Was war der Grund bzw. welchen Vorteil hat man sich erhofft, dass die Fallschirmjäger bei der Wehrmacht der Luftwaffe unterstellt waren und nicht dem Heer? Warum macht man das heute nicht mehr?
Nach meiner Erinnerung war der Grund Herman Göring, da dieser neben der Luftwaffe auch für die Polizei zuständig war . Die Polizeiabteilung z.b.V. Wecke wurde 1935 aus der aus der preußischen Landespolizei in die Luftwaffe überführt und zum Regiment "General Göring". Daraus kommen dann die ersten 600 freiwilligen für die Aufstellung eines Fallschirm-Bataillons sowie einer Fallschirm-Pionierkompanie. Es gab aber auch beim Heer und später bei der Waffen SS Fallschirmjäger.
@alphall31
Zitat:Nach meiner Erinnerung war der Grund Herman Göring...
Korrekt, es war quasi beinahe ausschließlich Görings Eitelkeit.
Schneemann
Wobei das Heer schon sehr früh eigene Fallschirmjäger hatte, und zwar schon 1937, also gerade mal ein Jahr nach der Luftwaffe. Diese Fallschirmschützen (deshalb auch das Fallschirmschützenabzeichen des Heeres) wurden aber dann später auf massiven Druck von Göring hin ebenfalls in die Luftwaffe übernommen.
Im weiteren gab es auch noch die 22 Infanterie-Division des Heeres, die explizit für luftbewegliche Operationen gedacht und entsprechend ausgerüstet wurde.Die 22. Division wurde praktisch zusammen mit der 7. Flieger-Division für Luftlandeoperationen ausgebildet und sollte die Fallschirmjäger der Luftwaffe bei diesen unterstützen. Diese Aufgabe übernahmen aber dann in der praktischen Einsatzrealität stattdessen oft Gebirgsjäger, beispielsweise in Kreta die 5. Gebirgs-Division. Noch darüber hinaus wurden die Fallschirmjäger der Luftwaffe manchmal bei luftbeweglichen Operationen von Gebirgsjägern auch direkt unterstützt und angeblich gab es zumindest in Norwegen entsprechende luftbewegliche Operationen von Gebirgsjägern. Angeblich gab es auch einzelne Absprünge von Gebirgsjägern per Fallschirm, aber egal welche Heereseinheit sich im Laufe der Jahre in eigenen luftbeweglichen Operationen und Luftlandungen versuchte, sofort fuhr da immer Göring entschieden dazwischen und unterdrückte jede solche Entwicklung im Heer. Beispielsweise verlor die 22. Division ihre Status zu Luftlandungen befähigt zu sein mehrfach auf Betreiben Görings.
Die Fallschirmjäger der Waffen SS kamen im wieteren ja erst später, als die SS insgesamt einfach zu mächtig geworden war, als dass Göring dies hätte verhindern können. Zudem gab es nicht viele SS Fallschirmjäger und das Bataillon galt als Bewährungseinheit, also als ein Strafbataillon. Trotz dieses Status galt es zudem eher als eine Art Sondereinheit und weniger als normale Fallschirmjäger und wurde schließlich in die SS Jagdverbände überführt.
Beschließend noch zu Wecke:
https://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gli...FRHG-R.htm
Zitat:Am 30. Januar wurde Hermann Göring preußischer Innenminister und dadurch auch Oberbefehlshaber der preußischen Polizeitruppen. Am 24. Februar 1933 ließ Hermann Göring die Polizeiabteilung z.b.V. Wecke aufstellen. .......Im Januar 1934 erfolgte eine weitere Umbenennung, die Einheit erhielt jetzt den Namen Landespolizeigruppe General Göring. Außerdem mußten die Angehörigen nun ein militärisches Trainingsprogramm absolvieren. 1935 wurde Hermann Göring Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Um die Kontrolle über die Einheit behalten zu können, wurde diese in die Luftwaffe überführt und in Regiment General Göring umbenannt. Die Einheit wurde zu einer Luftwaffeneinheit umgegliedert und neu ausgebildet. In dieser Zeit wurden das I. Jäger-Bataillon und die 15. Pionier-Kompanie zur Fallschirmausbildung zur Fliegerschule Döberitz abkommandiert. Diese Einheiten wurden aufgeteilt und bildeten den Kern des Fallschirmjäger-Regiments 1.
