(26.03.2023, 15:08)Helios schrieb: [ -> ]Das ist ja genau das, was ich in diesem Kontext nicht wollte - eine allgemeine Diskussion zum Thema Kampfhubschrauber bzw. bewaffneten Hubschraubern.
Sorry, aber wie soll man ein Nachfolgemodell für den Tiger in der BW sinnvoll diskutieren, ohne dass die davon zu übernehmenden Aufgaben wirklich klar sind? Und für mich hat es den Eindruck, dass ich da nicht der Einzige hier bin, bei dem das nicht der Fall ist. Auch wenn das vielleicht nicht jeder selbstkritisch erkennen mag. Denn sonst gäbe es ja z.B. nicht die Aussagen, dass der H145M als Übergangslösung fungieren kann. Man könnte diese "Vorab"-Diskussion natürlich auslagern (fühl dich frei, ist dein Forum
), aber mir geht es ja gerade darum, für die Fragestellung dieses Strangs eine Entscheidungsgrundlage zu finden.
Zitat:"fliegende Artillerie" muss man differenzierter sehen
Natürlich geht das Spektrum da weit auseinander und hat "nach unten" einen fließenden Übergang zum CAS, aber im Endeffekt geht es doch immer darum, eine Abstandswaffe schnell und flexibel über dem Schlachtfeld verlegen zu können. Also dient der Hubschrauber primär als Startplattform für eine NLOS Waffe, egal ob diese nun stumpf einen Bogen fliegt oder hochpräzise Schläge ermöglicht, auch wenn das natürlich Einfluss auf die Wahl des Musters haben muss.
Da es hier um die konkrete Tiger-Nachfolge geht, kommt natürlich nur die Präzisionswirkung infrage, sofern diese Zielsetzung "A" überhaupt berücksichtigt werden sollte.
Zitat:"Angriff" ... Den muss man ja ähnlich differenziert betrachten, in der westlichen Strategie eher das Skalpell gegen nur unmittelbar aufklärbare Ziele, in der sowjetischen Strategie eher als Vorbereitung eigener offensiver Luftlandungen. Aus dem Grund hängt dieser Punkt "Angriff" zum Teil sehr stark mit "Aufklärung" zusammen, zum Teil eher mit der Schlachtfliegerei
Ebenso: Für die Tiger-Nachfolge ist die sowjetische Strategie irrelevant. Insofern verstehe ich deine Ausführung so, dass es in der Kategorie C/Angriff zum einen die Präzisionswirkung (vgl. A) gibt und zum anderen dann eben die Schlachtfliegerei, sprich CAS. Das entspricht auch der Unterscheidung, die Schaddedanz -wenn auch anders hergeleitet- vorgenommen hat.
Zitat:und erweitert noch einem "Geleitschutz". Wobei dieses Aufgabenfeld auch weit gefächert ist
Hier interpretiere ich das derart, dass es zum einen den begleitenden Schutz andere Helikopter oder auch eines Konvois am Boden gibt, der das Umfeld überwachen und etwaige Bedrohungen ausschalten soll. Somit ist diese Aufgabe auch wieder mit einer starken Aufklärungskomponente und Präzisionswirkung verbunden.
Zum Anderen gibt es dann aber auch noch die -vereinfacht dargestellt- Luftlandungs-begleitende Feuerunterstützung, die das vorgenannte mit Elementen des CAS verbindet.
Oder gibt es für einen deutschen Kampfhubschrauber noch andere Formen von Begleitschutzaufgaben?
Zitat:Begleithubschrauber (zur Koordination der Einsatz vor Ort)
Diese Funktion "Begleithubschrauber" erschließt sich mir noch nicht ganz. Was ist darunter zu verstehen und welche Anforderungen bringt das für einen Tiger-Nachfolger mit sich? Und inwieweit ist das durch einen LUH oder dessen Ableitung leistbar?
Zitat:Vorstöße hinter die feindlichen Linien waren hingegen nie vorgesehen.
Wie ist das denn aktuell zu bewerten? Sollte das für einen Tiger-Nachfolger eine Rolle spielen, wenn man sich mal von der bloßen Erfüllung aktuell definierter Anforderungen/Doktrin löst? Ein Gefecht in Osteuropa ggf. inkl. Befreiung zuvor besetzter Gebiete dürfte doch diesbezüglich andere Anforderungen mit sich bringen als die Verteidigung der norddeutschen Tiefebene.
