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- Shahab3 - 02.11.2006

Zitat:Nach meiner Überzeugung können das nur Kontingente aus arabischen Staaten sein, also aus Einheiten der arabischen Bruderländer (Arabische Liga), die vor allem im sunnitischen Teil des Irak die "Besatzungstruppen" ersetzen sollten - baldmöglichst, d.h. unverzüglich.
Die Amerikaner können im kurdischen Norden bleiben (dort wären sie willkommen), und im schiitisch-arabischen Südirak müssten inzwischen die inzwischen aufgebauten eigenen Truppen (ggf. unter Integration der schiitischen Milizen als Hilfseinheiten) in der Lage sein, für "Ruhe und Ordnung" zu sorgen.
In dieser Konstellation würde der Konflikt erstrecht eskalieren und auf anderen Länder übergreifen.


- Venturus - 02.11.2006

Ich bezweifle stark, daß das noch etwas helfen würde. Es geht mittlerweile nicht mehr darum, daß die Amerikaner dort unten auf gut deutsch gesagt Scheiße gebaut haben, sondern das der Irak zum Kriegsschauplatz für den Kampf gegen Amerika geworden ist. Jeder der dort die Amerikaner zu ersetzen versuchen würde, hätte gleich den Ruf eines Kollaborateurs (haben viele arabische Länder ja jetzt schon). Ich befürchte sogar, daß ein Engagement der Liga eher die Situation im gesamten Nahen Osten noch verschlimmern würde. Man siehe nur die Allianz zwischen den USA und Pakistan und welchen Widerstand dies auf der Strasse und im eigenen Militär hervorgerufen hat. Ich fände es nicht so prall, wenn bisher stabile arabische Staaten plötzlich in dieselbe Richtung eiern würden.

Edit: War der Shahab schneller. Big Grin


- Shahab3 - 02.11.2006

Zitat:Ich fände es nicht so prall, wenn bisher stabile arabische Staaten plötzlich in dieselbe Richtung eiern würden.
Ich sehe derzeit keine stabilen arabischen Staaten. Genau das ist ja das Problem. Die arabischen Diktatoren haben Angst um ihre Macht. Eben da sie selbst wissen auf welch tönernden Füßen ihre Macht gebaut ist. Es geht ja nicht darum, dass Partei XY die nöchste Wahl fürchtet, sondern der Regent auf Lebenszeit das nächste Attentat, oder eine Revolution unterdrückter Bevölkerungsteile (zu denen gehören vor allem auch die Schiiten, Kurden und einige religiöse Kräfte. Ein Aufbegehren der jahrhunderteland unterdrückten Gruppen wird man nicht gestatten. Eine involvierung dieser Partien im Irak, wäre daher eine Katastrophe.

Ich verstehe des weiteren nicht, warum man nicht mehr mit den Iranern kooperiert. Letzendlich war unter den Attentätern aus London, Madrid und New York kein einziger Iraner, oder Schiit. Sondern Leute aus den Ländern zu denen man freundschaftliche Beziehungen führt. Lustigerweise sind die arabischen Regierungen dort auch in die Aktivitäten dieser Gruppen involviert. Jedenfalls dort, wo es ihrem Machtausbau und Erhalt zuträglich ist...da kann man ganz konkret Pakistan und Saudi-Arabien nennen, ohne die aus den Taliban nicht diese gefährliche Kraft geworden wäre und ohne die auch Saddam schnell das Geld ausgegangen wäre nd er sich niemals so hätte aufrüsten können. Die ganze Strategie aus Freund und Feind ist falsch belegt. Mit dem Irak hat man ein Schlachtfeld eröffnet was man den Kriegsparteien der Sunniten, Schiiten und Kurden durchaus überlassen könnte. Es kommt darauf an, ob man das will und ob sich die gewünschte Seite damit durchsetzt. Frieden wird es so bald nicht geben. Sondern erst dann wenn wirklich das Volk in der gesamten Region selbst entscheiden kann. Ohne Unterdrückung durch Kolonialmächte, oder Statthalter-Regierungen.


