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Normale Version: Sechster Nahostkrieg
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Zumindest hat Gallant eine neue Phase des Krieges ausgerufen, Quelle. Bei der Quelle muss man ein bisschen runterscrollen, ist ein Nachrichtenticker vom Spiegel.

Zitat:Nach den Explosionen im Libanon hat Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant eine »neue Phase« des Kriegs ausgerufen. »Wir treten in eine neue Phase des Kriegs ein – das erfordert großen Mut, Entschlossenheit und Durchhaltevermögen«, sagte er. Fokus sei die Front im Norden, berichten mehrere Medien unter Berufung auf Galants Büro.

Scheint also nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Insgesamt betrachtet scheint der Mossad derzeit zur Hochform aufzulaufen. Allerdings bleibt die Frage, ob diese Operation a) die Ouvertüre sein soll zur großangelegten Attacke - dazu erscheint mir die Zahl der in Stellung gebrachten Truppen aber als zu gering -, b) nur eine Demütigung der Hisbollah war nach dem Motto Ihr dachtet, ihr wäret die verschwiegendste und bestorganisierteste Gruppierung unserer Gegner, aber wir erwischen euch dennoch! oder (spekulativ) c) gar vorzeitig ausgelöst wurde, da die Hisbollah möglicherweise der Sache auf die Schliche gekommen war - ähnlich dem Grund, weswegen sie die Pager einführte, nämlich jenem, dass sie bemerkte, dass ihre Handys gehackt worden waren - und man eben nun zündete, um wenigstens einen gewissen Flurschaden anzurichten?

@muck
Zitat:Vielleicht reite ich zu sehr auf einem irrelevanten Punkt herum, aber mir kommt das mit den Gesichtsverletzungen nach wie vor seltsam vor. Selbst bei den kolportierten 20 Gramm Sprengstoff (zum Vergleich, Schützenminen, die zum Verwunden statt zum Töten konzipiert sind, enthalten in der Regel 100-150 g Sprengstoff)
Es ist hinsichtlich der Pager wohl eine deutlich geringere Sprengstoffmenge, anscheinend auch nur drei Gramm (https://www.reuters.com/world/middle-eas...024-09-18/).

Zum Vgl.: Das ist ungefähr so viel wie in einem der "berüchtigten" China-Böller, und wenn man diesen in der bloßen Hand zündet, dann fehlen wohl auch ein paar Finger.

Aber: Darüber hinaus enthalten diese Böller jedoch eher "harmlose" Schwarzpulvermischungen (ca. 600 Meter Detonationsgeschwindigkeit je Sek.), in den Pagern dürfte wesentlich "rasanterer" bzw. militärischer Sprengstoff zum Einsatz gekommen sein (alleine bspw. Semtex [Plastiksprengstoff] erreicht 7500 Meter Detonationsgeschwindigkeit je Sek.). Vermutlich lag die Wirkung dieser kolportierten drei Gramm Sprengstoff in den Pagern ungefähr auf dem gleichen Niveau, wie wenn man einen China-Böller mit 20 bis 30 Gramm Schwarzpulver, während man ihn in der halb geöffneten Hand hält, rund 30 cm vor der eigenen Nase zündet. Da fehlt dann die halbe Hand (oder mehr) und die Augen werden überaus massiv getroffen. Von der Splitterwirkung der Hülle der Pager rede ich noch nicht.

Insofern: Ich gehe von aus, dass die Betroffenen lange unter dieser Attacke leiden werden, vermutlich werden sie ihr Leben lang gezeichnet bleiben.

