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Sechster Nahostkrieg - Druckversion +- Forum-Sicherheitspolitik (https://www.forum-sicherheitspolitik.org) +-- Forum: Hintergründe (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=97) +--- Forum: Krisen, Konflikte und Kriege (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=99) +--- Thema: Sechster Nahostkrieg (/showthread.php?tid=6962) Seiten:
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RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 20.09.2024 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/israel-libanon-hisbollah-angriff-waffensysteme-100.html Zitat:Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen hochrangigen Kommandeur der Hisbollah bei einem Angriff in Libanons Hauptstadt Beirut getötet. Ibrahim Akil sei tot, teilte Armeesprecher Daniel Hagari mit. Bewohner der südlichen Vororte berichteten von einer lauten Explosion und Erschütterungen. Über Beirut stieg eine dichte Rauchwolke auf. Bei dem Angriff kamen nach Angaben libanesischer Behörden mindestens zwölf Menschen ums Leben. 66 weitere seien verletzt worden. Neun davon befänden sich in einem kritischen Zustand. Freiwild jagt Freiwild und der Stärkere tötet den Schwächeren nach Belieben, bis irgendwann ein Stärkerer ankommt oder der vormalige Starke schwächer wird. In dieser neuen Weltordnung wird aber für ganz viele Völker kein Platz und kein Überleben mehr sein. Insbesondere langfristig auch für Israel nicht. RE: Sechster Nahostkrieg - Nightwatch - 20.09.2024 (20.09.2024, 21:02)Quintus Fabius schrieb: Israel hat schon vor dem 7 Oktober und auch schon letztes Jahr und das Jahr davor usw. Ziele im Libanon und in Syrien angegriffen welche man zur Hisbollah rechnen muss. Die Sache ging im Norden ja keineswegs am 8 Oktober einfach so los. Das hat eine Vorlaufzeit die Jahre zurück reicht und es reicht mit den ständigen völkerrechtswidrigen Angriffen Israels auf Syrien auch über den Libanon hinaus. Es hat ja schon seinen Grund, warum Israel sich grundsätzlich nie zu diesen Angriffen bekannt hat.Der springende Punkt ist das die Hezbollah ausdrücklich erklärt hat die Hamas in diesem Krieg mit eigenen Angriffen zu unterstützen. Freilich gab es schon vor dem 7. Oktober irgendwelche Zusammenstöße, die Situation nach dem 7. Oktober hatte jedoch eine ganz andere Qualität. Das hat sich dann auch nicht nur irgendwie ohne tieferen Sinn aufgeschaukelt, Strategie der Hezbollah war es, möglichst viele Truppen im Norden zu binden um die Hamas zu entlasten ohne einen großen israelischen Angriff zu riskieren. Insofern, die Hezbollah hat sich nach Kriegsausbruch zur Konfliktpartei erklärt und ganz bewusst eskaliert und trägt damit auch die volle Verantwortung für alles was sich daraus entwickelte. Zitat: Wobei vielen das Ausmaß der gegenseitigen Angriffe gar nicht klar ist.Das ist völlig richtig, die IDF ist seit Monaten dabei, die Strukturen der Hezbollah im Südlibanon systematisch auseinanderzunehmen: https://cdn.cfr.org/sites/default/files/image/2024/06/hezbollah_strikes_map.png?