- Lara - 02.11.2006

Zitat:.... Die Einfürung einer irakischen Verfassung ohne die Scharia als Gesetzgebungsquelle wird dann vermutlich vielleicht zu einem blutigen Machtampf ausarten. Oder man einigt sich auf ein Kompromiß dahingehend, daß Scharia-Recht regional zuzulassen, also in schiitisch dominierten Regionen - samt Steinigung. Und das kann man nicht zulassen, eine solche barbarische Strafe würde Bush unglaubwürdg machen. Oder Sadr bzw. "sein" Umfeld geht auch ein Kompromiß ein und läßt die Steinigung als Strafe weg.
Soweit ich weiß ist Scharia kein starres Recht, es würde also darauf ankommen was danach verhandelt werden soll. Im Grunde wäre es gar nicht mal soo schlecht die Scharia, in einer moderaten Form selbstverständlich, einzuführen.
Der Irak ist zu großen Teilen eine Stammesgesellschaft, dass heißt die Morde usw. würden von den Clan´s behandelt werden. So ließe sich m. Meinung nach eine Menge an Rachemorden verhindern, denn die Scharia läßt den Angehörigen die Wahl zwischen einem Blutgeld oder einer Strafvollstreckung.

Würde man die einzelnen Gruppen (Schiiten, Suniten und Kurden) am Erlös des Eröls beteiligen hätten sie Geld, Geld für Infrastruktur, Wohlfahrt oder zum bezahlen des Blutgeldes.
Die tatsächlichen Mörder müßten noch nicht einmal feststehen, ein toter Schiit und die Suniten und Kurden müssen zahlen.


- Venturus - 03.11.2006

Zitat:Shahab3 postete
Ich verstehe des weiteren nicht, warum man nicht mehr mit den Iranern kooperiert.
Solang Mahmud an der Macht ist und seine großen Töne spukt, kann und wird es sich kein westlicher Staat leisten mit ihm zusammenarbeiten. Du wirst jetzt gleich das Gegenbeispiel Bush bringen. Sicherlich auch berechtigt, aber mit welchem Großmaul würdest du an Stelle der westlichen Staaten eher paktieren? Mit einem mit dem du schon seit Jahrzehnten alliert bist und kulturell zumindest hier und da ein paar Gemeinsamkeiten hast oder mit jemanden mit dem du schon seit Jahrzehnten häufig auf Kriegsfuß standes und kulturell bestenfalls über drei Ecken was zu tun hast?

Und was die USA und Israel angeht - eher "faulen" denen sämtliche Glieder ab, als das sie direkt versuchen würden mit dem Iran zu einer gemeinsamen Position zu kommen. Da ist über die Jahre zuviel Porzellan zerschlagen worden. Selbst wenn Kerry die letzte Wahl gewonnen hätte, wären wir zum jetzigen Zeitpunkt bestenfalls noch im Stadium eines vorsichtigen Beschnupperns. Und vermutlich mit einem Israel an der Backe, was sich verraten und verkauft vorkommen würde (was der Stabilität da unten auch nicht wirklich weiterhelfen würde).


- Shahab3 - 03.11.2006

@Lara

Zitat:Soweit ich weiß ist Scharia kein starres Recht, es würde also darauf ankommen was danach verhandelt werden soll. Im Grunde wäre es gar nicht mal soo schlecht die Scharia, in einer moderaten Form selbstverständlich, einzuführen.
Soweit ist ich weiss, ist die Sharia bereits als Rechtsgrundlage weitestgehen eingeführt.

