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Russland vs. Ukraine - Druckversion +- Forum-Sicherheitspolitik (https://www.forum-sicherheitspolitik.org) +-- Forum: Hintergründe (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=97) +--- Forum: Krisen, Konflikte und Kriege (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=99) +--- Thema: Russland vs. Ukraine (/showthread.php?tid=5210) Seiten:
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RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 14.09.2022 Ein weiterer Faktor bzgl. der aktuellen ukrainischen Offensive ist anscheinend auch, dass die Ukrainer durch die teils hastige Absetzbewegung der Russen stärker werden, da die russischen Streitkräfte unverständlicherweise z. T. voll funktionsfähiges Gerät zurückgelassen haben. Anstatt dass die Russen z. B. Fahrzeuge anzünden, Teile ausbauen und mitnehmen, Fahrzeuge mit Sprengfallen versehen oder die Motoren sich überhitzen und festfressen lassen (ein recht beliebtes Vorgehen bei der Unbrauchbarmachung von Fahrzeugen), scheint es so zu sein, dass nicht einmal dieser im Grunde selbstverständliche Teil einer Kriegführung beherzigt wird, wonach man dem Gegner keine brauchbaren Fahrzeuge überlässt. Stattdessen lässt man die Fahrzeuge einfach in der Landschaft oder in Hinterhöfen stehen. Und die Ukrainer brauchen sie nur zu prüfen, vollzutanken, ggf. Munition einzuladen (teils ist sogar die Munition noch vorhanden) und können die Fahrzeuge dann selbst einsetzen. Vermutlich haben die Ukrainer alleine in den letzten fünf, sechs Tagen rund 200 verschiedene Fahrzeuge erbeutet, von denen nach kurzen Wartungszyklen vermutlich um die 100 (Schätzung) sofort weiter genutzt werden konnten. Es ist schlicht unfassbar, wie dilettantisch, selbstgefällig und schulterzuckend saumselig die Russen hier mit ihrem Fuhrpark umgehen - und es wird ihnen zum Nachteil gereichen... Zitat:ZURÜCKGELASSENhttps://orf.at/stories/3285027/ Dazu auch: Zitat:Russia Is Supplying Ukraine With Lightly Used Tankshttps://foreignpolicy.com/2022/09/13/russia-ukraine-counteroffensive-tanks-kharkiv/ Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - Nightwatch - 14.09.2022 @Schneemann Ohne abfällig klingen zu wollen, aber das kann doch nach sechs Monaten der Beobachtung dieses Schauspiels in der Ukraine nicht mehr überraschen. Die russische Armee legt seit Beginn des Krieges eine Disziplinlosigkeit an den Tag, die bei ernsthaften Armeen ihres gleichen sucht und regelmäßig in Zuständen ausartet, die mit Verwahrlosung akkurat umschrieben sind. Das dann bei einer derart dynamischen Rückwärtsbewegung jede Menge Gerät schlicht stehen gelassen wird ist doch nur eine Fortschreibung dieser Zustände. Erstaunlich für mich eher, dass überhaupt so viele Russen relativ geordnet rausgekommen sind. Das hätte noch ganz anders ausgehen können. --- Weils mir auf den Zeiger geht, der geschätzte Herr Generalinspekteur glänzt mit militärischen Sachverstand. Die Welt zitiert vorab: Zitat: Bundeswehr-Inspekteur General Eberhard Zorn warnt vor zu viel Euphorie beim deutschen Blick nach Kiew. Er könne derzeit keine echte Gegenoffensive der Ukrainer erkennen: „Ich bin mit den Begriffen vorsichtig“, sagte er in einem Gespräch mit dem Magazin „Focus“, das am Samstag erscheinen wird.https://www.welt.de/politik/ausland/article241040909/Ukraine-News-Bundeswehr-Generalinspekteur-Zorn-warnt-vor-zu-grosser-Euphorie-ueber-ukrainische-Militaer-Erfolge.html Böswillig könnte man behaupten, auf den Spuren eines gewissen Brigadegenerals E. V., ich hoffe doch sehr, dass intern auch noch andere Stimmen Gewicht finden. Wobei es auch die Haltung der politischen Führung ein Stück weit erklärt… 1. Die Operation gegen den Frontbogen vor Izium und die nicht als Offensive, sondern als Gegenstoß zu bezeichnen ist schon eine sehr spezielle