Ganz beschließend:
Nicht jede militärische Struktur hat irgendwelche logischen, vernünftigen, militärischen Gründe. Sondern sehr oft resultiert sie einfach nur aus internen Machtkämpfen und den persönlichen Eigenheiten irgendwelcher Personen die Macht haben diese in reale Begebenheiten umzusetzen.
Beispielsweise gab es aus ähnlichen irratationalen Gründen in Japan gar keine Luftwaffe, dafür hatten Heer wie Marine eigene Luftwaffen und beide eigene Fallschirmjäger, und dass Heer noch darüber hinaus eigene Schiffe bis hin zu kleinen Trägern. Und aus dem gleichen Dummfug heraus waren Fallschirmjäger bei der Wehrmacht halt Luftwaffe.
Die Beiträge über die Kaiserliche Japanischen Luftstreitkräfte habe ich hierhin verschoben:
https://www.forum-sicherheitspolitik.org...sche+armee
Noch eine interessante Anekdote zur Entstehung der Fallschirmtruppe:
https://www.mdr.de/geschichte/ns-zeit/fa...ch100.html
Zitat:Nach einer von Adolf Hitlers Privatsekretärin Christa Schröder kolportierten Anekdote soll der NS-Diktator der geistige Urheber der deutschen Fallschirmwaffe gewesen sein. Demnach sieht er 1935 bei einem Café-Besuch in München auf dem Titelblatt einer Illustrierten ein Foto von 200 sowjetischen Fallschirmjägern beim Absprung. Während sich seine Entourage über den "großen Bluff" amüsiert, soll Hitler das Foto ausgeschnitten und wortlos in die Tasche gesteckt haben. Zwei Tage später habe er Luftwaffen-Chef Hermann Göring gerufen und ihm den Entwurf zur Bildung des ersten deutschen Fallschirmjäger-Regiments unterbreitet.
Zitat:Der deutsche Militärattaché in Moskau liefert bereits seit 1932 Berichte über die Entwicklung der sowjetischen Fallschirmtruppen an die deutsche Heeresleitung. Der Generalstabschef der am 1. März 1935 gegründeten deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Walther Wever, legt diese Berichte auch seinem Oberbefehlshaber Göring vor. Gut möglich, dass dieser in der Fallschirmwaffe eine Chance sieht, seine Stellung im NS-Staat weiter aufzuwerten. Doch auch wenn die Idee zum Aufbau einer Fallschirmtruppe eher von Göring als von Hitler stammen sollte, so muss ihr der "Führer" doch sein Placet gegeben haben. Im Herbst 1935 erhält der Luftwaffen-Chef jedenfalls grünes Licht zum Aufbau einer Fallschirmtruppe.
Zitat:Göring, zweiter Mann im NS-Staat und seit 1933 auch Herr über die preußische Polizei, greift dafür zunächst auf das im Oktober 1935 aus der preußischen Landespolizei in die Luftwaffe überführte Regiment "General Göring" zurück. Die Wurzeln dieser Lieblingseinheit Görings reichen in die im Februar 1934 aus strammen Nationalsozialisten gebildete "Polizeiabteilung z.b.V. Wecke". Frühere "Wecke"-Polizisten stellen 1935 auch das gesamte Offizierkorps des Regiments "General Göring".
Fast alle diese Offiziere gehören zu jenen 600 Freiwilligen, die sich im Oktober für die von Göring beschlossene Aufstellung eines Fallschirm-Bataillons sowie einer Fallschirm-Pionierkompanie melden. Bei der anschließenden Umgliederung des Regiments "General Göring" entsteht im November 1935 zunächst das I. Jäger-Bataillon, das später in IV. Fallschirmschützen-Bataillon umbenannt wird. Es ist die erste Fallschirmjäger-Einheit der Wehrmacht überhaupt. Als zweite deutsche Fallschirmjäger-Einheit wird kurze Zeit später die 15. (Fallschirmpionier)-Kompanie des Regiments "General Göring" aufgestellt.