Zitat:Würde man die einzelnen Gruppen (Schiiten, Suniten und Kurden) am Erlös des Eröls beteiligen hätten sie Geld, Geld für Infrastruktur, Wohlfahrt oder zum bezahlen des Blutgeldes.
Womit wir bei einem der größten Streitpunkte wären. Der Streit um die Vertreilung der Reichtümer des Irak. Da beanspruchen die Kurden das erdölreiche Kirkuk, die Schiiten den Süden um Basrah. Die Sunniten schauen dabei mehr oder weniger dumm aus der Wäsche. Es dürfte schwierig sein dabei eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. "Gerechtigkeit" unterliegt doch teilweise sehr subjektiver Wahrnehmung. Eine weitestgehende Selbstverwaltung der einzelnen Zonen dürfte das Problem noch komplizierter machen.

@Venturus
Zitat:Solang Mahmud an der Macht ist und seine großen Töne spukt, kann und wird es sich kein westlicher Staat leisten mit ihm zusammenarbeiten. Du wirst jetzt gleich das Gegenbeispiel Bush bringen. Sicherlich auch berechtigt, aber mit welchem Großmaul würdest du an Stelle der westlichen Staaten eher paktieren?
"Paktieren"? Da wollen wir die Kirche schonmal im Dorf lassen. Das steht garnicht zur Debatte. Es geht um Pragmatik, nicht um Freundschaft.

Zitat:Mit einem mit dem du schon seit Jahrzehnten alliert bist und kulturell zumindest hier und da ein paar Gemeinsamkeiten hast oder mit jemanden mit dem du schon seit Jahrzehnten häufig auf Kriegsfuß standes und kulturell bestenfalls über drei Ecken was zu tun hast?
Welche kulturellen Gemeinsamkeiten siehst Du mit Saudi-Arabien, Jordanien oder dern Vereinigten Arabischen Emiraten?

Zitat:Und was die USA und Israel angeht - eher "faulen" denen sämtliche Glieder ab, als das sie direkt versuchen würden mit dem Iran zu einer gemeinsamen Position zu kommen.
Vor dem Afghanistanfeldzug haben sich die Amis gerne die Glieder "abfaulen" lassen, um sich Irans Rückendeckung zu sichern. Da hat es einige Treffen gegeben, die erst eine Zusammenarbeit der USA mit der Nordalliantz ermöglichte. Das ist ja kein Geheimnis.

Auch im Irak fährt der Iran bislang einen recht kooperativen Kurs. Was einen nicht zu wundern braucht, da eine demokratische Wahl den Schiiten in die Hände spielt Wink

Wie gesagt. Es geht um die reine Pragmatik. Um die Sicherung des Friedens. Dieser Weg führt zwangsläufig über engere Abstimmung mit Teheran. Ob man will, oder nicht.


- Venturus - 03.11.2006

Zitat:Shahab3 postete
@Venturus
Zitat:Solang Mahmud an der Macht ist und seine großen Töne spukt, kann und wird es sich kein westlicher Staat leisten mit ihm zusammenarbeiten. Du wirst jetzt gleich das Gegenbeispiel Bush bringen. Sicherlich auch berechtigt, aber mit welchem Großmaul würdest du an Stelle der westlichen Staaten eher paktieren?
"Paktieren"? Da wollen wir die Kirche schonmal im Dorf lassen. Das steht garnicht zur Debatte. Es geht um Pragmatik, nicht um Freundschaft.
Nenn es wie du willst - mit Bush ist da aktuell nichts zu machen. Deutschland darf nicht wegen der Holocaust-Äußerungen und UK ist immer noch zu stark an die USA gebunden. Bleibt nur noch Frankreich, aber die haben in Sachen Naher Osten schon immer ihr eigenes Süppchen gekocht.


Zitat:Shahab3 postete
Zitat:Mit einem mit dem du schon seit Jahrzehnten alliert bist und kulturell zumindest hier und da ein paar Gemeinsamkeiten hast oder mit jemanden mit dem du schon seit Jahrzehnten häufig auf Kriegsfuß standes und kulturell bestenfalls über drei Ecken was zu tun hast?
Welche kulturellen Gemeinsamkeiten siehst Du mit Saudi-Arabien, Jordanien oder dern Vereinigten Arabischen Emiraten?
Und mit wem sind die USA schon lange verbündet? Lass von mir aus den kulturellen Aspekt weg, aber die von dir genannten Staaten befinden sich dank ihrer Führung in der Hand der USA. Den Iran hingegen müssten sie als halbwegs gleichberechtigten Partner behandeln.


