05.01.2024, 23:54
Das wird im dem verlinkten Dokument ausführlich betrachtet. Die Grenzen sind sicherlich fließend, gleichwohl aber erreicht, wenn die Polizeitruppe mechanisiert wird.
(05.01.2024, 23:38)Nightwatch schrieb: [ -> ]Und nein, man kann auch nicht den BGS als Polizeitruppe neu aufstellen, mit schwerem Gerät zur Landesverteidigung befähigen und für Einsätze im Inneren als Polizei auftreten lassen.Ich glaube, du überinterpretierst das. Es war nicht die Rede davon, den BGS mit schwerem Gerät auszustatten. Das bleibt bei der BW. Die Aufgabe des BGS in der LV wäre die einer leichten Infanterie. Inwieweit diese über gewisse Unterstützungswaffen verfügen darf oder muss, darüber kann man sicher diskutieren, aber ich sehe da bei sMG/GMW/PzFst schon einen Grenzbereich erreicht.
Zitat:Eine Wehrpflichtigen-Teilstreitkraft für den Heimatschutz ist immer noch eine Streitkraft im Sinne des Grundgesetzes Art. 35 und 87a Abs. 4 GG, mithin unterläge ein Einsatz im Inneren den gleichen Spielregeln wie der regulären Bundeswehr, auch wenn man das Konstrukt BGS nennt.Ja, klar. Deswegen müssen auch Verweigerer davon getrennt gehalten werden. Allerdings unterscheiden sich die gesetzlichen Regeln für BW und BGS, was den Einsatz im Inneren (Art 35 Abs.2 GG) angeht.
Zitat:Das Grundgesetz weist dem Bund in Art. 87a Abs. 1 S.1 GG die Kompetenz zu, Streitkräfte aufzustellen. Gemäß Art. 87a Abs. 1 S. 2 GG muss der Bundesgesetzgeber zwingend über die zahlenmäßige Stärke und Grundzüge der Organisation der Streitkräfte entscheiden. Dies stellt sicher, dass der Bundestag die zivile Kontrolle über die militärischen Fähigkeiten der Bundesrepublik behält.Ist gegeben. Der BGS untersteht dem Bund und wird von diesem im V-Fall der BW unterstellt oder im Rahmen einer anderweitigen, durch das Parlament festgestellten, Notlage zur Amtshilfe eingesetzt, alles im Rahmen festgelegter bzw. noch näher festzulegenden Regeln.
Zudem stehen Einsätze der Bundeswehr im Innern, und damit ein Einsatz militärischer Fähigkeiten im Innern, unter dem Vorbehalt einer ausdrückliche n verfassungsrechtlichen Ermächtigung 14, Art. 87a Abs. 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht fordert daher „die Möglichkeiten für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern durch das Gebot strikter Texttreue zu begrenzen“.
Da die Aufstellung von Streitkräften somit Sache des Bundes ist und die Streitkräfte (und damit die militärischen Fähigkeiten der Bundesrepublik) im Innern zudem nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eingesetzt werden können, wird aus Art. 87a Abs. 1, Abs. 2 GG ein Verbot abgeleitet, dass einzelne Bundesländer eigene Streitkräfte aufstellen oder ihre Polizei durchgehend militärisch auszustatten.
Zitat:Die Grenze zur unzulässigen Aufrüstung (Miliz) dürfte jedenfalls erreicht sein, wenn eine durchgehende Ausrüstung der Polizei mit militärischen Waffen erfolgt. Die vereinzelte Ausstattung mit militärischen Waffen könnte jedoch aus Gefahrenabwehrgründen auch der Polizei und einzelnen polizeiliche n Spezialeinheiten erlaubt sein.Das bezieht sich zwar offenbar auf eine Bewaffnung der Landespolizeien und trifft somit hier eben nicht zu, aber davon ab ist der BGS auch gar keine Polizei. Sein Auftrag ist der Schutz gegen Angriffe von Außen. Die ehemaligen polizeilichen Aufgaben des BGS wurden von der Bundespolizei übernommen, es verbleibt nur der "Grenzschutz" in einer Schengen-kompatiblen-Interpretation.
Zitat:Im Übrigen dürfte so eine Wehrpflichtigen-Heimwehr-BGS Truppe verfassungsrechtlich dahingehend auf tönernen Füßen stehen, dass sie sich eben von der regulären Bundeswehr abgrenztNein, wieso? Sie hat den bloßen Auftrag der Landesverteidigung, während der Auftrag der BW dann Bündnisverteidigung und IKM wären. Paramilitärische Gendarmerien/Küstenwachen funktionieren doch auch in unterschiedlichen Konstrukten in mehreren europäischen Staaten.