_gl=1*1xx2rm3*_ga*MTUyNzgyMjg5OC4xNzA3MjU1MDQ5*_ga_24W5E70YKH*MTcxNzY5MDIxNC4zMDguMS4xNzE3NjkxNzI1LjYwLjAuMA.. Dabei setzt man immense Feuerkraft ein, wenigstens zweimal jetzt auch mit enormen Luftschlägen. Zurückhaltung gibt es höchstens noch geographisch, man behält sich direkte Angriffe auf Beirut als Eskalationsstufe und Drohpotential noch vor. Zumindest bis zur Tötung von Ibrahim Aqil heute. Zitat:Aktuell schlagen die Israelis für jeden Angriff der Hisbollah im Libanon ungefähr 10 mal so oft zu. Bei einem Verhältnis von 1 zu 10 ist das natürlich nur eine völlig verhältnismäßige Selbstverteidigung ......Ja ist es, schlicht weil staatliche Selbstverteidigung gegenüber nicht durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gedeckelt wird. Der Verteidiger hat das Recht gegen den Angreifer solange vorzugehen bis die Bedrohung durch den Angreifer beseitigt ist. Die Verteidigungsmaßnahmen an sich müssen freilich dem Kriegsvölkerrecht entsprechend, mithin muss hinsichtlich Kollateralschäden auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt sein, das Recht auf Selbstverteidigung erlischt aber nicht plötzlich nur weil man eine Feuerdominanz gegenüber dem Feind erreichen konnte und ihn nach Strich und Faden vermöbelt. Zitat:Man könnte desweiteren darauf verweisen, dass die Hisbollah im November 2023 bereits einen Waffenstillstand anbot und diesen dann auch einhielt, worauf auch Israel seine Angriffe deutlich reduzierte.Soweit ich mich entsinne ist die Hezbollah mit der Aussage aufgetreten, dass man die Angriffe einstellen würde wenn Israel die Operation in Gaza abbricht. Später dann hat man sich den kurzzeitigen Waffenstillstand zur Geiselfreilassung angeschlossen. Das ist auch immer noch ihre Position; man wird wieder zum Status Quo ante zurück kehren wenn der Konflikt in Gaza beendet ist. Israel hat nach dem 7.Oktober freilich weitergehende Interessen und möchte die Hezbollah von der Grenze im Norden wegbekommen. Zitat: Nun schreiben alle leichtfertig und übereinstimmend, dass der Angriff ja fast nur Hisbollah Anhänger getroffen habe, und hoch präzise war und kaum Kollateralschäden hatte usw usf. Das finde ich faszinierend, denn vom aktuellen Informationsstand kann man das noch gar nicht sagen. Dennoch wird der Angriff einseitig pro-israelisch als völkerrechtskonform dargestellt, weil er ja ach so präzise gewesen sein soll. Möglich, aber nicht erwiesen. Man wird erst abwarten müssen, wie sich die Sache tatsächlich darstellt. Rein persönlich kann ich mir nicht vorstellen, dass eine solche Operation derart sauber und präzise abgelaufen sein soll, dass ist meiner Meinung nach gar nicht machbar (technisch wie operativ).Man muss es auch nicht komplizierter machen als es ist. Dei Hezbollah hat Pager bestellt. Die Lieferung ging an die Hezbollah. Entsprechend wird es auch die Hezbollah getroffen haben und nicht die Freiwillige Feuerwehr Beirut Süd. Hätte es größere Verluste unter der Zivilbevölkerung gegeben wäre es zudem schon längst propagandistisch ausgeschlachtet worden. Ich kann diese wohlfeile Krittelei nicht nachvollziehen. Da führt man eine außerordentlich präzise und hochwirksame Operation durch und dann ist es auch wieder nicht recht, weil wahlweise es doch irgendwie perfider war als ordinäre Luftangriffe, der Feind darauf verschnupft reagieren könnte oder die Aktion das gerade persönlich favorisierte Problem in diesem Konflikt nicht gelöst hat. Ich möchte den sehen, der in der Lage der Israelischen Regierung auf diese Aktion verzichtet hätte. Kritikwürdig ist höchstens, dass man sich noch nicht zu einer umfassenden Offensive hat druchringen könen. Alterantiv wären gangbare Handlungsalternativen auch nicht schlecht. RE: Sechster Nahostkrieg - Ottone - 20.09.2024 (20.09.2024, 21:41)Nightwatch schrieb: Man muss es auch nicht komplizierter machen als es ist. Dei Hezbollah hat Pager bestellt. Die Lieferung ging an die Hezbollah. Entsprechend wird es auch die Hezbollah getroffen haben und nicht die Freiwillige Feuerwehr Beirut Süd.Ich bin