(15.02.2025, 10:38)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Nun ist dein Argument ja, dass wir beides tun und leisten sollten (Ostsee plus Nordatlantik). Das ändert nichts daran, dass wir aktuell keines von beidem leisten könnten. Dem folgend schreibst du, dass dies aber möglich wäre und wir es tun sollten. Man muss so etwas aber von Grund auf aufbauen, und die Idee hier in kurzer Zeit große Sprünge machen zu können scheitert einfach völlig an der Realität.
Ich bin da bei Helios. Denn die Probleme unserer Streitkräfte und auch der Marine bestehen ja zu allererst darin, dass wir "die PS nicht auf die Straße bringen" aufgrund dysfunktionaler Strukturen, Bürokratismus und diverser anderer systemischer Schwächen. Diese Probleme muss man auf jeden Fall in den Griff bekommen, denn sonst ist eben auch die Ostsee schon zu viel verlangt, egal wie sehr wir uns auf sie fokussieren. Aber wenn man das tatsächlich hinbekommt, dann ist Nordmeer und IKM ebenfalls mit unseren Mitteln zu leisten. Ein Verzicht darauf würde uns im Gegenzug kaum helfen hinsichtlich der Ostsee, weil es eben nichts am dysfunktionalen System BW ändern würde. Ob wir nun nur eine oder doch zwei Einsatzflottillen mit spezifischen Einsatzräumen vorhalten, ist nur eine Frage von Geld und Personal und beides zusammen ist eindeutig die kleinere Herausforderung als die strukturellen, grundlegenden Probleme.
Zitat:Zudem denkst du meiner Meinung nach die Marine zu sehr in Richtung Seekriegsführung. Sie müsste aber zunächst in Bezug auf den großen konventionellen Krieg als Unterstützung der Landkriegsführung gedacht werden, beispielsweise dahingehen, dass hochleistungsfähige AAW Schiffe von der Ostsee aus den Luftraum über dem Baltikum frei halten usw.
Auch das halte ich für verkehrt herum gedacht. Jede Einheit auf dem Land ist einer auf dem Wasser vorzuziehen, wenn sie das gleiche leisten kann. Denn Schiffe sind teuer, komplex und versenkbar. Warum sollten wir dem Gegner ein Hochwertziel in Form einer AAW-Fregatte präsentieren, wenn Raketenbatterien auf Lkws an der Küste das gleiche Ergebnis bringen könnten? Für weniger Geld, mit weniger Personal und unsinkbar.
Schiffe ab Fregatte aufwärts können zwar sicher auch in der Ostsee sinnvoll eingesetzt werden, aber wenn man sie landgestützt kompensieren kann, stellt das immer die bessere Lösung dar.
Also wenn du einen Fokus auf die Ostsee unter Verzicht auf andere Einsatzräume forderst, dann sollten sich Fregatten erledigt haben und auch U-Boote mit großer Reichweite/Ausdauer. Außerdem auch Versorger, über kleine Tender für Bootsgruppen und unbemannte Systeme hinaus.
Für Hubschrauber sollte man dann dringend über Tiltrotor u.ä. Konzepte großer Reichweite nachdenken, die keine schwimmenden Helidecks erfordern, wodurch auch die Korvetten noch kleiner und signaturärmer ausgelegt werden können.
Wobei diese Aspekte eben nicht zwingend nur dann zum Tragen kommen müssen, wenn man sich auf die Ostsee konzentriert.
Zitat:Eins nach dem anderen, anders wird es meiner Ansicht nach gar nicht gehen.
Wichtig wäre dafür mMn nur die organisatorische Trennung, damit sich die verschiedenen Interessen hier nicht gegenseitig im Weg stehen. Man kann halt heutzutage schlecht ein Schiff gleichermaßen für die Straße von Taiwan und das Frische Haff auslegen.
Zitat:Wir sprechen hier aber von nicht beherrschbaren Dimensionen. Wir sprechen hier von zehntausenden Seemeilen an Routen, und dann von 15 Fregatten (+/-) welche sich auf diese verteilen würden.
Natürlich kann man nicht alleine überall alles sichern und jedem Frachter einen Zerstörer mitgeben. Darum geht es aber auch nicht, es geht um neuralgische Punkte.
Wenn wir die Nordflotte in der Barentssee oder sogar in Murmansk festhalten können, dann ist der Nordatlantik weitestgehend gesichert. Und das könnten CAN, UK, NOR, DK und DE gemeinsam schaffen, wenn sie gut zusammenarbeiten.
Der Golf von Aden und das Rote Meer sind mit einigen Fregatten und Zerstörern auch zu sichern, sofern diese ausreichend befähigt und nachversorgt sind. Das könnte die NATO gemeinsam selbst ohne die Amerikaner hinbekommen.
Zitat:Beispielsweise kann man den Seeverkehr gegen Piraten sehr viel besser und sehr viel kostengünstiger mit Begleitinfanterie auf den zivilen Schiffen sichern als mit einer Fregatte.
Anti-Ballistic-Missile-Infantry?

Schlauchboot-Piraten vor Somalia sind nicht mehr das Thema. Die hybride Kriegsführung, der Einsatz irregulärer Kräfte und asymmetrisch agierender Proxis sind das Problem der kommenden Dekaden in diesem Bereich.
Zitat:Der Gegner gewinnt da allein schon dadurch, weil seine Gesamtkosten weit unter denen liegen welche wir für die unzureichende (!) Abwehr der jeweiligen Gefährdung einsetzen.
Das ist ein Problem, dem man begegnen muss und auch kann. Dafür ist es nur wichtig, eine IKM-Seestreitkraft derart aufzustellen, dass sie trotz ihrer hohen Technologisierung auch in der Lage ist, asymmetrischen Bedrohungen mit vertretbaren Kosten entgegen zu treten. Eine Möglichkeit dafür sind sicher günstige Standard-FlaRak, die containerisiert von Schiffen eingesetzt werden. Eine weitere wären C-UAS-Drohnen mit den gleichen Waffensystemen wie landgestützt eingesetzt. Oder eben auch dort Kräfte an Land, sofern man vor Ort über Verbündete verfügen sollte.
Und auch Flugzeuge könnten da wieder eine größere Rolle spielen.
Vieles davon sind aber weniger technische Fragen, sondern hängen stark von politischem Willen ab, in entsprechenden Konfliktlagen konsequent zu handeln.
Mal eine unkonventionelle Idee dazu: Wir könnten für die Ostsee eine ganz neue Teilstreitkraft aufstellen. Und zwar bewusst nicht als Seestreitkraft, sondern eher als Marineinfanterie wie das USMC, nur halt stärker regional fixiert und somit spezialisiert auf die Binnenmeerkriegsführung. Mit eigenen Booten, Hubschraubern, Flugzeugen etc. Konzeptionell von der Küste aus gedacht, nicht vom Wasser. Mehr defensiv/sperrend als offensiv/öffnend, also Minenkampf, Raketenstellungen und eben Jagd-/Spezialkräfte. Wie du es auch schreibst: auf die Unterstützung des Landkriegs fokussiert. Und auch in der Mentalität nicht auf die Weite der Meere ausgerichtet, sondern den Schutz der Heimat und eigener Kräfte an Land.
Diese TSK würde sich dadurch deutlich unterscheiden von der Marine, die dann vollkommen befreit sich um Aufgaben außerhalb von Nord- und Ostsee kümmern könnte.