Schiffsnamen - Druckversion +- Forum-Sicherheitspolitik (https://www.forum-sicherheitspolitik.org) +-- Forum: Hintergründe (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=97) +--- Forum: Allgemeine fachbezogene Diskussionen (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=98) +--- Thema: Schiffsnamen (/showthread.php?tid=1130) |
- pseunym - 08.06.2005 Allgemein finde ich das benennen von Schiffen nach Personen der Zeitgeschichte nicht sonderlich gut. Ersten gibt es niemanden, der nur "Gutes" getan hat, und zweitens gibt es kaum Menschen, die dass, was sie erreicht haben, alleine erreicht haben, sondern immer mit der Hilfe (vieler) anderer, die nicht geehrt werden. Zudem waere eine solche Namenswahl doch sehr stark von der jeweils regierenden Partei abhaengig, und fuer Parteipolitik sind Schiffe der Marine einfach zu schade. Zudem, was mache ich, falls nach Jahren dann doch irgendwelche extrem dunkle Flecken auftauchen (z.B. Parteispendenaffaeren, um nur ein Beispiel zu nennen)? Das Schiff dann umbennen? Deshalb lieber nach Laendern, Staedten oder auch Landschaften und Seen bennen (was als Nebeneffekt zu einer staerkeren Verankerung (und letztendlich auch Respekt) der Marine in den jeweiligen Gegenden fuehrt, was ich mit der "Wiederbelebung" alter, z.T. adeliger, Schiffsnamen nicht erreichen kann), oder, wie es die RN teilweise macht, eher "abstrakte" Namen waehlen. Wenn ich Namen wie Bismarck, Tirpitz, Gneisenau, Hipper oder Graf Spee verwende, "ehre" ich nicht nur die Schiffe entsprechenden Namens, sondern auch die urspruenglichen Persoenlichkeiten und deren Gedanken. Ob ein demokratischer Staat wie D. dann Personen ehren soll, die keine demokratischen Anwandlungen gezeigt haben, sondern in einer Monarchie ganz gut gelebt haben und auch zu deren Verfechtern gehoerten (egal welche (lobenswerten) anderen Erfolge und Leistungen sie hatten *1), ist offen zur Diskussion. Meine Meinung dazu ist ein definitives nein. *1: Ausnahme Tirpitz: Bei ihm faellt mir nichts wirklich postives ein. Seine Marinedoktrin und Ruestungspolitik hat zwar D. zur Seemacht gemacht, aber, aufgrund eines voellig fehlgeleiteten Politikverstaendnisses, gleichzeitig in massive Gegnerschaft zum UK gebracht, damit letztendlich UK in die Arme von F getrieben und damit das Schicksal D's im WK I mitbegruendet. - Wolf - 08.06.2005 Zitat:pseunym posteteDie Ideen hinter den historischen Namen sind natürlich nicht so eindimensional wie du das ausführst. Neben politischen Erwägungen, z.B. in der kaiserlichen Marine, mit denen man die Bevölkerung über den Bekanntheitsgrad der Namen und deren "Image" an die Flotte binden wollte, spielen natürlich auch ganz praktische Erwägungen eine Rolle. Erinnern wir uns an die Namen der deutschen Zerstörer im WK2, so finden wir dort die Namen einfacher Mannschaften, die im WK1 beim Versuch ihre Schiffe zu retten umkamen oder die buchstäblich mit ihren Geschützen feuerten bis ihnen das Wasser auf ihren sinkenden Schiffen bis zum Hals stand. Der Name des Schiffes soll hier genutzt werden die Leistungen der eigenen Besatzung zu "maximieren". Eigentlich kein schlechter Gedanke. Wenn dann herrauskommt das einer von denen ein notorischer Trinker war, einer seine Frau schlug, oder was auch immer, wirkt sich das, anders als bei berühmten Personen, weniger schädlich aus. Die Benennung nach Bundesländern und Städten hilft natürlich diese Landstriche in der Welt bekannter zu machen, indem der Name bei Weltreisen der Schiffe überall verbreitet wird. Hilft ggf. dem Tourismus - oder so. Zitat:Seine Marinedoktrin und Ruestungspolitik hat zwar D. zur Seemacht gemacht, aber, aufgrund eines voellig fehlgeleiteten Politikverstaendnisses, gleichzeitig in massive Gegnerschaft zum UK gebracht, damit letztendlich UK in die Arme von F getrieben und damit das Schicksal D's im WK I mitbegruendet.Das völlig fehlgeleitete Politikverständniss lag bei Wilhelm II und nicht bei Tirpitz. Das der die Ausbildung der Besatzungen reorganisierte und die Baustandards der Schiffe anhob, gehörte zu seinen regulären Aufgaben. Er beschaffte weder die Mittel zum Schiffsbau, noch fällte er letztlich die Entscheidung zum Bau. Da er sich später offen gegen den politischen Provokationskurs von Wilhelm II stellte wurde er gefeuert. Ich denke ihm ist letzlich nicht viel vorzuwerfen. - Tiger - 