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Russland vs. Ukraine - Druckversion +- Forum-Sicherheitspolitik (https://www.forum-sicherheitspolitik.org) +-- Forum: Hintergründe (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=97) +--- Forum: Krisen, Konflikte und Kriege (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=99) +--- Thema: Russland vs. Ukraine (/showthread.php?tid=5210) Seiten:
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RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 04.06.2022 Das denke ich eher auch. Vermutlich wollte man die Stadt in der Hand haben, da man sie als Nachschubbasis, rückwärtige Drehscheibe etc. nutzen wollte. Nachdem man anfangs doch etwas unvorhergesehen rasch vorankam, stieß man eben flott nach (vielleicht unter Vernachlässigung des Flankenschutzes und der Aufklärung?) und rannte dann in einen ukrainischen Gegenangriff hinein. So etwas kann im Krieg nun mal passieren... Weiterhin: Zitat:Kiew glaubt an Kriegsende in zwei bis sechs Monatenhttps://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-kiew-glaubt-an-kriegsende-in-zwei-bis-sechs-monaten-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220604-99-545021 Zunächst halte ich die Einschätzung, der Krieg könne in zwei bis sechs Monaten enden, durchaus für realistisch. Ich mache das nicht mal unbedingt an Gebietseroberungen fest, sondern sehe erstens den Abnutzungsgrad und zweitens (wieder mal) das Wetter als entscheidend an. Wir werden vermutlich noch eine gewisse Heftigkeit der Kämpfe in den Sommermonaten sehen, wenn beide Parteien sich entsprechend gut im freien Feld bewegen können. Aber ab dem Herbst, wenn der Boden wieder grundlos wird, grob etwa ab September, werden die beiden abgekämpften Kontrahenten im Stillstand und im Schlamm verharren. Gut möglich also, vor allem wenn die hier genannten Verlustzahlen stimmen - und interessant ist auch, dass die Ukrainer einräumen, dass sie ebenso hohe Verluste wie die Russen erleiden (dass die Verluste sich angleichen, war schon mein Eindruck vor rund einer Woche) -, so wird dies schlicht und einfach zu einem immer stärkeren personellen Engpass führen. Man wird die Sommermonate noch nutzen und es wird den einen oder anderen blutig erkämpften Gebietsgewinn geben, aber spätestens wenn der Herbstregen kommt, werden diese Verluste in Kombination mit dem Schlamm und Nachschubthemen zu einem Erstarren der Front führen - allenfalls gekennzeichnet noch von sporadischen Artillerie- und Mörserduellen über die Linien hinweg und ggf. kleineren Infanterieaktionen Und dann, in dieser Agonie des Grabenkampfes, werden beide Seiten überlegen, was man noch machen bzw. gewinnen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass dann mit dem Verhandlungstisch geliebäugelt wird, ist durchaus hoch. Bleibt höchstens noch die Frage, was die Ukrainer bereit wären aufzugeben in diesen Verhandlungen bzw. was die Russen einfordern. Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - Nightwatch - 04.06.2022 (04.06.2022, 07:24)lime schrieb: So schnell wie Rußland die Stadt fast komplett besetzt hatte sieht es eher danach aus, als ob sie den sich zurückziehenden ukrainischen Truppen einfach gefolgt wären ohne große Kämpfe. Und dabei ist man halt in den Gegenstoß hineingelaufen. Ob sich das für die Ukraine wirklich rentiert wird sich zeigen, zumindest war es eine Aktion mit der die russischen Truppen wohl nicht mehr gerechnet hatten. Lage zum Beginn des Vorstoßes ins Stadtgebiet Sievierodonetsk: https://militaryland.net/wp-content/uploads/2022/05/day_91_Siverskyi-Donets.png Erkläre mir bitte den tieferen Sinn dieser Aktion. Ich drücke den Kessel doch nicht ein bevor er geschlossen ist! Das letzte was ich tun will ist, den Feind aus Sievierodonetsk zu werfen bevor ich die Rückzugsrouten aus Lysychansk nicht kontrolliere. Der Schlüssel zum Sieg liegt hier ganz schlicht und eindeutig im Durchbruch über Popasna. Die