Quintus Fabius schrieb:Die aktuellen Äußerungen sind selbst bei den "neutralsten" arabischen Staaten inzwischen eher hysterisch was Israel angeht. Die überschlagen sich mit feindseligen Äußerungen gegen Israel, und du schreibst, denen sei es egal ?! Diese Äußerungen allein zeigen schon an, unter was für einem Druck sie wegen der aktuellen Lage stehen.
Das sind doch nur populistische Äußerungen um den internen Unmut vorzubeugen, nicht viel anders als man das Publikum in Israel bespielt. Es war in diesem Raum schon immer entscheidend was hinter verschlossenen Türen tatsächlich gesagt wird und was am Ende dabei rauskommt, nicht was irgendwie groß aufgeblasen zu Hause verkauft oder gar einfach nur in den Medien irgendwie gepusht wird. ->
https://www.ynetnews.com/article/s1s1111ypra
Und so ist es halt überhaupt nicht so, dass die Beziehung zwischen Israel und den Anrainern irgendwie größeren Schaden genommen hätte. Nach dem Krieg wird es mit der Annäherung im Rahmen der Abraham Accords (die eben nicht beerdigt wurden) geräuschlos weitergehen, sollte Trump in den USA wieder Präsident werden sind sogar gewaltige Schritte in diese Richtung möglich.
Das sage ich btw. nicht weil ich das für besonders wünschenswert halte, schließlich ist die arabische Straße für Israel tatsächlich ein viel größeres Problem als es etwa die Perser wären und Herrscherhäuser kommen und gehen.
Trotzdem ist es vor allen Dingen bemerkenswert, wie gut die Beziehung zwischen Israel und den Anrainerstaaten gehalten haben. Egal wie sehr dort die Straße tobt, die Herrscherhäuser halten Kurs. Wobei bei Lichte betrachtet da eigentlich garnicht viel tobt, eigentlich überraschend wenig. Die Dramatik die du da anklingen lässt sehe ich überhaupt nicht.
Ich sehe da keinen Volkszorn, der Millionen zu Massendemonstrationen auf die Straße treibt. Unmut gibt es, aber der äußert sich längst nicht in Größenordnungen die die Regime nicht kontrollieren konnten. Oder überspitzt formuliert: Die Massenproteste gegen Israel in London sind größer als die in Jordanien.
Meinungsumfragen muss man da nicht überbewerten. Von einer negativen Einstellung gegenüber Israel zur einem Aufstand gegen den örtlichen Diktator ist es ein weiter Weg.
Zitat: Es wird und es kann keine freiwillige Umsiedlung geben.
Natürlich wird es keine geben, aus einer Reihe von Gründen. So sinnvoll es auch wäre, die Anrainerstaaten würden da natürlich keine Siedlungsgebiete zu Verfügung stellen.
Was wäre real möglich? Ich kann mir schon vorstellen, dass ein israelischen Umsiedlungsprogramm von Gaza in die Westbank auf große Resonanz stoßen würde. Stell ihnen dort ein Haus und 10.000$ Startkapital pro Kernfamilie zu Verfügung, lass es meinetwegen über die Palästinensische Autonomiebehörde laufen… wenn die Alternative ist stattdessen in Ruinen zu versauern muss man schon sehr Hardcore sein um da nicht mitzuziehen.
Zitat:Sie fordert ganz offen, dass man vertriebenen Palästinensern nach entsprechenden Evakuierungsbefehlen der Armee keine Rückkehr gestattet, dass man in und auf palästinensischem Privateigentum welches man enteignet einfach jüdische Städte errichtet und dass man die Versorgung für die Palästinenser einstellt (Wasser, Strom usw) so dass diese gar keine andere Wahl haben als zu gehen. Nicht gewaltsam genug ?! Was wäre dann gewaltsam ? Und an Konferenzen einer jüdischen Organisation die völlig offen zum Völkermord aufruft, nehmen dann bereits im Januar 24 nicht weniger als 12 Minister (!) der aktuellen israelischen Regierung teil: und du schreibst wiederholt davon, dass eine solche Politik der ethnischen Säuberung von Gaza und der Wiederbesiedelung in keinster Weise seitens der aktuellen Regierung erwägt werden und dies nur Populismus sei. 12 Minister und unzählige Abgeordnete...nur Populismus ?!