(26.03.2023, 15:06)Schaddedanz schrieb: [ -> ]A ... Raketen, gelenkt immer noch ineffektiv da zu niedrige Munitiosmenge pro Flug.
Das gilt aber nur, wenn man "Artillerie" klassisch interpretiert und Präzisionsschläge außen vor lässt. Gerade die würde ich aber für einen deutschen Kampfhubschrauber viel eher sehen. Denn größere Fernwirkung kommt bei uns dann von Flächenflugzeugen, sollte man wirklich außerhalb der Reichweite von bodengebundener (Raketen-)Artillerie agieren.
Zitat:B auch hier ist ein mit ach und krach flugfähiges Modell ausreichend... Die erforderliche Aufklärung erfolgt durch Aufklärungs-/Kampfeinheiten und wird via Funk mitgeteilt (Gefecht der verbunden Waffen).
Das ist dann aber die BO105-Neuauflage und m.E. eben gerade nicht das, was der Tiger als PAH2 ursprünglich mal werden sollte. Da halte ich die Frage für angebracht, inwieweit dieses Konzept in einem LV/BV-Szenario noch tragfähig sein kann. Kann ein H145M -denn der wäre das ja bei uns- so nah an der Frontlinie agieren, dass er effektiv Panzerabwehr betreiben kann, ohne der gegnerischen Flugabwehr zum Opfer zu fallen? Falls ja: Gut, dann können wir hinter die Panzerabwehr einen Haken machen und brauchen sie nicht weiter betrachten. Falls nein, ergibt aber ein H145M-PAH gar keinen Sinn, denn Panzerabwehr erfolgt nun mal immer an der Kontaktlinie. Oder maximal gegen Durchbrüche/Vorstöße, aber auch dabei muss von Flugabwehr oder auch gegnerischen Kampfhubschraubern ausgegangen werden.
Zitat:C1 CAS ... schlechteres Flugverhalten ist vertretbar da bei 5m über Boden Reiseflughöhe eh kein Kunstfliegerblumentopf zu holen ist.
Das würde ich in Frage stellen wollen. Ist nicht gerade bei Feind auf Sichtkontakt und extrem geringen Flughöhen, auch im konstanten Überflug, ein besonders gutes Flugverhalten und eine hohe Manövrierfähigkeit erforderlich?
Zitat:C2 Gunship, IKM, StabOp benötigt eine breite Waffenpalette, Sensorik für sehr hohe Präzision ..., kein Konzept für die symmetrische Kriegsführung, keine Panzerung ermöglicht längere Operationsdauer oder bessere Tarnung durch kleinere Modelle.
Was im Endeffekt auf das gleiche hinausläuft wie die für diese Beurteilung relevanten Aspekte von "A.", also Präzisionswirkung durch Aufklärung.
Zitat:D kann mit erledigt werden
Da hier LV/BV in den Vordergrund gestellt werden muss, würde ich das umkehren wollen und somit als Fazit mitnehmen, dass als Kampfhubschrauber für IKM/StabOp Präzisions-bewaffnete Aufklärer eingesetzt werden sollten.
Zitat:Beide C Varianten können A mitmachen.
Meine Schlussfolgerung dazu: "C1" würde eher den für uns irrelevanten Teil von "A." leisten, während "C2" im Prinzip genau das gleiche ist wie der für uns relevante Teil von "A.", nämlich Aufklärungs-basierte Präzisionswirkung auf Distanz.
Zitat:C2 bietet sich bei B für eine Drohnennutzung an
Dem könnte ich grundsätzlich zwar zustimmen, allerdings ist das mMn abhängig vom Muster. Denn "C2" wäre -zugespitzt formuliert- ja gleichermaßen zu leisten von einem H145M "Little Bird", wie auch von einem Tiger 2 "Invictus". Ersterem würde ich aber unterstellen, nicht die erforderliche Ausdauer und Überlebensfähigkeit zu besitzen, in einem Einsatzraum entsprechend lange agieren zu können, um dieses Konzept sinnvoll umzusetzen.
