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(Waffe) Nachfolger G36 - G95, G95K und G39 - Druckversion

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Re: G36 vs. G3 - Nightwatch - 31.03.2015

Die Bundeswehr hat dutzende dringendere Probleme als ein Sturmgewehr, dass unter Umständen nur so präzise ist, dass sich nur die absolute Mehrheit der Schützen nicht wundert wenn sie nichts treffen.
Will heißen, anstatt Scheingefechte um technische Kleinigkeiten zu führen sollte man mal die echte Baustelle in diesem Bereich anpacken; die Schießausbildung. Das was der gemeine Soldat da heutzutage in der Truppe beigebracht bekommt verdient den Namen nicht mal.
Und da ist es dann auch schon wurscht ob man dann mit G.356 oder HK4xx durchs Gelände stolpert.


Re: G36 vs. G3 - Sieghard - 01.04.2015

Bei den ersten Berichten welche ich darüber (2013?) gehört habe hieß es, dass nach 200 schnellen Schüssen auf 200m ein Mannziel nicht mehr getroffen werden könne. Hmm, beim MG soll ich nach 150 Schuss Gefechtsmunition einen Rohrwechsel durchführen. Und das G36, welches auf Dauerfeuer gar nicht ausgelegt ist, soll nach 200 Schuss einen Streukreis kleiner als 30cm auf 200m haben? Letztendlich haben alle Waffen das Problem, dass die Streukreise bei Erhitzung auseinander gehen. Fraglich ist halt nur wie weit.
Zudem gilt inzwischen, aufgrund der CQB Ausbildung, die 100m Marke als Weitdistanz. :lol: :evil:


Re: G36 vs. G3 - Nightwatch - 01.04.2015

Das Problem bei "200 schnellen Schüssen" ist nicht, dass dann ein Mannziel nicht mehr getroffen wird, sondern das es überhaupt zu "200 schnell Schüssen" kommt.
Sprich, Kopf unten halten und Blei ins Gelände pumpen bis CAS das Problem löst ist halt nicht Sinn der Sache.

Aber jetzt wollense ja auch erst mal eruieren ob esd überhaupt ein Praxisbezogenes Problem gibt. Kasperverein.

In der Auseinandersetzung mit dem Waffenhersteller Heckler & Koch um das Sturmgewehr G36 will Ursula von der Leyen nun zurückliegende Gefechtseinsätze mit der Waffe untersuchen lassen.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/der-morgen-spiegelonline-echtzeit-nachrichten-am-1-4-2015-a-1025675.html">http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 25675.html</a><!-- m -->


Re: G36 vs. G3 - Quintus Fabius - 01.04.2015

Wodan:

Es würde sich gerade zur Zeit allerdings durchaus anbieten ein neues Sturmgewehr einzuführen, da Frankreich zeitgleich ebenfalls ein neues beschaffen will. Man könnte so zusammen mit Frankreich ein und diesselbe Waffe einkaufen und damit erhebliche Synergieeffekte erzeugen.

Das würde zudem gar nicht so viel kosten im Vergleich zu diversen Großsystemen. Wie gesagt könnte man für die Kosten nur eines einzigen Kriegsschiffes die komplette Bundeswehr im Bereich Schützenwaffen auf dem neuesten Stand der Dinge ausrüsten.

Zitat:Falls man wirklich zeitnah ein neues Gewehr einführen will, dann bitte eines bei welchem man unproblematisch das Kaliber wechseln kann.

Gerade die sogenannte Modularität ist meiner Meinung nach mehr eine Modeerscheinung des Zeitgeist als ein wirklicher Nutzen.

Nightwatch:

Kleinvieh macht auch Mist und gerade solche technische Kleinigkeiten verdienen Beachtung weil sie sich anhäufen, gegenseitig kulminieren und dann durchaus militärische Wirkung zeigen. Und gerade im Bereich der Schützenwaffen könnte man einiges heraus holen, da hier die Kosten im Vergleich zum Nutzen recht überschaubar sind.

