ObiBiber:
Zitat:Wünschenswert wären trotzdem zwei solche kleinen mittleren Brigaden (je 3.500Mann) mit je ca 300 Boxer (Aufteilung grob wie oben skizziert).
Wünschenswert ist alles mögliche. Das im Kontext unserer beschränkten Mittel und der noch beschränkteren Personaldecke ist ja gerade eben das Problem. Wir müssen mehr mit weniger leisten. Daher stellt sich die Frage wie genau man das erreichen will.
Ottone:
Minenfelder könnte man übrigens auch per Artillerie verlegen, auch durch Raketenartillerie. Und das könnte man sogar kostengünstig gestalten, da dann eine technisch deutlich einfacherere Munition zum Einsatz kommen kann, weil das Ziel ja nicht direkt getroffen werden muss. Man kann Panzereinheiten auch mit Minen direkt überschütten, was besonders effizient ist, weil dann die Option wegfällt die Minen mittels Artilleriefeuer zu räumen.
Zu deiner Frage nach der Verzögerung: Schlußendlich ist Verzögerung das bewusste kontrollierte Aufgeben von Raum um dadurch Zeit zu gewinnen. Die Zeit wird dadurch gewonnen, indem man durch eigene Kampfkraft bei den feindlichen Einheiten eine Verlangsamung verursacht, den Kampf aber eben bewusst nicht weiter führt, sondern das ganze Ziel des Kampfes ist lediglich dieser Bremseffekt. Besonders effektiv wird Verzögerung wenn sie analog zu einem Stau im Straßenverkehr dazu führt, dass ganze Kolonnen des Feindes in die Tiefe seines Aufmarschgebietes hinein ins Stocken geraten und schlußendlich "im Stau stehen" und dies auch dann noch, wenn die eigentliche "Stauursache" weggefallen ist.
Dazu müssen die entsprechenden eigenen Kräfte ausreichend Kampfkraft haben, sie müssen zudem eine querschnittlich größere Aktions- und Reaktionsfähigkeit haben (der primäre Grund warum diese Rolle von leichteren Einheiten übernommen wird) und sie müssen Raum zur Verfügung haben. Mittlere Kräfte als Infanterie (mit Transportpanzern) erzeugen nun ihre Kampfkraft abgesessen. Das heißt, die Beweglichkeit und die Kampfkraft sind voneinander getrennt. Damit sinkt die Aktions- und Reaktionsfähigkeit im Vergleich zu anderen Lösungen. Infanterie mit Transportpanzern ist daher nicht so gut geeignet für die Verzögerung wie es andere Einheiten (beispielsweise Panzerspäher, Panzerjäger etc) wären. Da bei diesen Kampfkraft und sofortige Bewegung in ein und demselben System realisiert sind.
Genau das ist einer der Gründe warum in dem von dir zitierten Field Manual des USMC die Infanterie eine andere Rolle hat und nicht selbst die Verzögerung durchführt, sondern diese de facto nur unterstützt. Man kann aber von hier aus gedanklich durchaus weiter gehen:
Man könnte nämlich in einem Bronegruppa Konzept durchaus die Fahrzeuge von der Infanterie trennen und beide selbständig und getrennt voneinander einsetzen. Das läuft aber völlig konträr zur Doktrin der Bundeswehr, speziell bei den Jägern und dem ganzen Mutterschiff-Gedöns. Genau dieses Konzept (Bronegruppa) ist aber bei den Russen durchaus üblich. Die Idee wäre nun, dass sich die Infanterie einfach vom Feind überrollen lässt, lokal bleibt und den Kampf gegen nachrückende Einheiten des Gegners führt oder dessen vorrückende Einheiten von hinten angreift etc, sie kämpft also als echte leichte Infanterie ohne Fahrzeuge in einem begrenzten geographischen Raum gegen das was sich dort aufhält, verlässt diesen Raum aber nicht und folgt daher aus diesem abziehenden feindlichen Einheiten nicht. Dennoch entsteht durch diese Präsenz eine nicht unerhebliche Verzögerung.
Die Fahrzeuge selbst, im Idealfall Radschützenpanzer führen nun die Verzögerung frei von der Infanterie nach der Art von Panzerspähern und Panzerjägern, erzeugen Bremseffekte und fliehen auf der Stelle in neue Stellungen wo sich das ganze dann wiederholt.
Die geplanten mittleren Kräfte der Bundeswehr (Grenadiere - Radschützenpanzer) könnte man daher durchaus so einsetzen und wie man sieht gibt es also durchaus Konzepte dafür - welche von den hier genannten des USMC abweichen und trotzdem Sinn machen. Das setzt allerdings wie geschrieben voraus, dass man die Infanterie wortwörtlich zurück lässt. Dass muss man sich erst mal wagen, es ist nicht nur gedanklich ein radikaler Schritt.
Zitat:ein Argument für die Lesart, dass die gezeigten Brigaden nur der strukturellen Aufhängung und weniger dem Einsatz dienen sollen.