Sichtweise. Zwar man es jenseits des taktischen Gegenstoßes im Gefecht auch auf operativer Ebene das Instrument des Gegenstoßes geben, diese Einordnung wird dem Geschehen (Aufgabe einer kompletten Front, Zerschlagung der 1. Garde-Panzerarmee) aber nicht in Ansätzen gerecht. Es kann dabei auch keine Rede davon sein, dass die Ukrainer lediglich ‚Orte und einzelne Frontabschnitte zurückgewonnen‘ und die Russen nicht ‚auf breiter Front zurückgedrängt‘ haben. Zumindest wenn man die Begrifflichkeit der Gegenoffensive nicht auf nicht regelrecht vernichtende operative Erfolge wie Bagration oder die Bodenoperationen während Desert Storm reduziert, was grober Unfug wäre. Die Ukraine hat mit ihrer Offensive im Donbass in weniger als einer Woche mehr Territorium und Ortschaften befreit als die Russen in den letzten fünf Monaten haben einnehmen können. Damit ist dazu eigentlich alles gesagt. 2. Wenn der Generalinspekteur tatsächlich noch vor zwei Wochen gesagt hätte, dass die Russen innerhalb der nächsten sechs Monate den restlichen Donbass würde einnehmen können, ist das in mehrfacher Hinsicht eine sehr irritierende Aussage. Wahlweise herrscht hier offensichtlich kein Verständnis darüber, welches Gebiet der sogenannte Donbass überhaupt umfasst, wie sich dort in den letzten sechs Monaten die Frontbewegungen entwickelten, welche Reserven die Ukraine im letzten halben Jahr hat generieren können, in welchen Zustand die Russen dort nach der Verlegung an die Kherson Front dort offensichtlich (gewesen) sind und welchen Einfluss das Wetter in der Winterjahreshälfte auf die Operationen dort haben wird. Ich habe sicherlich nicht die Einblicke des Generalinspekteurs, aber darauf die Gegenoffensive zu verschlafen (interessant mit wem die Ukrainer sich hier bezüglich dem operativen Geschehens so austauschen, die Bundeswehrt ganz offensichtlich nicht) und stattdessen den Fall der Linie Slovyansk – Kramatorsk – Kostyantynivka für möglich zu halten während die Russen seit gefühlt schon immer vor Bakhmut festhängen ist schon speziell. 3. Nicht weniger irritierend (aber damit leider nicht alleinstehend) das der Generalinspekteur das Bonmont der 3 zu 1 Überlegenheit bemüht ohne die eine Offensive nicht möglich sein soll. Mal ungeachtet des Umstandes, dass bei der Offensive im Donbass eine lokale Überlegenheit von 6 zu 1 und mehr erreicht werden konnte – diese Aussage taugt doch bestenfalls als Orientierungshilfe für den angehenden Leutnant als für eine Sachkundige Einordnung der Verhältnisse und Möglichkeiten an den verschiedenen Abschnitten der Front. Zumindest die Beobachtung, dass die Mehrheit der einschlägig bekannten und erfolgreichen Bodenoffensiven der letzten fünfzig Jahre durchaus gegen quantitativ überlegene Gegner durchgeführt wurde sollte auch bis höhere Bundeswehrkreise durchgedrungen sein. Numerische Überlegenheit ist so mitnichten allein entscheidend, Ausrüstung, Führung, Motivation und Gelände können quantitative Vorteile auch in den Offensive sehr schnell negieren. Das ist nicht weniger eine Binsenweisheit als die 3 zu 1 Überlegenheit des Generalinspekteurs, aber ein bisschen mehr kann man auch in einem Interview erwarten. 4. Ich unterstelle dem Generalinspekteur, dass seine Äußerungen hinsichtlich der möglichen Eröffnung einer Front politischer Natur und dazu gedacht sind, der Ministerin in der ‚Panzerfrage‘ den Rücken zu stärken. Wenn er in der jetzigen Lage tatsächlich einen Angriff auf Europa a) für realistisch möglich und b) diesseits des Atomkriegs für irgendwie bedrohlich hält wäre das ein (weiterer) Grund für eine sofortige Ablösung. Mal ganz davon abgesehen, dass ich die Aussage, dass lediglich 60% der russischen Landstreitkräfte mit der Ukraine beschäftigt sind für schlicht falsch halte, jetzt noch weitere Fronten zu eröffnen und die westliche Welt direkt in den Krieg hineinzuziehen ist eine absurde Idee und ziemlich das dümmste was Russland im Moment tun könnte. 