Schneemann
Eine Sprengstoffmenge von auch nur 3 Gramm ist völlig hinreichend, weil die Wirkung neben der Art des Sprengstoffs in größtem Maße von der Verdämmung und der Richtwirkung (lies Hohlladung, Schneidladung etc.) abhängt. Um sich das besser vorstellen zu können: 1993 hat unser damaliger Bürgermeister Zilk durch eine Briefbombe mit 7 Gramm Nitroglycerin mäßiger Brisanz und sehr schwacher Verdämmung (Trinkstrohhalm) seine Hand verloren. Im Zuge meiner Sprengausbildung haben wir aus 1 ccm Niveacreme / Vaseline (und einer weiteren Zutat), verdämmt durch ein Stück einer Radio-Teleskopantenne, eine signifikant höhere Sprengwirkung erzeugen können. Ergo: 3 Gramm hochbrisanter Sprengstoff in einem derart verdämmungsfreundlichen Objekt wie etwa einem Pager ist hochpotent!!
I stand corrected. Ich hatte nicht an die Splitterwirkung gedacht.
(18.09.2024, 22:04)Schneemann schrieb: [ -> ]Insgesamt betrachtet scheint der Mossad derzeit zur Hochform aufzulaufen. Allerdings bleibt die Frage, ob diese Operation a) die Ouvertüre sein soll zur großangelegten Attacke - dazu erscheint mir die Zahl der in Stellung gebrachten Truppen aber als zu gering -, b) nur eine Demütigung der Hisbollah war nach dem Motto Ihr dachtet, ihr wäret die verschwiegendste und bestorganisierteste Gruppierung unserer Gegner, aber wir erwischen euch dennoch! oder (spekulativ) c) gar vorzeitig ausgelöst wurde, da die Hisbollah möglicherweise der Sache auf die Schliche gekommen war - ähnlich dem Grund, weswegen sie die Pager einführte, nämlich jenem, dass sie bemerkte, dass ihre Handys gehackt worden waren - und man eben nun zündete, um wenigstens einen gewissen Flurschaden anzurichten?

Für mich eine Folge des iranischen Raketenangriffs auf Israel.

Das war der Rubikon.

Dennoch wird es keinen "großen Krieg" geben.

Aber alles andere schon.

Spannend wird sein, wie sich der Libanon in der ganzen Geschichte positioniert.
Die Sache mit dem Handfunkgeräten die man jetzt auch zur Umsetzung gebracht hat ist genau so abenteuerlich wie die mit den Pagern vorher. Aktuell mindestens 12 Tote und um die 500 Verletzte durch die Funkgeräte allein.

Das säät vor allem anderen Misstrauen, Paranoia und lähmt die ganze Kommunikationsstruktur erheblich. Ein Meisterstreich und exakt die Art von unkonventioneller Kriegsführung welche ich immer meine und welche schlicht und einfach überlegen ist.

Auch meiner Meinung nach gibt es nur drei mögliche Gründe für die Aktion: 1. man wird in Kürze den Libanon massiv militärisch angreifen - oder 2. man hat die Aktion jetzt durchgeführt weil man befürchtete, dass sie aufgedeckt wird oder sie tatsächlich kurz vor der Aufdeckung stand, also verfrüht. Oder 3. man will damit einen massiven Angriff der Hisbollah provozieren um dann den "Verteidigungskrieg" gegen den Libanon zu führen.
(19.09.2024, 09:14)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Meiner Meinung nach gibt es nur drei mögliche Gründe für die Aktion: 1. man wird in Kürze den Libanon massiv militärisch angreifen - oder 2. man hat die Aktion jetzt durchgeführt weil man befürchtete, dass sie aufgedeckt wird oder sie tatsächlich kurz vor der Aufdeckung stand, also verfrüht. Oder 3. man will damit einen massiven Angriff der Hisbollah provozieren um dann den "Verteidigungskrieg" gegen den Libanon zu führen.

Oder Möglichkeit Nummer 4: Nach einem heftigen Schlag setzt zwingend ein Gewusel an Kommunikation ein. Jetzt werden plötzlich Verbindungslinien und Verbindungsknoten sichtbar, wie beim Aufdecken von Spielkarten. Der Traum jeder militärischen Aufklärung.
(18.09.2024, 23:41)goschi schrieb: [ -> ]Für mich eine Folge des iranischen Raketenangriffs auf Israel.
Das war der Rubikon.

Wie kommst Du auf diesen Zusammenhang? Der Raketenangriff auf Israel erfolgte, wegen des israelischen Angriffs auf die iranische Auslandsvertretung in Syrien und in Art und Umfang gar nicht darauf ausgelegt, den Feind massenweise zu Töten oder zu Verkrüppeln. Das war reine Show of Force, was dann letztlich durch die USA durch Show of Force ihrerseits beantwortet wurde. Israels Terrorwelle hat den Libanon erfasst. Im Iran trinken die Leute weiter Tee und lesen Zeitung. Gerade durchaus mit mehr Wut als sonst.

