Forum-Sicherheitspolitik

Normale Version: Sechster Nahostkrieg
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Es ist kein Geheimnis und auch keine größere Erkenntnis, dass die internationalen Medien bei der Berichterstattung über Gaza eng mit Ortskräften zusammenarbeiten die der Hamas, vorsichtig ausgedrückt, nahe stehen. Das diese Gestalten dann auch am 07. Oktober aktiv gewesen sind verwundert nicht.
Ebenso wenig die Weigerung der Medienhäuser zu Kenntnis zu nehmen, mit wem man da zusammenarbeitet.
Zitat:Erklärungsansätze:

- Den Hamas Bataillonen wurde bereits durch die schweren Verluste während des Angriffs auf israelisches Territorium und die darauf folgende umfassende Luftkampagne das Rückgrat gebrochen.
..........
- man entzieht sich den Kampf bewusst und versucht in der Masse der Zivilbevölkerung unterzutauchen um so strukturell zu überleben bis die Israelis wieder weg sind
- verglichen mit 2014 vereinfachen die weitgehenden Evakuierungen der Zivilbevölkerungen die taktische Lage für die IDF deutlich
- die IDF agiert in 2023 mit wesentlich mehr Feuerkraft und setzt diese ohne Beschränkungen ein

Soweit ich das Geschehen verfolgen kann, sind meiner Meinung nach vor allem diese vier der von Nightwatch genannten Gründe ausschlaggebend.

Insgesamt ist die militärische Leistung der Hamas in Gaza so schwach, dass dies wirklich auffällig ist. Da kommt ziemlich wenig im Verhältnis zu dem was möglich wäre. Auch die Verluste an Zivilbevölkerung sind für einen Krieg in einem solchen Terrain gegen einen solchen Gegner bisher erstaunlich niedrig. Von wegen sechsstellige Zahlen - wenn das so weitergeht werden das nicht mehr als um die 50.000 wie von mir angenommen.
Eine ballistische Rakete aus dem Jemen wurde von Arrow3 abgefangen. Sehr beeindruckend, zumal der Abschuss praktisch gesehen außerhalb der Atmospähre stattgefunden hat.

https://www.timesofisrael.com/liveblog_e...d-missile/

Zitat:Israel’s Arrow 3 has made its 1st-ever interception, downing likely Yemen-fired missile

For the first time ever, Israel’s most advanced air defense system, the Arrow 3, made a successful interception of a missile heading for the country’s southernmost city of Eilat, the IDF and the Defense Ministry announce.

The surface-to-surface missile, apparently launched from Yemen, was intercepted by an Arrow 3 missile over the Red Sea.

https://www.timesofisrael.com/liveblog-november-9-2023/

Der Iran zündelt gerade schon ziemlich rum.


Ansonsten hier noch ein paar Eindrücke:

https://www.idf.il/en/mini-sites/idf-rec...23-day-34/

Zitat:Since the beginning of the war, about 9,500 rockets and dozens of aircraft have been launched towards Israel. About 12% of the total launches towards Israel landed in the Gaza Strip and about 900 launches were carried out from civilian sites such as: mosques, schools, hospitals and cultural centers.

Over 130 tunnel entrances have been discovered by IDF forces since ground forces entered Gaza.

Sturmpioniere beim ausheben von Tunneleingängen:

https://www.youtube.com/watch?v=On4L9FfVAPA
Eine lesenwerte Einschätzung warum die Grenzbefestigungen und Abschreckungsstrategien nicht funktioniert haben:

Zitat:
General Staff knew Gaza fence couldn't stop a war, but it still underestimated Hamas

Israel must act against what terrorist have the ability to do, not what it expects the terrorists to try to do.

The top of the IDF is engaged in analyzing the new reality that has emerged in the Gaza Strip and led to the collapse of defense in the Gaza District and Southern Command.