mir gar nicht sicher: Die Hezbollah ist die faktische Regierung des Südlibanons inklusive aller sozialen Einrichtungen für das tägliche Leben dort. Und auch die Feuerwehr ist ganz sicher mit dabei. Wir wissen bislang nicht an wen die Pager alle verteilt wurden. RE: Sechster Nahostkrieg - Nightwatch - 20.09.2024 Die Freiwillige Feuerwehr muss sicherlich nicht mit dem militärischen Flügel dergestalt kommunizieren das man die selben Kommunikationsmittel nutzt. Die man zur Erhöhung der Kommunikationssischerheit auch gerade erst einführt. RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 21.09.2024 Ein paar Randnotizen und abweichende Ansichten: https://www.haaretz.com/israel-news/2024-09-15/ty-article/.premium/israel-is-recruiting-asylum-seekers-for-war-effort-offering-promise-of-permanent-status/00000191-f1f9-da43-a1db-f9fb07cf0000 Zitat:Israel Is Recruiting African Asylum Seekers for Life-threatening Gaza War Operations, Promising Permanent Legal Status https://www.haaretz.com/israel-news/2024-09-19/ty-article/.premium/israelis-should-watch-the-footage-from-lebanon-with-repulsion-and-fear-not-glee/00000192-0b43-d46c-afb6-cb6fa4bc0000 Zitat:Israelis Should Watch the Footage From Lebanon With Repulsion and Fear, Not Glee ____________________________________________________________________________________ https://www.haaretz.com/opinion/2024-09-15/ty-article-opinion/.premium/israelis-must-ask-themselves-if-theyre-willing-to-live-in-a-country-that-lives-on-blood/00000191-f169-d962-a1b5-ff6f32e10000 In Auszügen (das folgende ist nicht der vollständige Artikel) Zitat:Israelis Must Ask Themselves if They're Willing to Live in a Country That Lives on Blood Das Hauptproblem ist, dass die allermeisten Israelis der felsenfesten Ansicht sind, es gäbe keinerlei anderen Weg, und dass sie zugleich glauben, Israel könnte unbegrenzt so weiter existieren. Israel wird aber spätestens langfristig exakt deshalb nicht überleben. RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 21.09.2024 Nochmal zur rein rechtlichen Bewertung des Pager-Angriffs: Genau genommen hat Israel hier versteckte Sprengfallen eingesetzt. Solche sind aber laut Abkommen die auch für Israel verbindlich sind verboten: https://www.bmvg.de/de/themen/friedenssicherung/humanitaeres-voelkerrecht Verbotene Kampfmittel Zitat:Zu den verbotenen Kampfmitteln gehören z. B. bestimmte konventionelle Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder militärische Ziele und grds. geschützte Zivilpersonen und zivile Objekte unterschiedslos treffen können. Verboten ist auch der Einsatz der nachfolgend aufgeführten Kampfmittel im internationalen bewaffneten Konflikt: Der Einsatz giftiger Gase, biologischer und Toxinwaffen, Waffen, deren Fragmente durch Röntgenstrahlen nicht im Körper entdeckt werden können, Sprengfallen, also Vorrichtungen zur Tötung oder Verletzung von Menschen, die unerwartet explodieren, wenn eine Person einen scheinbar harmlosen Gegenstand aus seiner Lage bringt, sich ihm nähert oder eine scheinbar ungefährliche Handlung vornimmt (sog. „booby-traps“, z.B. Coladosen, Teddybär), Brandwaffen sowie Laserwaffen, die hauptsächlich oder ausschließlich dazu bestimmt sind, eine dauerhafte Erblindung herbeizuführen, chemische Waffen, Antipersonenminen sowie Streumunition Fakt ist, die präparierten Pager sind Sprengfallen im Sinne des humanitären Völkerrechtes und damit ist der Masseneinsatz dieser Sprengefallen ein Kriegsverbrechen. Es hat also seinen Grund, warum Israel sich explizit nicht zu diesem Angriff bekennt. RE: Sechster Nahostkrieg - Grolanner - 21.09.2024 Rein der Diskussion halber: Das Völkerrecht greift bei Kriegen, also dem Konflikt zwischen Nationen. Die Hezbollah ist aber de fakto eine Terrororganisation mit einem politischen Arm, wie seinerzeit die, wenn ich nicht irre, IRA. Auch wenn, zumindest lt Wiki, Zitat:Als „Staat im Staat“ kontrolliert die Hisbollah den Libanon über ihre Miliz nicht nur militärisch, sondern über ihre Partei auch politisch.