08.06.2005 @pseunym Wenn ich die Namen von Personen aus der Zeit der Befreiungskriege als Schiffsnamen verwende, ehre ich da nicht das Bestreben der entsprechenden Personen (z.B. Blücher, Gneiseau, Königin Luise, Lützow) ihre Heimat in die Freiheit von einem Tyrannen, nämlich Napoleon Bonaparte, zu führen? Was Personen aus dem Kaiserreich betrifft: Deutschland war damals zwar eine Monarchie, aber eine konstitutionelle Monarchie. Sicher hatte diese Monarchie ihre Fehler, aber ihr Untergang war nicht gewünscht. - Turin - 08.06.2005 Zitat:ehre ich da nicht das Bestreben der entsprechenden Personen (z.B. Blücher, Gneiseau, Königin Luise, Lützow) ihre Heimat in die Freiheit von einem Tyrannen, nämlich Napoleon Bonaparte, zu führen?Na ja, sagen wir lieber Unabhängigkeit statt Freiheit. Denn hier stand letztendlich Monarch gegen Monarch. Und das Wort "Tyrann" dürfte auch etwas fehl am Platze sein, Napoleon hat sich um die Bürgerrechte etc. vermutlich verdienter gemacht als es Luise oder Lützow je hätten tun können/wollen... Von seiner außenpolitischen Aggressivität auf "Tyrannei" zu schließen, ist etwas gewagt. - pseunym - 09.06.2005 Da kann ich Turin nur zustimmen. Die "Befreiungskriege" dienten nicht der Befreiung des Volkes, sondern der der Herschenden. Napoleon war in der Innenpolitik weit moderner und ziviler als die damalige preussische Führungsschicht. Für jede Marine sind Namen von Orten oder Gegenden sicher nützlicher und gewinnbringender als die von irgend welchen alten Personen der Politik. Frei nach Rickover: Tote haben keine Wahlrecht. - Tiger - 09.06.2005 @Turin Da irrst du dich aber! Das Reich von Napoleon Bonaparte wer ein Polizeistaat, es war dort ganz üblich, Journalisten wegen "schlechter Gesinnung" zu verhaften, und auch andere Bürger konnten aufgrund ihrer Einstellung in den Knast wandern. Es reichte aus, als Jakobiner denunziert zu werden... Informiere dich doch mal darüber, wieviel Macht der Polizeiminister im System Bonaparte, Fouche, hatte! Es sei zudem auch bemerkt, daß viele Personen, die sich im Verlauf der Befreiungskriege verdient gemacht haben, durchaus hehre Ideale waren. Die Erfüllung dieser Ideale ist dann leider 1848 grausam enttäuscht worden. - Turin - 09.06.2005 Zitat:Da irrst du dich aber! Das Reich von Napoleon Bonaparte wer ein Polizeistaat, es war dort ganz üblich, Journalisten wegen "schlechter Gesinnung" zu verhaften, und auch andere Bürger konnten aufgrund ihrer Einstellung in den Knast wandern. Es reichte aus, als Jakobiner denunziert zu werden...Ich habe nie behauptet, dass das napoleonische System perfekt war. Napoleon herrschte in einer Zeit, in der die Gemüter durch die Schreckensherrschaft der Jakobiner tief bewegt waren, daher sind diese leichtfertigen Urteile zumindest nachvollziehbar. Man schaue sich nur die Mentalität der Amerikaner und ihr Mißtrauen gegen jegliche Araber nach dem 11. September an, und dieser Vorfall reichte bei weitem nicht an das Blutbad heran, das die Jakobiner verursacht hatten. Diese Handlungsweise allein Napoelon anzurechnen, ist daher gelinde gesagt naiv, sie übersieht die Umstände der Zeit und verwechselt die Übergangszeit von den Jakobinern zu Napoleons Herrschaft als Dauerzustand, der sie nicht war. Zitat:Informiere dich doch mal darüber, wieviel Macht der Polizeiminister im System Bonaparte, Fouche, hatte!Diese Hoffnungen auf Erfüllung wurden nicht erst 1848 enttäuscht, sondern schon 1815. Die Befreiungskriege sind eine Propaganda der damaligen Zeit, informiere du dich lieber mal über die damaligen Akteure, ich empfehle besonders den Aufruf Friedrich Wilhelms des III. an "alle Deutschen". Komischerweise wollte er sich dann 1815 nicht mehr an sein Verfassungsversprechen erinnern. Das zeigt exemplarisch die Mentalität der damals beteiligten Politiker/Souveräne, die wenig an Befreiung, aber sehr viel mehr an Machterhalt bzw. -wiederherstellung interessiert waren. Napoleon dagegen kann mit dem "Code civil" das bedeutendste bürgerliche Gesetzbuch der Moderne vorweisen, das der Willkürherrschaft und Fraktionalisierung der Rechtssysteme ein Ende zu setzen vermochte. Trennung von Kirche und Staat, Freiheit und Schutz des Individuums, Gleichheit vor dem Gesetz etc. Ich kann mich nicht erinnern, dass solche Denkansätze von Luise oder einem preußischen General kamen... Fouché als Beispiel für