The ones fully responsible for shaping the space and defense posture on the southern front are primarily the current Chief of Staff, Lieutenant General Aviv Kohavi, who was previously the commander of the Southern Command and head of the Military Intelligence Directorate, and the head of the Strategy and Third-Circle Directorate, Major General Eliezer Toledano, who was the commander of the Southern Command until two months ago and previously the commander of the Gaza Division.
https://www.jpost.com/israel-news/defens...cle-772754
(10.11.2023, 20:50)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Insgesamt ist die militärische Leistung der Hamas in Gaza so schwach, dass dies wirklich auffällig ist. Da kommt ziemlich wenig im Verhältnis zu dem was möglich wäre. Auch die Verluste an Zivilbevölkerung sind für einen Krieg in einem solchen Terrain gegen einen solchen Gegner bisher erstaunlich niedrig. Von wegen sechsstellige Zahlen - wenn das so weitergeht werden das nicht mehr als um die 50.000 wie von mir angenommen.

Zum Glück erstaunlich schwach. Ich hätte mit mehr Gegenwehr gerechnet.
Ich ebenfalls. Mit sehr viel mehr. Wenn ich mal so kurz überreiße, wie ich hier Gaza verteidigt hätte und was mir diesbezüglich alles einfällt, dann ist die Hamas verblüffend einfallslos was diese Sache angeht.

Die deutlich geringere Präsenz von Zivilisten im Kampfraum, der uneingeschränkte Waffeneinsatz durch die Israelis, der Umstand dass sich viele Hamas-Kämpfer als Zivilisten selbst evakuieren sind natürlich alles Faktoren, aber trotzdem ginge da sehr viel mehr.
(11.11.2023, 20:15)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Ich ebenfalls. Mit sehr viel mehr. Wenn ich mal so kurz überreiße, wie ich hier Gaza verteidigt hätte und was mir diesbezüglich alles einfällt, dann ist die Hamas verblüffend einfallslos was diese Sache angeht.

Die deutlich geringere Präsenz von Zivilisten im Kampfraum, der uneingeschränkte Waffeneinsatz durch die Israelis, der Umstand dass sich viele Hamas-Kämpfer als Zivilisten selbst evakuieren sind natürlich alles Faktoren, aber trotzdem ginge da sehr viel mehr.

Vermutlich hat es tatsächlich den harten Kern erwischt als Israel den Terrorraid wieder in den Griff bekommen hat. Nicht auszudenken wenn die Hamas das zehn- oder zwanzigfache solcher Typen an dem Tag nach Israel geschickt hätte, aber scheinbar ist zum Glück das Potential dafür nicht vorhanden.
Erstaunlicherweise ! Was einem langfristig gesehen zudem auch noch eine winzige Kleinigkeit Hoffnung bezüglich der Palästinenser machen könnte.


Hier mal ein paar Aufnahmen von Kämpfen der israelischen Bodeneinheiten: sieht sehr stark wie in Falludscha aus.

https://twitter.com/TreyYingst/status/17...5988816288

Kampfpanzer und Pioniere mit stark geschützten Pionierfahrzeugen sind im OHK einfach derart wesentlich. Was da noch als Dreiklang fehlt sind dezidierte Begleitpanzer (welche parallel auch zugleich FlaK-Panzer sein sollten) - wobei man diese gegen einen minderen Gegner wie die Hamas natürlich nicht so zwingend benötigt wie bei ernsthafteren Szenarien. Ich will es sogar mal überspitzen - Kampfpanzer sind heute für den OHK (und damit auch für den Kampf um und in befestigten Stellungen) wesentlicher als für den Bewegungskrieg.
(11.11.2023, 20:28)lime schrieb: [ -> ]Vermutlich hat es tatsächlich den harten Kern erwischt als Israel den Terrorraid wieder in den Griff bekommen hat. Nicht auszudenken wenn die Hamas das zehn- oder zwanzigfache solcher Typen an dem Tag nach Israel geschickt hätte, aber scheinbar ist zum Glück das Potential dafür nicht vorhanden.

