@muck
Zitat:Wirklich nicht? Niemals? Auch nicht 1994, als die Hutu binnen 80 Tagen 200.000 Tutsi-Kinder zu Tode hackten?
Unabhängig davon, dass es natürlich Konflikte gab, in denen mehr Kinder oder Heranwachsende zu Tode kamen, sollte man nun aufpassen, dass man nicht zu sehr in den Whataboutismus abgleitet - das soll nun kein Vorwurf sein, eher der Hinweis, dass man bei solchen Vergleichen immer etwas vorsichtig sein sollte. Fakt ist, dass die Lage der Kinder und Jugendlichen natürlich schlecht ist (was aber auch nicht verwundert angesichts der Verwüstungen in Gaza). Das soll keine Wertung sein, sondern eine Feststellung.
Aber ein genauerer Blick auf die Feststellung/Aussage der UN ist dennoch sinnvoll.
Denn die Nutzung der Formulierung der UN
historically unique (also
einzigartig in der Geschichte) ist natürlich erst einmal ein moralisch-medialer Hammerschlag, eine überaus massive Anschuldigung, eine enorme und drastische Unterstellung hin zu einem genozidalen Nonplusultra; ohne eine geographische und zeitliche Eingrenzung ist sie jedoch relativ sinnlos und auch falsch - weltweit betrachtet sowieso -, und sie trägt auch das Risiko (oder den Vorsatz?) in sich, dass einer gezielten Dämonisierung der Israelis Vorschub geleistet werden soll.
Gehen wir also einen Schritt weiter. Wenn wir also nun eine Eingrenzung auf den nahöstlichen Raum vornehmen und uns nur auf das 20. und das 21. Jahrhundert beschränken, so ist die Aussage ebenso nicht haltbar.
Nehmen wir also den Versuch einer Einordnung vor:
Im Kontext des israelisch-arabischen Konfliktes seit der Staatsgründung Israels 1948
ist der aktuelle Konflikt der weitaus opferreichste. Mit geschätzt um die 44.000 Toten innerhalb von grob einem Jahr ist er
verantwortlich für knapp ein Drittel aller Todesopfer seit 1948 (wobei man seit 1948 mit etwa 150.000 Todesopfern rechnet, die ganzen anderen Kriege - Gründungskrieg 1948, Suez 1956, Sechs-Tage-Krieg 1967, Yom Kippur 1973, Libanonkrieg 1982, Intifada(s), Libanonkrieg 2006 etc. - sind hier alle miteinbezogen),
d. h. er ist in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur und er stellt eine enorme Eskalation dar.
Noch nie gab es in einem Konflikt zwischen Israel und der arabischen Seite innerhalb so kurzer Zeit so viele Opfer. Und logischerweise kamen deshalb auch noch nie so viele Jugendliche oder Kinder im Rahmen des Ringens in Nahost seit 75 Jahren in einem einzigen Krieg in derart kurzer Zeit zu Schaden.
1. Wird die UN-Aussage also wahr, wenn wir sie ungefiltert und ohne räumliche und zeitliche Eingrenzung bestehen lassen? Nein. Denn die Erdkugel bietet leider viele grausame Konflikte, da ist der Nahostkonflikt relativ bescheiden dagegen und nur eine zwar bittere, aber recht uninteressante
quantité négligeable.
2. Wird denn die UN-Aussage wahrer, wenn wir die Zahlen der Hamas-kontrollierten Gesundheitsbehörden (die von etwa 16.000 umgekommenen Kindern und Jugendlichen sprechen [Anmerkung: Ich sehe diese Zahl als übertrieben an, nutze sie aber nun als Vergleichswert]) in Gaza heranziehen und sie
nur auf den Nahen Osten umlegen? Nein. Denn alleine z. B. im syrischen Bürgerkrieg starben geschätzt 30.000 bis 40.000 Kinder und Heranwachsende durch Aktionen des Regimes von Assad und seinen Verbündeten.
3. Wird denn die UN-Aussage wahrer bzw. hat sie einen wahren Kern, wenn wir sie nur auf den israelisch-arabischen Konflikt anwenden? Ja, zumindest tendenziell. Denn dieser Konflikt ist der insgesamt opferreichste in 75 Jahren; seit der Gründung Israels kamen in einem Krieg zwischen Israel und der arabischen Seite noch nie derart viele Menschen in so kurzer Zeit zu Tode. Und selbst wenn die Zahlen der Hamas aus Gaza nur zu einem Drittel korrekt wären, so wären also mehr als 5.000 Kinder und Jugendliche innerhalb eines Jahres gestorben - auch das wäre bitteres Neuland und dies gab es in der Historie des israelisch-arabischen Konfliktes so noch nie. (Wobei aber auch darauf hingewiesen werden muss, dass die Bevölkerung in Gaza im Schnitt etwa 19 Jahre alt ist und alleine, je nach Quelle,
die Zahl der Jugendlichen bis 15-16 Jahren etwa 40% der Gesamtbevölkerung Gazas ausmacht.)
Fazit: Wir sehen aktuell den schlimmsten Konflikt im Kontext des israelisch-arabischen Ringens seit 1948 und entsprechend hoch insgesamt (nicht prozentual gesehen) sind auch die zivilen Opfer und auch die Opfer in den Reihen der Kinder und Heranwachsenden. In der Pauschalität jedoch, wie die UN es geradezu unverantwortlich darstellt und ohne eingrenzenden Kontext hinausposaunt, ist die Meldung der UN nicht haltbar - und hier könnte man nun fragen, ob dies versehentlich geschah oder ob es einem bestimmten Ziel diente?
Ich lasse die Antwort offen...
Schneemann