5. Selbst im russischen Propagandafernsehen dringt mitunter die Erkenntnis durch, dass eine Generalmobilmachung immense Schwierigkeiten mit sich bringt. Zum einen die Materialfrage, es ist 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion und sechs Monaten Krieg keineswegs gewiss, dass Russland noch über so viel Material verfügt, dass Reserveverbände im nennenswerten Umfang zeitnah adäquat ausstatten und versorgen könnte. Dann die wirtschaftlichen Implikationen. Die Reservisten müssen kommen ja nicht von irgendwo sondern aus der Wirtschaft. Eine Generalmobilmachung hätte erhebliche wirtschaftliche Implikationen um nicht zu sagen, wäre für die russische Wirtschaft wohl der Todesstoß. Womit man dann auch schon beim Hauptargument dagegen wäre - ich glaube nach wie vor nicht, dass das Regime Putin (und nicht nur Putin selbst) bereit ist das Risiko einzugehen die ethnischen Russen in Masse an die Front zu rufen. So schrill die mediale Propaganda zum Teil sein mag, im komfortablen Moskau und St. Petersburg schreit es sich leicht, aber es ist auch in Russland nicht mehr 1914 und die Bereitschaft für einen Opfergang ist insbesondere bei der Jugend sehr übersichtlich. Insofern, sehr oberflächliche, sehr enttäuschende Einlassung des Herrn Generalinspekteurs. Leider aber auch sehr passend zur Politischen Grundhaltung und damit nicht überraschend. RE: Russland vs. Ukraine - Pogu - 14.09.2022 Oberst Reisner wieder einmal ... Die ukrainischen Offensiven in Cherson und Charkiv RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 15.09.2022 Die gerade durch Russland aktuell gepriesene Freundschaft zu Peking wird sicherlich bis zu einem gewissen Grad eine wirtschaftliche Entlastung für den Kreml bringen. Aber eben doch nur bis zu einem gewissen Grad - Manöver, zelebrierte Brüderschaft und Handelszunahme hin oder her. Es ist ja einerseits nicht nur die Frage, ob China für Russland durch den brennenden Reifen springen und den Rettungsanker geben will - man weiß in Peking durchaus, dass man ein gewaltiges Handelsvolumen mit den Westmächten hat, welches auch den Wohlstand in China mit bedingt und das man nicht so einfach wegen der Abenteuerbereitschaft des Kremlherrschers riskieren will. Sondern es ist andererseits auch so, dass man in Peking nicht immer sonderlich gut mit Moskau stand (man denke an frühere politische Brüche im "roten Block", bis hin zu offenen Grenzkonflikten) und weiß, wie überheblich die Sowjets früher die Chinesen, als sie in der schwächeren Rolle waren, behandelten. Und da haben die Chinesen ein durchaus langes Gedächtnis. Und man weiß in Peking ebenso ganz genau, dass die russische Charmeoffensive derzeit auch dem Umstand geschuldet ist, dass sich der Kreml heillos verrannt hat in seinem ukrainischen Abenteuer und dass er international am Pranger steht und nun versucht, die Volksrepublik mehr oder minder als Ersatz für den Wegfall der Westkontakte einzuspannen. Ich denke, bis zu einem gewissen Grad werden die Chinesen pragmatisch darauf eingehen, winken doch günstige Rohstoffe und auch einige Exportoptionen hinsichtlich eigener Technik. Aber sie werden sich nur so weit aus dem Fenster lehnen, als dass sie ihre wirtschaftlichen Beziehungen zum Westen nicht zerrütten. Weil das wäre ihnen die Rettung von Putins Thron dann doch nicht wert... Zitat:SANKTIONEN GEGEN MOSKAUhttps://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/china-laesst-russland-vor-treffen-von-xi-jinping-und-putin-zappeln-18316441.html Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 17.09.2022 Das Thema ist nicht neu, und wir haben darüber hier im Strang schon öfters auch gesprochen. Dennoch kann man es nicht genug betonen, wie gravierend sich das Wetter auf das Kriegsszenario im