Könnte durchaus etwas dran sein. Wenn ich auf die letzte Dekade zurückschaue würde ich nicht behaupten wollen den Eindruck zu haben, das es ein Schwerpunkt der Hamas gewesen ist, ihre Kämpfer infanteristisch zu schulen oder Milizverbände aus der breiteren Bevölkerung aufzustellen.
Das mag handfeste machtpolitische Gründe gehabt haben (man muss den Laden ja unter Kontrolle halten können), aber womöglich war recht viel mehr unter der fortwährenden Blockade auch schlicht nicht drin. Ausbildung dürfte das eine sein, wenn die IDF ihnen alle paar Jahre die Ausbilder dezimiert und Infrastruktur zerschlägt, aber auch was Ausrüstung angeht... das wenige was man da von den Kämpfen mitbekommt, macht absolut nicht den Eindruck, dass man da allzu viel moderne Ausrüstung oder auch auch nur massig Material hat anhäufen können. Womöglich war es da schlicht so, dass die Materialien für den Raketenbau die beschränkte Kapazität der Schmugglerinfrastruktur voll ausgelastet haben.
Michel Goya, einer unserer "TV Generäle" (im Ruhestand) ok er ist nur Colonel, aber täglich im Fernsehen
Zitat:Dennoch: Nur weil man gegen Schweine kämpft, hat man noch lange nicht das Recht, selbst zu einem solchen zu werden. Jeder hätte es verstanden, wenn die IDF-Soldaten einige Tage nach dem Massaker vom 7. Oktober in Gaza eingedrungen wären, um diesen niederträchtigen Feind von Mann zu Mann zu verfolgen, und wenn sie dabei Risiken eingegangen wären, hätte das Ganze noch legitimer und mutiger gewirkt als ein Schlag aus der Ferne und offensichtlich zu hart

Gaza: Wie viele Tote -2?
La voie de l'épée (französisch)
Sonntag, den 12. November 2023
Vor nunmehr zehn Tagen habe ich eine Schätzung der menschlichen Verluste vorgenommen, die durch die Angriffskampagne der israelischen Luftwaffe auf den Gazastreifen seit dem 7. Oktober verursacht wurden. Dabei habe ich die gemachten Aussagen außer Acht gelassen, die sich fast immer auf die Zahlen des palästinensischen Gesundheitsministeriums stützten, derselben Behörde, die bei dem Drama im al-Ahli-Krankenhaus am 17. Oktober schamlos gelogen hatte.

Ich stützte mich dabei auf die vergangenen Luftkampagnen der israelischen Luftwaffe im Gazastreifen (2008, 2012, 2014, 2021), im Libanon (2006) und der US-amerikanischen Koalitionen, insbesondere im Kampf gegen den Islamischen Staat (2014-2019), wobei ich die Ähnlichkeit der eingesetzten Mittel, der Einsatzregeln und der Form der Zielgebiete berücksichtigte.

Am 2. November schätzte ich, dass die Angriffe, die am 7. Oktober von der israelischen Luftwaffe und in zweiter Linie von der israelischen Artillerie durchgeführt wurden, mindestens 2.000 Zivilisten und natürlich eine ähnliche Anzahl von feindlichen Kämpfern getötet haben könnten, mindestens 1.500, je nach den Schätzungen der vergangenen Kampagnen, d.h. insgesamt etwa 3.500. Ich hätte betonen sollen, dass es sich hierbei nur um eine minimale Schätzung innerhalb einer makabren Bandbreite von bis zu 5.000 handelt. In jedem Fall war es eine deutlich niedrigere Zahl als die vom palästinensischen Gesundheitsministerium angegebene, die damals bei 8.300 lag, ohne jegliche Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Natürlich stieß diese Schätzung auf Kritik und manchmal auch auf Beschimpfungen seitens derjenigen, die dies als ein Unterfangen werteten, die von der IDF verursachten Zerstörungen zu verharmlosen oder gar zu leugnen oder umgekehrt den Feinden Israels nach der schrecklichen Tragödie vom 7. Oktober in die Hände zu spielen.

Zehn Tage später musste ich zugeben, dass diese Schätzungen der Verluste zu niedrig waren. Erstens, weil mir glaubwürdige Zeugen immer wieder sagten, dass, nachdem ich die Auswirkungen früherer Luftangriffe vor Ort gesehen hatte, der Schaden, den der jetzige anrichtete, zweifellos eine Schwelle überschritten hatte. Zweitens, weil die neuen Erkenntnisse tatsächlich nicht nur auf eine sehr hohe tägliche Anzahl von Strikes hindeuten - was ich berücksichtigt hatte und was nie ein gutes Zeichen ist, weil es im Gegensatz dazu eine viel geringere Anzahl von vorsorglich abgesagten Einsätzen bedeutet -, sondern auch darauf, dass jeder dieser Einsätze besonders "geladen" war.