Gewaltsam wäre die Menschen mit Waffengewalt aus den Häusern zu holen wenn sie sich Evakuierungsbefehlen widersetzen. Eine Evakuierung ist so ohne Weiteres keine Vertreibung. Und die physische Vernichtung eines Gebietes als Kriegsfolge ist auch dann nicht gleich irgendwie Völkermord, wenn eine Rückkehr in die zerstörte Gebiete real nicht mehr möglich ist.
Israel ist durchaus berechtigt die urbanen Räume aus denen die Hamas operiert (hat) im Kampf gegen die Hamas weitgehend zu zerstören. Auch erst mal so nachhaltig, das nach einem Abzug keine Rückzugsräume mehr verbleiben und sich die Hamas dort nicht wieder einnisten und erneute Angriffe starten kann. Ich sage nicht, dass man Gaza Stadt einplanieren sollte, ich beschreibe nur wie weit man gehen könnte.
Israel ist auch durchaus berechtigt Gebiete weiträumig zu belagern und ihnen Nahrung, Strom und Wasser zu entziehen – solange die Zivilbevölkerung zu jeder Zeit der Belagerung evakuieren und in sichere und ausreichend versorgte Schutzzonen außerhalb der Belagerung ausweichen kann. Israel ist mitnichten verpflichtet, die Bevölkerung die sich trotz gangbarer Alternativen weigert eine Belagerungszone zu verlassen innerhalb der Belagerungszone zu versorgen.
Es ist dagegen nicht möglich die Versorgung dieser Gebiete nur einzustellen um die Bevölkerung zu verlassen dieser Gebiete zu zwingen, wohl aber wenn das Primärziel ist, den die Hamas auszuhungern. Oder allgemeiner formuliert: eingeschlossene, eingekesselte feindliche Verbände müssen nicht versorgt werden. Sie dürfen bis zur Vernichtung bekämpft werden, auch wenn Zivilisten im Kessel verbleiben, denen eine Evakuierung jederzeit möglich ist, dies jedoch verweigern. Auch hier wieder, ich sage nicht, dass das eine besonders gute Idee wäre, ich beschreibe den möglichen Handlungsrahmen.
Der Punkt ab dem es problematisch wird wäre es den Evakuierten nach Abschluss der Kampfhandlungen eine Rückkehr grundsätzlich zu verweigern. Ein Rückkehrrecht muss in alle Gebiete wieder möglich sein, unabhängig vom Zerstörungsgrad. Nur Theorie und Praxis: Wenn diese Gebiete durch legitime Kampfhandlungen soweit zerstört sind, das eine Rückkehr ins effektive Nichts nicht mehr erstrebenswert ist, impliziert das keine Vertreibung und keinen Völkermord. Das wäre nur dann der Fall, wenn man nachweisen könnte, dass der Krieg bewusst so geführt wurde nicht um den Feind die Operationsmöglichkeiten zu entziehen sondern die Zivilbevölkerung dauerhaft zu vertreiben. Ein derartiger Nachweis ist jenseits politischer Propaganda nicht möglich und würde schon an einer prinzipiell möglichen vollumfänglich erlaubten Rückkehr und (rudimentärer) Aufbauhilfe scheitern.
Wenn man dann an diesen Punkt mit einem Umsiedlungsangebot in die Westbank ansetzen würde… der rechtlich springende Punkt ist, dass nur gewaltsame Umsiedlungen verboten sind. Freiwillige Umsiedlungen, die durch die negativen Gesamtumstände befördert werden sind es nicht, auch wenn es da divergierende Rechtsauffassungen irgendwelcher UN Behörden geben mag.