Zitat:und die Wehrpflichtigen dorthin für andere/erweiterte Aufgaben auslagert.Das verstehe ich nicht ganz. Die WDL bleiben beim BGS, dessen Verbände im V-Fall der BW unterstellt werden. Wo ist das Problem?
Zitat:Die verfassungsrechtliche Legitimierung der Wehrpflicht leitet sich aber eben davon ab, dass die Einziehung von Wehrpflichtigen in der allgemeinen Lage zur Verteidigung des Bundesgebietes zwingend notwendig ist. Die Begrifflichkeit Verteidigung ist dabei durchaus eng im Sinne des Art115a GG auszulegen: Angriff des Bundesgebietes /Bündnisgebiets mit Waffengewalt von außen;Joa, und dafür wird der BGS aufgestellt. Weil die Feststellung getroffen werden muss, dass für den V-Fall eine Armee wie die BW es heute ist, nicht allein in der Lage sein kann, den ungeheuren Bedarf an einfacher Infanterie für Graben-, Orts- und Häuserkampf aufzubringen. Das ist die Legitimierung der Wehrpflicht und der Zweck der Aufstellung. Die Organisationsform ist davon unabhängig.
Zitat:nicht: Terrorabwehr, Bürgerkrieg, Polizeidienst, Amtshilfe, out of Area oder sonstwas.out-of-area fällt raus, das ist nicht vorgesehen, dafür gibt es die BW und dort dann auch immer noch FWDL.
Zitat:Das ergibt sich auch aus dem Umstand das die grundgesetzliche Verpflichtung zum Wehrdienst nach Art 12a sich artikelimmanent sehr eindeutig auf eben den V-Fall bezieht und beschränkt. Entsprechend fokussiert in der Zielsetzung hat der Wehrdienst auch zu sein.Ich sehe da keine Schwierigkeit: Die Aufgabe des Wehrdienstes wäre es, Vorsorge für den V-Fall zu betreiben durch den Aufbau einer möglichst großen Reserve. Dazu ist erforderlich, auch Kräfte für Pionier- Sanitäts- und Logistikaufgaben auszubilden, wozu sich glücklicherweise auch diejenigen eignen, die keine Waffe führen wollen. Aber das alles dient primär der Verteidigung gegen äußere Angriffe.
Ein Konstrukt, in dem so ein verkappter Heimwehrverein vielleicht noch sekundär oder gar nur tertiär ein wenig das Feld Landesverteidigung bespielt weckt doch große Zweifel an der zwingenden verteidigungspolitischen Notwendigkeit der Wehrpflicht.
Zitat:Eigentlich ist dieses Konstrukt dann nicht viel anderes als eine allgemeine Dienstpflicht.Doch, denn der eigentliche Dienst, der verpflichtend erbracht wird, liefert selbst erstmal keinen Mehrwert, da er nahezu ausschließlich aus Ausbildung besteht. Erst im Rahmen der anschließenden Reservistendienste wird tatsächlich eine Leistung erbracht, die dann entweder freiwillig erfolgt oder im jeweiligen Einsatz explizit begründet sein muss, wenn eine Dienstverpflichtung erfolgt.
Zitat:Die Grenzen sind sicherlich fließend, gleichwohl aber erreicht, wenn die Polizeitruppe mechanisiert wird.
Zitat:Eine Wehrpflichtigen-Teilstreitkraft für den Heimatschutz ist immer noch eine Streitkraft im Sinne des Grundgesetzes Art. 35 und 87a Abs. 4 GG, mithin unterläge ein Einsatz im Inneren den gleichen Spielregeln wie der regulären Bundeswehr, auch wenn man das Konstrukt BGS nennt.
Zitat:Und nein, man kann auch nicht den BGS als Polizeitruppe neu aufstellen, mit schwerem Gerät zur Landesverteidigung befähigen und für Einsätze im Inneren als Polizei auftreten lassen.
Zitat:Zitat:auf gar keinen Fall dürften die Bundesländer darin involviert werden.