In einem Tweet vom 12. Oktober, der mir entgangen war, brüstete sich Die israelische Luftwaffe damit, dass sie "about 6000 bombs against Hamas targets dropped" (etwa 6000 Bomben gegen Hamas-Ziele fallen gelassen) habe. Das bedeutet zunächst logischerweise den Einsatz mehrerer Bomben pro Ziel, im Durchschnitt mindestens zwei, da die IDF zur gleichen Zeit in einem anderen Tweet behauptete, 2.687 Ziele getroffen zu haben. Bei dieser Anzahl von Zielen befindet man sich bereits jenseits der ursprünglichen Zielliste, die es ermöglicht, die Schüsse gut vorzubereiten und die Bevölkerung zu warnen, und wechselt zu dynamischen Zielen, z. B. auf Ziele, die mit Raketen beschossen werden, was zwangsläufig weniger vorsichtig ist.

Das ist vor allem global gesehen enorm. Zum Vergleich: Während der Operation Harmattan in Libyen warf die französische Luftwaffe von März bis Oktober 2011 genau 1018 Bomben bei 2700 Einsätzen der Rafale und Mirage 2000 D oder N ab, zu denen noch die Auswirkungen von 950 Einsätzen der Rafale M und SEM hinzukommen. Wir wären damals wahrscheinlich weit weniger in der Lage gewesen, 6.000 Bomben oder Raketen abzuschießen. Bei einem sehr niedrigen Durchschnittswert von 100 kg Sprengstoff pro abgeworfener Bombe entsprächen 6000 bereits 1500 russischen Marschflugkörpern vom Typ Kalibr oder Kh-101, aber die Sprengkraft dürfte weit darüber hinausgehen, da die IDF viel Munition mit einer Masse von über 900 kg (GBU-15, 27, 28 und 31) einsetzt, um insbesondere versteckte Infrastrukturen und unterirdische Gänge der Hamas zu erreichen.

Wenn die Zahl der israelischen Luftwaffe keine Angeberei ist, muss man sich vorstellen, dass zwischen 1500 und 3000 russische Raketen des gleichen Typs, der seit 21 Monaten auf ukrainische Städte fällt, in einer Woche den 360 km2 großen Gazastreifen treffen. Das ist natürlich kolossal und wahrscheinlich sogar beispiellos, auch wenn die Propagandazahlen, die von zwei Hiroshima-Bomben sprechen, natürlich an den Haaren herbeigezogen sind. Es ist auf jeden Fall über das hinaus, was in Syrien passiert ist, wo die Website AirWars die Zahl der durch russische Luftschläge getöteten Zivilisten - und nicht der Kämpfer - auf 4300 bis 6400 schätzt, und in Irak-Syrien, wo von 8200 bis 13200 Zivilisten die Rede ist, die durch die 34 500 Luftschläge der US-amerikanischen Koalition in sechs Jahren getötet wurden.

Anzumerken ist, dass im letzteren Fall die Hälfte dieser sicheren oder wahrscheinlichen zivilen Opfer in den Monaten der Kämpfe von 2017 in Mossul und Raqqa zu verzeichnen waren, in denen die Einsatzregeln "erweitert" worden waren. Hinzu kommt, dass die Intensität der Schläge so hoch ist, dass die Israelis mit Sicherheit (Business Insider 17. Oktober) auch ungelenkte M117-Munition einsetzen, wie man auch hier aus Tweets der IDF entnehmen kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei Fortführung der am 2. November angewandten Grundsätze, als ich von insgesamt 7000 Strikes in drei Wochen mit einer Bombe sprach, die Gesamtzahl der Verluste zehn Tage später bei 5000 liegen müsste, darunter etwa 2800 Zivilisten. Ich glaube inzwischen, dass sie tatsächlich deutlich höher liegt und sich wahrscheinlich der vom Gesundheitsministerium verkündeten Zahl annähern würde, die derzeit bei 11.000 liegt, alle zusammengenommen. Barbara Leaf, die US-Unterstaatssekretärin für Nahost-Angelegenheiten, die Israel gegenüber wenig feindselig eingestellt ist, sagte vor einigen Tagen, dass die Zahl vielleicht sogar noch höher sein könnte ("We think they're very high, frankly, and it could be that they're even higher than are being cited," The Time of Israel, 9. November 2023).