Es sind heute eine Menge Systeme verfügbar, welche die Schießleistung selbst schlechterer Schützen immens verbessern. Darüber hinaus macht es taktisch eben durchaus einen Unterschied, mit welchem System (vom Konzept her) ich durchs Gelände stolpere. Man hat hier viel zu lange darauf gesetzt, dass die Standard-Waffe des Schützen vor allem anderen maximal leicht und möglichst kompakt sein muss und dieser Irrweg führte dazu, dass abgesehen vom MG und anderen solchen Schwerpunkt-Waffen die Feuerkraft des Rest der Gruppe taktisch immer irrelevanter wurde. Dies erhöht dann wiederum erneut die Bedeutung des MG etc und hängt damit den Gros der Kampfkraft einer Infanteriegruppe an diesem auf. Was zugleich dann umgekehrt bedeutet, dass bei Unterdrückung oder Ausfall desselben die Kampfkraft der Gruppe zu einem Gros flöten geht. Also benutzt man zum Ausgleich im Verhältnis zur Zahl der Soldaten in der Gruppe mehr MG als je zuvor um den vorzubeugen und die Feuerkraft wieder zu erhöhen - was aber dann wiederum die Beweglichkeit und den Nahkampfwert senkt etc. Heute hingegen könnten wir jedem Schützen die Feuerkraft und die Möglichkeiten zumindest eines leichten MG mitgeben und Systeme welche es ihm ermöglichen selbst auf weite Distanzen präzise Treffer zu erzielen.

Diese Systeme sollten wir dringend explorieren und ich sehe hier keinerlei Widerspruch zu einer wesentlich besseren Schießausbildung. Beides zusammen erhöht erst so richtig die Leistung im Einsatz.

Völlig unabhängig davon hast du natürlich dahin gehend vollkommen recht, dass die Schießausbildung dringendst verbessert werden müsste. Aber beides, die im Vergleich zum technisch möglichen recht miesen Waffen und die schlechte Schießausbildung sind in Wahrheit nur Symptome der gleichen Krankheit:

Der völligen Vernachlässigung und Geringschätzung der Infanterie und der Schützenwaffen während man alle verfügbaren Mittel mit Großsystemen von fragwürdigem Nutzen verplempert.

Sieghard:

Zitat:Bei den ersten Berichten welche ich darüber (2013?) gehört habe hieß es, dass nach 200 schnellen Schüssen auf 200m ein Mannziel nicht mehr getroffen werden könne. Hmm, beim MG soll ich nach 150 Schuss Gefechtsmunition einen Rohrwechsel durchführen. Und das G36, welches auf Dauerfeuer gar nicht ausgelegt ist, soll nach 200 Schuss einen Streukreis kleiner als 30cm auf 200m haben?

Definiere schnell. Mit der Geschwindigkeit mit der hier geschossen werden muss um eine solche Auswirkung zu haben, triffst du so oder so kein Mannziel auf 200 m. Und es geht hier auch gar nicht um den Streukreis ! Der ist nämlich weiter ausreichend klein und geht vergleichsweise mit anderen Waffen gar nicht so sehr auf. Sondern die Geschossflugbahn und die Visierlinie passen nicht mehr zusammen, dass heißt: du triffst nicht dahin wohin zu zielst. Das ist etwas ganz anderes.

Nightwatch:

Zitat:Sprich, Kopf unten halten und Blei ins Gelände pumpen bis CAS das Problem löst ist halt nicht Sinn der Sache.

Einen Gegner niederhalten um die eigene Bewegung zu ermöglichen oder um überhaupt die Bekämpfung des Gegners zu ermöglichen, also den Kopf heben zu können, ist absolut im Sinn der Sache. Und hier zeigte sich eben in den taktischen Erfordernissen der Praxis, dass die MG im heutigen hochdynamischen Infanteriegefecht dieses Niederhalten nicht immer leisten können, weil sie entweder so positioniert sind, dass sie die feindliche Stellung nicht einsehen bzw nicht bekämpfen können oder weil sie ebenfalls niedergehalten werden etc

Daher mussten wieder und wieder die einfachen Maschinenkarabiner das tun, was eigentlich das MG tun soll. Gewisse westliche Verbände haben bereits früher die gleiche Erfahrung gemacht und das USMC hat darauf aufbauend beispielsweise das IAR Konzept entwickelt, aber dann doch nicht so umgesetzt wie es anfangs angedacht war. Die Russen wiederum setzen aus dem exakt gleichen Grund auf eine völlig umgekehrtes Vorgehen: hier halten die Maschinenkarabiner den Feind nieder (weshalb die AK explizit auf diese Rolle hin konzipiert wurde) während die MG die gezielte Bekämpfung dann übernehmen während es in den NATO Armeen umgekehrt ist und hier die MG niederhalten und die Sturmgewehre die Bekämpfung mit gezielten Einzelschüssen ermöglichen sollen.