Noch ein Grund - und diesmal ein Militärischer, warum man die Fallschirmjäger der Luftwaffe zuordnete:
Zitat:Im Generalstab der Luftwaffe begreift man die Fallschirmjägerwaffe zunächst als Ergänzung zum eigenen Luftangriffskonzept. Dort, wo hochwertige Ziele nicht durch Bombenangriffe zerstört werden können, sollen Fallschirmjäger dies erledigen. Die Jäger sollen in kleinen Gruppen hinter den feindlichen Linien abgesetzt werden und mit Hilfe mitgeführter Sprengmittel als Zerstör- und Sabotagetrupps wirken. Dementsprechend ist ihre Ausbildung zunächst auf das Profil militärischer Einzelkämpfer ausgerichtet. In Anlehnung an die sogenannte Zerstörertaktik wird das IV. Fallschirmschützen-Bataillon des Regiments "General Göring" zeitweise auch als Fallschirm-Zerstörerbataillon bezeichnet.
herrbodi:
Diese Doktrin bzw. Auffassung davon, was Fallschirmjäger sind und was sie tun sollen, würde Militärisch erklären, warum sie der Luftwaffe zugeordnet wurden und warum man die Fallschirmtruppe des Heeres in die Luftwaffe holte.
Es ging also anfangs gar nicht darum Infanterie abzusetzen, sondern Luftangriffe auf bestimmte Hochwertziele zu ergänzen bzw. zu ermöglichen.
Damit hätten wir also ein Motiv, dass militärische Gründe hat und nicht allein Görings privatem Streben entspringt.
Das man eine kurze Zeit die Fallschirmjäger als Fallschirm-Zerstörer bezeichnete, wusste ich bis dato nicht mal. Wieder mal was neues.
Verbleibt noch deine Frage warum sie heute beim Heer sind: Fallschirmjäger sind leichte Infanterie, und damit aufgrund ihres primären Auftrages (infanteristischer Kampf) besser beim Heer. Darüber hinaus sind echte Luftlandungen per Fallschirm heute ein Anachronismus und kämpfen Fallschirmjäger die meiste Zeit ganz normal als Infanterie. Die Luftlandung per Fallschirm ist ja der Sonderfall, und die Unterstellung unter die Luftwaffe nur wegen dieses Sonderfall daher nicht sinnvoll.
Ein sehr interessanter Artikel! Vielen Dank für die Antwort!
Hallo,
denke, dass wesentlich ist gesagt.
Kann hierzu das Buch "Deutsche Fallschirmjäger 1935-43" Brandenburgisches Verlagshaus empfehlen.
02/1933 - Hermann Göring bildet als Chef der preussischen Polizei die Berliner Polizeiabteilung "Wecke", die eine kleine an Fallschirmen ausgebildeten luftbeweglichen Anteil für spezielle Operationen umfasst.
diese wächst bis 1936 auf Regimentsstärke auf / unter Führung der Luftwaffe. => die Grundlage der 7. Flieger Division. (Luftwaffe).
1937 stellt das Heer wird eine Fallschirm-Infanterie-Kompanie auf. (in Stendal). Der "Grundstein" der genannten 22. Luftlandedivision.(Heer).
Man unterschied zu Beginn zwischen
Fallschirmtruppen=> springen mit Fallschirm ab oder mit Gleitflugzeugen, "leichte Infanterief, ohne schwere Waffen, noch
Luftlandetruppen => folgen Fallschirmjägern, mit Transportflugzeugen (zB JU52), oder Lastenseglern.
Ich meine, es gab zu Beginn auch einen "Richtungsstreit", wie diese Fallschirmjäger eingesetzt werden sollten.
Ansatz Sabotage-/ Kommandotrupps (Ansatz der Luftwaffe) vs geschlossener Einsatz grösser Verbände um einen Brückenkopf zu errichten.(Ansatz des Heeres).