Russen hätten dort alle lokal verfügbaren Kräfte konzentrieren müssen anstatt sie in einem Angriff auf Sievierodonetsk zu verzetteln. Ein letzer Vorstoß auf Siversk und das wäre es für alle ukrainischen Verbände östlich davon gewesen. Stattdessen 9 verlustreiche Tage später: https://militaryland.net/wp-content/uploads/2022/06/day_100_Siverskyi-Donets.png Der Durchbruch ist auf halber Strecke steckengeblieben und man hat sich in Sievierodonetsk derart verausgabt, dass die Ukrainer auf der östlichen Seite des Donez (IMO ziemlich sinnbefreit btw) vagabundieren. Meines Erachtens sieht man hier wieder einmal, dass die Russen völlig unfähig sind ihre vorformulierten Pläne der Realität anzupassen. Offensichtlich war neben dem südlichen Durchbruch über Popasna ja geplant, bei Bilohoriwka im Norden über den Donez zu setzen. Dann hätte man in einer schönen Zangenbewegung den Kessel schnell schließen und anschließend eindrücken können. Bekanntermaßen scheiterte die Flussüberquerung im Norden spektakulär im ukrainischen Artilleriefeuer, sodass sich der nördliche Teil der Zangenbewegung nicht manifestierte. Trotzdem wurde dann in der Folge das Drehbuch stur weiter abgespielt. Der Durchbruch über Popasna wurde weiter ausgebaut, bleibt mangels Unterstützung aus dem Nordne jedoch auf halber Strecke liegen. Und ungeachtet dieser Tatsache startet dann der Angriff auf Sievierodonetsk; ich würde wetten zum vor Operationsbeginn bereits fest festgelegten Zeitpunkt. Kann man so bringen. Wenn die Geschichte allerdings mangels ausreichender eigener Kräfte eh schon Spitz auf Knopf steht sollte schon etwas mehr kommen. @Schneemann Ich glaube du übersiehst den kommenden Impact der laufenden ukrainischen Mobilisierungsbemühungen und überschätzt so den Impact der Verluste. Die Zahlen diesbezüglich gehen von 700.000 Mann im Moment über eine Million bis zum Jahresende auf bis zu 1.5 Millionen nächstes Jahr. Wenn die Ukraine davon nur einen Bruchteil an einer Front in die Wagschale wird werfen können ist ein Zusammenbruch der russischen Verteidigung unvermeibar. Ich rechne da für die zweite Jahreshälfte weniger mit Grabenkämpfe als neuen, plötzlichen Rückzügen der Russen analog Kiev und Kharkiv. Ich kann mir ohne weiteres Vorstellen, dass Ende des Jahres die Russen alle besetzen Gebiete jenseits des Donbas wieder verloren haben. RE: Russland vs. Ukraine - Pmichael - 04.06.2022 Was für eine Überraschung dass eine Armee geführt von fachfremden Geheimdienst Personal die einfachsten Grundlagen der Kriegsführung nicht beherrschen. Es ist halt ein Haufen Schauspieler. RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 04.06.2022 Ergänzend zu: Zitat:Meines Erachtens sieht man hier wieder einmal, dass die Russen völlig unfähig sind ihre vorformulierten Pläne der Realität anzupassen. Offensichtlich war neben dem südlichen Durchbruch über Popasna ja geplant, bei Bilohoriwka im Norden über den Donez zu setzen. Dann hätte man in einer schönen Zangenbewegung den Kessel schnell schließen und anschließend eindrücken können. Bekanntermaßen scheiterte die Flussüberquerung im Norden spektakulär im ukrainischen Artilleriefeuer, Diese extreme Unfähigkeit von vorgefassen Operationsplänen abzuweichen sieht man auch schon bei den Versuchen der Flussüberquerung im Norden. Den die haben ja nicht einmal oder zweimal versucht da eine Brücke zu schlagen und überzusetzen, sondern tatsächlich in Wahrheit sogar mindestens fünf mal. Immer wieder und wieder, an wechselnden Stellen zwar, aber doch räumlich nahe beieinander. Spätestens nach dem zweiten mal hätte man zwingend etwas völlig anderes versuchen müssen, ach was, schon nach dem ersten Mal hätte es offenkundig sein müssen. Allgemein: Die einfachen russischen Soldaten sind eigentlich das beste Menschenmaterial dass sich eine Armee überhaupt wünschen kann. Unter derart schlechten Verhältnissen wäre keine westliche Armee überhaupt mehr kampfähig. Was für eine