Wieso das nicht? Das von präferierte Polizeipersonalsystem ist Ländersache. Dann könnten die Länder doch auch Militäreinheiten aufstellen und diese der BRD zur Verfügung stellen (analog zum Deutschen/Kaiser Heer im WW1 oder früher)
Zitat:Nach vorherrschender Rechtsauffassung ist es aber nun mal so, dass der Verteidigungsfall sich nur auf den äußeren Notstand bezieht, sprich, es muss eine mit militärischen Waffen durchgeführte Aktion gegen das Bundesgebiet von außen und damit unter Verletzung der Grenzen des Bundesgebietes durchgeführt werden oder unmittelbar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit drohen (Herzog in Maunz/Dürig , Art. 80 a GG Rn 33).
Zitat: Voraussetzungen:
o drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. Art. 79 III GG) des Bundes oder eines Landes
o fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit des Landes zur Bekämpfung der Gefahr o Nichtausreichen der Polizeikräfte und der Kräfte des Bundesgrenzschutzes zur
Bekämpfung der Gefahr
Liegen sämtliche o.g. Voraussetzungen vor, so ist die BReg. gem. Art. 87a IV 1 dazu befugt, die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes...
o ...beim Schutz von zivilen Objekten einzusetzen o ...bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer
einzusetzen
(06.01.2024, 17:48)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Natürlich ändert sich mit der Zeit das was Grundgesetzkonform ist erheblich, etliche Beispiele hatte ich ja explizit angeführt ! Aber spezifisch in Bezug auf den BGS und seine früherere Rolle hat man nie etwas geändert, alles steht noch so eingefroren dar wie es vor 1976 war.
(06.01.2024, 13:12)Nightwatch schrieb: [ -> ]Nochmals:Die Wiederholung der Argumentation ändert nichts daran, dass ich ihr nicht folge.
Zitat:Die verfassungsrechtliche Legitimation der Wehrpflicht entsteht allein aus der zwingenden Notwendigkeit, Bundes- bzw. Bündnisgebiet vor einer äußeren Bedrohung wirksam verteidigen zu können. Entsprechend muss eine Neugestaltung der Wehrpflicht zentral auf die Verteidigung im engeren Sinne der Art. 115a GG ausgerichtet sein.Ich sehe das als gegeben an. Wir reden über eine Wehrpflichtigen-Streitkraft zur Landesverteidigung. Ihr Zweck ist der gleiche, den Wehrpflichtige auch innerhalb der BW hätten. Sie sind nur aus praktischen Gründen separat organisiert. Es gibt aber mWn keinerlei gesetzliche Grundlage, die es verbietet, Streitkräfte in verschiedenen Organisationen vorzuhalten. Wenn überhaupt, dann könnte es evtl. sein, dass so ein BGS auch im Frieden dem BMVg unterstehen müsste, das wäre denkbar, aber kein Hinderungsgrund.
Zitat:Eine Beschränkung des Wehrdienstes auf einen Bundesgrenzschutz in alter Form, als halbwegs militärisch ausgestattete Polizeitruppe (ja Polizei, siehe altes BSGS) mit Kombattantenstatus erfüllt diesen Anforderungsrahmen nicht... und hat hier auch niemand vorgeschlagen. Keiner will eine Polizeitruppe mit Wehrpflichtigen. Gerade ich lege z.B. sehr viel Wert darauf, dass Polizisten gut ausgebildet sind, und eine dienstverpflichtete Polizeitruppe würde diesem Ansatz absolut widersprechen.
Zitat:Wehrpflicht ist nur dann verfassungsrechtlich legitim, wenn sie zur Erfüllung des grundgesetzlichen Verteidigungsauftrages in den Streitkräften notwendig ist und eingesetzt wird.Und wo ist nun das Problem, wenn der BGS 2.0 per Definition und auch defacto eine Streitkraft ist? Also eine der Streitkräfte, die der Bund gemäß GG aufstellt? In diesem Fall konkret deswegen, weil die anderen vorhandenen Streitkräfte für eine vollumfänglich Landesverteidigung alleine nicht geeignet wären?