Die ganze Problematik resultiert also nicht zuletzt aus der taktischen Doktrin und ist daher weniger ein Problem der Technik des Systems als dessen Konzeption.

Zitat:Aber jetzt wollense ja auch erst mal eruieren ob esd überhaupt ein Praxisbezogenes Problem gibt.

Bei diesen kleinen Kolonialscharmützeln in Afghanistan ist eine Aussage für eine Verwendung unter echten Kriegsbedingungen aber kaum möglich.

Interessant in diesem Kontext ist vielleicht, dass die US Army in Afghanistan und vor allem im Irak bei deutlich massiveren Gefechten das gleiche Problem mit ihren M4 hatte und die M4 sind übrigens in Bezug auf Überhitzung unempfindlicher und robuster als ein G36.

Das ganze spricht also für ein konzeptionelles Problem dass sich nicht zuletzt aus der taktischen Doktrin ergibt.


Re: G36 vs. G3 - Nightwatch - 01.04.2015

Qunitus schrieb:Kleinvieh macht auch Mist und gerade solche technische Kleinigkeiten verdienen Beachtung weil sie sich anhäufen, gegenseitig kulminieren und dann durchaus militärische Wirkung zeigen. Und gerade im Bereich der Schützenwaffen könnte man einiges heraus holen, da hier die Kosten im Vergleich zum Nutzen recht überschaubar sind.
Es sind heute eine Menge Systeme verfügbar, welche die Schießleistung selbst schlechterer Schützen immens verbessern. Darüber hinaus macht es taktisch eben durchaus einen Unterschied, mit welchem System (vom Konzept her) ich durchs Gelände stolpere. […]

Man muss schon differenzieren.
Ein konzeptionell anderes Gewehr beschaffen zu wollen ist das eine. Eine Beschaffung aufgrund angeblich mangelhafter Leistungen in einem praxisfernen Grenzbereich anzustoßen das andere.
Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, dass das 80iger Jahre Konzept der Massenwehrpflichtigenarmee im mechanisierten Kampf nicht auf die Einsatzrealitäten am Hindukusch übertragbar ist. Was damals Sinn gemacht hat muss in Zeiten in denen der Fokus auf kleineren Infanterieverbände anstatt mechanisierten Einheiten liegt nicht weiter gelten.
Insofern kann man sich fragen, inwieweit langfristig ein neues Bewaffnungskonzept Sinn machen würde. Dann aber bitte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass wir in Zukunft wieder eher Bündnisverteidigung an der Weichsel und nicht Hindukusch machen wollen.
Völlig verfehlt ist es aber, jetzt die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und irgendetwas über das Knie zu brechen.
Schön, dass G36 schießt irgendwelchen Testreihen irgendwelcher Institute zu Folge im erhitzten Zustand nicht mehr präzise. Ja und? Das Ding ist ein Sturmgewehr und kein Ersatz MG. Es war und ist nicht dafür vorgesehen binnen Minuten ein dreistellige Zahl an Schüssen abzugeben.
In der Einsatzrealität sollte es dazu auch nicht kommen. Und wenn das in der Lage dann doch passiert (und dadurch dann auch noch tatsächliche Konsequenzen im Sinne von Ausfällen erwachsen) ist insgesamt schon so viel schief gelaufen, dass es auf diese Detailfrage auch nicht mehr ankommt.
Man muss sich btw auch vergegenwärtigen, dass diese ganze Problematik eben nicht aus der Truppe kam sondern aus irgendeiner Prüfstelle. Natürlich gibt das dann Aufruhr in den Verbänden wenn sowas bekannt wird, aber da sich das Problem im Feld effektiv nicht stellt kann es so furchtbar relevant nicht sein. Erst recht nicht, da man das Problem nicht mal bei Praxistests in Afghanistan reproduzieren konnte.
Wenn in der Praxis überhaupt Probleme auftreten sollte man nicht bei solchen Details ansetzen, sondern da wo es wirklich hakt. Die Schießausbildung der Bundeswehr ist mangelhaft und für ‚Afghanistan‘ sowieso falsch konzipiert. Würde man hier ansetzen und die Ausbildungskriterien überarbeiten und insgesamt einfach mehr mit den Dingen üben, könnte man zigmal mehr erreichen als durch die Behebung irgendwelcher Probleme in Grenzbereichen.
Das G36 ist grundsätzlich ein gutes Gewehr mit dem selbst ein Neuling rasch brauchbare Ergebnisse erzielen kann. Zum Zeitpunkt der Beschaffung war es im Hinblick auf die immernoch vorherrschende Massenwehrpflichtigenarmee und Etatknappheit eine vernünftige Entscheidung. Zynisch könnte man anmerken, es ist angesichts der mangelhaften Expertise der Masse der deutschen Schützen immernoch eine gute Lösung.