[1] Für den Libanon ist die Hisbollah militärisch bedeutsamer als die Streitkräfte des Libanon, die sich selbst als Unterstützer der Hisbollah sehen.ändert dies doch nichts daran, dass sie von vielen anderen Ländern eben nicht als "Staatsmacht" sondern eben als Terrororganisation eingestuft wird. Somit wäre es ein Schlag gegen den Terror gewesen und eben keine Kriegsaktion. Umkehrschluß: Geheimdienstaktion gegen eine terroristoische Vereinigung fällt nicht unter das Völkerrecht und ist somit zulässig. Und ja, mir ist bewußt, dass das ganz arge Grauzonen sind ![]() RE: Sechster Nahostkrieg - KheibarShekan - 21.09.2024 In einer Zeit, wo tagtäglich 1000-2000lbs schwere Bomben auf Geflüchtete, in sich x-fach wiederholenden Pattern auf mit Zivilisten gefüllte Schulen und Krankenhäuser abgeworfen werden, 2 Mio. Menschen auf der Flucht sind, diplomatische Auslandsvertretungen bombardiert werden, Bombenanschläge auf Diplomaten und Staatsgäste ausgeführt werden, ist es nicht mehr relevant, welche legalen und legitimen Methoden sich Israel dieses Mal mit den Pagern ausgedacht hat. Der Feind ist bereits völlig entrechtet und entmenschlicht worden. Es ist irgendwie nicht mehr so wichtig umfangreicher zu debattierten, inwieweit "Einzelfälle" dieses abstoßenden Gesamtbildes denn mit internationalen Regeln vereinbar waren oder nicht. Das Gesamtbild zeigt, dass es egal ist. Es ist alles egal. Der Bombenabwurf in Beirut mit 2 x 2000lbs(!!) GBUs aus US Produktion auf ein Mehrfamilienhaus in einem dichtbewohnten Wohngebiet ist ja nicht weniger perfide. Hier ist nicht einmal im Ansatz der Versuch erkennbar, Zivilisten zu schützen. Macht es noch Sinn darüber zu debattieren? Auf internationaler Ebene ist von der Weltgemeinschaft, insbesondere von den vermeintlichen Hütern von Recht und Ethik nichts zu erwarten. Einfach weil sie gar nicht so funktionieren, wie sie dem Rest der Welt glaubhaft machen. Im Zweifel wird man die "antisemitischen" Richter des Internationalen Strafgerichtshofs geheimdienstlich bestechen, bedrohen, erpressen oder töten, unter aktiver Beihilfe der amerikanischen "Weltpolizei" und stiller Akzeptanz der Gefolgschaft. In Wahrheit kennt man weder Grenzen der Gewalt noch irgendein Recht, Vertrag. Gewalt ist die einzige Sprache, die man versteht. Und daher wird Israel auch kein Recht für sich beanspruchen können. RE: Sechster Nahostkrieg - Kongo Erich - 21.09.2024 (20.09.2024, 21:41)Nightwatch schrieb: ....jetzt muss ich mich doch zu Wort melden: die zeitgleiche Explosion von hunderten oder noch mehr dieser "Pager" nahm keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, auf Frauen und Kinder am Markt, an einer Bushaltestelle oder in einer Kindergartengruppe. Das ist nach den Regeln des von Dir zitierten Kriegsvölkerrechts ein Kriegsverbrechen. Und das muss jetzt nicht mit dem Recht auf "Selbstverteidigung" geschönt werden, denn dieses Recht beanspruchen auch die hier angesprochenen Gruppen der Palästinenser seit der Besetzung von 1967 mit täglichen Schikanen, völkerrechtswidrigen Siedlungen und und und. Schlicht und ergreifend: dieses