Ironie, dass derart zähe, verbissene und lebensverachtende Kämpfer von einer derartigen Führung so dermaßen ins Verderben "geführt" werden. Wenn man diese Soldaten richtig ausbilden und führen würde, wäre die sich daraus ergebende Kampfkraft immens. Die von der Ukraine regelmässig abgefangenen und veröffentlichen Telefonate und "Interviews" mit Kriegsgefangenen zeigen klar auf, welch schier unfassbare Leistung hier seitens der einfachen russischen Soldaten im Feld erbracht wird. Die halten unter Bedingungen durch, die so extrem sind, dass man dergleichen seit sehr langer Zeit nicht mehr irgendwo gehört hat. Ein Soldat berichtete beispielsweise davon, dass seine Einheit seit Kriegsbeginn (zu diesem Zeitpunkt also seit 92 Tagen) keinerlei Verpflegung erhalten hat und man bei den Ukrainern inzwischen auch nichts mehr zum Essen plündern könne, weshalb er und seine Kameraden jetzt einen toten Hund der da auf der Straße lag gegessen haben weil der noch Zitat: halbwegs frisch war. Ein anderer berichtete, dass seine Einheit ohne Unterlass und Pause seit mehr als einem Monat durchgehend im Gefecht stand, bis von seinem ganzen Bataillon nur noch 13 Mann unverwundet übrig waren. Daraufhin habe man sie als "Zug" einer anderen Einheit zugeteilt und sie sollten wieder unmittelbar ins Gefecht, obwohl sie davor mehrere Tage de facto nicht geschlafen hätten. Andere berichten davon, dass sie vollkommen unsinnige Befehle verweigerten und dann ein Offiziere eine Handgranate auf sie geworfen habe, oder dass man keine Aufklärungseinheiten hat weil diese als Leibwache der höheren Offiziere abgestellt sind, wofür diese Offiziere geplünderte Güter und Geld beschlagnahmten von den einfachen Truppen um diese als Bestechung eben jenen Aufklärern zu geben, dass Tschetschenen einfache russische Soldaten überfallen und ausrauben um ihnen ihre Beute abzunehmen (das führte sogar schon nachweislich zu Schießereien zwischen Tschetschenen und russischen Soldaten) usw usw usf Das sind Bedingungen die einfach nur noch lächerlich sind. Wie kann irgendeine Armeeführung, überhaupt irgendein Offizier so mit seinen Truppen umgehen? Nicht einmal aus irgendwelchen ethisch-moralischen Gründen, allein schon aus rein praktischen Gründen ist das absurd falsch. Wie soll man so jemals gewinnen, wenn man die eigenen Truppen derart verschleißt ?! Wie kann man überhaupt noch erwarten dass irgend jemand so auf Dauer kampffähig bleiben kann? Und wie ist es möglich dass die Soldaten überhaupt noch Befehle entgegen nehmen und es nicht längst eine allgemeine Meuterei bei den russischen Soldaten gibt? So weit man es beurteilen kann ist die Kampfmoral ziemlich schlecht, aber sie sollte angesichts der Umstände eigentlich gar nicht mehr vorhanden sein. RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 05.06.2022 @Nightwatch Zitat:Ich glaube du übersiehst den kommenden Impact der laufenden ukrainischen Mobilisierungsbemühungen und überschätzt so den Impact der Verluste. Die Zahlen diesbezüglich gehen von 700.000 Mann im Moment über eine Million bis zum Jahresende auf bis zu 1.5 Millionen nächstes Jahr.Das ist eine sehr optimistische Rechnung. Was ich für möglich halte, wenn man sich im Herbst nicht auf einen Waffenstillstand einigen wird und wenn der Zustrom westlicher Ausstattung so anhält und wenn die Zahl der Rekruten wirklich so stark werden wird, ist, dass die Ukrainer im nächsten Frühjahr, grob ab Mai, zur Rückeroberung des Donbass ansetzen könnten. Darüber hinaus jedoch rate ich zur Vorsicht. Selbst wenn man bis Ende 2022 eine Million Mann auf die Beine stellt, sind davon die meisten ohne Erfahrung (die Ausrüstung dürfte auch kaum reichen für diese Anzahl) und der Großteil in Logistik, Instandsetzung, Kommunikation, Sanitätswesen (das derzeit übrigens jeder Beschreibung spottet) gebunden. Grob wären es im günstigen Fall also 300.000 Neuzugänge für den direkten Fronteinsatz bis Jahresende. Wenn es stimmt, was