Zitat:Das säät vor allem anderen Misstrauen, Paranoia und lähmt die ganze Kommunikationsstruktur erheblich. Ein Meisterstreich und exakt die Art von unkonventioneller Kriegsführung welche ich immer meine und welche schlicht und einfach überlegen ist.

Konventionell hätten sie ein Pfadfindertreffen der Hisbollah mit Nasrallah auf der Bühne ebenso pulverisieren können. Dies hier war jedoch zweifelsohne ein sehr ausgefeilter, umfangreich geplanter Terroranschlag.
Das ist klug in de Ausführung, aber nicht in der Grundidee. Gerade auch für Supermarkterpresser könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Auch Distributionsketten von DHL, Temu oder Amazon ließen sich wahrscheinlich relativ problemlos unterwandern. Für den IS auch ein sehr kluger Ansatz. Wie klug, geschickt Israels Ideen am Ende sind, wird man sehen.
Die ganze Operation war zweifelsfrei eine sehr geschickte und aufwändige Angelegenheit. Allerdings hinterlässt sie m. M. n. durchaus auch ethisch-moralische Fragezeichen.

Wenn man einen Anführer einen Terrororganisation gezielt ausschaltet oder einen Compound in Beirut oder Damaskus in die Luft jagt, in welchem sich hochrangige Anführer solcher Organisationen getroffen haben, sehr wahrscheinlich um neuerliche Anschläge zu planen, so ist dies das eine. Geschenkt. Es ist Teil eines weitergestrickten Antiterrorkampfes und da geht es auch mal ruppig zur Sache. Zumal man im Regelfall recht genau weiß, wer sich wann wo befindet und was diese Leute vorhaben.

Im Falle der Pager jedoch - quasi eine flächendeckende "Sprengung" von Zielen in einem anderen Land -, wobei man bei diesen nicht zur Sicherheit wissen kann, wen es trifft, darf auch die Kritik nicht zu kurz kommen. Dass es zumeist tatsächlich Hisbollah-Angehörige traf, davon konnte man zwar halbwegs ausgehen, aber man konnte sich nie sicher sein, tatsächlich nur die Richtigen zu treffen.

Was, wenn ein Teil dieser vielen hundert Pager, und wenn es nur ein paar Dutzend gewesen wären, versehentlich an eine Bildungseinrichtung gegangen wären? An eine religiöse Institution? Oder gar an eine medizinische Einrichtung? Könnte man dann diese "fehlgeleiteten" Pager aussortieren von der Zündungssequenz? Und könnte man dies feststellen, wer welches Gerät irrtümlich hat? Bzw. welche Geräte an den falschen "Empfänger" gingen? Ich bin da leider nun kein wirklicher technischer Experte, aber so weit ich es verstanden habe anhand der vorliegenden Newsmeldungen, wäre eine solche Filterung nicht oder kaum möglich, sondern es erfolgte die Zündung nur durch ein bestimmtes Signal (wahlweise wohl entweder eine Text-Meldung, auf die dann reagiert wurde, oder eine Error-Meldung, die eine Aktion/Eingabe erforderte, die dann die Zündung bewirkte).

Insgesamt wird mittlerweile (soweit ich es erfassen konnte) von...

- ca. 32 Toten (12-14 durch die Pager, 18-20 durch die Walkie-Talkies) und...
- ca. 3.200 Verletzten (davon 250+ in kritischem Zustand)...

...ausgegangen.

Ergo war es sehr großes Glück, dass es tatsächlich wohl meistens nur Hisbollahangehörige getroffen hat und dass die Zahl der zivilen Opfer sehr gering war - allerdings gab es auch unschuldige Opfer:
Zitat:Lebanon is rocked again by exploding devices as Israel declares a new phase of war [...]

BEIRUT (AP) — Walkie-talkies exploded in Beirut and other parts of Lebanon on Wednesday in a second wave of attacks targeting devices a day after pagers used by Hezbollah blew up, state media and officials for the militant group said. At least 20 people were killed and more than 450 wounded in the second wave, the Health Ministry said. [...]

