Die ganze Operation war zweifelsfrei eine sehr geschickte und aufwändige Angelegenheit. Allerdings hinterlässt sie m. M. n. durchaus auch ethisch-moralische Fragezeichen.
Wenn man einen Anführer einen Terrororganisation gezielt ausschaltet oder einen Compound in Beirut oder Damaskus in die Luft jagt, in welchem sich hochrangige Anführer solcher Organisationen getroffen haben, sehr wahrscheinlich um neuerliche Anschläge zu planen, so ist dies das eine. Geschenkt. Es ist Teil eines weitergestrickten Antiterrorkampfes und da geht es auch mal ruppig zur Sache. Zumal man im Regelfall recht genau weiß, wer sich wann wo befindet und was diese Leute vorhaben.
Im Falle der Pager jedoch - quasi eine flächendeckende "Sprengung" von Zielen in einem anderen Land -, wobei man bei diesen nicht zur Sicherheit wissen kann, wen es trifft, darf auch die Kritik nicht zu kurz kommen. Dass es zumeist tatsächlich Hisbollah-Angehörige traf, davon konnte man zwar halbwegs ausgehen, aber man konnte sich nie sicher sein, tatsächlich nur die Richtigen zu treffen.
Was, wenn ein Teil dieser vielen hundert Pager, und wenn es nur ein paar Dutzend gewesen wären, versehentlich an eine Bildungseinrichtung gegangen wären? An eine religiöse Institution? Oder gar an eine medizinische Einrichtung? Könnte man dann diese "fehlgeleiteten" Pager aussortieren von der Zündungssequenz? Und könnte man dies feststellen, wer welches Gerät irrtümlich hat? Bzw. welche Geräte an den falschen "Empfänger" gingen? Ich bin da leider nun kein wirklicher technischer Experte, aber so weit ich es verstanden habe anhand der vorliegenden Newsmeldungen, wäre eine solche Filterung nicht oder kaum möglich, sondern es erfolgte die Zündung nur durch ein bestimmtes Signal (wahlweise wohl entweder eine Text-Meldung, auf die dann reagiert wurde, oder eine Error-Meldung, die eine Aktion/Eingabe erforderte, die dann die Zündung bewirkte).
Insgesamt wird mittlerweile (soweit ich es erfassen konnte) von...
- ca. 32 Toten (12-14 durch die Pager, 18-20 durch die Walkie-Talkies) und...
- ca. 3.200 Verletzten (davon 250+ in kritischem Zustand)...
...ausgegangen.
Ergo war es sehr großes Glück, dass es tatsächlich wohl meistens nur Hisbollahangehörige getroffen hat und dass die Zahl der zivilen Opfer sehr gering war - allerdings gab es auch unschuldige Opfer:
Zitat:Lebanon is rocked again by exploding devices as Israel declares a new phase of war [...]
BEIRUT (AP) — Walkie-talkies exploded in Beirut and other parts of Lebanon on Wednesday in a second wave of attacks targeting devices a day after pagers used by Hezbollah blew up, state media and officials for the militant group said. At least 20 people were killed and more than 450 wounded in the second wave, the Health Ministry said. [...]
In Wednesday’s attacks, several blasts were heard at a funeral in Beirut for three Hezbollah members and a child killed by exploding pagers the day before, according to Associated Press journalists at the scene. [...] The second wave also deepens concern over the potentially indiscriminate casualties caused in the attacks, in which hundreds of blasts went off wherever the holder of the pager happened to be — in homes, cars, at grocery stores and in cafes, often with family or bystanders nearby. [...] At least two health workers were among those killed Tuesday. Doctors, nurses, paramedics, charity workers, teachers and office administrators work for Hezbollah-linked organizations, and an unknown number had pagers.
https://apnews.com/article/lebanon-israe...8634278288#
Rein rechtlich mag man sicher streiten können, ob diese Operation etwa gegen die
Booby-Trap-Protokolle (
https://dserver.bundestag.de/brd/1992/D117+92.pdf) verstößt oder nicht. Wenn man eine einzelne Sprengvorrichtung nutzt, um einen Terroristen auszuschalten, so sehe ich hier kein Problem, denn man kann es recht zielgenau auf diese Person eingrenzen. (Und solche Fälle gab es in der Vergangenheit auch schon, etwa 1996 bei der Tötung von Yahya Ayyasch.) Aber dieser flächendeckende Einsatz kann faktisch nicht mehr wirklich zur Sicherheit zielgerichtet vorgenommen oder kontrolliert werden, auch wenn "die Richtung" auf den Gegner stimmen mag. Hinzu kommt die Frage, ob diese Sprengfallen auch hätten
remote entschärft werden können seitens des Auftraggebers oder ob sie nach eine bestimmten Zeit zumindest unbrauchbar geworden wären?
International wird die Operation zumindest weitgehend verurteilt.
Schneemann