicht.Das ist dann Justiz nach dem Schema "den mag ich, und den mag ich nicht". Es handelt sich um eine Frage ohne Ansehen der Person. Insofern wäre es vielmehr verlogen, wenn die Europäer die Todesstrafe für Hussein gutheißen würden und weiterhin im eigenen Land für Kriminelle ablehnten. Würden sie also die Strafe gutheißen, müssten sie sie auch im eigenen Land wieder einführen.


- hunter1 - 09.11.2006

Tiger postete:
Zitat:Was wäre das, wenn der Gewaltherrscher Saddam Hussein, der wollte, das man sich noch in x-hundert Jahren mit Schaudern an ihn erinnert, erleben muss, wie er noch zu Lebzeiten ignoriert oder lächerlich gemacht wird.
Ich gebe Dir insofern recht, dass diese Strafe für einen Atheisten effektiv ist. Ich glaube aber nicht, dass Saddam atheistisch ist. Zudem: wie willst Du ihn lächerlich machen? Peinliche Geschichten über ihn verbreiten? Damit würde er fertig, ebenso mit öffentlichen Demütigungen (z.B. eine Art Pranger, wo man ihn mit faulem Gemüse bewerfen kann). Denn es gäbe immer Leute, die für ihn Partei ergreifen würden.
Auch die Löschung von Saddam aus dem Kollektivgedächtnis der Menschheit dürfte zu unseren Lebzeiten unmöglich sein. Denkbar ist, dass man sich in ein paar hundert Jahren nicht mehr an ihn erinnert, obwohl die Informationspeichertechnik immer besser wird. Aber um sich auch noch in ferner Zukunft zu erinnern, war er zu wenig spektakulär.

Daher bleibe ich bei meiner Meinung: sperrt ihn ein, entzieht ihm die Bühne. Gegen die generelle Todesstrafe habe ich mich in diesem Forum schon an anderer Stelle ausgesprochen.


- Venturus - 09.11.2006

Zitat:Ingenieur postete
Schade dass es nicht öfters ein Nürnberg gibt.
Gibt's doch - Den Haag. Bloß das die Leute dort halt maximal Lebenslänglich kriegen (wobei ich das persönlich schlimmer finde, als ein sauberes Ende).

Zitat:Ingenieur postete
Im übrigen ist die Reaktion der Europäer verlogen. Saddam Hussein ist der letzte Mensch auf dieser Erde, gegen dessen Verurteilung protestiert werden sollte.
Ja und? Europa hat sich nun mal gegen die Todesstrafe entschieden. Siehe das aktuelle Beispiel auf einem deutschen Dach. Was meinst du wie viele diesem Monster einen langsamen und qualvollen Tod wünschen (ich eingeschlossen). Und trotzdem wird er nicht auf's Rad geflochten. Bei der Todesstrafe gibt es halt nur zwei Möglichkeiten. Entweder man ist pro oder eben contra. Ein bisschen hinrichten geht halt nicht.

@Tiger: Genau DAS wäre mal eine Maßnahme. Anstatt jemanden zu dämonisieren ihn als das darstellen was er nun ist. Ein kleiner schwacher Mann der auf seine Körperfunktionen reduziert ist. Das wäre gerade für Menschen die ihr Leben lang Macht über Leben und Tod hatten, wohl die grausamste aller Strafen.

Und so würde man auch das Bild des Märtyrers verhindern, was seine Exekution mit sich bringen würde.


- Turin - 09.11.2006

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.defensetech.org/">http://www.defensetech.org/</a><!-- m -->

Zitat:New SecDef = New Iraq Plans? (Updated)

A week before the election, House Majority Leader John Boehner told CNN, "Let's not blame what's happening in Iraq on Rumsfeld...the fact is, the generals on the ground are in charge." It was the latest in a long line of efforts to distance the Defense Secretary from the war launched and conducted under his watch.

Nevertheless, there are indications that a change in SecDefs may trigger a shift in Iraq policy. ...



- Ingenieur - 10.11.2006

@Turin
Was ich sagen wollte, ist dass es Saddam nicht verdient hat, dass sich irgendjemand um ihn kümmert, ob man jetzt für oder gegen die Todesstrafe ist. Die Europäer hätten ja auch einfach die Klappe halten können.

