Tarond:
Zitat:Jeder Soldat/Krieger wie auch immer wollte schon immer Schutz.
Nicht jeder Soldat heute hat wirklich Ahnung davon was ihn tatsächlich auf dem Gefechtsfeld schützt und was nur eine Illusion von Schutz ist. Ich schrieb ja zudem ausdrücklich über die psychologischen Faktoren der ganzen Sache. Tatsächlich haben sogar viele Soldaten erstaunlich wenig Ahnung vom Krieg und seinen wirklichen Anforderungen, sie geben nur wieder was ihnen innerhalb der Armee vermittelt wurde, ohne dies in Frage zu stellen. Und da Armeen extrem konservativ sind und mehr als jede andere Organisation zu Strukturextrapolierung neigen, entspricht das nicht immer dem was eigentlich das beste wäre oder was zumindest das bessere wäre. Zu viele Soldaten heute glauben, sie würden das Kriegshandwerk beherrschen, aber in Wahrheit beherrschen sie es nicht. Und nirgends ist dieser eklatante Mangel sichtbarer als bei der Infanterie, meiner Ansicht nach deshalb, weil man die Infanterie extrem lange Zeit vernachlässigt hat und auch heute immer noch vernachlässigt. Man setzt stattdessen auf Großsysteme.
Zitat:Helme und Schutzausrüstung gab es schon lange vor der Neuzeit.
Was nichtssagend ist, weil die Umstände komplett andere waren. Die jeweils notwendige Ausrüstung unterlag und unterliegt einem ständigen Wandel, so wie sich die Umstände wandeln.
Zitat:Es ist erst seit relativ kurzer Zeit möglich, entsprechende Schutzausrüstung zu erschwinglichen Preisen herzustellen.
Das ist falsch. Man konnte auch schon früher kugelsichere Schutzausrüstung herstellen, zu erschwinglichen Preisen oder kaufkraftbereinigt sogar günstiger als heute. Das reicht von Rondartschen über den Küraß und die Civil War Vest hin zu Sappenpanzer, Stirnplatten und Infanteriepanzer wie den SN-42.
All dieser Ausrüstung war gemein, dass sie sehr schwer war im Vergleich zur Schutzwirkung und die Soldaten dadurch erheblich einschränkte. Und dass die Schutzwirkung durch immer neue bessere Schützenwaffen wieder obsolet wurde.
Erst seit relativ kurzer Zeit ist es möglich, entsprechende Schutzausrüstung herzustellen, die bei einem sehr hohen Schutzniveau dennoch vergleichsweise "leicht" ist. Aber auch hier und heute kann man dann problemlos auf Waffen umstellen die auch diese Schutzausrüstung durchschlagen. Den Wettkampf verliert die Schutzausrüstung genau so wie sie ihn schon früher verloren hat. Damit ist es sinnlos sich von Doktrin, Ausbildung, Taktik und Gefechtsgewohnheiten auf solche Schutzausrüstung zu verlassen und sich auf den Gebrauch derselben so einzurichten, dass man keine andere Kampfweise mehr beherrscht (wie es zur Zeit der Fall ist).
Zitat:Das jetzt in Verbindung zu bringen damit, dass Soldaten sich nicht im Ausland erschiessen lassen möchten etc ist sehr verdreht. Die wollen sich auch hier nicht umbringen lassen.
Es macht von der Bereitschaft ein Risiko für sich selbst einzugehen einen
immensen Unterschied ob man im eigenen Land für die eigene Heimat kämpft um das Leben der eigenen Landsleute dadurch zu schützen, oder ob man irgendwo in einem völlig fremden Land völlig sinnlose Pseudoaufträge ausführt die für jederman erkennbar absolut gar nichts bringen. Der Unterschied in der Frage der Risikobereitschaft ist himmelhoch.
Unter gewissen Umständen lassen sich Leute viel eher umbringen, unter anderen Umständen wollen sie dies unter allen Umständen vermeiden. Das ist nicht verdreht, es entspricht der menschlichen Natur wie diese nun einmal so ist.
Zitat:Deine Weltsicht da durchzuboxen und "Argumente" anzubringen, die Überhitzung durch die Helme und Schutzausrüstung etc würde das Überleben eher negativ beeinflussen, ist konstruiert.
Es ist nicht nur die Überhitzung. Abgesessen operierende Infanterie muss in einem ernsthaften Kampf fortwährend in Bewegung bleiben, die Stellung schnell und weiträumig wechseln und das querfeldein. Das ist zwingend erforderlich weil sonst die Verluste durch feindliche Flächenwaffen viel zu schnell viel zu hoch sein werden. Um dies überhaupt bewerkstelligen zu können muss man möglichst leicht ausgerüstet sein. Die in einem ernsthaften modernen Krieg erforderliche Verhaltensweisen sind mit der heute beschafften Schutzausrüstung (Helm, VPAM9, Chestrig) so gar nicht möglich. Das ist eine auf den aufgesessen Einsatz und auf Auslandseinsätze unterhalb des militärischen Horizontes zugeschnittene Spezialisierung die im modernen echten Krieg zum Scheitern verurteilt ist. Und es gibt noch weitere Argumente und ja, die Schutzausrüstung gefährdet heute das Überleben, vor allem aber die militärische Leistungsfähigkeit der Infanterie, weil das Primat viel zu sehr auf die Schutzausrüstung gelegt wird.
Zitat:Glaubst du wirklich, die Länder würden Schutzausrüstung kaufen, die trotz allem immer noch teuer ist, um einen Nachteil im Kampf zu haben?
Absolut glaube ich das, weil ich weiß, dass Armeen jede Menge Unfug kaufen und falsche Entwicklungen befördert haben und auch heute befördern. Wenn man sich die ganze Kriegsgeschichte ansieht kam das immer wieder vor. Keineswegs macht alles Sinn was beschafft wird und folgt rein rational-logischen Gründen. Man hat gewisse Ideen und Vorstellungen, folgt vorgegebenen Strukturen und hinterfragt nicht was ist. Gerade in Streitkräften gab es das immer wieder, dass man Sachen tut die zu einem Nachteil im Kampf führen - was natürlich erstmal kontraintuitiv ist. Und heute ist das nicht anders.
Zitat:Das galt im Übrigen auch für die Wehrmacht. und obwohl da zur Zeit des 3. Reiches ein richtiger Kult um Abhärtung und Tapferkeit etc entstand ist niemand auch nur auf die Idee gekommen, die Helme abzuschaffen.
Weil der Stahlhelm schon in der Zwischenkriegszeit DAS Symbol des Militärischen, der Abhärtung und der Tapferkeit geworden war, weshalb sich sogar paramilitärische Kampfverbände (Stahlhelm) nach ihm benannten. Weil im 1WK die Sturmtruppen als erste flächendeckend Stahlhelme verwendeten und von dort der Nimbus sich auf die Truppe ausbreitete. So wie sich gekürzte AR15 Systeme überall ausbreiteten weil die Spezialeinheiten solche führten, obwohl diese Systeme nur nachteilig waren und sind. Aber sie sind halt Special Forces Style und Tacticool usw
Ganz vieles was im militärischen Bereich geschieht ist nicht rein von den bloßen militärischen Anforderungen her gedacht.