Osten der Ukraine auswirkt. Und der Winter naht bzw. erst einmal die Schlammphase... Zitat:Gefahr durch Medicaneshttps://www.n-tv.de/politik/Podcast-Wieder-was-gelernt-Wie-das-Wetter-den-Ukraine-Krieg-beeinflusst-article23592207.html In gewisser Weise bin ich froh, dass sich endlich einmal die Herrschaften Experten aufraffen, dem Wetter eine gewisse Wichtigkeit zuzuweisen. Aber andererseits nervt es mich auch, wie überrascht man nun mehr oder minder tut, nach dem Motto: "Im Herbst kommt ja der Schlamm!" Das ist zwar nicht falsch, aber der Schlamm war auch schon im Frühjahr da - und da hörte man von den jetzigen Experten doch recht wenig bis gar nichts. Und sind wir ehrlich: Wenn ein, wie im Artikel benannt, Militärexperte von der Bundeswehr-Universität München nun bemerkt, dass es dann ja "schlammig wird und man sich mit Ketten- oder Radfahrzeugen dann außerhalb befestigter Wege kaum noch bewegen kann", dann sind das keine neuen und nun überraschend vom Himmel gefallenen Weisheiten, die man nur mit einem mehrjährigen Studium in Erfahrung bringen könnte. Es ist leider schon ziemlich ernüchternd, dass diese sicher hochbezahlten Fachleute erst nach sechs Monaten Krieg so langsam bemerken, dass das Wetter auf dem Kriegsschauplatz Ukraine eine entsprechend gewichtige Rolle spielt. Man hätte sich nur mal alte Gefechtsberichte aus dem Zweiten Weltkrieg und die Topographie anschauen müssen und man hätte dann schon im Frühjahr gewusst, dass spätestens im April sich alles festfährt (was auch geschah). Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 17.09.2022 Blick von Osten Zitat:An der Cherson-Front hat der Feind in den letzten Tagen weitergemacht, und sein Gebiet um das Dorf Malaya Sedemenukha ausgedehnt. Er hat auch die Kontrolle über Bezymenoye (auf der Karte südöstlich von Sedemenukha) erlangt und ist weiter entlang der Linie Bezymennoye-Schastlivoe-Kostromka-Dry Stavok vorgestoßen. Die Kämpfe in der Gegend von Bezymenny gehen weiter. Es handelte sich bei den Angriffen im Raum Kherson also keineswegs um eine Ablenkung oder Scheinangriffe, sondern um eine zweite vollständige Offensive des Feindes. Michael Kofmann: https://warontherocks.com/2022/09/ukraines-kharkhiv-operation-and-the-russian-militarys-black-week/ Ukraine’s Kharkhiv Operation and the Russian Military’s Black Week Und Kupiansk ist gesichert an die Ukrainer gefallen: Zitat:The Ukrainian Army on Friday claimed another major victory in its Kharkiv counteroffensive, capturing the eastern section of the city of Kupiansk, a key railhead located about 40 miles northeast of Izyum, which had been previously liberated. https://www.thedrive.com/the-war-zone/ukraine-situation-report-russia-loses-another-key-city RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 17.09.2022 Über die kriegswirtschaftliche Frage: https://www.youtube.com/watch?v=j0i4urXJ3Ps Und eine ausführlichere Diskussion: https://www.youtube.com/watch?v=qdJ0T9XRLS8 RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 17.09.2022 Ergänzend zu den Ausführungen von Nightwatch, dessen Einschätzungen bezüglich des GI ich größtenteils nur vollauf teilen kann: Zitat:5. Selbst im russischen Propagandafernsehen dringt mitunter die Erkenntnis durch, dass eine Generalmobilmachung immense Schwierigkeiten mit sich bringt. Zum einen die Materialfrage, es ist 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion und sechs Monaten Krieg keineswegs gewiss, dass Russland noch über so viel Material verfügt, dass Reserveverbände im nennenswerten Umfang zeitnah adäquat ausstatten und versorgen könnte. Dann die wirtschaftlichen Implikationen. Die Reservisten müssen kommen ja nicht von irgendwo sondern aus der Wirtschaft. Eine Generalmobilmachung hätte erhebliche wirtschaftliche Implikationen um nicht zu sagen, wäre für die russische Wirtschaft wohl der