Zitat: Einen Gegner niederhalten um die eigene Bewegung zu ermöglichen oder um überhaupt die Bekämpfung des Gegners zu ermöglichen, also den Kopf heben zu können, ist absolut im Sinn der Sache. Und hier zeigte sich eben in den taktischen Erfordernissen der Praxis, dass die MG im heutigen hochdynamischen Infanteriegefecht dieses Niederhalten nicht immer leisten können, weil sie entweder so positioniert sind, dass sie die feindliche Stellung nicht einsehen bzw nicht bekämpfen können oder weil sie ebenfalls niedergehalten werden etc

Ich sehe da eher eine Überhöhung des Bedürfnisses den Gegner niederzuhalten. Es kann doch nicht sein blindwütig tausende Schuss ins Gelände zu setzen nur damit sich der Feind nicht bewegt. „Hochdynamisiert“ ist da doch nur eine vornehme Umschreibung von „irgendwo wird der Feind schon sitzen, schießen wir mal damit wir uns besser fühlen“. Unabhängig von irgendwelchen heißgeschossenen Waffen, die Munition dafür führt die Infanteriegruppe und erst recht nicht der einzelne Soldat nicht mit. Vor allen dann nicht wenn sich das Gefecht mal hinzieht und das Gefechtstaxi nicht zu Verfügung steht.
Es wäre ein Fehler die Not noch weiter zu potentieren indem man jedem Soldaten eine noch größere Spucktröte in die Hand drückt.
Ich würde in die genau entgegengesetzte Richtung gehen. Das Schützenfeuer muss (wieder) überlegter und präziser werden, va in Einsatzszenarien mit großer Kampfentfernung wie Afghanistan.


Re: G36 vs. G3 - Quintus Fabius - 01.04.2015

Nightwatch:

Zitat:Schön, dass G36 schießt irgendwelchen Testreihen irgendwelcher Institute zu Folge im erhitzten Zustand nicht mehr präzise. Ja und? Das Ding ist ein Sturmgewehr und kein Ersatz MG.

Das Problem des G36 ist genau genommen nicht die Präzision (also das Aufgehen des Streukreises) sondern der Abfall der Flugbahn des Geschosses im Vergleich zur Visierlinie, der im Neudeutsch sogenannte Drop.

Beim G36 macht der Drop bereits nach 3 bis 4 Magazinen mehr als 1 m aus. Bei einigen Tests die schon vor Jahren gemacht wurden, lag er nach 4 Magazinen bereits bei 120cm auf 100 m. Das heißt du triffst ein Mannziel nach 4 Magazinen bereits auf 100 m nicht mehr. Und das betraf damals bereits mehr als die Hälfe der getesteten Waffen.

Dieses Problem tritt aber nicht bei allen Waffen gleichermaßen auf. Das spricht für eine Materialermüdung des Kunststoff bei mehrmaliger starker Erhitzung.

Das heißt wir schreiben hier keineswegs über eine Verwendung wie ein MG, sondern im Gegenteil über ein fundamentales Problem. Ein MG trifft ja gerade eben deshalb, weil es streut und dadurch wie eine Schrotflinte eine Fläche bestreicht in der sich dann das Ziel befindet. Gerade auf größere Distanzen trifft der Feuerstoß eines MG exakt deshalb, wegen der im Vergleich zu einem Maschinenkarabiner bzw Einzelschuss größeren Streuung!

Geht also bei einem Sturmgewehr der Streukreis etwas auf, macht das eigentlich gar nichts, im Gegenteil. Gerade bei Verwendung von Dauerfeuer kann man durch die Nutzung des Streukreis und einer größeren Zahl Geschosse in einem Feuerstoß eher einen Treffer erzielen, insbesondere in Bezug auf sich bewegende Ziele. Mit einem G36 das also einfach bei Erhitzung mehr streut könnte man trotzdem problemlos mit Feuerstößen einen Treffer erzielen.

Das Problem aber ist der Drop, also das Absinken. Das heißt, dass die Fläche in welche die Kugeln gehen nicht dort ist, wo das Ziel ist.

Zitat:Eine Beschaffung aufgrund angeblich mangelhafter Leistungen in einem praxisfernen Grenzbereich anzustoßen das andere.