Selenskyj kürzlich sagte, dass die ukrainischen Streitkräfte derzeit schon pro Tag rund 300 bis 400 Mann verlieren - und die Intensität der Gefechte dürfte im Sommer eher noch zunehmen -, so wären dies zehntausende von Ausfällen bis Jahresende. Ich denke also, dass a) sich diese Neuzugänge nicht so stark auswirken werden, eher werden nach und nach Lücken gestopft, und b) dass beiden Akteuren davor die Kraft ausgehen wird, noch ehe sich die Verstärkungen signifikant bemerkbar machen würden. Man sollte aber nicht dem Irrtum aufsitzen zu meinen, dass diese "eine Million Mann zu Jahresende" urplötzlich am 31. Dezember aus dem Nebel auftauchen wie einstmals die Chinesen am Yalu. Was aber möglich wäre, ist, dass man sich im Herbst in einen Waffenstillstand flüchtet, um die eigene Streitkraft zu konsolidieren und neu aufzufüllen und dass man dann nach sechs, sieben Monaten Kampfpause im Frühsommer 2023 wieder antritt zur zweiten Runde. Ist aber nun sehr spekulativ meinerseits. @Quintus Zitat:Ein Soldat berichtete beispielsweise davon, dass seine Einheit seit Kriegsbeginn (zu diesem Zeitpunkt also seit 92 Tagen) keinerlei Verpflegung erhalten hat und man bei den Ukrainern inzwischen auch nichts mehr zum Essen plündern könne, weshalb er und seine Kameraden jetzt einen toten Hund der da auf der Straße lag gegessen haben weil der noch Zitat: halbwegs frisch war. Ein anderer berichtete, dass seine Einheit ohne Unterlass und Pause seit mehr als einem Monat durchgehend im Gefecht stand, bis von seinem ganzen Bataillon nur noch 13 Mann unverwundet übrig waren. Daraufhin habe man sie als "Zug" einer anderen Einheit zugeteilt und sie sollten wieder unmittelbar ins Gefecht, obwohl sie davor mehrere Tage de facto nicht geschlafen hätten. Andere berichten davon, dass sie vollkommen unsinnige Befehle verweigerten und dann ein Offiziere eine Handgranate auf sie geworfen habe, oder dass man keine Aufklärungseinheiten hat weil diese als Leibwache der höheren Offiziere abgestellt sind, wofür diese Offiziere geplünderte Güter und Geld beschlagnahmten von den einfachen Truppen um diese als Bestechung eben jenen Aufklärern zu geben, dass Tschetschenen einfache russische Soldaten überfallen und ausrauben um ihnen ihre Beute abzunehmen (das führte sogar schon nachweislich zu Schießereien zwischen Tschetschenen und russischen Soldaten) usw usw usfVorab: Ich denke, dass solche Begebenheiten durchaus möglich sind und auch vorkommen. Und dass die Russen in einem äußerst desolaten Zustand sind, wird wohl niemand anzweifeln. Allerdings rate ich auch ein wenig zur Vorsicht bei solchen Geschichten. Manches mag sicherlich auch übertrieben sein und diese Horrorgemälde werden von den moralisch angeschlagenen jungen Soldaten nach Hause gemeldet, nur um aufzuzeigen, wie grausig der Dienst in der Ukraine ist und um eben zu vermeiden, dass der Bruder oder der Onkel vielleicht auch noch losziehen. Quasi eine Art verdeckte Kritik an der Führung und ein Versuch, diesen Krieg, auf den eh niemand mehr großartig begierig ist, völlig in Misskredit zu bringen. Quasi also eine Art von "Wehrkraftzersetzung" der etwas subtileren Vorgehensweise. Nur um kein Missverständnis entstehen zu lassen: Der Grad der Zersetzung und Unterversorgung in den russischen Streitkräften ist enorm, da möchte ich gar nicht widersprechen, aber ich denke, dass der Umstand, dass solche Berichte recht ungefiltert nach außen dringen können, obgleich gerade in Kriegszeiten das eigentlich auf das schärfste unterbunden werden müsste, es aufzeigt, dass auch höhere Chargen eben dies gewähren lassen, weil sie ebenso unzufrieden sind wie ihre Untergebenen. Und dies wiederum kann ein Hinweis darauf sein, dass die Unzufriedenheit in der Truppe enorme Ausmaße angenommen hat - von den unteren bis zumindest zu den mittleren Rängen (ggf. auch darüber hinaus). Und dies wiederum kann Putin wesentlich gefährlicher werden als irgendwelche zivile