Todesstoß. Womit man dann auch schon beim Hauptargument dagegen wäre - ich glaube nach wie vor nicht, dass das Regime Putin (und nicht nur Putin selbst) bereit ist das Risiko einzugehen die ethnischen Russen in Masse an die Front zu rufen. So schrill die mediale Propaganda zum Teil sein mag, im komfortablen Moskau und St. Petersburg schreit es sich leicht, aber es ist auch in Russland nicht mehr 1914 und die Bereitschaft für einen Opfergang ist insbesondere bei der Jugend sehr übersichtlich. Da ich ja aufgrund meines Werdeganges einigen Einblick in inner-russische Verhältnisse habe und ich auch Bekannte habe welche aktiv im russischen Militär dienen respektive Reservisten sind, will ich dazu noch einiges anmerken. Nach meiner Kenntnis (bzw. der meiner Bekannten) ist durchaus noch jede Menge Kriegsmaterial vorhanden. Dieses ist zwar eigentlich fast alles veraltet, in Teilen auch nicht einsetzbar, aber was noch vorhanden und einsetzbar ist, würde ausreichend um Unmengen von Truppen damit auszurüsten. Das Problem ist laut meinen Bekannten nicht so sehr, dass kein Kriegsmaterial mehr da wäre, sondern dass es vor allem anderen an der Ausbildung damit fehlt und am Können damit. Ein Beispiel: ein sehr guter Freund von mir ist Reservist der Panzertruppe. Er erhielt aber selbst während seiner Wehrdienstzeit eigentlich keine wirklich sinnvolle Ausbildung dafür. Theoretisch hätten sie beispielsweise jede Menge Übungen machen müssen, diese fielen aber während seiner Wehrdienstzeit ständig aus. Offiziell ist er Fahrer eines Kampfpanzers, real aber hat er kaum jemals einen Panzer gefahren. Noch besser: seine Wehrdienstzeit ist Jahre her und er räumte ganz offen ein, dass er im Endeffekt überhaupt nicht wüsste, wie er einen Kampfpanzer real im Gefecht fahren soll. Das gleiche gilt für alle anderen Soldaten seiner Einheit ganz genau so. Darüber hinaus fehlt es vollständig selbst bei den Grundkenntnissen der Taktik und moderner Kriegsführung im allgemeinen. Es bestehen hier schier unfassbare Ausbildungsdefizite! Und da der Wehrdienst auch noch Jahre her ist, und es seitdem übehaupt keinerlei Übungen oder Manöver oder dergleichen gab, wurden die völlig unzureichenden Kenntnisse auch noch teilweise vergessen. Beispielsweise haben meine Bekannten seit ihrer Wehrdienstzeit nie mehr einen Kampfpanzer gesehen, außer im Fernsehen oder mal auf einem Eisenbahnwaggon im Vorbei fahren. Man hätte also veraltetes Material, mit dem man nicht richtig umgehen kann. Der direkte Weg zu katastrophalen Verlusten und direkt ins Desaster bzw. in eine vernichtende Niederlage. Dann der wirtschaftliche Aspekt den Nightwatch ja schon so treffend und richtig angesprochen hat. Gerade die Ukraine zeigt ja aktuell auf, wie sehr eine Mobilisierung die Wirtschaft belastet. Das ukrainische BIP sinkt zur Zeit rasant. Und dies trotz massiver Hilfen aus dem Westen. In Russland wäre eine entsprechende Generalmobilmachung in Kombination mit den Sanktionen noch mal dramatischer. Ein Beispiel: ein Bekannter von mir ernährt seine Familie als Taxifahrer. Ein anderer hat ein kleines Unternehmen (eine Art Schreinerei), der nächste einen Mini-Supermarkt, seine Angestellten würden ebenfalls eingezogen. Bei allen würde nicht nur ihre aktuelle wirtschaftliche Tätigkeit enden, es würde auch direkt und sofort die Versorgung ihrer Familien in Frage stellen. Die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Abwärtsspiralen wären dramatisch und sofort für die Menschen direkt unmittelbar spürbar. Die geringe Bereitschaft für einen Opfergang resultiert im weiteren auch aus einer Ablehnung des Kampfes gegen ein rechtgläubiges orthodoxes slawisches Brudervolk. Es erregt insgeheim erheblichen Unmut dass Muslime und irgendwelche Nicht-Russen in der Ukraine "Kleinrussen" töten, welche man ja eigentlich als Teil des eigenen Volkes und Blutes