Napoelons Auffassung von Herrschaft zu nennen, verfehlt ebenfalls die Realität. Dieser Mann war in der Tat eine untragbare und blutrünstige Person. Nicht umsonst wurde er 1802 von Napoleon entlassen und das Ministerium aufgelöst (einen Fakt, den du anscheinend übersehen hast). Nur spielen wie gesagt die Umstände der Zeit eine nicht unerhebliche Rolle und Napoleon konnte sich nur auf die wenigsten Personen ernsthaft verlassen. Das und Fouchés unleugbare Begabung und Ehrgeiz erklären einzig und allein, warum er in einer ausgesprochen turbulenten Zeit mit Unterbrechungen immer wieder in verschiedenen Ämtern war. edit: Oh, und was den Polizeistaat angeht: Schau dir mal die Innenpolitik Preußens zwischen 1815 und 1848 an. Das sind deine "Befreier"... :evil: Sicher hat es während der napoleonischen Kriege auch Personen mit hehren Idealen gegeben. Nur schilderst du hier krass einseitige Verhältnisse mit Schwarz-Weiß-Malerei im besten Stil. Du glorifizierst die preußische Seite und verteufelst alles, was mit Napoelon irgendwie zu tun hat. edit, die 2.: Um zum Thema zurückzukommen - diese Diskussion zeigt hervorragend, dass historische Namen, insbesondere die von Politikern/Souveränen problematisch sind und immer bleiben werden. Keiner dieser Menschen war perfekt oder lässt sich auf bestimmte Verdienste herunterrechnen. Daher schließe ich mich pseunym an, die Benennung nach Orten/Ländern etc. macht deutlich mehr Sinn. - Tiger - 09.06.2005 @Turin Zitat:Die Befreiungskriege sind eine Propaganda der damaligen Zeit,Würde ich nicht sagen. Noch kurz nach dem Ende des Feldzuges von Napoleon gegen Rußland war die Stimmung pro-französisch. Theodor Fontane hat die damalige Stimmung ganz gut in "Vor dem Sturm" aufgefangen. Zitat:informiere du dich lieber mal über die damaligen Akteure, ich empfehle besonders den Aufruf Friedrich Wilhelms des III. an "alle Deutschen".Ich habe nicht behauptet, daß alle damaligen Akteure im besten Sinne aller gehandelt haben. Jahn z.B. war ein widerlicher Antisemit, und von Stein war willens, für seinen Franzosenhaß alles zu opfern - im Gegensatz zu Hardenberg. Was Friedrich Wilhelm III betrifft: Er war ein Politiker, und wir sind uns wohl darin einig, daß Politiker die schlimmsten Feinde der Militärs sind. Ich kann mich zudem auch nicht erinnern, Friedrich Wilhelm III als Vorbild genannt zu haben. Der Undank, mit denen er manchem Akteur der Befreiungskriege begegnete, ist doch erbärmlich. Zitat:Trennung von Kirche und Staat, Freiheit und Schutz des Individuums, Gleichheit vor dem Gesetz etc. Ich kann mich nicht erinnern, dass solche Denkansätze von Luise oder einem preußischen General kamen...Sie kamen allerdings auch nicht von Napoleon Bonaparte, sie entstammten dem Geist der Aufklärung, der zu jener Zeit in Frankreich ebenso wirksam war wie in Preußen. Zitat:Nicht umsonst wurde er 1802 von Napoleon entlassen und das Ministerium aufgelöst (einen Fakt, den du anscheinend übersehen hast).Fouche wurde eher nach oben befördert, er wurde 1804 Innenminister und 1809 Herzog von Otranto. Während der Herrschaft der 100 Tage von Napoleon 1815 war er übrigens wieder Polizeiminister... <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.weltchronik.de/bio/cethegus/f/fouche.html">http://www.weltchronik.de/bio/cethegus/f/fouche.html</a><!-- m --> Zitat:edit: Oh, und was den Polizeistaat angeht: Schau dir mal die Innenpolitik Preußens zwischen 1815 und 1848 an. Das sind deine "Befreier"...Ja, nach dem Ende der Befreiungskriege begann leider der Verfall. Die Befreier verloren nach 1815 ihren Einfluß. Hardenberg und Stein konnten nur einen Bruchteil ihrer Reformen verwirklichen... Verdammt, es ist vielleicht schon wieder ein neuer Thread fällig... Kommen wir hier mal lieber wieder zum Thema "Schiffsnamen" zurück. - Wolf - 09.06.2005 Zitat:Turin posteteDie Befreiungskriege sind eine Propaganda der damaligen Zeit, informiere du dich lieber mal über die damaligen Akteure, ich empfehle besonders den Aufruf Friedrich Wilhelms des III. an "alle Deutschen".Da der Befreiungskrieg nicht von ihm geplant, gestartet oder mitgeplant wurde, hatte er, als Poltiker, gar keine Wahl (wie Tiger so richtig sagte) als auf den Zug noch schnell propagandistisch aufzuspringen. Man hätte ihn sonst möglicherweise gestürzt. Und später, nun ja: "Gegen Demokraten, helfen nur Soldaten". |