Wir sprechen hier gerade eben nicht von einem praxisfernen Grenzbereich, wenn das Absinken der Geschossflugbahn nach 3 Magazinen bereits dazu führt, dass man auf 200 m kein Mannziel mehr trifft und nach 4 Magazinen bereits auf 100 m daneben schießt. Das darf so in keinem Fall sein, auch nicht im Fall eines Kampfes an der Weichsel.

Zitat:Man muss sich btw auch vergegenwärtigen, dass diese ganze Problematik eben nicht aus der Truppe kam sondern aus irgendeiner Prüfstelle.

Das ist so nicht richtig. Der erste Anstoß kam durchaus aus der Truppe.

Zitat:da sich das Problem im Feld effektiv nicht stellt kann es so furchtbar relevant nicht sein. Erst recht nicht, da man das Problem nicht mal bei Praxistests in Afghanistan reproduzieren konnte.

Die Frage ist erneut, ob irgendwelche Kolonialscharmützel in Afghanistan überhaupt aussagekräftig sind. Zu den sogenannten Praxistests und deren uneinheitlichen Ergebnissen: es gab sehr wohl solche Tests wo die genannte Problematik aufgetreten ist.

Zitat:Würde man hier ansetzen und die Ausbildungskriterien überarbeiten und insgesamt einfach mehr mit den Dingen üben, könnte man zigmal mehr erreichen als durch die Behebung irgendwelcher Probleme in Grenzbereichen.

Wie gesagt ist das kein Grenzbereich. Die zwingenden Taktischen Anforderungen in der Praxis ergeben das nun mal so. Man sollte daher die Waffe diesen praktischen Anforderungen anpassen und nicht umgekehrt die Schießweise der Waffe, was zweifelsohne taktisch falsch wäre.

Zitat:Das G36 ist grundsätzlich ein gutes Gewehr mit dem selbst ein Neuling rasch brauchbare Ergebnisse erzielen kann.

Im Vergleich zum G3 ja. Aber im Vergleich zu dem was heute von der Stange einkaufbar wäre stimmt das so nicht mehr.

Zitat:Ich sehe da eher eine Überhöhung des Bedürfnisses den Gegner niederzuhalten. Es kann doch nicht sein blindwütig tausende Schuss ins Gelände zu setzen nur damit sich der Feind nicht bewegt.

Ein praktisches Problem ist, dass das Niederhalten nicht richtig geübt wird und dass der Stress im echten Gefecht die wenige Übung die Soldaten damit haben dann auch noch zunichte macht. Richtiges Niederhalten bedeutet keineswegs blindwütiges Schießen sondern dass systematische und sehr gezielte Beschießen von Geländeteilen.

Zitat:„Hochdynamisiert“ ist da doch nur eine vornehme Umschreibung von „irgendwo wird der Feind schon sitzen, schießen wir mal damit wir uns besser fühlen“.

Zweifelsohne ist dieses Beruhigungsschießen ein reales praktisches Problem. Das hat aber nichts mit Niederhalten zu tun, sondern Soldaten schießen selbst dann ganze Magazine ins nirgendwo wenn sie eigentlich wissen dass sie nicht selbst beschossen werden und de facto im Moment gar nicht am Gefecht teilnehmen. Dazu tritt das sogenannte Symphatieschießen - dass also alle losballern ohne Sinn und Verstand weil einer irgendwo hin schießt obwohl die anderen hier gar kein Ziel haben.

Zitat:Unabhängig von irgendwelchen heißgeschossenen Waffen, die Munition dafür führt die Infanteriegruppe und erst recht nicht der einzelne Soldat nicht mit.

Selbst in der früheren Konzeption der Wehrpflichtarmee der 90er hatte jeder Soldat mindestens 5 Magazine dabei, was zumindest 150 Schuß ausmachte. Und bereits ab 3 Magazinen hat man hier ein reales praktisches Problem. Heute aber führt man eher 11 Magazine mit.

Und das ist auch notwendig. Meiner Meinung nach sollte jeder Soldat so viel Munition wie nur möglich mitführen.

Zitat:Es wäre ein Fehler die Not noch weiter zu potentieren indem man jedem Soldaten eine noch größere Spucktröte in die Hand drückt.

Dassselbe Argument hat man schon immer gegen Kaliberverkleinerung, Dauerfeuer und mehr Mun pro Mann geführt. Die Not tritt aber gerade eben dadurch auf, dass die Soldaten keine Spucktröte haben, aber dringend eine bräuchten.