Vorgehen ist Sache für eine Anklage und eine gerichtliche Klärung, nicht aber für die Glorifizierung einer Geheimdienstaktion. Und wenn es jetzt zur Rechtfertigung aus Israel heißt: "Hisbollah soll Angriff wie Hamas geplant haben" - dann ist das 1. eine unbewiesene Behauptung und 2. auch wenn es stimmt eine Reaktion auf die vorhergehenden Aktionen des israelischen Staates, die auch als Terror verstanden werden können. RE: Sechster Nahostkrieg - Schneemann - 21.09.2024 @Kongo Erich Zitat:Und das muss jetzt nicht mit dem Recht auf "Selbstverteidigung" geschönt werden, denn dieses Recht beanspruchen auch die hier angesprochenen Gruppen der Palästinenser seit der Besetzung von 1967 mit täglichen Schikanen, völkerrechtswidrigen Siedlungen und und und...Hier handelt es sich durchaus um unterschiedliche Aspekte. Die Pager-Aktion bezieht sich auf eine Gruppe, die mit den Palästinensern oder den Folgen des Sechstagekrieges auf der Westbank recht wenig zu tun hat. Sie entstand deutlich später, im Verlauf der frühen 1980er, und sie entstand - ganz genau genommen und ähnlich wie die AMAL - auch nicht aus der Situation heraus, dass eine Art von Besatzung seitens Israels vorliegt oder vorlag, sondern als Schutzelement gegenüber den radikalen Palästinensern (!), denn es waren Arafat und seine PLO sowie die PFLP, die die Schiiten in der Bekaa-Ebene und im Südlibanon derart schikanierten (die Schiiten zählten seinerzeit zu den ärmsten Religionsgemeinschaften im Libanon), dass man zur Selbstverteidigung griff. Interessiert nur heute niemanden mehr und weiß vermutlich kaum jemand mehr. (Und ist vermutlich auch egal.) Im Jahr 1982 stürmte Zahal nach Norden, um dem wirren PLO-Spuk, nach mehrere blutigen Massakern an Zivilisten, den Garaus zu machen. Der Fehler der Israelis damals war u. a., dass man das Potenzial der Schiiten und ihre (vorsichtig ausgedrückt) stillschweigende Feindschaft zu den Palästinensern nicht erkannt hat (oder ignorierte). Aber jemand anderes hatte das Potenzial der schiitischen Milizen durchaus erkannt, aber im umgekehrten und negativen Sinne - und der saß in Teheran und hieß Khomeini und hatte eine eigene Agenda. Details spare ich mir, aber wir wissen, dass v. a. die USA und Israel darin vorkamen. Es war der Beginn eines langen Dramas, das wir heute immer noch verfolgen können. In der Folge kam es nicht nur zu Entführungen, Mord und Folter im Libanon, sondern auch zu verheerenden Suizidanschlägen - anbei: der Selbstmordattentäter war keine sunnitische und auch keine palästinensische "Erfindung", sondern die "Idee" ging auf die Schiiten zurück. Das, was Hamas und Co. später praktizierten, wurde in den 1980ern im Libanon begründet. Die Pager-Aktion hat also jemanden getroffen, der nichts mit irgendwelchen Besatzungszonen oder Siedlungen zu tun hat - auch wenn er es anders darstellt -, sondern einen verlängerten, herangezüchteten, bewaffneten, terroristischen Arm eines erzkonservativen theokratischen Regimes. Ob damit die Pager-Aktion legal oder illegal oder ein Kriegsverbrechen war oder nicht, lasse ich offen. Ich bin hier selbst zu keinem klaren Ergebnis gekommen. @KheibarShekan Zitat:Auf internationaler Ebene ist von der Weltgemeinschaft, insbesondere von den vermeintlichen Hütern von Recht und Ethik nichts zu erwarten.Das hört sich aber nun sehr enttäuscht hat. Und zugleich kannst du dich nun auch selbst hinterfragen. Wenn etwa in der UN eindeutig und unzweifelhaft blutrünstige Regime gewisse Mehrheiten für Beschlüsse gegenüber Israel generieren oder wenn diese finsteren