Zitat:Shahab3 postete
Zitat:Und was die USA und Israel angeht - eher "faulen" denen sämtliche Glieder ab, als das sie direkt versuchen würden mit dem Iran zu einer gemeinsamen Position zu kommen.
Vor dem Afghanistanfeldzug haben sich die Amis gerne die Glieder "abfaulen" lassen, um sich Irans Rückendeckung zu sichern. Da hat es einige Treffen gegeben, die erst eine Zusammenarbeit der USA mit der Nordalliantz ermöglichte. Das ist ja kein Geheimnis.

Auch im Irak fährt der Iran bislang einen recht kooperativen Kurs. Was einen nicht zu wundern braucht, da eine demokratische Wahl den Schiiten in die Hände spielt Wink

Wie gesagt. Es geht um die reine Pragmatik. Um die Sicherung des Friedens. Dieser Weg führt zwangsläufig über engere Abstimmung mit Teheran. Ob man will, oder nicht.
Solang der Iran noch nicht auf der Agenda stand, war das ja auch durchaus im Interesse der Amis. Nun aber ist Iran Hauptangriffsziel.
Und an Stelle des Irans würde ich mich in Sachen Irak auch erst mal bedeckt halten. So hat man bei einem Angriff der Amis ein Waffe mehr in der Hand.

Versteh mich nicht falsch - eine Koop zwischen USA und Iran ist durchaus möglich, aber nicht mit der aktuellen Truppe. Schau dir doch mal das Kasperletheater an, was derzeit am Drücker sitzt. Und von Israel will ich gar nicht erst anfangen.

Die einzige Chance wäre aktuell, daß die Neocons nach den Midterm-Wahlen so stark angeschlagen sind, daß die Männer im Hintergrund Bush zu einer 180 Grad Wende veranlassen, weil sie um ihre Chancen 2008 fürchten. Wobei ich's mir trotzdem nicht vorstellen kann. Die Reps hängen zu stark in der Sachen drin, als das eine Wende da noch viel helfen würde. Man würde damit nur noch die verbliebenen Wähler verschrecken. Aber das ist eine andere Baustelle. Smile


- Tarkan - 03.11.2006

Zitat:Lara postete
Im Grunde wäre es gar nicht mal soo schlecht die Scharia, in einer moderaten Form selbstverständlich, einzuführen.
Justizielle Fragen können manchmal explosiv sein. Die Zeit ist sicherlich noch nicht reif, mit den Irakern öffentlich darüber zu diskutieren, wohin die Reise gehen soll. Bislang ist es so, daß wenn ein Problem auftaucht und dafür keine gesetzliche Regelung gibt, es den Richtern gestatten wird, auf das Scharia-Recht zurückzugreifen - als Lückenfüllung.

Das ist auch korrekt, da man sich in einem islamischen Umfeld befindet.

Nicht erlaubt ist durch das Übergangsgesetz von 2003, daß man körperliche Strafen aufgrund der Scharia verhängt, dh körperliche Strafen darf man nur dann verhängen, wenn es ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist, nicht aber aufgrund überlieferter Grundsätzte der Scharia.

Das Problem sehe ich persönlich im Iran. Solange der Iran diese barbarische Strafe der Steinigung verhängt, solange wird die iranische Rechtskultur einen negativen Einfluß insbesondere auf den schiitisch dominierten Teil des Iraks haben.