Zitat:Ich würde in die genau entgegengesetzte Richtung gehen. Das Schützenfeuer muss (wieder) überlegter und präziser werden, va in Einsatzszenarien mit großer Kampfentfernung wie Afghanistan.

Das ewige Mantra vom gezielten Einzelschuss ist in der BW mehr als in jeder anderen Armee zum Fetisch geworden und geht völlig an der Einsatzrealität, an der praktischen Realität eines Schießens im Gefecht vorbei.

Hier bewegen sich Ziele von Deckung zu Deckung. Das Zeitfenster für die Bekämpfung ist kurz. Selbst wenn man aus nicht aufgeklärter Stellung auf sich nur langsam bewegende (gehende) Feinde in einem Feuerüberfall schießt ist das in der praktischen Realität außerhalb des Schießstandes immens schwierig wenn man Einzelschüsse verwendet.

Und wenn die Kampfentfernung größer wird, gilt dies noch um so mehr. Es wird heute einfach von Grund auf nicht mehr verstanden, dass gerade auf größere Distanzen mit gezielten Feuerstößen eher getroffen werden kann als mit Einzelschüssen. Durch den Feuerstoß entsteht hier eine gewisse Streuung und dadurch wird eine bestrichene Fläche erzeugt. Da man so anstelle eines Einzelpunktes mit einer Fläche agiert, erhöht sich so die Trefferwahrscheinlichkeit erheblich.

Das Schützenfeuer muss überlegter werden, keine Frage. Das heißt aber gerade eben nicht, dass man auf aufgeklärte Feinde Einzelfeuer schießen sollte, im Gegenteil. Und gerade das Niederhalten sollte man mittels gezieltem Einzelfeuers durchführen. Man verbindet heute eben immer fälschlicherweise Niederhalten mit Dauerfeuer bzw das Bekämpfen des Gegners mit dem sogenannten gezielten Einzelfeuer. Das ergab sich so aus der taktischen Doktrin der NATO im Kalten Krieg und diese aus dem 7,62mmNATO Kaliber und den dazugehörigen Waffen welche die Feuerkraft der Gruppe im MMG konzentrierten und die "Sturmgewehr"schützen zu bloßen Hilfsmuckeln desselben reduzierten.

Genau davon müssen wir heute weg.


Re: G36 vs. G3 - WideMasta - 02.04.2015

Wehrbeauftragter relativiert Kritik an Gewehr G36

Sturmgewehr G36: Generalinspekteur Wieker erlässt Weisung für den zukünftigen Gebrauch in den Einsätzen

Auch Wieker relativiert. Was aber nichts an dem Sachverhalt ändern wird das die BW sich mittelfristig um ein neues Sturmgewehr kümmern wird. Ich halte ebenfalls wie NW nichts von einer kompletten Neuentwicklung. Entweder G36 in einer deutlich robusteren und verbesserten Version, oder die Beschaffung des HK-416A5 und HK-417A2 im Mix. Dafür dann G-36 und G3 wech!


Re: G36 vs. G3 - Quintus Fabius - 03.04.2015

Viel sinnvoller als eine neue Waffe wäre eine Kampfwertsteigerung der bestehenden G36 (thermostabiles Gehäuse, anderer Mündungsfeuerdämpfer, stufenlos längenverstellbarer neuer Klappschaft, Picatinny-Schienen). Allein der Klappschaft ist bereits eine Menge wert, die Waffe ist grundsätzlich immens zuverlässig (was Schmauch, Schmutz, Staub, Wasser etc angeht) und die Bettung des Laufes stabil zu kriegen ist nicht so schwierig.

Eine AR Plattform würde demgegenüber über die Kosten für die komplette Neubeschaffung (und die Kosten der Beseitigung des G36) auch noch erhebliche Mehrkosten für Ausbildung usw bedeuten. Und das HK416/417 krankt wie alle AR Waffen an deren grundsätzlicher Konzeption. Ich frage mich ganz allgemein, was eigentlich alle ständig mit dem HK416/417 haben? Worin soll da der Vorteil sein?

Wenn schon eine neue Waffe anstelle des G36, dann sollte man ganz andere Systeme ins Auge fassen. Zudem sollten diese einen ernsthaften technologischen Sprung nach vorne darstellen: Flüssigtreibladungen, hülsenlose Munition, Trennung von Geschoss und Treibladung, Flechette Munition usw usf. So viel wäre technisch machbar. Warum sich also auf eine miese AR Plattform beschränken ?!