Insofern, natürlich haben die Siedler ihre eigene Agenda und wollen den gegebenen Handlungsrahmen für ihr Ansinnen nutzen. Das ist vielleicht nicht in Ordnung, bedeutet aber nicht, dass der Handlungsrahmen nicht da ist und man durchaus mit den Bewohnern in Gaza noch härter umspringen könnte als man es tut.
Das der gegebene rechtliche Handlungsrahmen international keine Rolle spielt und eine derartige Politik mit erheblichen Flurschäden verbunden und deshalb eine schlechte Idee wäre ist davon unbenommen.
Zitat: Das würde also den Konflikt in keinster Weise lösen, sondern nur seine Natur verändern. Von einem Konflikt zwischen einem De facto Staat und Israel hin zu einem ununterbrochen brennenden Alltagskonflikt mit massivster wechselseitiger Gewalt auf kleinstem Raum und in engster Verzahnung..
Also wie im Westjordanland? Genau das ist doch der Punkt warum die Idee Siedlungen in Gaza zu errichten auch in er breiteren israelischen Gesellschaft recht gut ankommt: Die Situation in und mit der Westbank ist für Israel viel angenehmer als die Situation in Gaza und man meint, dass es in Gaza ähnlich laufen würde, wenn man Gaza in eine Westbank umbaut.
Wie es aussieht wird eine Westjordanlandisierung ™ des Gazastreifens ja auch kommen. Zumindest ohne Siedlungen. Es ist wohl so, dass die israelische Regierung eine Teilung des Streifens in wenigstens drei Abschnitte anstrebt um die Bewegungen der Hamas leichter verfolgen und bei Bedarf schneller und direkter in der Fläche agieren zu können. Mithin wird man wohl anstreben, Gaza ähnlich wie Area A und B im Westjordanland dauerhaft zu kontrollieren.
Siedlungen, wie es sie im Westjordanland auch nur in Area C gibt sehe ich dagegen weiterhin nicht, auch wenn israelische Siedlungen in den von der israelischen Armee kontrollierten Trennungskorridoren wenigstens so sicher wären wie die Kibbuzim 500m weiter auf der israelische Seite der Linie von 1948.
Zitat: Das möchte an dieser Stelle mal zurückweisen. Genau so wie ich beispielsweise schon 2006/2007 geschrieben habe, dass die Beendigung des Krieges gegen die Hisbollah ein schwerer Fehler war und man diese viel weitergehend hätte abnutzen müssen, schrieb ich seit jeher, dass die Hamas das Übel schlechthin ist, und mit allen Mitteln vernichtet werden muss. Keiner werfe mir hier vor, ich sei diesbezüglich nicht kriegerisch genug.
Aber mit kriegerischer Gewalt geht auch die Verantwortung einher, die Pflicht die man übernehmen muss. Für die Besiegten und da kommen wir wieder zum wesentlichsten Streitpunkt zwischen uns:
Du hast ein Problem damit wenn Siedler heute fordern den Palästinensern in teilen des Streifens in denen die Hamas nach wie vor sitzt Nahrung, Strom und Wasser abzustellen und forderst gleichzeitig, die Hamas „mit allen Mitteln“ zu vernichten? Wie geht denn das zusammen, wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass?