Von Kissinger stammt der Satz: "Kein Krieg ohne Ägypten und kein Frieden ohne Syrien". Auf den Irak bezogen würde ich meinen: "Kein Frieden ohne den Iran". Der Friedensprozeß im Irak ist auch sehr stark vom Iran abhängig. Oder anders, der Iran hat ein großes Einflußpotential auf die Entwicklung im Irak. Insofern hat Shahab von nicht ganz Unrecht, wenn er sagt, daß der Iran stärker eingebunden werden sollte. Das Problem ist aber, daß der iranische Einfluß gegenwärtig nur ein negativer Einfluß sein würde, weil der Iran sich dagegen wert, moderate, zivilierte Politik zu betreiben. Stattdessen vollstrecken sie weiter brutal die Steinigungspraxis, drohen mit der Auslöschung des Staates Israel und setzen auf Konfrontation beim Atomprogramm. Der Iran leidet an ihren unfähigen Regierungsmitgliedern.


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- Lara - 04.11.2006

Es wäre also theoretisch möglich für Tote ein Blutgeld zu fordern?

Und noch eine Frage, du scheinst dich mit den aktuellen Gesetzen im Irak aus zukennen. Die Übergangsregelung sind die noch aktuell gültig? Werden sie alle angewandt?
Mich interessiert die von Bremer hinterlassene "Lex Monsanto". Sie betrifft den Handel, den Kauf und von Saaten.


- Snakeshit - 05.11.2006

Zitat:Urteil des Bagdader Sondertribunals
Saddam Hussein zum Tode verurteilt
Der frühere irakische Staatschef Saddam Hussein ist vom Sondertribunal in Bagdad zum Tod durch Erhängen verurteilt worden. Der Richter befand ihn der Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig. (...)
Quelle:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6065636_NAV_REF1,00.html">http://www.tagesschau.de/aktuell/meldun ... F1,00.html</a><!-- m -->


- Tarkan - 05.11.2006

Das war abzusehen. Intressant ist nur, ob die Vollstreckung dieses Urteils noch vor den anderen Anklagepunkten stattfinden wird.

Die Anklage wegen Einsetzung von Giftgas gegen kurdische Staatsbürger hätte vielleicht Probleme verursacht bzw. wäre mit Freispruch beendet worden, sofern an den Äußerungen von J. Wanniski (war Berater für Wirtschaftsfragen unter Präsident Reagan, Mitherausgeber des «Wall Street Journal») was dran sein sollte, da das anscheinend kein gezielter Angriff gegen die kurdischen Staatsbürger, als vielmehr ein Angriff gegen eine iranische Einheit gewesen sei und auch hier wohl nicht sicher sei, ob es nun eine iranische oder irakische Giftgasrakete war.

Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2006/nr-23-vom-562006/wie-die-welt-von-den-usa-in-einen-krieg-nach-dem-anderen-gelogen-wird/">http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2006 ... ogen-wird/</a><!-- m -->


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- Shahab3 - 05.11.2006

@Venturus

Zitat:Nenn es wie du willst - mit Bush ist da aktuell nichts zu machen. Deutschland darf nicht wegen der Holocaust-Äußerungen und UK ist immer noch zu stark an die USA gebunden. Bleibt nur noch Frankreich, aber die haben in Sachen Naher Osten schon immer ihr eigenes Süppchen gekocht.
Naja Deutschland und Frankreich haben im Irak ja nichts zu melden. Sie wären wohl auch die falschen Ansprechpartner, um die Kontrolle über das Land zu erhalten. Im Atomprogramm sowie wirtschaftlichen Fragen sind sie es und das nutzt man auf beiden Seiten recht rege.

Der Irak ist ein Thema, dass in erster Linie die USA betrifft, weil sie Truppen vorort haben. Und dann betrifft es die Staaten die einen Einfluss auf die ethnischen, religiösen Gruppen haben und eine Grenze mit dem Irak teilen. Aus den rationalen Tatsachen heraus ergibt sich da der Gesprächsstoff von ganz alllein und nicht aus irgendwelchen subjektiven Freundchaftsgefühlen heraus.