Zitat:Dann weiterhin, Wehrpflicht darf primär nur der Verteidigung dienen. Der Einsatz von Wehrpflichtigen allein in einer polizeilichen Hilfstruppe, die bestenfalls eine sekundäre oder tertiäre Befähigung für nachrangige Hilfsaufgaben im Verteidigungsfall hat und sich primär mit polizeilichen Aufgaben, Amtshilfe, Katastrophenhilfe, Aufrechterhaltung der inneren Ordnung, Terrorabwehr, Grenzschutz oder was weiß beschäftigt widerspricht der grundgesetzimmanenten Beschränkung der Wehrpflicht auf die Verteidigung vor äußeren Bedrohungen.Es wäre ja auch genau umgekehrt. Der BGS wäre primär zur LV aufgestellt, befähigt und eingesetzt. Jede Sekundärfunktion käme nicht über das hinaus, was die BW auch bisher schon in dieser Richtung zu leisten hat. Der BGS wäre nicht explizit dafür vorgesehen, er wäre nur aus bestimmten Gründen einfach besser dafür geeignet als es die BW von heute ist. Er entspräche nämlich ganz grob dem, was das Territorialheer mal gewesen ist. Ein Teil der Streitkräfte, der weniger professionalisiert, sondern stattdessen tief in der Gesellschaft verwurzelt und mit ihr verbunden ist. Dabei schwächer bewaffnet als das Feldheer, bzw. eben die moderne Berufsarmee, die den Notwendigkeiten der globalen Sicherheitslage folgend zunehmend für eine Verteidigung außerhalb der Landesgrenzen befähigt sein muss.
Zitat:..., der Großteil der Wehrpflichtigen und mithin der Schwerpunkt der Wehrpflicht muss jedoch bei den primär zu Verteidigung gegen äußere Bedrohung vorgesehen regulären Streitkräften liegen.Abgesehen davon, dass der BGS 2.0 mMn als Teil der regulären Streitkräfte einzuordnen wäre: wo steht das? Und was ist damit überhaupt gemeint? War das Territorialheer Teil der regulären Streitkräfte? Wo ist die Unterscheidung zwischen regulär und irregulär? Muss eine reguläre Streitkraft nur dem BMVg unterstehen oder gibt es irgendwelche Regeln dazu, wie stark die einzelnen Streitkräfte miteinander verbunden sein müssen, um als "regulär" zu gelten?
(06.01.2024, 15:08)Nightwatch schrieb: [ -> ]Der BGS wurde Jahre vor der Bundeswehr und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht gegründet. Eine Neugründung heutzutage stünde daher unter anderen verfassungsrechtlichen (und europarechtlichen und völkerrechtlichen) Vorzeichen, Fragen zur militärischen Bewaffnung, Einsatz von Wehrpflichtigen und Einstufung als Polizeitruppe mit Kombattantenstatus würden sich neu stellen und würden nicht nach damaliger Interpretation des Grundgesetzes entschieden.Wir reden hier über die Reaktivierung der bereits gesetzlich geregelten Wehrpflicht sowie die Wiederaufstellung des Bundesgrenzschutzes als eine Streitkraft, nicht als Polizeitruppe. Dieser Vorgang muss natürlich insgesamt GG-konform stattfinden. Dafür braucht es eine Änderung des GG, da eine Wehrpflicht ohne Einbeziehung von Frauen (und nicht-binären ) aller Voraussicht nach unzulässig wäre, aber auch sonst nicht die notwendige Akzeptanz in der Gesellschaft finden würde. D.h., es wäre ohnehin nur dann möglich, wenn ein breiter Konsens über Parteigrenzen hinaus gegeben wäre. Dementsprechend besteht auch ein gewisser Spielraum, was die Änderung gesetzlicher Grundlagen angeht und es wären sicherlich weitreichende Änderungen an den Gesetzen zur Wehrpflicht und zum Zivildienst erforderlich, ebenso bräuchte es ein neues Gesetz zur Wiederaufstellung des BGS, das von vornherein GG-konform formuliert werden kann.
Leider (?) ist das Bundesverfassungsgericht in seiner aktuellen Zusammensetzung nicht dafür bekannt bei der Auslegung des Grundgesetzes einer stringent wortgetreuen oder gar originialistischen Auslegung zu folgen. Insofern, was damals grundgesetzkonform was ist es heute noch lange nicht.
Das ein BGS 2.0 die hohen Hürden der Legitimation einer neuen Wehrpflicht überwindet halte ich da dann eben für ausgeschlossen.
Zitat:Ich glaube übrigens auch nicht, dass das Gericht heute eine paramilitärische Polizeiorganisation ohne Wehrpflichtige zum freien Einsatz im Inneren dulden würde.Natürlich nicht, denn das sind eigentlich genau die Dinge, die unser GG von Anfang an verhindern sollte. Der frühe BGS war dahingehend schon grenzwertig, da er ja auch eigentlich eine Pseudoarmee dargestellt hat.