In Wednesday’s attacks, several blasts were heard at a funeral in Beirut for three Hezbollah members and a child killed by exploding pagers the day before, according to Associated Press journalists at the scene. [...] The second wave also deepens concern over the potentially indiscriminate casualties caused in the attacks, in which hundreds of blasts went off wherever the holder of the pager happened to be — in homes, cars, at grocery stores and in cafes, often with family or bystanders nearby. [...] At least two health workers were among those killed Tuesday. Doctors, nurses, paramedics, charity workers, teachers and office administrators work for Hezbollah-linked organizations, and an unknown number had pagers.
https://apnews.com/article/lebanon-israe...8634278288#

Rein rechtlich mag man sicher streiten können, ob diese Operation etwa gegen die Booby-Trap-Protokolle (https://dserver.bundestag.de/brd/1992/D117+92.pdf) verstößt oder nicht. Wenn man eine einzelne Sprengvorrichtung nutzt, um einen Terroristen auszuschalten, so sehe ich hier kein Problem, denn man kann es recht zielgenau auf diese Person eingrenzen. (Und solche Fälle gab es in der Vergangenheit auch schon, etwa 1996 bei der Tötung von Yahya Ayyasch.) Aber dieser flächendeckende Einsatz kann faktisch nicht mehr wirklich zur Sicherheit zielgerichtet vorgenommen oder kontrolliert werden, auch wenn "die Richtung" auf den Gegner stimmen mag. Hinzu kommt die Frage, ob diese Sprengfallen auch hätten remote entschärft werden können seitens des Auftraggebers oder ob sie nach eine bestimmten Zeit zumindest unbrauchbar geworden wären?

International wird die Operation zumindest weitgehend verurteilt.

Schneemann
(19.09.2024, 12:13)Schneemann schrieb: [ -> ]Dass es zumeist tatsächlich Hisbollah-Angehörige traf, davon konnte man zwar halbwegs ausgehen, aber man konnte sich nie sicher sein, tatsächlich nur die Richtigen zu treffen.
Man konnte sogar davon ausgehen, auch Unschuldige zu treffen. Das ist bei dieser geheimdienstlichen Sprengung genauso wenig vermeidbar wie bei einem Luftangriff und rechtlich genauso wenig problematisch.
Es ist schlicht eine Handlung in einem laufenden militärischen Konflikt, es gelten damit die weiten Grenzen des Kriegsvölkerrechts, sprich hier der Genfer Konventionen.
Entsprechend sind mögliche Kollateralschäden dann hinnehmbar, wenn sie nicht außer Verhältnis zum erwartbar entstehenden militärischen Vorteil stehen.
Ein flächendeckender Angriff auf die Kommunikationsnetze und die entsprechenden Operateure der Hezbollah ist militärisch derart bedeutsam, dass man dafür geradezu enorme Kollateralschäden in Kauf hätte nehmen können, die weit über einige dutzend unschuldige Betroffene hinausgehen.

Insofern rechtlich komplett unproblematisch.

Zitat:International wird die Operation zumindest weitgehend verurteilt.
International wird grundsätzlich alles verurteilt was Israel tut oder nicht tut.
(19.09.2024, 12:13)Schneemann schrieb: [ -> ]Dass es zumeist tatsächlich Hisbollah-Angehörige traf, davon konnte man zwar halbwegs ausgehen, aber man konnte sich nie sicher sein, tatsächlich nur die Richtigen zu treffen.
...
Ergo war es sehr großes Glück, dass es tatsächlich wohl meistens nur Hisbollahangehörige getroffen hat und dass die Zahl der zivilen Opfer sehr gering war
Das wissen wir nicht. Ob das Glück war, hängt sehr stark davon ab, wann und wo mit welchem Hintergrundwissen über den Einsatzzweck und die weitere Verteilung die Geräte manipuliert wurden. Wenn der manipulierenden Instanz bspw. das Netzwerk derer, die mit diesen Pagern kommunizieren, gut bekannt war und es sich um eine konkrete Lieferung zum Austausch eben dieser Geräte gehandelt hat, dann hat das nicht viel mit Glück zu tun. Glück ist dann, wenn die Nutzer zum Zeitpunkt der Detonation ihre Pager auch tatsächlich selbst in der Hand halten und nicht zufällig das eigene Kind nachguckt, warum Papas Pager piept, während der gerade schläft. Aber das ist dann auch kein größeres Kollateralrisiko als bei einer Bombardierung.
Zitat:Das ist bei dieser geheimdienstlichen Sprengung genauso wenig vermeidbar wie bei einem Luftangriff und rechtlich genauso wenig problematisch.
Ich denke nicht, dass das direkt vergleichbar ist. Bei einem Luftangriff habe ich einen sehr eng gesteckten Korridor, ich kenne das Ziel und seine Koordinaten. Und ich versuche zivile Opfer so weit als möglich einzugrenzen. Man hat die Kontrolle quasi bis der ggf. photosensorische Kopf der Bombe im Bildschirmflimmern endet und das Zielgebäude auseinanderfliegt. Bei der aktuellen Aktion allerdings entzog sich der entscheidende Abschnitt der Operation der Kontrolle. Während der Luftangriff eben eine Präzisionsoperation ist, war die Pager-Aktion quasi eine Art Schrotschuss in den Vogelschwarm unter der Annahme, schon irgendwie die Richtigen zu treffen. Insofern bin ich hier zurückhaltend ob der rechtlichen Basis.