begreift und ironischerweise ist es gerade eben die Leugnung einer eigenständigen ukrainischen Identität welche diesen Krieg sehr unpopulär macht. Man versucht den Leuten zu verkaufen, dass in der Ukraine fast nur noch westliche Söldner, NATO Offiziere und Neo-Nazis kämpfen, um das irgenwie noch zu rechtfertigen, aber insgesamt gesehen verfängt das nicht mehr. Die Leute wissen mehrheitlich sehr wohl was dort vor sich geht und sind heillos unzufrieden weil das eigene Militär sich derart schwach schlägt und weil der Kampf als Bruderkrieg / Bürgerkrieg gegen die gleiche Ethnie verstanden wird. Entsprechend ist die militärische Spezialoperation in Wahrheit sehr unbeliebt, wenn auch nicht unbedingt aus den Gründen welche man im Westen annehmen würde. Und beschließend könnte man noch anmerken, dass aktuell die Zustimmung zu rechtsradikalen und rechtsextremistischen Positionen in Russland stark ansteigt, nicht nur weil der Staat diese seit Jahren schürt um dadurch die Pfründe der grenzenlos korrupten Kleptokraten abzusichern, sondern auch weil die Bevölkerung selbst durchaus diese Ideen aufrichtig teilt und darin ihr Heil für die Zukunft sieht. Entsprechend geraten die Geister welche das System Putin da gerufen hat aktuell zunehmend außer Kontrolle. RE: Russland vs. Ukraine - voyageur - 18.09.2022 Zitat:Das Problem ist laut meinen Bekannten nicht so sehr, dass kein Kriegsmaterial mehr da wäre, sondern dass es vor allem anderen an der Ausbildung damit fehlt und am Können damit. Es gab einen Artikel eines russischen Bloggeurs (den ich auf die schnelle leider nicht finde). Er führte das auf die Auslandseinsätze der russischen Armee zurück. Diese wurden alle aus dem laufenden Militärbudget bezahlt. Dieses Geld fehlte dann woanders, und wo kann man am schnellsten Sparen, bei Ausbildung und Manövern. Genauso wurden die in den Einsätzen verbrauchten Materialien und Munition nie durch Neukäufe ersetzt. RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 18.09.2022 voyageur: Zitat:Es gab einen Artikel eines russischen Bloggeurs (den ich auf die schnelle leider nicht finde). Er führte das auf die Auslandseinsätze der russischen Armee zurück. Diese wurden alle aus dem laufenden Militärbudget bezahlt. Dieses Geld fehlte dann woanders, und wo kann man am schnellsten Sparen: bei Ausbildung und Manövern. Habe ich auch schon mehrfach so gehört. Dazu kommt auch noch meiner Meinung nach die Modernisierung des russischen Nuklearwaffen-Arsenals und ganz allgemein das Vorhalten dieser Art von Waffen, was immens teuer ist. Im Endeffekt hat man für die eigene Befähigung zum Atomkrieg die Befähigung der konventionellen Streitkräfte für regulläre Kriegsführung geopfert. Den Atomwaffen wurde und wird meiner Kenntnis nach dort alles untergeordnet. RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 18.09.2022 Noch ein paar Blicke ins Kaleidoskop: Dimitri hatten wir hier schon lange nicht mehr: https://wartranslated.com/russian-military-reporters-and-fighters-discussing-the-probability-of-russia-withdrawing-from-kherson/ https://twitter.com/wartranslated/status/1571573817671049223 Zitat:An interesting exchange occurred today between three large Russian military reporters (and fighters), Rybar (800k), Voennyi Osvedomytel (450k+) and GREY Zone Wagner page (311k), discussing the potential withdrawal of Russians from the Kherson region. Dann Mick Ryan, mit etlichen Karten in diesem Strang: https://twitter.com/WarintheFuture/status/1571563669783474177 Und man hat den ersten T-90M erbeutet, und abgeschossen wurden davon bisher auch kaum welche. Und nicht nur dieses, das erbeutete Fahrzeug hat eine interessante Tarnvorrichtung gegen Thermalsicht / aufklärung, welche man bisher bei den Russen noch überhaupt nie je im Einsatz gesehen hat (obwohl man weiß dass es sie theoretisch