@CommanderR.
Wow, ein ausserordentliches Lob für die Schweizerischen Streitkräfte!:daumen:
Es freut mich natürlich, wenn Aussenstehende eine solche Ansicht "meiner" Armee vertreten.
Ich glaube aber, in gewissen Punkten muss man ein bisschen relativieren.
Zur Luftwaffe:
Zitat:Eine effektive Luftraumüberwachung und Verteidigung lässt sich mit modernen Luftabwehrsystemen ebenso gut und um einiges günstiger darstellen, als mit einer guten und relativ großen Luftwaffe, vor allem wenn wie im Falle der Schweiz ohnehin die Doktrin auf reine Verteidigung ausgelegt ist und keine Offensivoperationen über die Grenzen der Schweiz hinaus vorgesehen sind, sowie die Landesgröße und auch der Luftraum relativ überschaubar sind.
Die Luftwaffe war nicht immer traditionell auf Verteidigung ausgelegt. Vor ziemlich genau 10 Jahren wurde allerdings die Jabo-Kapazität der Luftwaffe mit der Ausmusterung der Hawker Hunter ohne Ersatz aufgehoben. Dieser Schritt war richtig, da die Gefahr der Sowjetunion mit ihren gewaltigen Armeen gebannt war. Wirkliche Langstrecken-Offensivkraft bestand bei der Luftwaffe zwar nie, die einzigen Abstandswaffen waren optische Maverick am Hunter und AS-30 an den Mirages. Wobei ich bei letzterer nicht genau weiss, was es für eine Waffe ist, nur, dass es sich nicht um die russische Rakete handelt.
Momentan ist eine offensive Einsatzdoktrin der Luftwaffe ausser Diskussion, da die Kapazität niemals dafür reichen würde. Die Hornets würden sich, in grösserer Anzahl, jedoch gut dafür eignen. Die F-5 bestehen als "Bombenschlepper" aber nicht, wie Tests gezeigt haben (Quelle: "Hunter Fascination" von Christophe Donnet, Schück Verlag); die Bewaffnung der Tiger mit Maverick, welche ebenfalls ins Auge gefasst wurde, hat man aus Kostengründen wieder verworfen.
Die Gruppe Rüstung des Verteidigungsdepartements liebäugelt seit Jahren mit bewaffneten Mehrzweckhubschraubern, mit welchen der Luftwaffe auf einem billigeren Weg die Bodenangriffskapazität zurückgegeben werden soll. Zur Diskussion standen meines Wissens vor allem Battlefield Lynx. Auch Blackhawks wären dafür geeignet.
Aus Kostengründen wurden bisher alle Projekte zur erneuten offensiven Luftwaffe zurückgestellt, Hubschrauber ebenso wie eine Vergrösserung der F/A-18-Flotte (welche dann sämtliche Aufgaben übernemen müsste: Jagd, Aufklärung und Bodenangriffe; spricht irgendwie auch für die JAS-39 Gripen...).
Interessant dazu ist ein Planspiel, welches vor ein paar Jahren innerhalb des Verteidigungsministeriums rumgeisterte und eine sehr offensive Kriegsführung im Falle einer Invasion vorsah, wobei Bodenverbände auch weit (50-100km) hinter die Landesgrenzen vorstossen sollten. Für eine solche Art der Kriegsführung wäre eine offensive Luftwaffe allerdings Voraussetzung. Nachdem das Planspiel in die Medien kam, musste das VBS aber schnell zurückstecken und relativieren, dürfte mittlerweile sogar total von solchen Überlegungen weggekommen sein, da grad die Panzerstreitkräfte im Moment drastisch reduziert wurden und seit dem 11. September sowieso ganz andere Prioritäten gesetzt wurden.
Eine Modernisierung bzw. Ergänzung der Luftabwehr könnte durchaus als Ersatz für eine Luftwaffe hinhalten, auch wenn dadurch eine Menge Know-How verloren ginge. Und mal unter uns: viele Schweizer sind nach wie vor stolz auf ihre Flieger, welche sich gegen die Deutschen nicht schlecht gewehrt haben, bei den paar Luftgefechten, die es im 2.WK gegeben hat. Auch hier wird glori- und mystifiziert. Jedenfalls ein Hindernis dafür, die Luftwaffe einfach so aufzugeben.