Zitat:Solang der Iran noch nicht auf der Agenda stand, war das ja auch durchaus im Interesse der Amis.
Das muss irgendwann Mitte des 18. Jahrhunderts gewesen sein, als der Iran nicht auf der Agenda stand. Das ändert nichts daran, dass die Amis garnicht umher kommen, bei der Ausarbeitung einer "Exit-Strategie" mit den Nachbarländern des Irak Verhandlungen zu führen und einen gemeinsamen Weg auszuarbeiten. Die Iraner haben Zeit und da kann man ja auch noch eine Weile warten bis die Amis endgültig genug den Hintern versohlt bekommen haben. Das Angebot zu solchen Gesprächen wurde von beiden Seiten (den USA, den Iranern) schon gemacht. Die Iraner wollten dabei aber auch über ihr Atomprogramm verhandeln, die USA nur über den Irak.

Es ist eine Frage von ein paar Monaten, vielleicht einer anderen Regierung in Washington bis solche Gespräche stattfinden können. Bush, Rice, Rumsfeld, Cheney werden aber sicherlich nur schwer über ihren Schatten springen und zum Abschluss ihrer Amtszeit noch als begossene Pudel dastehen wollen, der mit der "Achse des Bösen" verhandeln muss weil es mit den Weltmachtsplänen aus maßloser Selbstüberschätzung heraus doch nichts geworden ist. Da magst Du sicherlich Recht haben. Naja..und solange wird sich an der Situation nichts ändern und wöchentlich hundert Särge nach Rammstein geflogen.

@Saddam

Wie "Erhängen"? Ich dachte das machen nur die Bösen? Wie barbarisch...tstst..:rofl:


- Venturus - 05.11.2006

Zitat:Shahab3 postete
Naja Deutschland und Frankreich haben im Irak ja nichts zu melden. Sie wären wohl auch die falschen Ansprechpartner, um die Kontrolle über das Land zu erhalten. Im Atomprogramm sowie wirtschaftlichen Fragen sind sie es und das nutzt man auf beiden Seiten recht rege.
Und nach wem wird man schreien, wenn's darum geht die diplomatischen Kohlen aus dem Feuer zu holen (insbesondere wenn man immer noch nicht direkt verhandeln will)? Da werden dann die konstruktiven Gespräche im Atomstreit mit dem Iran gelobt und promt haben D und F auch noch den Irak am Hals.

Zitat:Shahab3 postete
Das muss irgendwann Mitte des 18. Jahrhunderts gewesen sein, als der Iran nicht auf der Agenda stand.
Noch nicht auf der offiziellen Propaganda-Agenda "Länder die wir morgen angreifen". Wink

Naja, wir werden in den nächsten Wochen sicherlich schlauer sein, wenn die Auswirkungen der Midterm-Wahlen durch sind.


wegen Saddam: Müssen die Amis denn mit aller Gewalt noch einen Märtyrer mehr schaffen? Rolleyes Selbst die Leute die mit ihm überhaupt nicht grün waren, werden ihn mit der Zeit zum Opfer der USA verklären.


- Tarkan - 05.11.2006

Saddam-Urteil:


Der Schuldspruch bezogen auf diesen Anklagepunkt war abzusehen. Intressant ist, wie sich seine Verteidiger verhalten werden, also die Begründung der Berufung. Ich denke, neben sicherlich anderen Punkten - hab den Saddam-Prozeß nicht verfolgt -
wird wohl auch auf folgendes eingegangen werden denk ich mal:

1. Befangenheit des Spruchkörpers bzw. des Vorsitzenden Richters. Es wurden ja bereits im Laufe des Saddam-Prozesse, aus welchen Gründen auch immer, mehrere Richter von der irakischen Regierung ausgetauscht.
Folgende Szene gibt aber wieder, daß der Vorsitzende Richter die Souveränität vermissen läßt. Also die "Würde" des Richters (Gerichts) kam hier nicht zum Vorschein - so mein Empfinden:

Zitat:Richter: "Bleiben Sie stehen! Wir verkünden das Urteil während Sie stehen."