Oppositionelle wie Nawalny und Co. Man erinnere sich: Die Revolution von Februar 1917 wurde eingeleitet, als von der Front abgezogene bzw. zurückkehrende Soldaten in St. Petersburg überraschend meuterten und sich weigerten, auf Demonstranten zu schießen, die gegen die den Krieg und Hunger bzw. den Zaren und seine Kriegspolitik demonstrierten. Es war bekanntlich der Anfang vom Ende des Zarenreiches. Gut möglich, dass es rund 100 Jahre später bald zu einer ähnlichen Entwicklung kommt... Hierzu (wenngleich auch durch die Ukraine eingesteuert) ein Bsp. für eine offene Befehlsverweigerung - aber wenn von 600 Mann eines Bataillons nur 215 übrig sind, so mag man es verstehen: Zitat:Intercepted audio said Russian soldiers almost blew up a top general for ordering them to the front line, Ukraine sayshttps://www.businessinsider.com/russian-troops-nearly-kill-own-general-mutiny-intercepted-audio-ukraine-2022-5 Darüber hinaus soll die Lage in den Feldlazaretten katastrophal sein, es fehlt oftmals an Schmerzmitteln und Verbandsmaterial. Berichten zufolge (ich verlinke sie hier nicht) werden lebenserhaltende Operationen entweder nicht vorgenommen oder aber es wird amputiert wie zu Zeiten des Sezessionskrieges in den Vereinigten Staaten vor 160 Jahren... Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - voyageur - 05.06.2022 Was Zahlen ???? angeht, und die Situation erinnert mich an Faustkämpfe in alten Hollywoodwestern. Beide Boxer hauen sich auf die Fresse, stehen irgendwie noch auf den Beinen, aber wer fällt als erster um. Davon abgesehn, Bleibt doch die Frage : * wer soll das liefern * wer soll das bezahlen. Zum liefern, all das was in de Depots verstaubte, verrotte ist doch langsam in die Ukraine transportiert. Bleiben halt die Kampfpanzer. Zum Bezahlen. Zur Zeit braucht das ukrainische Budget 5 Millarden Euro monatlich, die letzte 3 Monatsfinnanzierung war schon schwierig. Warten wir mal die nächste ab. Dazu kommen ukrainische Drohungen wie das in der russischen "Besatzungzone" liegende Atomkraftwerk abzuschalten. Das heißt Europa muss den Strom liefern ! Und die Auswirkungen innerhalb Europa der "russischen" Sanktionen. Da braut sich viel zusammen. Zur Zeit ist jedenfalls in FR vorrangig erst mal entspannen und Urlaub machen. Bloss was hier die "rentree" (die letzten zurück aus dem Urlaub Ende August) genannt wird kommt bestimmt. Also ein Abnutzungskrieg über den Winter, bezahlt von Europa ??? RE: Russland vs. Ukraine - Pmichael - 05.06.2022 Bestes Menschenmaterial sind übrigens Soldaten die taktisch geschult sind, die ihre Rolle innerhalb einer funktionierenden Befehlsstruktur wissen, die sich nicht durch Siedlungen, auf der Suche nach Essen und Waschmaschinen, plündern. Mal von den ganzen Vergewaltigungen (Dedovshchina) in der eigenen Truppe ganz zu schweigen. Ich weiß diese maskuline russischen TV Werbespots über die russische Armee vs. woke West sind ganz lustig aber halt wertlos. Davon abgesehen gibt es genug Beispiele von Amerikanischen und Britischen Soldaten die über einen langen Zeitraum unter extremen Bedingungen standen aber im Unterschied zu den Russen in der Ukraine halt wirklich noch funktioniert haben, im Dreck liegen ist eine Sache aber im Dreck liegen und diszipliniert sein ist eine andere Sache. RE: Russland vs. Ukraine - Nightwatch - 05.06.2022 @Schneemann Apropos Sanitätswesen: https://twitter.com/CanadianUkrain1/status/1533364187560390657 Natürlich werden die Ukrainer kaum eine irgendwie siebenstellige Zahl im Fronteinsatz haben. Ich schrieb ja auch nur von Bruchteil und würde mit 300.000 Neuzugänge im günstigen Fall durchaus mitgehen. Nur würde das doch auch mehr als ausreichen um an ausgewählten Frontabschnitten drückende Überlegenheit herzustellen. Mit den kolportierten 300 bis 400 Mann Verlust pro Tag landet man bei vielleicht 50.000 Ausfällen in sechs Monaten. Schließlich wird ein nicht unerheblicher Teil der Verwundeten auch wieder