Nur um das richtig zu stellen: Ich sehe das Vorgehen nicht als falsch an, die Operation an sich ist v. a. in der Breite und hinsichtlich der Vorarbeit herausragend und es ist gelungen, nicht nur die Kommunikationsstrukturen des Gegners faktisch zu lähmen (genau genommen können die Hisbollahis eigentlich erst mal alles aus der Hand legen außer dem Handzettel im Stil von Provenzano oder bin Laden, da sie nie sicher wissen können, ob ihnen das Gerät nicht um die Ohren fliegt), sondern auch enormes Misstrauen und große Unsicherheiten innerhalb der Hisbollah zu sähen - ich würde mich nicht wundern, wenn in den nächsten Wochen irgendwelche vermeintlichen Verräter im Libanon ermordet werden -, aber bzgl. der rechtlichen Auslegung habe ich hier eben arge Bedenken.

Schneemann
Zitat:genau genommen können die Hisbollahis eigentlich erst mal alles aus der Hand legen außer dem Handzettel im Stil von Provenzano oder bin Laden, da sie nie sicher wissen können, ob ihnen das Gerät nicht um die Ohren fliegt)

Die Hisbollah beitreibt ein recht hochwertiges, Glasfaser-basiertes Kommunikationsnetzwerk. Getroffen wurden Pager und Funkgeräte auf der Ebene politischer/militärischer Angehöriger. Davon können sie bei der nächsten Firma wieder 1000 Stk. bestellt und ist in 3 Tagen aus China da. Vielleicht sollte man den Lieferanten und die Lieferung dieses Mal besser prüfen. Nachhaltig problematisch sind die schweren Verletzungen von einigen hundert Aktivisten, das Chaos, der Schock, der Terror. Die psychologische Wirkung, des mangelnden Vertrauens in die eigene Ausrüstung, Unterwanderung. All diese Themen darf man nicht unterschätzen. Rein technisch, logistisch sehe ich noch das geringste Problem, die Funkgeräte zu ersetzen.

Wie vermutet scheint es sich vor allem um schwere Verletzungen an den Händen und Kopf zu handeln
https://x.com/Tasnimnews_Fa/status/1836440846276694363
(19.09.2024, 13:43)Schneemann schrieb: [ -> ]Ich denke nicht, dass das direkt vergleichbar ist. Bei einem Luftangriff habe ich einen sehr eng gesteckten Korridor, ich kenne das Ziel und seine Koordinaten. Und ich versuche zivile Opfer so weit als möglich einzugrenzen. Man hat die Kontrolle quasi bis der ggf. photosensorische Kopf der Bombe im Bildschirmflimmern endet und das Zielgebäude auseinanderfliegt. Bei der aktuellen Aktion allerdings entzog sich der entscheidende Abschnitt der Operation der Kontrolle. Während der Luftangriff eben eine Präzisionsoperation ist, war die Pager-Aktion quasi eine Art Schrotschuss in den Vogelschwarm unter der Annahme, schon irgendwie die Richtigen zu treffen. Insofern bin ich hier zurückhaltend ob der rechtlichen Basis. [...]
Mal abgesehen davon, dass das eigentliche Problem bei Luftangriffen auf Terrorstrukturen die Zielgenerierung ist, längst nicht zu kontrolliert gewirkt wird und es absolut zulässig sein kann, immense Kollateralschäden in Kauf zu nehmen - vergleiche es dann halt mit Artilleriegranaten.
Es ist genauso auch zulässig den Feind mit Artilleriegranaten zu beschießen, auch ohne ganz genau zu wissen wer sich da im Zielgebiet aufhält.