Gestalten mit ihren Foltergefängnissen dann Verurteilungen von wegen der Menschenrechtslage in Israel vornehmen, stehst du meistens leider recht unkritisch hinter solchen Verlautbarungen und siehst sie als Maßstab an (zumindest ist das so deutbar). Wenn das Pendel aber zurückschlägt, dann sind alle böse und doof. Schneemann RE: Sechster Nahostkrieg - Nightwatch - 21.09.2024 (21.09.2024, 10:28)Quintus Fabius schrieb: Fakt ist, die präparierten Pager sind Sprengfallen im Sinne des humanitären Völkerrechtes und damit ist der Masseneinsatz dieser Sprengefallen ein Kriegsverbrechen.Nein, das ist falsch. Die Pager wären Sprengfallen gewesen wenn man sie so präperiert hätte, dass sie durch eine gewöhnliche Interaktion des Benutzers explodiert werden. Das ist nicht der Fall, die Pager wurde durch ein Funksignal gesprengt. Das waren einfach ferngezündete Bomben die man dem Feind hat unterjubeln können. Kongo Erich schrieb:die zeitgleiche Explosion von hunderten oder noch mehr dieser "Pager" nahm keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, auf Frauen und Kinder am Markt, an einer Bushaltestelle oder in einer Kindergartengruppe.Mal davon abgesehen, dass weder Hezbollah noch Hamas mangels Staatlichkeit ein recht auf Selbstverteidigung haben - es sind schlicht Terrororganisationen - aus welchen Vorschriften genau soll sich ergeben, dass ein die Sprenung der Pager ein Kriegsverbrechen darstellt? Einfach Kriegsverbrechen zu schreiben ist kein Argument. Der Umstand, dass die Sprenung zeitgleich erfolgte ist irrelevant. Der Umstand, dass auch Zivilisten betroffen waren hält angesichts des immensen militärischen Vorteils der durch den Angriff entstanden is jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung stand. Ich weiß echt nicht wo hier das Problem liegen soll. Israel befindet sich im Krieg mit der Hezbollah. Israel hat im Rahmen des Kriegsvölkerrechts das Recht, die Hezbollah bis zur Vernichtung oder Kapitulation zu bekämpfen. Solange die dabei angewandten Methoden selbst zulässig sind gibt es keine rechtliche Beschränkgung hinsichtlich des Ausmaßes des israelischen Vorgehens. Die konkrete Umfunktionierung von Pagern zu Bomben ist unproblematisch. Es sind keine getarnten Gegenstände die von sich aus explodieren wenn wer auch immer sie anfässt, es sind direkt von feindlichen Kämpfern genutzte Kommunikationsmittel die durch ein Signal von außen gesprengt wurden. Nicht anders als wenn man ihnen eine Bombe untergejubelt und diese per Fernzündung hätte explodieren lassen. Bei der Aktion kamen Zivilisten zu schaden. Das ist angesichts des Umfangs des Angriffes nicht vermeidbar. Dies wäre im Sinne des Kriegsvölkerrechts nur dann unzulässig, wenn die erwartbar entstehenden Kollateralschäden außer Verhältnis zum erwartbar entstehenden militärischen Vorteil wären. Hier konnte Israel erwarten, wesentliche Teile des Kommunikationsnetzwerkes der Hezbollah auszuschalten und hunderte der dafür eingesetzten Kämpfer durch Verwundung für lange Zeit aus dem Verkehr zu ziehen. Der daraus enstehende militärische Vorteil ist schlicht und ergreifend gewaltig. Demgegenüber war zu erwarten, dass ein gewisser geringer Prozentsatz der Pager bei der Explosion Zivilisten Schaden zufügen würde. Zerschlagung der Kommunikationsnetze und Neutralisierung hunderte Kämpfer der Hezbollah vs im Maximum erwartbar vielleicht einige wenige Dutzend tote Zivilisten. Das ist überhaupt keine Frage, diese Kollateralschäden stehen keinesfalls außer Verhältnis zum militärischen Vorteil. (21.09.2024, 10:54)Grolanner