Es sei darauf hingewiesen, dass laut I24 News, auch hier ein Sender, der nicht zu antiisraelischer Kritik neigt, am 4. November laut "einer anonymen Sicherheitsquelle" sogar von 20.000 Toten die Rede war. Diese berühmte Quelle sprach von 13.000 getöteten feindlichen Kämpfern (nach einer recht seltsamen Berechnungsmethode von 50 und 100 Toten pro getroffenem Tunnel), aber auch ganz unverblümt von 7.000 toten Zivilisten, für die die Hamas verantwortlich sei, da diese Zivilisten als Schutzschild benutzt würden.

Der Fairness halber sei hinzugefügt, dass die Hamas und ihre Verbündeten natürlich auch eine Luftkampagne mit Mörsern, Qassam und weiterentwickelten Raketen führen, wobei am 9. November laut IDF mehr als 9500 Geschosse aus Gaza, größtenteils aus dem Libanon und sogar aus dem Jemen, abgefeuert wurden. Das ist viel, zum Vergleich: Die Hisbollah hatte 2006 in 33 Kriegstagen 4.400 und die Hamas/der Islamische Dschihad in den 51 Tagen des Krieges 2014 4.500 abgeschossen. Ich bin mir nicht sicher, wie viele israelische Zivilisten bei all den Schrecken dieses Krieges durch diese 9 500 Geschosse getötet wurden, zu viele sind sicher, viele sind nicht sicher. Auf jeden Fall nicht Tausende, wenn es die eiserne Kuppel nicht gegeben hätte, wie ich gehört habe.

Im Jahr 2006 hatten die Geschosse der Hisbollah 44 Menschen getötet; im Jahr 2014, nach der Errichtung der Eisenkuppel, hatten die Geschosse aus Gaza 6 Menschen getötet. Israel, und das ist sein Verdienst, schützt seine Bevölkerung gut, im Gegensatz zur Hamas, die, um es euphemistisch auszudrücken, kaum einen Zivilschutz eingerichtet hat und sich sogar weitgehend mit der Produktion von Märtyrern und tragischen Bildern zufrieden gibt, die sofort von Al-Jazeera weitergeleitet werden. Immerhin lähmen diese Raketenangriffe, die zum Schock des abscheulichen Angriffs und Massakers vom 7. Oktober hinzukommen, das israelische Leben in der Umgebung von Gaza, aber sie sind in ihrer Intensität nicht mit dem zu vergleichen, was in Gaza passiert.

Wenn man die Grundsätze des Rechts des bewaffneten Konflikts heranzieht, verrät die Hamas diese absolut alle, zusätzlich zu all den Terrorakten, die sie in den letzten dreißig Jahren begangen hat. Nebenbei sei daran erinnert, dass Kriegsverbrechen, die von einer Streitkraft einer Organisation begangen werden, auch Terrorakte sein können, wenn ihr Hauptzweck darin besteht, Angst und Schrecken zu verbreiten. Aufgrund seines Ausmaßes ist der Angriff vom 7. Oktober sogar eindeutig ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und kann, obwohl die Hamas auch Israel zerstören will, auch ein völkermörderisches Ziel haben. Die Hamas muss zerstört werden, daran gibt es keinen Zweifel. All das ist nicht neu und Israel hätte es wirklich früher versuchen können, aber das ist eine andere Frage.

Dennoch: Nur weil man gegen Schweine kämpft, hat man noch lange nicht das Recht, selbst zu einem solchen zu werden. Jeder hätte es verstanden, wenn die IDF-Soldaten einige Tage nach dem Massaker vom 7. Oktober in Gaza eingedrungen wären, um diesen niederträchtigen Feind von Mann zu Mann zu verfolgen, und wenn sie dabei Risiken eingegangen wären, hätte das Ganze noch legitimer und mutiger gewirkt als ein Schlag aus der Ferne und offensichtlich zu hart. Ich selbst bedauere es sehr, dass die Regierung nach den Anschlägen 2015 in Frankreich ihre Soldaten lieber mit der sterilen Operation Sentinelle auf die Straße geschickt hat, als dem Feind in einer Operation Châtiment an die Gurgel zu gehen. Dafür wurden Soldaten erfunden, und mein Herz ist ganz bei den IDF-Infanteristen in den Straßen von Gaza.