Re: G36 vs. G3 - Mondgesicht - 03.04.2015

Um mal aufs eigentlich längst überholte G3 zurückzukommen: Wie viele haben wir davon noch, nach der Spende an die Kurden?


Re: G36 vs. G3 - Marc79 - 08.04.2015

Also wenn das stimmt, dann sollte mal jemand von H&K in den Knast:

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/brh-hat-verdacht-auf-manipulierten-kunststoff-bei-g36-gewehr-13527149.html">http://www.faz.net/aktuell/politik/inla ... 27149.html</a><!-- m -->
Zitat: Bundesrechnungshof sieht Hinweise auf manipulierten Kunststoff
Das Standardgewehr der Bundeswehr soll sich bei Hitze verformen – mit fatalen Folgen für die Treffgenauigkeit. Der Bundesrechnungshof hat einen Verdacht. Der bringt Heckler & Koch in Erklärungsnot.

P.S. Was ich mich frage, ist für die Prüfung der Qualität nicht die GPS (Güt Prüfstelle) des BAAInBw zuständig. MAn sollte doch meinen das man sich die Materialgüte mal ansieht.


Re: G36 vs. G3 - Quintus Fabius - 08.04.2015

Meiner Meinung nach ist das ganze Hochkochen der Sache zur Zeit primär eine Intrige von der Leyens gegen ihren Amtsvorgänger der ja ihr politischer Konkurrent in Bezug auf die Frage eines Nachfolgers für Merkel ist.

Daher stellt sich sehr die Frage, inwieweit hier HK überhaupt Schuld hat und inwieweit wir hier einem politischen Possenspiel aufsitzen.

Sollte es aber stimmen, dass beim Kunststoff des Gehäuse andere Materialien verwendet wurden als bei den Testwaffen / Waffen der ersten Lose wäre das ein unverzeihbarer Verrat.

Gerüchteweise soll der Kunststoff nicht im Vertrag fest geschrieben worden sein. Womit HK tatsächlich legal während der Produktion den Kunststoff hätte ändern dürfen.

Rein theoretisch dem wäre so, dann hätten die G36 welche später an die Truppe ausgeliefert wurden nicht das gleiche Gehäuse vom Material her wie die bei den Truppenversuchen verwendeten Prototypen oder die ersten Lose der Waffe. Das könnte auch erklären warum manche G36 davon betroffen sind und andere nicht.

Aber erst mal abwarten. Man sollte hier HK nicht voreilig verurteilen und die Frage: Wem nützt es lässt hier eine Menge Zweifel zu.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.stern.de/panorama/sturmgewehr-g36-verteidigungsministeriums-war-schon-seit-2011-gewarnt-2185420.html">http://www.stern.de/panorama/sturmgeweh ... 85420.html</a><!-- m -->

Zitat:Laut dem Prüfbericht des Rechnungshofs fand auch das Wehrwissenschaftliche Institut der Bundeswehr Hinweise auf Merkwürdigkeiten. In der Kunststoffmischung der Gehäuse der Seriengewehre ließ sich der Zusatzstoff Polyethylen nachweisen, der die Verformung der heißen Waffe befördern könne. Das von der Firma gelieferte Vorzeigemodell, der sogenannte Abnahmedemonstrator aus dem Jahr 1993, mit dem die Bundeswehr von der Alltagstauglichkeit der Waffe überzeugt wurde, enthielt dagegen noch kein Polyethylen. Dieser Kunststoff ist billiger als der Werkstoff Polyamid, aus dem das Gewehr ansonsten besteht.

Wieder ein schönes Beispiel dafür wohin eine private Rüstungswirtschaft führt. Man sollte diese Firmen verstaatlichen und einfach exakt bestimmen was geliefert werden soll.

Wenn man keinen Gewinn erzielen muss, braucht man auch keinen billigeren Kunststoff !

Mondgesicht:

Ich hab mal rumgefragt aber anscheinend weiß das auch BW intern niemand. Anscheinend gibt es noch einige und eine Menge Ersatzteile bzw einzelne Baugruppen, aber wieviele ?! Und wieviele davon vollständig ?!

Marc79:

Wenn die Berichterstattung stimmt dann hatten die Waffen welche man den Prüfstellen der BW lieferte ein anderes Gehäuse und waren daher unauffällig.


Re: G36 vs. G3 - ede144 - 08.04.2015

@Qf,
wenn deine hohe Meinung von staatlichen Firmen wirklich Substanz hätte, dann würden die nicht regelmäßig Pleite machen. Sie die ganzen staatlichen Banken wie WestLB usw.