Zu den Festungen:
Zitat:Die geografische Beschaffenheit der Schweiz ermöglicht es zahlreiche Bunker, Befestigungsanlagen, Sperrsysteme und auch schwere Waffen sowie Artillerie kaum erkennbar und gut geschützt zu platzieren. Die Meister der Tarnung waren dei Schweizer schon immer, kann man mit unter an als Häuser getarnten Bunkeranlagen, sowie an einfahrbaren Artilleriesystemen u.ä. in Bergstollen oder Bunkern erkennen.
Ich frage mich, welchen Wert die Festungen wirklich haben. Ihren Einsatz konnten sie noch nie unter Beweis stellen, sie hatten bisher einen rein symbolisch-abschreckenden Wert. Getarnt sind sie hervorragend, wie ich mich selbst schon verblüfft am Vierwaldstättersee überzeugen konnte, wo an einer vielbefahrenen Strasse zwischen Weggis und Brunnen an einer Stelle einfach falsche Felsen eine Festung verbergen, welche die Strasse früher mit schweren Geschützen und MGs gesichert hat; die Anlage ist heute ausser Betrieb, wird nur noch als Truppenunterkunft genutzt, doch werden die noch benutzten Anlagen in den Alpen und anderswo ähnlich getarnt sein.
Aber: Was bringen Festungen, mal aufgespürt, gegen bunkerbrechende Bomben, Daisycutter u. Ä.? Auch diese Frage kann niemand beantworten, es wurde einfach noch nie ausprobiert, eine solche Anlage anzugreifen!
Im Krieg nach momentaner westlicher Einsatzdoktrin, in welcher der Invasor möglichst keine Verluste haben darf und möglichst wenig Geld auszugeben hat, können die Festungen duchaus ihre psychologisch-frustrierende Wirkung entfalten und die Verteidiger hätten mehr Vorteile in der Hand. Es steht hier also mobile Verteidigung mit Offensivpotenzial gegen statische Betonwälle; bis in die 90er-Jahre hat sich die Schweiz jedenfalls beides geleistet.
Zitat:Die regelmäßigen Reservistenübungen führen ebenso dazu das zusätzlich hunderttausende Reservisten auf höchstem Niveau bereit stehen, vergleichbar weltweit nur noch mit Israel.
Jeder Soldat muss jährlich einen Wiederholungskurs von 2 oder 3 Wochen absolvieren, dazu gibts noch das obligatorische Schiesstraining einmal pro Jahr. Bei den Unterstützungstruppen wird in den WKs meist nur noch genossen, man darf die paar Wochen stellenweise auch als staatlichen Urlaub für Familienväter und gestresste Manager ansehen, welche auf diese Weise ihrem anstrengenden Alltag entkommen (ich hoffe, die überspitzte Formulierung ist aufgefallen :evil: ). Wie in vielen Armeen machen die Unterstützungstruppen auch in der Schweiz einen guten Teil aus.
Mit der Reform "Armee XXI) wird der Bestand an Soldaten, inkl. Reserve, auf ca. 220000 Leute reduziert (Reserve ca. 80000 davon). Die "hunderttausende Reservisten auf höchstem Niveau" sind also mit Vorsicht zu geniessen
.
Zitat:Die hochklassige Rüstungsindustrie der Schweiz garantiert ebenso eine große Unabhängigkeit gegenüber externen Waffenlieferanten.
Ja, wenn es nur so wäre...
Viele Waffensysteme wurden in der Schweiz in Lizenz zusammengebaut, so etwa die Hornets, die F-5 und Alouette III; wenn mich nicht alles täuscht, auch die Leo II. Die Betriebe und das Know-How der Industrie sind da.
Früher gabs auch zahlreiche Eigenentwicklungen. Werke wie Oerlikon, SIG, F+W und MOWAG bauten hervorragendes Material. Bsp. wären die Piranha-Familie, die Oerlikon-Flak oder der Versuch, mit der P-16 einen eigenen Kampfjet herzustellen.
Heute ist vieles davon Vergangenheit. MOWAG wurde von General Dynamics Land Systems aufgekauft, SIG hat das Waffengeschäft abgestossen, von Oerlikon hab ich auch schon lang nichts mehr gehört.
Die Werke RUAG (Artilleriesysteme, Bsp. BISON-Festungskanonen) und Pilatus (Trainings- und Transportflugzeuge) existieren zwar noch, aber von autonomer Waffenproduktion dürfte in nächster Zukunft nicht grad die Rede sein. Was die Wartung und Inbetriebnahme sowie evtl. Lizenzfertigungen betrifft, so gibts dafür jedoch noch genügend Industriebetriebe.