Davon ist auszugehen. Wahrscheinlich ist eine Aufspaltung in 4 Kampfgruppen, die jeweils um ein Infanterie-Bataillon herum gruppiert werden. Das Problem dabei ist, dass dies die Aufklärungskapazitäten noch weiter vermindert und dies unter ein Maß das eigentlich notwendig wäre. Den Verzögerung kann ich nur dann erfolgreich führen, wenn ich eine gewisse Aufklärungsüberlegenheit habe, zumindest brauche ich ein gewisses Mindestmaß an Aufklärung. Das wäre bei einer solchen Einsatzstruktur nicht mehr gegeben. Darüber hinaus würde diese das alte Grundproblem der BW weiter führen, dass man in den Einsatz mit lauter nicht-organischen Einheiten geht.
Das könnte man kompensieren indem man innerhalb der Brigade im Friedensbetrieb diese Kampfgruppen so viel wie möglich in der "Kriegsgliederung" üben lässt und indem man den Anteil der Aufklärungstruppe in dieser Brigade erhöht. Die Franzosen kombinieren nicht umsonst immer Panzerkavallerie und Infanterie als Mittlere Kräfte und nehmen noch weitere Aufklärungs-Einheiten dazu. Entsprechend könnte die Brigade ein stärkeres Aufklärungs-Element haben.
Zitat:Schiesslich stellt sich die Frage was wann realisiert werden kann, und was an Fähigkeiten womöglich gewünscht aber immer geschoben wird und eventuell niemals kommt. HIMARS oder exemplarisch Brimstone sind nicht mehr als vage Ideen und somit zeitlich sehr weit weg was die Umsetzung anbelangt, und das in einer vermutlich personell nicht mehr anwachsenden Bundeswehr.
HIMARS ist keineswegs eine vage Idee, inzwischen haben recht viele Staaten so ein System eingeführt. Der GTK CRV ist ebenso real wie der Multi Mission Launcher oder RCH155. Das sind alles Systeme die de facto fertig entwickelt sind. Somit wären sie rein theoretisch zeitlich nicht weit weg von einer Umsetzung - mit der Betonung auf rein theoretisch.
Die Richtigkeit der Eingangsfrage, was wann realisiert werden könnte ist davon abgesehen natürlich absolut richtig und die alles entscheidende.
Zitat:Als möglichen Gegner für unsere Diskussion würde ich zuersteinmal klassische MotSchützen mit BTR und BMP-2 ansehen. Wie sehen die heute in der modernisierten russischen Armee aus?
Das was man heute im Einsatz gegenüberstehen würde wäre eine sogenannte Bataillon Tactical Group. Das ist im Endeffekt ein mechanisiertes Infanterie-Bataillon an welches allerlei Zusatzeinheiten von der Brigade aus angehängt werden. Schlußendlich eine Bataillons-Kampfgruppe.
Könnte zum Beispiel von der Basis-Einheit her so aussehen:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/c..._Group.png
Zum gezeigten kommen üblicherweise noch eine Panzer-Kompanie, eine EloKa-Kompanie, eine Luftabwehr-Kompanie und eine oder sogar mehrere weitere Artillerie-Batterien, wobei diese auch Raketenartillerie sein können. Dazu kommen dann Versorungs- und Unterstützungs-Einheiten der Brigade.
Hier steht auch noch etliches zur aktuellen Struktur:
https://www.armyupress.army.mil/Portals/...artles.pdf
Die bilden das übrigens so auch um ein Panzer-Bataillon herum, oder um ein Luftlande-Bataillon herum etc
Ein primärer Grund dafür ist, dass man so aus den Brigaden heraus mehr Kampfgruppen bilden kann - und diese auch durchrotieren kann und dass man so die Schwäche der eigenen Logistik und Versorgung abmindert. Vor allem das letztgenannte ist relevant, die Russen sind schwach was Versorgung und Logistik angeht. Indem eine Brigade mit ihren gesamten Unterstützungseinheiten immer nur eine Bataillon Tactical Group unterstützt und versorgt, hat diese eine wesentlich größere Durchhaltefähigkeit und erreicht in diesem Aspekt westliches Niveau. Würde man die ganze Brigade in ihrer Standard-Gliederung einsetzen, ginge ihr schnell die Luft aus. Andere Teile der Brigade welche sozusagen "zurückbleiben" dienen dann als Reserve oder folgen irgendwo weiter hinten.
Zudem ermöglicht diese Struktur es die eigentliche Kampftruppe "vorne" mit einer Bestenauslese zu versehen und daher ist der Anteil der Berufssoldaten in diesen BTGs wesentlich höher als sonst in der russischen Armee, weil diese in diesen Kampfgruppen konzentriert werden.
Im Prinzip bildet man so aus den vorhandenen Großkampfverbänden vollständig einsatzfähige und mit 100% Material, Mannstärke und Versorgung versehene kleinere Kampfgruppen, welche zudem vom Personal her eine deutlich bessere Qualität haben.
Und hier biegt sich der Bogen zurück zu meinen Ausführungen zu Panzerspähern - als kleineren kompakteren Verbänden mit mehr Feuerkraft: die Russen gehen eigentlich auch genau so einen Weg: sie schaffen kleinere Verbände mit mehr Feuerkraft weiter unten. Bewusst damit diese mobiler sind, leichter führbar, weniger Versorgung benötigen und die Kampfkraft pro Basis-Einheit querschnittlich höher ausfällt. Diese Einheiten wären daher ebenso besonders gut in der Verzögerung.