gibt): https://twitter.com/UAWeapons/status/1571531776178245635/photo/1 Zitat:For the first time ever the most advanced Russian main battle tank T-90M was captured by the Ukrainian army - presumably in #Kharkiv Oblast. https://pbs.twimg.com/media/Fc8ztxTXgAAsmId?format=jpg&name=medium Das ist mal ein Fund ! Und auch noch eine interessante Nachricht: die Russen ziehen Luftabwehr-Einheiten rund um St. Petersburg ab: https://twitter.com/minna_alander/status/1571374244327727104 Beschließend noch die erste Bestätigung einer Aussage von Strelkov von gestern, dass die Ukrainer mit leichten Einheiten bereits über den Oskil Fluss vorgestoßen sind und dort jetzt nach Süden vordringen. Hier nun die ersten Aussagen dazu auch von ukrainischer Seite: https://twitter.com/WarMonitor3/status/1570826199861194753 Wie es aussieht hält auch die Linie am Oskil Fluss nicht und kann von den Russen nicht erfolgreich verteidigt werden. Jetzt ein ukrainisches Panzer-Regiment dort....... RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 18.09.2022 (18.09.2022, 22:16)Quintus Fabius schrieb: Zu den Norwegern sollte man noch anmerken, dass diese ja ohnehin eventuell aus dem Leopard 2 aussteigen wollen, um den K2 zu beschaffen.Hast du da irgendwelche konkreten Aussagen vorliegen, dass man tatsächlich gezielt weg vom LEO2 und hin zum K2 will? Also richtig offiziell beabsichtigt? Es läuft eine Vergleichserprobung zum Ersatz der alten LEO2A4. Das war's, mehr ist mir dazu nicht bekannt. Alles andere sind mWn nur subjektive Meinungen. Zitat:Und ebenso wollen die Polen ja sowohl K2 als auch US Panzer des Typs M1, womit sich die Frage stellt, ob aktuell fünf (!) verschiedene Typen von Kampfpanzern nicht mindestens ein paar zuviel sind. Von daher könnte man auch hier überlegen den Polen statt der Leopard 2 weitere US Panzer zu geben, und Polen könnte dann seine Leopard 2 in die Ukraine entsenden. Polen allein könnte schon nicht weniger als 249 Leopard 2 in die Ukraine liefern. Wenn man ihnen dafür weitere 250 M1A2 geben würde, gemeinsam von der NATO finanziert, würde Polen sie meiner Einschätzung nach tatsächlich rausrücken.Das sollte man im Interesse aller Beteiligten eh machen, ja. Allerdings würden die Amis da kurzfristig die LEOs leihweise (oder als Gebrauchtverkauf) 1:1 ersetzen müssen, damit die Polen das mitgehen. Man hat schon zu viele alte Panzer abgegeben ohne Ersatz zu erhalten, während man die eigene Truppe gerade massiv vergrößern will. (18.09.2022, 23:19)Quintus Fabius schrieb: Wie es aussieht hält auch die Linie am Oskil Fluss nicht und kann von den Russen nicht erfolgreich verteidigt werden. Die Russen hatten doch angekündigt, die gesamte Oblast Charkiw zu räumen. Das linke Oskil-Ufer gehört dazu. Die neue Verteidigungslinie sollte hinter der Oblastgrenze aufgebaut werden. Daher halte ich die aktuellen Gefechte dort für Rückzugsgefechte/Verzögerung der Russen, um Zeit zu gewinnen, ihre neue Verteidigungslinie einzunehmen. Der Oskil als temporäre Sperre hat nur geholfen, die unkontrollierte Flucht in den Griff zu bekommen, so dass man jetzt geordneter zurück gehen kann. RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 19.09.2022 Also erstens ist die Frage, wieso immer so auf den Deutschen herumgeritten wird, was die Lieferung von MBT angeht, durchaus gerechtfertigt. Zwar ist es auch richtig, dass der Leopard als einziger MBT europaweit in größeren Stückzahlen zur Verfügung stünde, aber man kann in diesem Zusammenhang durchaus nachfragen, wieso z. B. die Amerikaner sich so schweigend mit ihrem M1 verhalten? Abgesehen davon denke ich auch, dass man, hätte man vor drei Monaten - sagen wir mal grob im Juni - damit angefangen, aus ganz Europa durchaus 100 oder mehr Leopard hätte zusammenziehen können zu einer Lieferung. Selbst die Bundeswehr hat noch eingelagerte Exemplare (die man liefern könnte ohne