(11.10.2024, 17:31)voyageur schrieb: [ -> ]Ich würde es so interpretieren, grundsätzlich darf nicht das Feuer auf Blauhelme eröffnet werden, also entweder gab es einen Befehl, oder (einzelne) Einheiten von Tsahal respektieren nicht mehr die Befehle, sondern machen was sie gerade wollen.
Und ich behaupte, dass am Turm ein ATGM Team der Hezbollah gestanden und auf den Panzer geschossen hat. Und nun?
voyageur schrieb:Und für mich ist das wichtigste, Tsahal ist jetzt schon in einen 6 Frontenkrieg verwickelt (Gaza, Westjordan, Libanon, Syrien, Jemen (Huthi) und demnächst Iran.
Militärisch wird es keinen Sieg geben, auch die israelischen Kräfte reiben sich auf.
Sehe ich so nicht. Das Operationstempo der letzten 12 Monate könnte noch auf Jahre hinaus durchgehalten werden. Die Verluste sind gering, die Moral hoch, Reserveverbände werden durchrotiert, die Versorgungslage ausreichend gut.
Dieses Frontengezähle (ich glaube ich las unlängst irgendwo von 8) ist doch auch nur ein medialer Talkingpoint, der die Situation nicht hinreichend beschreibt.
Im Operationsraum Gaza hat man weitestgehende Eskalationsdominanz . Die Hamas ist fast vollständig paralysiert, man kann hier nach Belieben Kräfte für weitere Aufräumarbeiten nachschieben oder zur Auffrischung rotieren.
Im Westjordanland ist die Situation hinreichend unter Kontrolle. Entgegen so mancher Prognose hier, ist der Raum auch ohne substantielle Verstärkung der Einheiten dort nicht in Gewalt versunken. Ich sehe jetzt kein allzu wahrscheinliches Szenario, in dem sich das mittelfristig zwingend ändert.
Auf dem Libanon liegt momentan der operative Fokus. Die Operation ist da vielleicht jetzt größer als man es der Biden Regierung schmackhaft gemacht hat, dennoch hinsichtlich ihrer räumlichen Ausdehnung und aufgewendeten Feuerkraft (in meinen Augen sträflich) limitiert. Es wird wenigstens in hebräischen Medien klar kommuniziert, dass es nur um die unmittelbare Grenzregion geht und die Operation in einigen Wochen im Wesentlichen durch sein wird.
Syrien ist keine wie auch immer geartete aktive Front. Es gibt hier und dort einige Luftschläge aber damit hat es sich. Größere Aktionen irgendwelcher iranisch unterstützter Milizen sind gesteigert unwahrscheinlich, dass gibt der Operationsraum Golan einfach nicht her.
Der Jemen ist und bleibt für Israel strategisch höchstens so relevant wie er das für uns auch ist.
Was mit dem Iran passiert wird man sehen. Ich denke, dass sich die Situation auf Jahre hinaus auf dem jetzigen Niveau mit gegenseitigen Angriffen einpendeln wird. Das ist dann nichts an dem sich die israelischen Streitkräfte aufreiben.
Historisch wäre eine solche Situation vielleicht vergleichbar mit dem Abnutzungskrieg nach dem Sechs Tage Krieg 1967. Der lief über 3 Jahre und kostete über 1.000 israelischen Soldaten das Leben. War damals auszuhalten, ginge auch heute.
Hinsichtlich militärische Siege - was erwartet man denn, eine förmliche, bedingungslose Kapitulation wie anno 45? Ich wollte dazu eigentlich am 7. Oktober mal was schreiben, war dann aber verhindert.