Sie früher einzusetzen hätte Kollateralschäden nicht verhindert, sie sind unvermeidlich, wenn 95% der Lebewesen, die in der Kampfzone leben, Unschuldige sind, aber man hätte hoffen können, unter der Voraussetzung, dass man starke und disziplinierte Soldaten hat, kurz gesagt, echte Soldaten, indem man sich die Zeit nimmt und ein Maximum an Vorsicht walten lässt, das Herz des Feindes zu erreichen, ihm ein Maximum an Kämpfern zu töten und seine Infrastruktur zu zerstören, ohne Tausende und Abertausende von Zivilisten zu töten.

Das würde nichts an der schwierigen politischen Verwaltung des Gazastreifens nach den Kämpfen ändern und auch nichts an den tieferen Ursachen, die dazu geführt haben, dass es Zehntausende Palästinenser gibt, die bereit sind, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu sterben, die Waffen gegen Israel zu erheben, und das ist nicht einfach eine Frage der Indoktrinierung.

Stattdessen entschied sich die israelische Regierung, die vor ihrer Neubildung eine enorme Verantwortung für die nachlassende Wachsamkeit gegenüber der Hamas trägt, dafür, mit einer Blockade und einer Schlagkampagne zu beginnen, die durch ihren Gigantismus notwendigerweise mindestens vier der fünf Prinzipien des Rechts der bewaffneten Konflikte - Menschlichkeit, Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit, Vorsorge - mit Füßen tritt und daher letztendlich auch mit dem Prinzip der Unterscheidung (oder Absicht) kokettiert.

Man kann argumentieren, wie man will, absolute Notwendigkeit, Lügen der Hamas, der Feind ist ein Bastard, der sich hinter der Bevölkerung oder an sensiblen Orten versteckt, man lässt die Bevölkerung vor den Kämpfen fliehen usw., aber eine totale Blockade einzurichten und mit einer solchen Macht ein dicht besiedeltes Gebiet zu treffen für eine letztlich recht magere militärische Bilanz - und bitte, nicht die x-te Liste getöteter Hamas-Kader als ernsthafte Bilanz präsentieren-, ist eine Katastrophe.

Es ist eine Katastrophe für die Bevölkerung des Gazastreifens, aber auch für Israel, kurzfristig wegen der Empörung, die es immer wieder hervorruft, aber auch langfristig, weil aus den geschundenen Familien Tausende von zukünftigen feindlichen Kämpfern rekrutiert wurden. Keine Tragödie kann eine andere auslöschen.
Zitat: offensichtlich zu hart
Offensichtlicher Schwachsinn. Ich möchte von der 'Hamas bekämpfen aber mit weniger Feuerkraft' Fraktion mal bitte eine ordentliche Abhandlung darüber, wie das funktionieren soll. Und zwar unter Bezugnahme auf die innerisraelischen Erfahrungen wärend Protective Edge und dem zweiten Libanonkrieg sowie der zweiten Schlacht um Fallujah und Raqqa. Bakhmut wäre auch zutreffend.

Natürlich ist die Beobachtung, dass vergleichsweise viel Feuerkraft (und immernoch sehr viel weniger als möglich wäre) wird zutreffend. Die Folgerung, das dies irgendwie exzessiv oder unnötig sei ist jedoch komplett unbelegt. Der Krieg um Gaza ist nicht irgendwie COIN und Kampf gegen irgendwelche versprengten Terroristen. Das ist ein hochintensives Gefecht mechanisierter Vebrände im urbanen Raum gegen einen um es grob zu untertreiben, gut eingegrabenen Gegner. Da helfen keine chirugischen Schläge und irgendwelche Special Forces Operationen um sich hier durchzusetzen.