Um nun wieder etwas näher an die Tiger-Nachfolge heran zu kommen, möchte ich dafür als erstes einmal prüfen, welche der Aufgaben vom H145M übernommen werden können, da die zusätzliche Einführung dieses Musters als LUH wohl als gesetzt anzusehen ist.
Ich würde nun festhalten, dass dieser in der Lage sein sollte, die Aufgaben
A und
C2 zu erfüllen, während ich hinter
B noch ein Fragezeichen setzen würde, da ihm mMn dafür sowohl die eigenen Aufklärungsmittel fehlen, als auch die notwendige Überlebensfähigkeit und Ausdauer. Gleiches gilt für eine ernsthafte Verwendung als Aufklärer
D, zumindest in der bisher real verfügbaren Form. Inwieweit hier eine Weiterentwicklung in der Art von Little Bird und Kiowa Sinn ergibt, kann ich leider nicht beurteilen, aber Airbus hatte offenbar entsprechendes schon mal der U.S. Army als Kiowa-Nachfolger angeboten.
Zudem frage ich mich, ob eine zusätzliche Befähigung zur Luft/Luft-Wirkung dieses Muster nicht überfordern würde, so dass alle vorgenannten Aufgaben nur entweder mit einem reduziertem Selbstschutz oder zu geringer Waffenzuladung möglich wären und daher das Einsatzfeld zusätzlich einschränken.
Daher schließe ich mich dem Urteil von Helios u.a. an, dass der H145M nur als LUH zusätzlich entlasten, die eigentlichen Aufgaben des Tigers jedoch nicht übernehmen kann.
Etwas anderes ist die Frage des Fähigkeitserhalts. Hier muss man mMn unterscheiden, zwischen dem echten Erhalt einer Fähigkeit und dem bloßen Festhalten an dieser zu Übungszwecken ohne realen Gefechtswert. Der H145M kann sicherlich die meisten Aufgaben des Tigers in Übungen simulieren. Er kann z.B. problemlos CAS und Panzerabwehr leisten, solange er nicht beschossen wird und nur in einem begrenzten Aktionsraum agieren muss. Insofern kann ich nachvollziehen, wenn man hier von einer Brückenlösung spricht. Das kann der H145M in weiten Teilen sein, wenn man ihn nur als Trainingsgerät betrachtet und nicht eine echte Fähigkeit erwartet. Wie sinnvoll das dann ist, muss jeder für sich entscheiden, meine persönliche Ansicht ist, dass der Tiger erhalten bleiben sollte, bis ein endgültiger, vollwertiger Nachfolger gefunden wird. Die Brückenlösung H145M sollte entsprechend nur durch Ergänzung und Entlastung das Problem des mangelnden Klarstands reduzieren.
Für eine langfristige Lösung sind dann mMn zwei Aufgabenfelder unabhängig zu betrachten:
1. bewaffnete Aufklärung inkl. Präzisionswirkung auf Distanz
2. CAS im gefährdeten Luftraum.
Alle anderen Punkte sollten sich diesen beiden Basisaufgaben unterordnen können.
Die nächste zu klärende Frage wäre für mich dann jetzt die nach dem Potential des "Armed Scout 645", also des bewaffneten Aufklärers auf H145M-Basis. Kann dieser eine ausreichende Leistungsfähigkeit liefern, um den eigentlichen Tiger-Nachfolger von diesen Aufgaben zu entledigen? Sollte er das nicht leisten können, stehen wir wieder vor der Frage, ob alle Aufgaben eines deutschen Kampfhubschraubers von nur einem Muster erfüllt werden können, oder ob das dann ins nächste Desaster münden würde.
Um es auf die bisherigen Tiger-Varianten zurück zu führen: Kann der LUH die Aufgaben von ARH+PAH übernehmen, so dass darüber hinaus nur noch ein HAP benötigt wird statt dem semi-optimalen UHT oder gar zwei ganz verschiedenen "schweren" Mustern? In der Folge kann man dann darüber nachdenken, inwieweit Drohnen oder ggf. auch eine Reduzierung der Ambitionen und dementsprechende Änderung der Doktrinen diese Entscheidungen beeinflussen können.