Die rechtliche Vorgabe ist hier für alle Methoden gleich: Der erwartbar entstehende Kollateralschaden darf nicht außer Verhältnis zum entstehenden militärischen Vorteil sein.
Diese Vorgabe gilt für den Scharfschützen genauso wie für die Artillerieeinheit, die Clustermunition in urbane Räume schießt. Oder einen Cyberangriff der irgendwo im Verhältnis 9 zu 1 die richtigen trifft.

Hier konnte man (augenscheinlich) davon ausgehen, dass die Pager in überwältigender Anzahl bis ausschließlich für die Kommunikation der Hezbollah genutzt werden. Die Sprengung dieser Pager hat erwarten lassen, das Befehlsnetz der Hezbollah zu zerschlagen und ihrer militärischen Führung substantielle Verluste zuzufügen. Der durch den Angriff entstehende militärische Vorteil war immens, ja kann eigentlich garnicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Hezbollah ist stand jetzt nicht mehr zu komplexen militärischen Operationen in der Lage und das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben.

Welches Maß an Kollateralschäden wäre für so ein Ergebnis angemessen? Nach meinem Dafürhalten wäre es für dieses Ergebnis auch vertretbar gewesen jeden dieser Pager als Peilsender zu verwenden und jedem eine 250lb Bombe auf den Kopf zu werfen. Damit wäre freilich ein vielfaches an Zivilisten verwundet und getötet worden als man direkt Hezbollah-Kämpfer erwischt hätte, aber das macht derartige (außerordentlich präzise) Luftschläge noch lange nicht illegal. Entscheidend ist dann der militärische Vorteil, der wie angerissen sehr groß ist.

Der tatsächlich stattgefundene Angriff war nochmal unglaublich viel präziser, die Chancen das durch die geringe Sprengladung beistehende Unbeteiligte ernstlich gefährdet wurden waren nicht null aber gering. Was bleibt ist ein Restrisiko, dass sich zufälligerweise ein Unschuldiger den piependen Pager greift. Das ist im Sinne des Kriegsvölkerrechts aber ein völlig unproblematisches Restrisiko.

Bleibt die These, dass man nicht hätte wissen können wer im Libanon alles diese Pager einsetzt. Wie Broensen schon geschrieben hat wissen wir das nicht wirklich. Ob der bekanntgewordenen Umstände können wir aber annehmen, dass eine Lieferung die dezidiert für die Hezbollah gedacht war jetzt nicht bei irgendwelchen Ärzten oder freiwilligen Feuerwehren landet.
Und selbst wenn doch: Die Aussicht weiten Teilen des Hezbollah-Offizierskaders sonstwas wegzusprengen ist ein solch gewaltiger militärischer Vorteil, dass der Angriff auch dann zu rechtfertigen gewesen wäre, wenn man gewusst hätte, dass x Prozent der Pager bei Zivilisten gelandet wären. Es ist nicht schön, aber es ist nun mal in einem sehr weiten rechtlichen Rahmen nicht problematisch wenn im Krieg Unschuldige zu Schaden kommen.
(19.09.2024, 13:43)Schneemann schrieb: [ -> ]Während der Luftangriff eben eine Präzisionsoperation ist, war die Pager-Aktion quasi eine Art Schrotschuss in den Vogelschwarm unter der Annahme, schon irgendwie die Richtigen zu treffen.
Aber wenn doch jeder Vogel in dem Schwarm ein "richtiger" ist? Auf der Entenjagd trifft es nur dann die falsche, wenn es keine Ente, sondern bspw. ein unbeteiligter Singvogel ist. Welche Ente ich aber treffe, ist irrelevant.
Wenn man davon ausgehen kann, dass jeder mit einem solchen Pager ein Kämpfer des Gegners ist, dann ist das doch hinreichend zielgerichtet. Es kommt halt nur darauf an, wie sicher man sich sein konnte, dass diese konkreten Pager ausschließlich von Hamas/Hisbollah-Kämpfern/Unterstützern verwendet werden.