Prinzipiell ist Saddam eher ein gutes Argument für die Todesstrafe, denn wenn man ihn einsperrt und in einigen Jahren eine andere Regierung an die Macht kommt und keine US-Truppen im Lande sind, könnte das Urteil aufgehoben und Saddam freigelassen werden. Wenn er jetzt hängt, dann ist er für immer verurteilt.


- Lara - 10.11.2006

Zitat:hunter1 postete
Tiger postete:
Zitat:Was wäre das, wenn der Gewaltherrscher Saddam Hussein, der wollte, das man sich noch in x-hundert Jahren mit Schaudern an ihn erinnert, erleben muss, wie er noch zu Lebzeiten ignoriert oder lächerlich gemacht wird.
Ich gebe Dir insofern recht, dass diese Strafe für einen Atheisten effektiv ist. Ich glaube aber nicht, dass Saddam atheistisch ist. Zudem: wie willst Du ihn lächerlich machen? Peinliche Geschichten über ihn verbreiten? Damit würde er fertig, ebenso mit öffentlichen Demütigungen (z.B. eine Art Pranger, wo man ihn mit faulem Gemüse bewerfen kann). Denn es gäbe immer Leute, die für ihn Partei ergreifen würden.
Ne ich hab was besseres, Saddam kommt in den Knast in so einen wie "Hannibal Lektor". Und jeder der einen Angehörigen durch ihn, oder eine Anweisung von ihm, verloren hat darf in "besuchen" und im alles erzählen.
Das IST Strafe. Jeden Tag mit seinen Taten konfrontiert werden.


- Schneemann - 10.11.2006

Mir wäre es, auch wenn ich mich hier spät einklinke, lieber gewesen, wenn man Saddam zu einer lebenslangen Haft verurteilt hätte, eben und auch weil ich persönlich ein erbitterter Gegner der Todesstrafe bin. Gleichwohl allerdings war mir klar, dass man ihn wohl zu nichts anderem verurteilen wird. Meiner Ansicht nach ist die Todesstrafe ein Relikt einer finsteren Epoche der Nicht-Zivilisation, sie sollte als archaisch, unmenschlich und undemokratisch eingestuft werden. Übrigens kritisiere ich die USA hierfür sehr. Als größte Demokratie der Welt* sollte sie nun wirklich etwas mehr Sensibilität, Verantwortungsbewußtsein und Vorbildcharakter an den Tag legen. Von irgendwelchen unkultivierten und entweder ideologisch oder religiös verbohrten Regimen wie China, Saudi-Arabien oder Iran erwarte ich nicht viele Fortschritte in dieser Richtung, aber die USA sollten hier ihre Politik wahrlich mal überdenken - auch im eigenen Interesse.

Was die Urteile von Nürnberg angeht: Sicher hat es die Bande verdient, hingerichtet zu werden, aber genaugenommen waren diese Urteile, die die BRD übrigens nie anerkannt hat, Siegerjustiz. "Vae victis", könnte man sagen.

*Solange in Indien das Kastenwesen noch immer besteht, ist das für mich keine richtige Demokratie, deshalb bezeichne ich hier die USA als "größte Demokratie" der Welt.

Schneemann.


- IarnGreiper - 10.11.2006

Zitat:Schneemann postete

*Solange in Indien das Kastenwesen noch immer besteht, ist das für mich keine richtige Demokratie, deshalb bezeichne ich hier die USA als "größte Demokratie" der Welt.

Schneemann.
Solange in den USA die im Washington herrschende Partei die Wahlkreise recht wahrlos selbst neu ziehen kann und damit dank des antiquierten Auszählungssystems durchaus die Sitzverteilung im Representantenhaus ein Stück weit manipulieren kann, votiere ich für Brasilien als größte Demokratie der Welt.


- bastian - 10.11.2006

Lasst uns zum Irak zurückkommen, gerne mit weiterer Diskussion über die Todesstrafe für Saddam.

Die Frage, welches Land die größte Demokratie der Welt ist, ist hier aber fehl am Platz.