in den aktiven Dienst zurückkehren können und sei es auch nur in der Etappe. Insofern scheint in der zweiten Jahreshälfte ein substantieller Aufwuchs der ukrainischen Streitkräfte an ausgewählten Frontabschnitten nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich. Zumal eben auch davon auszugehen ist, dass die Kämpfe und damit einhergehenden ausfälle nicht in der jetzigen Intensität weitergehen können sofern die Ukrainer nicht bald selbst kompromisslos auf Offensive setzen. Schlicht weil die Russen aktuell Verlust im mindestens gleichen Ausmaß (und im ersten Kriegsmonat deutlich höhere) zu verzeichnen haben und im Gegensatz zur Ukraine ohne eigene Mobilisierung nicht ansatzweise in der Lage sind diese auszugleichen. Ich kenne da keine seriösen Zahlen zu, aber angesichts der starken Limitierung der russischen Reserven und dem offensichtlichen Fehlen jeder Mobilisierungsbemühung in Russland könnten die Ukrainer leicht mit fünf Mann für jeden den die Russen an die Front schieben können aufwarten. Wohin soll das bei annähern gleichen Verlusten führen wenn nicht zu drückender ukrainischer Überlegenheit? Die Russen können nun mal ihre Verluste nicht so ersetzen wie die Ukrainer! Ich glaube ja das dieser Punkt vollkommen unterschätzt wird. Die Ausfälle der Russen sind auch in den Verbänden die mittlerweile nicht vollkommen aufgerieben wurden extrem. Man mag hier mit noch so viel Bewunderung ob deren Kampfeswillen, Opferbereitschaft und Durchhaltefähigkeit aufwarten wollen, wenn einzelne Brigaden auf Kompaniestärke (!) zusammengeschmolzen sind reißen die halt auch nichts mehr. Um ehrlich zu sein halte ich es mittlerweile nicht nur für wahrscheinlich, dass der Kulminationspunkt mit dem Angriff auf Severodonetsk erreicht wurde, sondern würde einen schnellen Zusammenbruch der russischen Offensivbemühungen alles andere als ausschließen. Für mich verfestigt sich der Eindruck, dass die Russen zumindest im Frontabschnitt Severodonetsk – Popasna mit ihren letzten Reserven agieren. Nördlich zwischen Izium und Lyman scheint man mit noch mehr Kampfkraft zu agieren, aber das sind eh Vorstöße ins operative Nichts vor Slovyanks. Ich schrieb das zwar schon vor Wochen und bleibe bei der Einschätzung das die Russen so nicht mehr weitermachen können. Die sind dabei sich völlig zu Verausgaben und laufen Gefahr mit dem absehbaren Ende der Offensive (völlig gleich wo die Front genau laufen wird) zu wenig Kräfte für die Verteidigung übrig zu haben. RE: Russland vs. Ukraine - lime - 05.06.2022 @Nightwatch Für mich sieht es beim Kampf um Severodonetsk einfach nicht nach der großen Schlacht aus. Ich bleibe bei der Ansicht dass da eine rus. Truppe einfach nachgesetzt hat, weil man eben davon ausging dass die ukr. Soldaten sich lieber zurückziehen werden. Auf Grund dieser Fehlannahme gelang der ukr. Gegenangriff zumindest als Teilerfolg, denn nachdem die Stadt kurz zu 80% von der rus. Armee besetzt war steht es nun etwa 50:50. Das zeigt aber auch dass der ukr. Gegenangriff eben keineswegs von durchschlagender Kraft war, sondern schnell ins Stocken geraten ist. Die ukr. Führung hat also weitere Truppen in ein Gebiet geschickt welches immer noch akut von einer Einkesselung bedroht ist. Ob sich dieser Schachzug also wirklich als klug herausstellt wird sich noch zeigen. Sinn der Aktion war wohl auch eher die letzte größere Stadt der Region Luhansk nicht einfach so aufzugeben und damit positiv auf die Moral der eigenen Truppe einzuwirken, auch weil die Gegenoffensive bei Cherson bisher nicht nach Wunsch gelaufen sein dürfte. Die Zukunftsprognosen halte ich auch für sehr gewagt. Meines Erachtens wird die Mobilisierung der Ukraine über- und die verdeckte Mobilisierung Rußlands unterschätzt. Auch ist überhaupt nicht klar ob Rußland ab Herbst nicht doch noch regulär mobilisieren wird. Genauso steht in den Sternen ob die Unterstützung aus dem Westen in der aktuellen Größenordnung weiter gehen