Warum die israelische Luftwaffe bzw. die Artillerie derart viele Ziele angreifen konnte lässt sich übrigens auch dieseits eines angeblichen exzessiven Flächenbombardements gut erläutern:
1. Der letzte größere Krieg um Gaza war 2014. Die IDF hat seitdem umfanreiche Zieldatenbanken angelegt die jetzt abgearbeitet wurden. Das ist nicht irgendeine dynamische Lage in der die Fremdenlegion durch irgendwelche Afrikanischen Wüsten stolpert, sondern eine sehr plötzliche Zerschlagung von Infrastruktur an der die Hamas eine Dekade lang gewerkelt hat.
2. Der Gazastreifen ist wie bekannt von umfangreichen Tunnelsystemen durchzogen. Das ist in dieser Auseinandersetzung ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal. Die Zerstörung dieses Tunnelsystems aus der Luft erfordert einen Feuerkrafteinsatz in einem Umfang, der natürlich auch auch der Oberfläche zu erheblichen Zerstörungen führt.
3. Anders als in den Auseinandersetzungen zuvor wurde die Zivilbevölkerung aufgefordert den Norden des Streifens zu verlassen. Entsprechend robust agiert die IDF und entsprechend konnten nun erst mals viele Ziele angegriffen werden, die bislang aufgrund der Präsenz von (zu vielen) Zivilisten verschont wurden.
4. Aus dem Gazastreifen wurden in den ersten Wochen nach dem 7. Oktober tausende Raketen nach Israel geschossen. Jeder Raketenabschuss generiert ein Potentielles Ziel für Gegenangriffe. Und das wurde auch sehr robust umgesetzt.
5. Es gibt mittlerweile mehrere Berichte die hervorheben, dass die IDF ihre OODA Loop seit 2014 noch einmal deutlich bis entscheidend verkürzt hat. Sprich man ist wesentlich schneller darin aufgeklärte Ziele anzugreifen. Enstprechend generiert das Kamfpgeschehen eine hoche Anzahl taktischer Ziele die tatsächlich auch abgearbeitet werden konnten.
6. Die IDF ist zum ersten mal überhaupt mit mehreren Divisionen (!) in Gaza eingerückt. Es ist nur logisch das für diese hochintensive Operation im großen Umfang Luftnahunterstützung geflogen wird, bzw. die Artillerie Feuerunterstützung leistet.
7. Logischerweise wird entlang der Invasionskorridore um bei erheblichen feindlichen Widerstand mit aller verfügbaren Feuerkraft gewirkt. Die Zivilbevölkerung hatte schließlich reichlich Gelegenheit das Kampfgebiet zu verlassen.

Ansonsten darf ich zu diesen Ausführungen Yoav Gallant bemühen: "We haven't even 10% of the IAF's power in Gaza."
Zitat:(...) um diesen niederträchtigen Feind von Mann zu Mann zu verfolgen, und wenn sie dabei Risiken eingegangen wären, hätte das Ganze noch legitimer und mutiger gewirkt (...)

Was ist das denn? Es wäre blanker Selbstmord gewesen, mit unzureichenden Kräften und unzureichender (Feuer-) Unterstützung in vorbereitete Hinterhalte des Feindes zu rennen, um diesen "Mann gegen Mann" zu bekämpfen.
Die eigenen Verluste wären in die Höhe geschnellt und der Feind hätte sicherlich diverse Erfolge vermelden können, bis man auf diese Weise die Strukturen der Hamas zerschlagen hätte.
Dies wiederum hätte fatale Folgen gehabt, denn momentan ist es essenziell wichtig, Stärke zu demonstrieren. Zeigt Israel Schwäche, wächst die Gefahr des Flächenbrands enorm. Insofern eigentlich sogar die humanitär vorteilhafte Variante, denn im Falle einer Ausweitung des Krieges würden sich die Kollateralschäden multiplizieren.