Bei Lichte betrachtet sind die Siege doch da. Gaza ist weitgehend zerstört, die IDF kontrolliert den Raum nach Belieben und die Hamas ist als militärischer Faktor ausgeschaltet. Ihr Raketenarsenal ist auf einen absoluten Bruchteil zusammengeschmolzen, ihre über Jahre konstituierten Verbände fast vollständig zerschlagen, ihre militärischen Anführer sind größtenteils gefallen, ein großer Teil ihres Wehrmaterials wurde vernichtet, Waffenproduktionskapazitäten nachhaltig reduziert usw. usf. Bleibt der Philadelphia-Korridor wird sich daran auch nichts ändern. Das ist ein fast vollumfänglicher militärischer Sieg mit geradezu lächerlich geringen eigenen und wenigstens vergleichbar wenigen Verlusten unter der feindlichen Zivilbevölkerung. Man kann sich nur darüber beklagen, dass man den militärischen Sieg noch nicht in eine dauerhafte stabilere Nachkriegslösung überführen konnte. Aber das ändert nichts daran, dass über den Feind gesiegt wurde.
Im Norden läuft es nun doch nicht viel anders. Der Hezbollah wurden spektakuläre Schläge versetzt, die die Truppen nachhaltig geschädigt haben. Gemessen an den Vorkriegserwartungen ist ihre Reaktion auf die Israelischen Operationen geradezu lächerlich. Ein Großteil ihres politischen und militärischen Führungspersonals ist tot. Wenigstens ihre Abschussanlagen wurden großflächig zerstört, ihr Arsenal dürfte auf wenigstens die Hälfte reduziert worden sein. Und nicht mal im Süden bekommen sie etwas auf der Kette, die Israelis reduzieren (mit viel zu leichten Kräften und mit viel zu geringer Feuerkraft) ihre in langen Jahren angelegte Wehrinfrastruktur ohne wirksame Gegenwehr. Politisch hat man dieser Tage schon die weiße Fahne gehisst und einen separaten Waffenstillstand angeboten, was Israel ausgeschlagen hat.
Was will man da denn mehr? Klar, vollumfänglich einmarschieren, bis zum Awali vorstoßen und am besten über Nasrallahs Bunker in Beirut den Davidstern hissen oder so. Die Realität ist doch, dass Israel mit recht minimalen Kräfteaufwand auch gegen die Hezbollah einen Sieg nach dem anderen verbucht und die Organisation wann immer es dann auch in eine Nachkriegssituation übergeht deutlich geschwächt und ziemlich betröppelt dastehen wird. Das ist dann sicher kein War to end all Wars gewesen aber ein verdammt gutes Ergebnis eines dritten Libanonkrieges, dass am 6. Oktober jeder gekauft hätte.
voyageur schrieb:Und keine politische Lösung in Sicht, der Krieg wird immer schmutziger werden, und am Ende wird Israel allein dastehen.
Ja mei. Israel wird sicher etwas isolierter sein als zuvor. Aber Zeit geht ins Land, neue politische Figuren werden auf die Bühne treten, andere Baustellen werden wichtiger werden und das Spiel wird weitergehen.
Aber wenn ich eine Prognose wagen soll: Der Gazakrieg hat doch gezeigt, dass Trump mit seiner Idee, die Zukunft der Region von der Palästinensischen Frage zu isolieren vollkommen recht hatte. Auch ein zerstörtes Gaza später hat die Beziehung mit den sunnitischen Anrainern keinen relevanten Schaden genommen. Im Gegenteil, die Front gegen Iran und seine Proxis steht. Insofern ist die Hamas auch mit ihrem strategischen Zielen gescheitert. Darüber hinaus zeichnet sich jetzt schon ab, dass dem Iran und seinen Proxis nicht nur einige wenige Zähne gezogen worden sein werden. Je nachdem wie sich die Situation mit dem Iran entwickelt kann es sehr gut sein, dass es in einer Nachkriegssituation sehr direkt mit der Israelisch – panarabischen Annäherung weitergehen wird. Wobei da vieles auch vom Wahlausgang in den USA abhängen wird, Harris wird diese historische Chance wohl kaum ergreifen und Trumps Werk fortführen.