schrieb: Und ja, mir ist bewußt, dass das ganz arge Grauzonen sindDein Argument ist zwar nicht falsch, aber es wird da gerne über das Völkergewohnheitsrecht argumentiert oder mit dem Argument, dass sich Staaten an das Kriegsvölkerrecht halten müssen auch wenn sie einen Gegner bekämpfen der sich mangels legitimen Status nicht mal darauf berufen kann. Mit der Realität hat das alles nichts zu tun, es ist eine Fikition die man in verschiedene Richtungen politisch nutzen kann. Was die Pager angeht würde jedes Argument hinsichtlich Sprengfalle schon an dem Umstand scheitern, dass Israel der einschlägigen "The Convention on Certain Conventional Weapons" von 1983 nie beigetreten ist. Genausowenig wie übriges der Libanon, der Iran, die USA, Russland, China... RE: Sechster Nahostkrieg - KheibarShekan - 21.09.2024 Zitat:Israeli strike on Gaza school-turned-shelter kills at least 22 peoplehttps://www.thenationalnews.com/news/mena/2024/09/21/israeli-strike-on-gaza-school-turned-shelter-kills-at-least-21-people/ Zitat:119 killed in Gaza in the past 72 hours, says Health Ministryhttps://www.thenationalnews.com/news/mena/2024/09/21/israel-gaza-war-live-beirut-hezbollah/ Und über die Helden des Alltags... Zitat:Palestinian carpenter makes wooden slippers for displaced children in Gazahttps://www.bignewsnetwork.com/news/274611425/palestinian-carpenter-makes-wooden-slippers-for-displaced-children-in-gaza RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 21.09.2024 Zitat:Israel hat im Rahmen des Kriegsvölkerrechts das Recht, die Hezbollah bis zur Vernichtung oder Kapitulation zu bekämpfen. Das ist meiner Ansicht nach ein entscheidender Satz. Meine Ausführungen dazu beziehen sich jetzt nicht auf den welcher ihn geschrieben hat sondern im allgemeinen. Meiner Meinung nach ist es das primäre Problem in diesem Konflikt, wie auch in vielen anderen Kriegen welche der Westen oder andere führten, dass man sich den Sieg immer absolut vorstellt (Vernichtung / Kapitulation) und dass man im Krieg schlussendlich damit maximale / totalitäre Ziele verfolgt (Vernichtung der Hamas etc.). Genau das ist das Problem. Man versucht Extreme zu erreichen, maximale Ziele, kompromisslose Endzustände und verschenkt damit immens viel Potential. Mit einer begrenzteren Zielsetzung wie auch einer begrenzteren Kriegsführung könnte man sich langfristig meiner Meinung nach besser positionieren. Indem man aber immer nur Extremata verfolgt, erhöht sich nur das Risiko des Scheiterns und insbesondere das Risiko langfristig keines dieser Ziele erreichen zu können. Gerade dadurch, weil man immer nur absolute und eindeutige und maximale Forderungen und Vorstellungen hat, genau dadurch verbaut man sich im Krieg immens viele Möglichkeiten. RE: Sechster Nahostkrieg - Nightwatch - 21.09.2024 Das ist dann aber eine Diskussion um strategische Ziele, nicht um Rechtsfragen. Das Israel das Recht hat (bzw. jedes andere legitime Völkerrechtsubjekt auch) einen Angreifer im Rahmen des Kriegsvölkerrechts bis zur Vernichtung zu bekämpfen impliziert nicht notwendigerweise, dass es strategisch sinnvoll wäre dies zu tun. Ich fordere das auch nicht, weder im Bezug auf die Hezbollah noch auf die Hamas. Und mindestens in Bezug auf die Hezbollah reduzieren sich die offizielen Kriegsziele auch darauf, die Herrschaften hinter den Litani zu drücken um einen 7. Oktober an der Nordgrenze ausschließen zu können. Die Eroberung Beiruts oder dergleichen fordert niemand. RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 22.09.2024 Zitat:Das Israel das Recht hat (bzw. jedes andere legitime Völkerrechtsubjekt auch) einen Angreifer im Rahmen des Kriegsvölkerrechts bis zur Vernichtung zu bekämpfen Genau genommen hat ein solches Völkerrechtssubjekt das Recht den Angreifer solange zu bekämpfen bis dieser seinen Angriff einstellt oder bis der Sicherheitsrat Maßnahmen ergreift. Was ja beides nicht der Fall ist. Um aber meine Aussagen zur Frage des Rechts in den richtigen Kontext zu rücken: Ich schreibe ja oft, dass Recht ein Instrument ist, ein Mittel zum Zweck, ein nutzbarer Vorteil. Damit es dies aber sein kann, muss es zumindest benutzt werden, es muss also vorhanden sein. Gibt es gar kein Recht, kann man dieses auch nicht zu seinem Vorteil nutzen. Nun kann man aus der Position des aktuell Stärkeren natürlich annehmen, dass man selbst durch das Recht behindert wird und es nicht relevant ist, dass man es selbst nicht einhält. Es ist aber trotzdem relevant, weil man damit unnötig Vorteile verschenkt. Als Gegenargument kommt dann immer, dass der Gegner sich ja auch nicht daran hält oder sich in Wahrheit nicht daran hält und man ansonsten erhebliche Nachteile hätte. Das sehe ich aber nicht so. Stattdessen könnte man das Recht dennoch zu seinem Vorteil nutzen. Deshalb: Zitat:Das ist dann aber eine Diskussion um strategische Ziele, nicht um Rechtsfragen. sind solche Rechtsfragen für mich nicht so klar von der Frage der strategischen Ziele trennbar. Beziehungsweise, sie sind mit der Frage der Strategie und der politischen Ziele eng verknüpft. Ebenso die Frage, wie total die eigene Kriegsführung ist und wie extremistisch man in militärischen Belangen vorgeht. Begrenzung, begrenzte Kriegsziele, Zurückhaltung usw. können oft Vorteilhaft sein, insbesondere wenn man die langfristigen Konsequenzen bedenkt, die Fernwirkungen und damit gerade eben die Frage der strategische Ziele. Das offizielle Kriegsziel Israels gegenüber der Hamas ist nun ein solches extremistisches Ziel: die vollständige Vernichtung der Hamas. Wenn ich ein solches Ziel verfolge, muss ich aber auch die dafür notwendigen Handlungen vornehmen und auch das erfolgt nicht (beispielsweise ist dann eine Besatzung des Gaza Streifens unumgänglich, ebenso eine längere COIN Kampagne etc.) Es ist auch recht interessant wie sehr sich pro-israelische Kreise gegen eine solche Besatzung sträuben, obwohl praktisch-real ja bereits hier und heute weite Teile des Gazastreifens durchaus besetzt sind. Aber man will nichts darüber hinaus und so führt man auf extremistische Weise Krieg, ohne aber die eigentlich notwendigen Dinge zu tun, um das extremistische Kriegsziel wirklich erreichen zu können. So wird man langfristig nur verlieren. Wenn Israel diese Art und Weise in der Verfolgung seiner strategischen Ziele so fortführt, bezweifle ich rein persönlich, dass es auf Dauer überleben wird. Beschließend zu dem Ziel die Hisbollah hinter den Litani zurück zu drängen: Vom Litani bis zur Grenze sind es zwischen 15 km und 35 km wenn ich mich recht entsinne. Reicht das ?! Und was soll dadurch langfristig gewonnen sein ? Und wird der Feind sich überhaupt je darauf einlassen und warum sollte er ? Darüber hinaus hat Israel im gesamten Südlibanon weitflächig aktuell durch seinen Dauerbeschuss die Zivilbevölkerung vertrieben. Und zwar mehr Menschen als umgekehrt in Nordisrael geflohen sind. Schlussendlich stehen sich beide Seiten in einer Fehlwahrnehmung vermeintlich deterministischer Entwicklungen gegenüber, und berauben sich beide damit jedweder Zukunft. Die einen früher, die anderen später, aber beide gleichermaßen. |