wird oder weiter steigende Rohstoffpreise zu einem Umdenken führen. RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 06.06.2022 Aktuelle Entwicklungen - offenbar ist ein weiterer russischer General getötet worden: Zitat:Kiew bestätigt Todhttps://www.n-tv.de/politik/Russischer-General-faellt-an-Front-in-Ostukraine-article23379653.html Um Slowjansk und v. a. um Sjewjerodonezk toben weiterhin schwere Gefechte: Zitat:+++ Live-Ticker +++https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-montag-133.html Weiterhin will Spanien anscheinend Leopard-Panzer an die Ukrainer liefern: Zitat:Ukraine to get anti-aircraft missiles and tanks from Spain, report sayshttps://www.reuters.com/world/europe/spain-deliver-anti-aircraft-missiles-tanks-ukraine-el-pais-2022-06-05/ Und noch eine Einschätzung bzgl. der Verfassung der ukrainischen Einheiten, auch vor dem aktuellen Hintergrund. Es zeigt sich klar, dass es auch hier Erosionserscheinungen gibt, obgleich der hier geschilderte Umstand sogar eher noch schmeichelhaft als pazifistische Wandlung angesehen werden kann (teils hinter Bezahlschranke): Zitat:EINE BEGEGNUNG IN ODESSAhttps://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ukraine-krieg-frueher-soldat-jetzt-taxifahrer-mit-serge-in-odessa-18076346.html Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 07.06.2022 Pmichael: Die mir natürlich auch bekannten Werbespots sind mir völlig egal, sie spielen für die Bewertung der realen Umstände auch gar keine Rolle. Fakt ist, dass die russischen Soldaten, darunter inzwischen auch mir persönlich Bekannte unter Umständen noch weiter kämpfen, unter denen aktuelle KEINE westliche Armee überhaupt noch kampffähig wäre, nicht im Ansatz. Und es gab seit Dekaden keine Situation mehr in welcher britische oder amerikanische Soldaten auch nur Ansatzweise unter derartig schwierigen Umständen gekämpft hätten, mit weitem Abstand. Natürlich hast du Recht, dass ernsthafte militärische Disziplin und handwerkliches Können ausschlaggebend sind, aber genau genommen ist dies exakt das was ich geschrieben hatte, dass die russischen Soldaten so wie sie jetzt da kämpfen das beste denkbare Material sind und man sie lediglich disziplinieren und richtig ausbilden müsste, oder um mich bildhaft auszudrücken: sie sind ein ungeschliffener Rohdiamant. Was da noch fehlt könnte man hinzu fügen. Was sie aber bereits mitbringen, dass lässt sich so in westlichen Ländern heute nicht mehr in ausreichender Menge finden, nicht im Ansatz. Und natürlich hat Nightwatch ganz genau so recht, dass dies für sich allein unzureichend ist, weil irgendwann simple physikalische Faktoren dies überwiegen, und eine auf Kompaniegröße oder weniger abgeschmolzene BTG halt einfach aus rein physikalischen und technischen Gründen nichts mehr reißen kann, aber wie auch andere es hier schon geschrieben haben, ist Russland hier und heute immer noch de facto in einer Art Friedensbetrieb und liegt da immer noch ein immenses Potential brach. Ob und wie dieses mobilisierbar ist und wie man es dann einsetzen würde, sind demgegenüber ganz andere Fragen. Dessen ungeachtet ist die bloße Leistung des einfachen russischen Soldaten was die militärische Seite des ganzen angeht jeder Bewunderung wert, trotz aller von einigen begangenen Kriegsverbrechen oder anderer Fehlentwicklungen. Was da unter bizarr schlechten Verhältnissen immer noch geleistet wird ist herausragend. Und darin liegt auch meiner Auffassung nach ein großes politisches Potential. Die Soldaten machen dies nur und wirklich allein deshalb noch mit, weil sie davon ausgehen, dass die Mobilmachung in Kürze kommt, dass man in jedem Fall die Ukraine fertig machen wird und dass man siegen wird. Wenn diese Auffassungen enttäuscht werden, wird meiner Einschätzung nach das Risiko für eine Meuterei der Truppen oder gar einen Militärputsch ultrarechter Kräfte innerhalb der Streitkräfte sehr hoch. Deshalb halte ich jeden