Parabellum:
Ganz allgemein ist es in Nordafghanistan ruhig, auch wenn Soldaten die dort sind das naturgemäß etwas anders sehen. Aber ihnen fehlt wirklich der Vergleich. Selbst die vielen Angriffe der letzten Zeit rund um Kunduz sind im Vergleich zu dem was in Helmand so läuft oder gar was früher bei den Sowjets so gelaufen ist ziemlich wenig. Auch ziemlich wenig im Vergleich zum möglichen.
Von dem militärischen Potential das dort im Raum vorhanden ist wird nur ein sehr geringer Teil wirklich gegen uns eingesetzt. Nicht zuletzt weil dieses militärische Potential zum größten Teil von Personen kontrolliert wird die zum derzeitigen Zeitpunkt keine Motivation haben gegen uns zu kämpfen. Wir sind denen im Endeffekt egal, außer sie können von uns etwas Geld abgreifen.
Zur Frage der Kontrolle strategisch wichtiger Gebiete muß ich dir natürlich zustimmen, daß wir dafür viel zu wenig Infanteriekräfte haben und daher diese verzetteln würden, wenn wir selbst diese Kontrolle ausüben wollten. Und die Afghanische Armee hat einen zu geringen Kampfwert und ist in Nordafghanistan nicht wirklich präsent. Das könnte man aber mit einem Konzept ähnlich dem der Marines in Vietnam ändern.
Rein theoretisch (ich weiß natürlich das es nie geschehen wird, da friert eher die Hölle zu) könnte man die Trennung zwischen Bundeswehr und Afghanischer Armee aufheben und gemischte Einheiten bilden wo in Afghanische Infanteriekompanien immer deutsche Einheiten, beispielsweise in Zugstärke eingezogen werden.
Darüber hinaus müssten wir eine Dezentralisation anstreben. Mir machen aber genau das Gegenteil. Diese Strategie der Dezentralisation reicht weit über das militärische hinaus. Auch Politisch müssen wir dezentralisieren. Wir verfolgen aber völlig konträr dazu die Idee der Zentralregierung mit Karsai und eines Einheitsstaates. Das widerspricht völlig den natürlichen Strukturen Afghanistans. Und gegen die Natur einer Sache anzukämpfen führt direkt in die Niederlage. Die Zentralisation als Ziel war schon der entscheidende Fehler der Sowjets und wir haben daraus offenbar nichts gelernt.
Darüber hinaus könnte meiner Ansicht nach ein Konzept der Wehrdörfer funktioniern wobei auch in diesen Wehrdörfern deutsche Soldaten in die afghanischen Milizen dieser Dörfer mit eingezogen werden.
Rein ! theoretisch ! wäre mein Lösungsversuch bezüglich der militärischen Seite für Afghanistan:
1 Ein Konzept Kombinierter Einheiten
2 Dezentralisation, sowohl militärisch wie auch politisch. Einschließlich der Anerkennung und Stärkung der politischen Macht lokaler Autoritäten gegenüber der Zentralregierung. (Ad Extremum sogar die de facto Aufteilung des Staates Afghanistans, auch wenn dieser de jure bestehen bleiben sollte).
3 Ein Konzept der Wehrdörfer und Wehrbauern.
Zitat:Würde ich nicht behaupten, zu Beginn gab es genügend Unterstützung für den Einsatz.
Es gab schon bei Beginn des Einsatzes Befragungen dazu, und schon damals lehnte die Hälfte der Bundesbürger bzw knapp über die Hälfte der Bürger diesen Einsatz ab.
Heute lehnt eine absolute Mehrheit den Einsatz ab. Es gibt Umfragen bei denen über 70% der Befragen für den sofortigen Abzug sind. Das ist gigantisch. Dieser Einsatz hatte nie eine Unterstützung der Bürger. Nur die Resignation und das übliche Schafverhalten der Deutschen Michel Spießer führt dazu, daß die Ablehnung derart ignoriert werden kann.
Die Deutschen sind halt Sheeple (Mischung aus Sheep und People)
Thomas:
Zitat:Es ist wichtig IMHO, dass man zur richtigen Zeit das "relevante Terrain" besetzt und das sind nunmal die größeren Bevölkerungscluster, dazu gehört die Nutzung von Stammesmilizen,
Volle Zustimmung.
