23.10.2023, 09:21
@Quintus
Ich sehe das anders bzw. teils anders. Nicht groß anders sehe ich es hinsichtlich des innenpolitischen Durcheinanders in Israel, dem Erzeugen der innenpolitischen Unruhe - auch vor dem Hintergrund der Justizreform -, die man sich eigentlich nicht wirklich leisten kann.
Anders sehe ich es hinsichtlich der Schlussfolgerungen bzgl. des Friedensprozesses.
Genau die gleichen Aussagen - zwar nicht im Wortlaut, aber inhaltlich betrachtet - konnte man schon vor 25 Jahren lesen als "Bibi" seine erste Amtszeit hatte. Damals herrschte noch der Taumel über die Oslo-Accords vor, und es waren die Peaceniks in Israel wie in Europa, die ein neues Zeitalter kommen sahen - die glorreiche Zukunft der Zweistaatenlösung schien greifbar. Theoretisch. Und im Jubel und Taumel gingen die realen Bedingungen unter. Auch ich habe durchaus vielleicht daran geglaubt - oder es gehofft? -, dass endlich ein Ausgleich in Sicht ist. (Wobei ich seinerzeit noch nicht alle Aspekte kannte und als Gymnasiast aus eher linkem Haushalt tendenziell dem kritiklosen Optimismus frönte.)
Dabei gab es damals schon einige wenige kritische Stimmen, die gesagt haben, dass Oslo eine Chimäre ist, die nicht funktionieren kann. In diesem Zusammenhang wäre Scholl-Latours Buch "Lügen im Heiligen Land: Machtproben zwischen Euphrat und Nil" (https://www.buecher.de/shop/gesellschaft.../08196715/) von 1998 lesenswert. Er sagte klar, dass das Konzept nicht funktionieren kann und interviewte sowohl Araber als auch Israelis, und im Tenor waren alle der Ansicht, dass der Konflikt dadurch nicht gelöst werden wird können.
Als "Bibi" dann 1996 erstmals an die Regierung kam, stand er vor einem Scherbenhaufen und hat versucht, einen Spagat zwischen Friedensplan und Siedlern, zwischen Säkularen und Orthodoxen hinzubekommen. Eine unlösbare Aufgabe, damals schon in den 1990ern. Aber in Europa, und gerade auch in Deutschland, hat man das geflissentlich übersehen. Und egal, was er gemacht hat, es hat von allen Seiten - egal ob von Palästinensern, Europäern, Amerikanern, israelischen Hardlinern und israelischen Linken - Kritik gehagelt. Das hat Scholl-Latour dazu bewogen, ihn als "Sündenbock" zu bezeichnen, der ein wohlfeiler Prellbock für die Gefühle und Intentionen verschiedener Machtinteressen war (und ist). Selbst in einem Staat, der nicht die Iraner oder die Hisbollah oder die Hamas vor der Türe hat, wäre seine Aufgabe schon eine herkulische.
Heutzutage ist seine Aufgabe, bedingt durch das Erstarken auch der israelischen Rechten und der Orthodoxen in den letzten 25 Jahren, innenpolitisch quasi noch unlösbarer geworden. Ihn jetzt aber (wieder mal) als den Schuldigen zu benennen und gar seine Regierung als "verbrecherisch" zu bezeichnen, ist so definitiv nicht zielführend und auch unfair. Es ist im Gegenteil die einfachste der einfachen Lösungen.
Schneemann
Ich sehe das anders bzw. teils anders. Nicht groß anders sehe ich es hinsichtlich des innenpolitischen Durcheinanders in Israel, dem Erzeugen der innenpolitischen Unruhe - auch vor dem Hintergrund der Justizreform -, die man sich eigentlich nicht wirklich leisten kann.
Anders sehe ich es hinsichtlich der Schlussfolgerungen bzgl. des Friedensprozesses.
Genau die gleichen Aussagen - zwar nicht im Wortlaut, aber inhaltlich betrachtet - konnte man schon vor 25 Jahren lesen als "Bibi" seine erste Amtszeit hatte. Damals herrschte noch der Taumel über die Oslo-Accords vor, und es waren die Peaceniks in Israel wie in Europa, die ein neues Zeitalter kommen sahen - die glorreiche Zukunft der Zweistaatenlösung schien greifbar. Theoretisch. Und im Jubel und Taumel gingen die realen Bedingungen unter. Auch ich habe durchaus vielleicht daran geglaubt - oder es gehofft? -, dass endlich ein Ausgleich in Sicht ist. (Wobei ich seinerzeit noch nicht alle Aspekte kannte und als Gymnasiast aus eher linkem Haushalt tendenziell dem kritiklosen Optimismus frönte.)
Dabei gab es damals schon einige wenige kritische Stimmen, die gesagt haben, dass Oslo eine Chimäre ist, die nicht funktionieren kann. In diesem Zusammenhang wäre Scholl-Latours Buch "Lügen im Heiligen Land: Machtproben zwischen Euphrat und Nil" (https://www.buecher.de/shop/gesellschaft.../08196715/) von 1998 lesenswert. Er sagte klar, dass das Konzept nicht funktionieren kann und interviewte sowohl Araber als auch Israelis, und im Tenor waren alle der Ansicht, dass der Konflikt dadurch nicht gelöst werden wird können.
Als "Bibi" dann 1996 erstmals an die Regierung kam, stand er vor einem Scherbenhaufen und hat versucht, einen Spagat zwischen Friedensplan und Siedlern, zwischen Säkularen und Orthodoxen hinzubekommen. Eine unlösbare Aufgabe, damals schon in den 1990ern. Aber in Europa, und gerade auch in Deutschland, hat man das geflissentlich übersehen. Und egal, was er gemacht hat, es hat von allen Seiten - egal ob von Palästinensern, Europäern, Amerikanern, israelischen Hardlinern und israelischen Linken - Kritik gehagelt. Das hat Scholl-Latour dazu bewogen, ihn als "Sündenbock" zu bezeichnen, der ein wohlfeiler Prellbock für die Gefühle und Intentionen verschiedener Machtinteressen war (und ist). Selbst in einem Staat, der nicht die Iraner oder die Hisbollah oder die Hamas vor der Türe hat, wäre seine Aufgabe schon eine herkulische.
Heutzutage ist seine Aufgabe, bedingt durch das Erstarken auch der israelischen Rechten und der Orthodoxen in den letzten 25 Jahren, innenpolitisch quasi noch unlösbarer geworden. Ihn jetzt aber (wieder mal) als den Schuldigen zu benennen und gar seine Regierung als "verbrecherisch" zu bezeichnen, ist so definitiv nicht zielführend und auch unfair. Es ist im Gegenteil die einfachste der einfachen Lösungen.
Schneemann