Man muss dazu sagen, dass die Ukrainer natürlich über jede Hilfe froh sind und sich deswegen mit Kritik an EU-Staaten oder auch den USA eher zurückhalten, da sie wissen, wie sehr sie davon abhängig sind. Die Zeiten des Melnyk'schen verbalen Gepolteres, so bemerkte man auch in Kiew, waren nicht unbedingt immer hilfreich.
Zitat:Sowohl die französischen Waffensysteme als auch insbesondere die Ausbildung welche Frankreich leistet wurden mehrfach als besser bezeichnet als das was man andernorten erhält.
Paris hat durchaus einige Systeme geliefert, bspw.:
- 30 CAESAR-Haubitzen (sicher einer der wichtigsten Posten)
- ca. 20 TRF-1-Haubitzen (155 mm) - zumindest war dies im Rahmen einer Finanzierung aus dem EU-Topf vorgesehen
- 2 MLRS
- ca. 35 AMX-10-Radtanks
- 20 Bastion MRAPs
- 60 VABs
Und man hat auch angekündigt, nun über die Artillerie-Initiative noch mehr leisten zu wollen. Das ist zu honorieren und ist gut, allerdings bleibt Frankreich dennoch hinter seinen Möglichkeiten zurück. Selbst die teils etwas unschlüssige und im Vgl. zu Frankreich militärisch nicht gerade herausragend organisierte Bundesrepublik hat es geschafft, deutlich mehr zu liefern.
Zitat:Umgekehrt wird die Ausbildung durch die Bundeswehr teilweise kritisch gesehen, weil sie zu wenig auf die Realitäten des Drohnen-Graben-Kriegs eingeht.
Es wurden bislang vermutlich um die 116.000 ukrainische Soldaten im Ausland ausgebildet (zumindest hiernach:
https://www.stripes.com/branches/army/20...82843.html), und v. a. geschah dies auch oftmals in Deutschland, etwa in Grafenwöhr und in Strausberg, wobei dies wiederum oftmals durch US-Verbände geschah. Deutschland selbst hat vermutlich um die 10.000 Personen ausgebildet (Link:
https://www.bundeswehr.de/en/organizatio...3--5722708), dazu noch Techniker, Ärzte und Sanitätspersonal. Das französische Angebot beläuft sich bislang auf rund 7.000 Soldaten im Rahmen der EUMAM, allerdings sind noch nicht alle ausgebildet.
Die Ausbildung der Bundeswehr wird darüber hinaus nicht "kritisch" gesehen. Die Bundeswehr hat von Beginn an verdeutlicht - und das wussten die Ukrainer auch -, dass die Ausbildung sich im Schwerpunkt auf a) Spezialisierungen bei hochwertigen oder komplexeren Systemen und b) auf Sonderrollen (Pioniertätigkeit, Scharfschützen, Sanitätsdienst) bezieht und nicht in der Breite auf den infanteristischen Kampf.
In diese Lücke sprang nun, nach leichten Verzögerungen, Frankreich und hat begonnen sich auf den infanteristischen Kampf mit Grabenkrieg und mit Kleindrohnen zu konzentrieren (Link:
https://www.politico.eu/article/in-rural...-villages/). Wichtig ist diese Ausbildung, keine Frage, aber man sollte den Nutzen auch nicht überbewerten oder nun hineininterpretieren, dass die anderen Ausbildungen nicht zielführend gewesen seien. Eher versuchen die EU-Staaten sich somit zu ergänzen.
Zitat:Deutschland rechnet seine Hilfe dabei genau so künstlich hoch wie es Polen tut. Frankreich hingegen scheint dies weniger zu tun.
Auch Rechentricks habe ihre Grenzen. Ich kann den Faktor zwei oder drei vielleicht umdeuten oder herbeirechnen, aber um (beinahe) den Faktor zehn kann ich dann nicht mehr herumrechnen. Selbst wenn ich also alle möglichen Rechenoptionen, bspw. den Ringtausch, EU-Ertüchtigungsinitiativen, Friedensdividenden etc. mit einbeziehe, kann ich damit nicht einen um den Faktor zehn höheren Wert erklären.
Die Frage, die ich mir stelle, ist eher, wieso das mit der französischen Zurückhaltung so ist? Und da komme ich zu keinem klaren Ergebnis.
Sind es außenpolitische Gründe, die den Élysée so zaghaft agieren lassen? Hat man die Sorge, man würde bei stärkerem Engagement einer Eskalation Vorschub leisten? Oder will man sich noch irgendwelche diplomatischen Türen für die Nachkriegszeit offen halten?
Oder sind es innenpolitische Sorgen? Macron weiß von der Russlandnähe des Rassemblement National und sieht, wie in Deutschland die AfD aus innenpolitischem Kalkül die russische Propaganda instrumentalisiert, um die gesellschaftliche Spaltung anzuheizen und um davon zu profitieren - hat er also die Sorge, dass der Rassemblement National ebenso handeln könnte in Frankreich?
Oder sieht man den Konflikt eher schon am abklingen und denkt, die bisherige Unterstützung mag ausreichen? Bzw. man hofft, den Krieg alsbald einfrieren zu können?
Schneemann