Ich würde diese Stammesmilizen sogar aktiv befördern. Gerade die Anerkennung lokaler Autoritäten ist meiner Ansicht nach in Afghanistan eine Lösungsmöglichkeit.
Die Favorisierung der Zentralregierung ist meiner Ansicht hingegen ein Fehler. Das Land ist ein Kaleidoskop und wird es bleiben, egal was wir machen. Wir sollten daher die politische Macht von lokalen Autoritäten stärken und gegenüber der Zentralregierung sichern. Dadurch würden wir viele neue Verbündete gegen die Taliban gewinnen.
Zitat:Nur das Töten der Aufständischen bringt letztlich wenig.
Rein für sich alleine natürlich. Aber es ist auch ein wichtiger Teil eines gesamtheitlichen Ansatzes. Eine Lösung muß viele verschiedene Dinge umfassen, sie muß ganzheitlich sein. Und dazu ist es auch notwendig, die Aufständischen zu töten.
Auch ein Assymetrischer Krieg ist ein Krieg in dem die Vernichtung der lebendigen Wehrkraft des Feindes eine große Bedeutung hat.
Zitat:Aber was folgt dann? Dann kommt eben die Latenzphase, der phasenweise Rückzug der Taliban, so wie wir es schon nach 2002 erlebt haben bzw. in den darauffolgenden Jahren. Damit ist man aber die Taliban nicht wirklich los, sondern man hat sie nur eingedämmt. Um sie nachhaltig einzudämmen, um zu verhindern, dass sie zurückkommen, wie sie es ab 2005 immer wieder und immer stärker taten, braucht man mehr als das Töten der Aufständischen.
Genau so ist es. Aber wenn wir es nicht schaffen, wieder eine Latenzphase herbei zu führen, dann können wir das was es mehr braucht nicht tun.
Wir müssen uns ferner von der Idee einer wirklichen Sicherheit in Afghanistan in der Art unserer Vorstellungen lösen. Und wir sollten uns von dem Nationalstaat Gedanken mit Zentralregierung lösen. Ein solcher sollte durchaus de jure existieren und auch Terrain kontrollieren, aber dies nur als Option für die Zukunft und nicht als Lösung für die Gegenwart. Darüber hinaus sollten wir auch den Islamismus in Afghanistan in bestimmten Gebieten zulassen.
Und nur wenn wir die Taliban wieder in eine Latenzphase treiben, können wir in Afghanistan Projekte implementieren, die dann die Latenzphase als Status Quo langfristig aufrecht erhalten können.
Zitat:Es geht um den Schutz der Bevölkerung, um das Zeigen von Präsenz, ohne aber weder in einer fruchtlosen Hetze auf die Aufständischen die ganze Bevölkerung gegen sich aufzubringen
Indem man Präsenz zeigt schützt man die Bevölkerung nicht. Und man bringt die Bevölkerung nicht automatisch dadurch gegen sich auf, indem man die Aufständischen hetzt.
Man kann durchaus gerade durch die Hetzjagd auf die Aufständischen große Teile der Bevölkerung auf seine Seite bringen.
Dazu muß man aber: Nicht mit Luftschlägen agieren sondern mit Infanterie. Man muß nicht mit gepanzerten Transportern Präsenz zeigen, sondern mit Infanterie kämpfen. Man muß sich nicht in Festungen verbarrikadieren, sondern viel höhere eigene Verluste durch offensives Vorgehen in Kauf nehmen.
Präsenz zeigen ist in Afghanistan speziell hingegen völlig sinnlos. Es gibt schon genug Afghanen die die Deutschen deshalb verarschen, belächeln, oder sie auslachen. Der Ruf der Deutschen in Afghanistan hat insbesondere aufgrund dieses Präsenz zeigen, dieser rein reakiven, passiven Grundhaltung stark gelitten. Dabei war unser Ansehen anfangs extrem gut. Das haben wir durch das bloße Präsenz zeigen sogar beschädigt bzw verspielt.
Ein Sieg kann nur in Bodengefechten errungen werden. Das Ziel eines solchen Sieges ist aber natürlich nicht die nachhaltige Auslöschung des Feindes. Das Ziel ist es den Feind zumindest eine Zeitlang derart zu schwächen, daß man die anderen notwendigen Maßnahmen überhaupt durchführen kann.