Wenn wirklich jemand Polyamid durch PE ersetzt, dann ist das nicht Geld sparen sondern bodenlose Dummheit. Ist ungefähr so als ob man die Panzerung beim Leo aus Kostengründen in Aluminium ändert.

Kann ich mir nicht vorstellen.


Re: G36 vs. G3 - Marc79 - 08.04.2015

@ Quintus Das ist mir soweit auch klar. Aber ich dachte immer das wäre zweistufig:

1. Die jeweilige WTD (Wehrtechnische Dienststelle) sucht ein Produkt aus und bringt es zur Serienreife.
2. Und die GPS (Güteprüfstellen) sorgen dann das die Güte der Serienprodukte stimmen, indem sie diese prüfen.


Re: G36 vs. G3 - phantom - 08.04.2015

Quintus Fabius schrieb:Wieder ein schönes Beispiel dafür wohin eine private Rüstungswirtschaft führt. Man sollte diese Firmen verstaatlichen und einfach exakt bestimmen was geliefert werden soll.
Dann hättest du einfach immer noch den Pfeilbogen. Wenn du alles an den Beamten delegierst, hast du null Fortschritt, weil ja keinerlei Zwang es besser zu machen, vorhanden ist. Selbstverständlich hinkst du anderen auch jahrzehntelang hinterher. Gut, bei den Infanteriewaffen ist das nicht so tragisch.

Und ob der Beamte jetzt sämtliche Materialtest durchführt, das sei mal dahingestellt. Sorry, dein Bild vom geschäftigen, erfindungsreichen Beamten ist einfach lächerlich. Die Meisten haben ihr vorgefertigtes Schema nach dem sie arbeiten, das tun sie meistens genau und penibel, ja. Aber über den Tellerrand hinausschauen, ein Problem vorhersehen, ein paar Überstunden schieben weil man noch zusätzlich Sachen abklären könnte ... kannst du glatt vergessen. Schema F und mehr ist da in der Masse nicht drin. Das ist das was du erreichst mit deiner Dienst nach Vorschrift.

Checkliste von HK nehmen und Punkt für Punkt abarbeiten und dann den Stempel drunter machen. :lol:


Der freie Markt hat einfach unglaublich gutes Regulativ, ist das Produkt oder der Support ungenügend, kaufen die Marktteilnehmer einfach nicht mehr beim Hersteller ein und er spürt sofort die Auswirkungen seiner Misswirtschaft. Ist der Staat aber derart verkuppelt mit dem Betrieb, dass der Hersteller wie ein Staatsbetrieb behandelt wird (Aufträge sind ihm immer sicher), kann er sich alles erlauben. Das ist das immer gleiche Problem in eurem Beschaffungswesen. Aus falsch verstandenem Inländerschutz heftet man sich immer träger werdende "Staatsbetriebe" an die Fersen.

Es ist immer das Gleiche mit den Politikern, anstatt sich für mehr Wettbewerb einzusetzen, schalten sie wo es geht den Wettbewerb aus und lassen sich noch vom Pöbel abfeiern, wenn sie wieder einem Inländer den Auftrag ohne Konkurrenz zu geschachert haben. Dümmer geht's nimmer.


Re: G36 vs. G3 - WideMasta - 08.04.2015

@QF:

Was für eine Intrige siehst du hier? Was für ein Unfug! Die Probleme mit dem Gewehr wurden schon vor Jahren vorgelegt. Auch der Prüfstelle. Man ist dem allerdings nie nachgegangen. Schon die Geschichte vom BaainBw vergessen wo wegen anderer Dinge die auch HK betreffen ein Bw- Mann wegen Korruptionsverdachtes vor Gericht kam. Hat nichts damit zu tun, zeigt aber wie dreist diese Firma ist. Null Selbstkritik! Das P8, bei welchem es nur all zu oft zur unbeabsichtigten Schussabgabe kam umd auch dort gravierende Materialfehler vorlagrn, oder wahrscheinlich noch liegen. Sei froh das die vdL anfängt den Dreck ihrer Vorgänger beginnt professionell aufzuklären. Da tun sich abgründe auf! Wie kannst du so einen Schwachsinn unterstellen.
Für die Mängel müssen Köpfe rollen. Und das wird derzeit juristisch gegen mehrere Rüstungsunternehmen geprüft! Die Frau ist dafür das sie nicht vom Fach ist beherzter bei der Sache als der Schaumschläger TdM!