Saddam: "Ich höre Ihnen zu." -

"Aber Sie müssen sich erheben!" -

"Ich bleibe lieber sitzen!" -
Und dann dies:

"Gerichtsdiener, stellt ihn hin!"

Zitat:Zu viert stellten die Gerichtsdiener Saddam schließlich auf die Beine, dann das Urteil. "Das Gericht verurteilt den Angeklagten Saddam Hussein al Madschid wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Erhängen bis zum Tode."
Qulle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6065636_NAV_REF1,00.html">http://tagesschau.de/aktuell/meldungen/ ... F1,00.html</a><!-- m -->


Ein souveräner Richter hätte ihn sitzen lassen. Oder anders: Ein erfahrener souveräner Richter hätte es erst gar nicht zu einer solchen Situation kommen lassen. Ein Richter in Würde führt die Verhandlung so, daß der Angeklagte das Gefühl hat: "Nun ja, bin angeklagt, aber der Richter kann ja nichts dafür, es ist sein Job, im Grunde ist der Richter ok..".



2. Anderer Punkt wird sicherlich die Todesstrafe sein. Die USA hatten die Todesstrafe im Irak abgeschafft. Die Übergangsregierung hat die Todesstrafe eingeführt.

Zitat:Der irakische Justizminister Malek Dohan el-Hassan hatte sich vorher dahingehend geäußert, dass dem früheren irakischen Präsidenten die Todesstrafe drohe, falls er für schuldig befunden werde.
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://shortnews.stern.de/shownews.cfm?id=524499&CFID=32820202&CFTOKEN=58403182">http://shortnews.stern.de/shownews.cfm? ... N=58403182</a><!-- m -->

Das "riecht" sehr stark an fragwürdiger Einzelfallgesetzgebung - noch dazu von einer Übergangsregierung.


Ich glaube, jetzt muß die USA genau aufpassen, um nicht unnötige Fehler zu machen. Sie sollten die Atmosphäre im Irak in den kommenden 4 Wochen genau beobachten und analysieren und Abwägen, ob die Vollziehung der Todesstrafe politisch klug ist oder nicht. Die entscheidende Frage wird hier wohl sein, ob die (überwältigende) Mehrheit im Irak, Saddam wirklich als gewaltätigen Diktator empfunden hat oder ob das nur bestimmte Kräfte im Irak aus Eigeninteresse so darstellen. Sollte ersteres zutreffen,

(Spricht die Tatsache der Ausgangssperre in Bagdad und/oder des Widerstands gegen US-Truppen dafür? Oder resultiert der Widerstand daraus, daß die US-Kriegsführung angeblich brutale Formen angenommen hat? Ich weiß es nicht)



müßte die USA beobachten, wohin der Wind iim Irak weht, ob die Mehrheit oder regionale Mehrheiten den Saddam-Prozeß oder genauer die Todesstrafe für richtig oder falsch ansehen. Denn wenn sie ihn für falsch ansehen, wird der "Bürgerkrieg" sicherlich an Schärfe und Intensität zunehmen. Das kann nicht im Interesse der USA sein, neue Reibungspunkte für den internen Konflikt im Irak zu schaffen bzw. ihre Schaffung zuzulassen.