die Kampfkraft der Truppe zu schmälern), diese wären zwar nicht sofort lieferbar, aber man hätte sie in diesem Zeitraum überholen und Ausbildungsmaßnahmen auf diesen Fahrzeugen zumindest beginnend einleiten können. Andererseits: Selbst wenn wir vor drei Monaten damit begonnen hätten, wäre die Ausbildung noch nicht abgeschlossen. Ich betone es nochmals: Die Ausbildung einer gut eingespielten Tank-Crew nimmt gerne fünf bis sechs Monate in Anspruch. Und wenn ich zudem Crews ausbilde, die bislang keinen Kontakt zu westlichen Modellen hatten, so kann es auch länger dauern. Zumindest sollten wir keine Panzer liefern, damit diese dann nach dem ersten Gefecht im Gelände zurückgelassen werden. Abschließend: Wir hatten das Thema auch schon einmal - die Ukrainer haben schon jetzt Fahrzeuge aller Couleur, vom HIMARS über MLRS bis Caesar, PzH 2000, polnische Krabs, britische M-109er und Zuzanna der Slowaken, dazu dutzende verschiedene geschützte Fahrzeugtypen. Und noch ein - wie Quintus schrieb - Sammelsurium an Ostblock-Gedöns. Und für das alles müssen sie eine Wartung und Ersatzteilversorgung gewährleisten. Das ist ein logistischer Alptraum - und wenn ich mir nun vorstelle, sie müssen auch noch westliche Panzermodelle in größerem Stil instandhaltungstechnisch versorgen, so ist das quasi aus dem Stand gar nicht machbar. Hier noch etwas zum Thema Ringtausch - offenbar gehen Marder an Griechenland und dafür von diesen BMPs an die Ukrainer: Zitat:Ringtausch geht weiter: Griechen bekommen Schützenpanzer Marderhttps://esut.de/2022/09/meldungen/36724/ringtausch-schuetzenpanzer-marder/ Und noch etwas zum Thema Brückenkopf am Oskil: Zitat:Ukraine errichtet Brückenkopf am Ostufer des Oskil - Kiew schließt Verhandlungen derzeit aus [...]https://www.n-tv.de/politik/Ukraine-errichtet-Brueckenkopf-am-Ostufer-des-Oskil-Kiew-schliesst-Verhandlungen-derzeit-aus-article23596877.html Weiterhin sind anscheinend - laut den Ukrainern - iranische Drohnen durch die Russen verstärkt eingesetzt worden, mit einem gewissen Erfolg (angeblich wurden drei oder vier Haubitzen zerstört): Zitat:Russia Deploys Iranian Attack Drones, Ukrainian Military Sayshttps://www.nytimes.com/2022/09/18/world/europe/iran-attack-drones-ukraine.html Aber dies ist auch eine logische Entwicklung, denn die Ukrainer greifen an, d. h. sie müssen sich bewegen und eher exponieren mit ihrem schweren Gerät. Und die Russen sind zwar auf dem Rückzug, aber können solche Drohnen - die laut dem Iran gar nicht geliefert wurden - dann durchaus gezielter einsetzen. Schneemann RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 19.09.2022 (19.09.2022, 08:29)Quintus Fabius schrieb: Die Grenze der Oblast Charkiw läuft im Endeffekt zwischen 10 km und maximal 20 km hinter dem Oskil einfach so in der Landschaft. Da gibt es keine vernünftige Linie welche man halten könnte. Es gibt dort auch keine russischen Auffangstellungen oder irgendwelche vorbereiteten Stellungssysteme.Ich habe auch nicht gesagt, dass ich es für sinnvoll erachten würde. Aber meine Informationslage ist derart, dass der Plan zum Rückzug von vornherein vorsah, die neue Verteidigungslinie entlang einer Reihe Ortschaften zwischen Svatove und Troitske zu beziehen. Ich gehe davon aus, dass man gezielt eine dicht besiedelte Linie einnehmen möchte, hatte aber auch schon mehrmals in diesem Krieg den Eindruck, dass den Russen Verwaltungsgrenzen wichtiger waren als das Gelände. RE: Russland vs. Ukraine - Pmichael - 19.09.2022 Die große Erkenntnis ist doch das NATO im Prinzip ja schon das konventionelle Artilleriegefecht gewinnen würde, war es doch in der Vergangenheit immer das Gespenst mit dem Russland doch ganz sicher durchmarschieren würde. Ist natürlich keine Hilfe wenn die taktische Gefechtsfeldaufklärung einer BTG nicht in Bataillone oder Kompanien sondern in Züge gemessen wird. |