Netanyahu ist 2010 unmittelbar nach dem diplomatisch verheerenden Goldstone Report nach Cast Lead ins Amt gekommen. Die politischen Rahmenbedingungen für eine Vernichtung der Hams „mit allen Mitteln“ waren damals nicht ansatzweise gegeben (sind es ja nicht mal heute!). Aber malen wir uns das doch mal aus: Netanyahu entschließt nach Protective Edge und Pilllars of Defense irgendwann ab 2015 die Hamas auszuräuchern. Erste Maßnahme ist es alle Geldlieferungen nach Gaza einzustellen und nur noch lebensnotwendige Güter reinzulassen. Die Folgen in Gaza wie international für Israel sind verheerend. In Gaza bricht das wirtschaftliche Leben zusammen, die Menschen scharen sich um die Hamas, die beschwört sich gegen diese völlig unprovozierten Maßnahmen mit aller Macht zu wehren. International wird die Entscheidung Netanyahus aufs Schärfe verurteilt, die Obama Administration erwirkt eine Resolution im UN Sicherheitsrat, die Israel ultimativ auffordert die Lage im Gazastreifen wieder zu verbessern. Netanyahu ignoriert das und startet stattdessen einen umfassenden Militäreinsatz gegen die Hamas. Ausgehdehnte Bombardierungen und Häuserkämpfe sorgen wie real geschehen für großflächige Verwüstungen und Zehntausende Opfer. Der Unmut in weiten Teilen der israelischen Gesellschaft ist groß. Man sieht nicht, warum man ohne Not tausende Soldaten in Gaza opfern sollte. Es kommt zu Massendemonstrationen gegen die Regierung. Die internationale Gemeinschaft schäumt vor Wut. Es gibt überhaupt keinen Grund nur wegen der Hamas eine solche Geschichte vom Zaun zu brechen. Sanktionen werden beschlossen, Obama fordert ultimativ der Rücktritt Netanyahus und Neuwahlen…
So oder so ähnlich wäre es wohl gelaufen. Kann man machen. Ich wäre sofort dabei gewesen. Aber die Realität ist, dass es die politischen Rahmenbedingungen nie hergegeben haben und Netanyahu nicht anders handeln konnte als er gehandelt hat.
Zitat:Aber es gibt - allen Ernstes - die personellen und finanziellen Ressourcen um in Gaza dutzende jüdische Städte zu gründen, zu besiedeln, militärisch zu sichern, die freiwillige Ausreise der Palästinenser zu finanzieren (womit diese als Arbeitskraft für den Wiederaufbau wegfallen), den Wiederaufbau den die Palästinenser und internationale Geldgeber dann leisten würden selbst zu finanzieren und Gaza fortwährend militärisch abzusichern ?! Ernsthaft ?
Wenn du 150.000 Kernfamilien mit ~ 6 Köpfen umsiedelst kostet dich das 10k Startkapital, 70k Housing = 10 Milliarden US-$. Gestreckt über 5 Jahre, ein Großteil des aufgebrachten Kapitals fließt wieder in den Staatshaushalt zurück. Könnte man ohne Weiteres Kreditfinanziert stemmen.
Die Ressourcen um neue jüdische Ansiedlungen zu gründen müssen dabei ja so oder so aufgewandt werden. Die Bevölkerung wächst auch in Israel ungebremst, es wird seit Jahr und Tag gebaut ohne Ende. Wo diese Ansiedlungen dann errichtet werden ist erst mal weniger entscheidend. Die Grenze und etwaige Trennungskorridore in Gaza müssen auch ohne Siedlungen abgesichert werden. Wenn man da einen Teil abtrennt und bebaut ergeben sich daraus keine unmittelbaren Mehrkosten.
Zitat:Laut aktuellen Umfragen sind ungefähr 30% der Israelis dafür, Gaza vollständig und längerfristig militärisch wie auch zivil der Kontrolle der IDF zu unterstellen. Weitere 26% sind für eine vollständige militärische Kontrolle von Gaza durch die IDF während die Zivilverwaltung in die Hände der Palästinenser gelegt wird. Zusammen hat man damit schon ungefähr 56% der Israelis bei Strategien, welche eine COIN Kampagne zwingend notwendig machen.
lol Dann Frage doch als nächstes ob sie für die COIN Kampagne wären. 90% wären dagegen für die nächsten zwei Generationen den Gazastreifen
für die Palästinenser zu befrieden. Derartige Schlüsse verbieten sich, weil sich jede Bevölkerung immer viel wünscht ohne das die für die geäußerten Wünsche notwendige Politik eine Mehrheit hätte. Ein ganz normales Phänomen, das sich überall beobachten lässt. Wer ist denn nicht für Klimarettung solange man die eigene Heizung nicht austauschen muss?!
(17.10.2024, 01:30)Broensen schrieb: [ -> ]Womit wir wieder auf Seite 4 dieses Strang zurückkehren können.
Ach du warst das