Bei allem wird letztendlich deutlich, daß Bush+Blair wohl möglicherweise Anteil zur Öffnung der Büchse der Pandora hatten. Deutschland kann sich wirklich glücklich schätzen, Schröder als den richtigen Mann zur richtigen Zeit gehabt zu haben - Merkel hätte wohl teilgenommen (kann mich bezüglich Merkel auch irren)


Um nicht mißverstanden zu werden. Ich halte Saddam für einen Diktator. Klüger hätte ich aber folgendes gefunden:

Man hätte den Prozeß künstlich in die Länge ziehen sollen, bis Saddam eines natürlichen Todes stirbt. Parallel dazu hätte man die irakische Bevölkerung von den Machenschaften Saddams erzählen sollen, damit die Bevölkerung das Wahre Ausmaß des irakischen Unterdrückungssystems unter Saddams Führung kennenlernt. Dann die Bevölkerung - nach Saddams natürlichem Tod bzw. parallel während er im Haft sitzt - zu neuem Mut für ein neues gewaltfreies Irak aufrufen sollen, in der nicht der Bürger für den Staat da ist, also lediglich Objekt in der Hand der Staatsmacht, sondern der Staat für seine Bürger (Demokratie).



Zitat:Die falschen Richter

Fragwürdig hingegen war der Prozess von Anfang an aus rechtlichen Gründen. Für Juristen und Volkerrechtler waren die Grundlagen nicht gegeben. Die US-Regierung hatte ein internationales Tribunal unter Aufsicht der Vereinten Nationen gegen den Menschenschlächter, Massenmörder und Angriffskrieger Saddam zu verhindern gewusst, auch der wachsende Druck der irakischen Öffentlichkeit trug dazu bei, dass stattdessen ein irakisches "Sondergericht" Recht sprach.

Die Grundlage stellte das 1971 erlassene irakische Strafrecht aus Saddam-Zeiten da, gelegentlich vermischt mit Elementen westlicher Rechtsformen. Dazu fehlte es an erfahrenen Richtern. Sie mussten in Schnellverfahren nachgeschult werden. Die Hauptkritik galt aber der US-Führung: Das internationale Recht verbietet nach Meinung von Völkerrechtsexperten einer Besatzungsmacht, das Rechtssystem des besetzten Landes zu verändern.

Untermalt wurde die Grundsatzkritik von chaotischen Zuständen im Gerichtssaal. Saddam hatte den Prozess bei der Aufnahme der Personalien durch den Richter mit dem denkwürdigen Satz eröffnet: "Ich bin der Präsident des Irak. Und wer sind Sie überhaupt?"

Der Vorsitzende Richter Risgar Amin, stets von höflicher Art auch gegenüber dem Massenmörder, wurde angesichts dieser Zustände rasch ausgewechselt: aus offensichtlich politischen Gründen, und weil er zu zurückhaltend und korrekt umging mit dem von der Anklagebank aus politische Reden schwingenden Saddam Hussein.

Schärfer, rüder

Mit dem neuen Richter Rauf Abdel Rahman, einem Kurden, wurde der Ton schärfer und der Umgang rüder. Abdel Rahman, ein Mann, der keinen Spaß versteht, ließ die Angeklagten samt Saddam von Gerichtsdienern aus dem Saal zerren, wenn ihm Zwischenrufe zur oder Verstöße gegen die Prozessordnung zu viel wurden.

Den Anwälten wurden, zumindest nach deren Darstellung, Akten vorenthalten oder unerfüllbare Fristen in Verfahrensfragen gesetzt. Sie blieben zeitweise vom Prozess ausgeschlossen und wurden durch Pflichtverteidiger ersetzt. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" und unabhängige Prozessbeobachter vom Schlage des früheren amerikanischen Justizministers Ramsey Clarke schrieben lange Listen eindeutiger Verstöße auf: Verfahrensfehler, schlecht ausgebildete Staatsanwälte, drei auf der Straße ermordete Advokaten.
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/702/90612/">http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/702/90612/</a><!-- m -->


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- Venturus - 06.11.2006

Zitat:Tarkan postete
Man hätte den Prozeß künstlich in die Länge ziehen sollen, bis Saddam eines natürlichen Todes stirbt.
Man hätte ihn gar nicht erst lebend fangen sollen. Ihn irgendwie um die Ecke bringen und dann erzählen, daß man ihn ja gerne vor Gericht gestellt hätte, aber leider sei irgendeine peinliche Krankheit schneller gewesen.