Verhandlungsfrieden für äußerst problematisch bzw. schwierig, weil nicht nur die Ukraine einen solchen nicht akzeptieren will, sondern auch weil die russischen Truppen und die Bevölkerung in Russland dann in Revanche Denken verfallen werden und sich daraus dramatische politische Umwälzungen in Russland ergeben könnten. RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 08.06.2022 @Quintus Zitat:...dass die Mobilmachung in Kürze kommt...Ich habe das Gefühl, dass diese verdeckt schon am laufen ist. Hierzu: Zitat:Offiziere werden bestrafthttps://www.n-tv.de/politik/Russland-gesteht-Ukraine-Einsatz-von-Wehrpflichtigen-article23382573.html Offenbar hat die Ukraine Interesse am israelischen Iron Dome - und via Deutschland sollen Spike ATGMs an die Ukraine gehen: Zitat:Ukraine requests Israel the purchase of Iron Dome counter artillery missile systemshttps://www.armyrecognition.com/defense_news_june_2022_global_security_army_industry/ukraine_request_israel_the_purchase_of_iron_dome_counter_artillery_missile_systems.html Zur Lage vor Ort - offenbar gibt es in Sjewjerodonezk einen ziemlich unübersichtlichen Häuser- und Straßenkampf, wobei die Locations mehrfach den Besitzer wechseln... Zitat:Russian assault on Sievierodonetsk redoubled after counterattackhttps://www.theguardian.com/world/2022/jun/07/russian-assault-on-sievierodonetsk-redoubled-after-counterattack Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 09.06.2022 Zwar haben vor der UN die meisten Mitgliedstaaten den russischen Angriffskrieg verurteilt (von einer Handvoll "üblicher Verdächtiger" einmal abgesehen), dennoch ist die Lage in bspw. Südamerika etwas differenzierter zu betrachten, hier hat man sich bislang eher auf humanitäre Hilfe und verhaltene Kritik konzentriert; auch in Asien schleichen einige Länder wie die Katze um den vielfach bemühten heißen Brei bzw. um diesen Krieg herum und suchen eher nach dem eigenen Vorteil, etwa Indien oder China (also die beiden größten). Ein Blick auf Afrika und wie sich die dortigen Länden positionieren, ist bislang aber eher stiefmütterlich angegangen worden, was vermutlich auch daran liegt, dass Afrika wirtschaftlich eben schwächer ist. Dabei ist es gerade der Kontinent, der von der Getreidelieferungsproblematik mit am stärksten betroffen ist. Dazu ein recht interessanter Artikel: Zitat:Africa: The War in Ukraine Through an African Lenshttps://allafrica.com/stories/202206080280.html Und wenn ich schon Indien oben kurz anspreche - auch hier eine Einschätzung: Zitat:Modi’s Multipolar Moment Has Arrivedhttps://foreignpolicy.com/2022/06/06/modi-india-russia-ukraine-war-china-us-geopolitics-multipolar-quad/ Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - lime - 09.06.2022 (09.06.2022, 05:18)Schneemann schrieb: Zwar haben vor der UN die meisten Mitgliedstaaten den russischen Angriffskrieg verurteilt (von einer Handvoll "üblicher Verdächtiger" einmal abgesehen), dennoch ist die Lage in bspw. Südamerika etwas differenzierter zu betrachten, hier hat man sich bislang eher auf humanitäre Hilfe und verhaltene Kritik konzentriert; auch in Asien schleichen einige Länder wie die Katze um den vielfach bemühten heißen Brei bzw. um diesen Krieg herum und suchen eher nach dem eigenen Vorteil, etwa Indien oder China (also die beiden größten). Was sind solche Verurteilungen durch UN-Institutionen schon wert? Man schaue sich diese Statistik an: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/995237/umfrage/laender-mit-den-meisten-verurteilungen-durch-den-un-menschenrechtsrat/ RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 09.06.2022 Die Bewertungen des Menschenrechtsrates kann man getrost ignorieren, bindend sind sie auch nicht. Allerdings fand dort gar keine Verurteilung des Angriffskrieges Russlands statt, sondern dies geschah in der UN-Generalversammlung. Und da haben 140 Staaten den Überfall verurteilt (was ausnahmsweise mal erstaunlich war)... Schneemann |