Um die Legitimation muss man sich seit dem 07. Oktober keine Sorgen mehr machen, es sollte mehr als klar sein wer diese neuerliche Gewaltspirale losgetreten hat. Welche Reaktion hat man denn erwartet? Wer eine dermaßen brutale Eskalation gegen Zivilisten bejubelt / unterstützt / plant / durchführt, muss dann eben auch mit den Konsequenzen leben.
Und auf die Meinung derer, die sich klar pro Palästina aussprechen, hätte eine "zahmere" Offensive mit Sicherheit keinerlei Auswirkung gehabt. Deren Weltbild steht, völlig egal wie die IDF agieren.

Desweiteren: Ob die eigene Kriegsführung "mutig" wirkt ist auf dem modernen Schlachtfeld mal sowas von irrelevant. Es geht um Effektivität, und nichts anderes.

So wie sie es momentan machen, machen sie es richtig. Schwierig wird es, durchzuhalten und bis zum Erlangen der vollständigen Kontrolle weiterzumachen, auch wenn der Druck von außen steigt und die "Es reicht doch jetzt mal" Fraktion immer größer / immer lauter wird.
Zur Besetzung des Parlamentsgebäudes in Gaza durch die IDF Big Grin https://twitter.com/Briskerov/status/172...4047570094
Zitat:Desweiteren: Ob die eigene Kriegsführung "mutig" wirkt ist auf dem modernen Schlachtfeld mal sowas von irrelevant. Es geht um Effektivität, und nichts anderes.
Die Kriegsfûhrung muss ethisch vertretbar sein. Eine Armee die keine Ethik hat, ist ein Söldnerheer. Was Frankreich darunter versteht findest Du hier
Goya hat den israelischen Einsatz wochenlang verteidigt, hat Argumente gesammelt, Statistiken geschmiedet, und am Ende festgestellt das der durchgeführte Tsahal Einsatz nicht mit seiner Soldatenethik übereinstimmt. Das ist sein Recht, und es zu sagen sogar seine Pflicht

Zitat:Ansonsten darf ich zu diesen Ausführungen Yoav Gallant bemühen: "We haven't even 10% of the IAF's power in Gaza."

Die Sache hat einen Haken, es würde dann der Zeitpunkt kommen, wo es keine, noch nicht flachgemachten Gebäude mehr gibt.
Eine Armee ist dazu da, dem "Vaterland" ein Leben in Frieden zu erlauben.
Ist das hier der Fall ?
Was passiert in Gaza Süd, müssen die Leute dann wieder in den bombardierten Norden emigrieren.
Wie kommen die Leute über den Winter, (Nachttemperaturen um die 8 Grad, und manchmal weniger)
Was kommt nach der Offensive ????
@voyageur
Zitat:Die Kriegsfûhrung muss ethisch vertretbar sein.
Hinsichtlich deiner Ausführung, wonach eine Armee eine Ethik besitzen muss, damit sie nicht zum Söldnerheer verkommt, stimme ich dir zu. Bezüglich des obigen Satzes stellt sich für mich aber die Frage, ob man daraus ableiten können soll, dass die israelische Armee diese nicht hätte? Und das würde ich wiederum verneinen. Denn wenn sie keine Ethik hätte, dann wäre sie nach fünf Tagen und nicht nach fünf Wochen in Gaza am Meeresufer gestanden - und es wären nicht 11.000 tote Palästinenser zu beklagen, sondern vermutlich wären um die 30.000 Menschen tot. Und nebenbei hätte Zahal nicht nur 50 oder 60 Mann im Häuserkampf verloren, sondern vermutlich 1.200.
Zitat:Eine Armee ist dazu da, dem "Vaterland" ein Leben in Frieden zu erlauben.
Ist das hier der Fall ?
Man muss sicher hinterfragen, welchen Plan A oder B oder C es gibt für Gaza und ob diese Pläne aufgehen können und welche Langzeitwirkung sie hätten. Einerseits. Andererseits kann man aber fragen, welche Alternativen nach dem 7. Oktober es hinsichtlich des Umganges mit der Hamas noch gegeben hätte? Und dadurch, dass die IDF aktuell die Hamas systematisch zerschlägt und die Terrorbasen vernichtet, sichert sie dem Vaterland durchaus den Frieden. Zumindest längerfristiger als wie wenn man nach einer Luftkampagne irgendwann einen halbgaren Waffenstillstand aushandelt und dann in zwei Jahren das gleiche Problem wieder hat.

Schneemann