@Quintus
Zitat:Da die Ukraine sich der anscheinend grenzenlosen Solidarität der USA sicher sein kann, kann ihr das vollkommen egal sein. Und das Ziel der USA ist es hier ganz klar erkennbar sowohl Russland so viel wie möglich zu schaden, als auch Europa zu schwächen wo es nur geht um uns als Konkurrent, vor allem auch als Wirtschaftskonkurrent niederzuhalten. Je früher und je weitreichender hier an der Gasversorgung herumgesäbelt werden kann, desto besser für die USA.
Dass die USA ein Interesse daran haben, Russland zu schwächen, dürfte klar sein. (Übrigens wäre das aber auch in unserem Interesse.) Aber anzunehmen, dass eine Weltmacht wie die USA nicht auch knallharte geopolitische und wirtschaftliche Interessen hat, wäre doch sehr naiv.
Außerdem sind die USA da mit "Egozentrik" nicht alleine - man denke an Deutschlands Verhalten bei Nord Stream 2 und auch z. B. bei South Stream, d. h. wir unterstellen den USA Egozentrik, während wir uns um Polen oder Balten nicht scheren und massiven Druck auf Griechen und Bulgaren ausüben, wenn es um unsere wirtschaftlichen Interessen geht. Insofern rate ich immer zu etwas Bescheidenheit, bevor man sich der Empörung über ein anderes Land hingibt und mit dem Finger herumzeigt.
Zumal: Die USA schwanken, was Europa angeht. In den 1990ern wollte man in Washington durchaus ein starkes Europa und man spöttelte gerne, die Europäer sollten sich bitte endlich mal eine Telefonnummer zulegen, wo man mit jemandem sprechen könne, der auch was entscheiden darf. Doch da versagten die Europäer völlig (vielleicht war auch die Zeit noch nicht reif). Dann kamen die Neokonservativen unter Bush jr. und man zielte eher auf die Schwächung und Spaltung Europas ab - vor allem im Kontext des Irak-Krieges - bzw. teilte auf zwischen "altem" und "neuem" Europa (wobei auf dieses Spiel manche "neuen" Europäer übrigens gerne einstiegen - um dann später zu bemerken, dass sie sich verrannt hatten).
Unter Obama wurde die Partnerschaft wieder mehr betont, man denke an TTIP, man wollte die Zusammenarbeit, gerade auch wirtschaftlich. Das aber wurde dann von den europäischen "Sektierern" wiederum torpediert, die hier in Europa, zumal auch in Deutschland, dann lieber über Chlorhühnchen fabulierten als über eine transatlantische Partnerschaft. Tja, und dann kam König Donald I. mitsamt MAGA und damit war die Zusammenarbeit erst einmal wieder passé. Zumal der neue Regent im Weißen Haus sich Putin wohl näher fühlte als Brüssel. Und erst unter Biden, der natürlich auch die asiatische Herausforderung sieht, kam es wieder zu einer Annäherung.
Insofern: Man sieht also, dass das Verhalten der USA stark parteipolitisch geprägt und schwankend ist (wie bei uns auch). Wenn die USA lästern, die Europäer sollten sich bitte eine einheitliche Telefonnummer zulegen, dann könnten wir zurücklästern, dass man sich jenseits des Teiches bitte mal über Parteien hinweg entscheiden solle, was man nun eigentlich will und wie man sich die Zusammenarbeit fundiert vorstellt. Ein generelles "Die bösen USA wollen uns doch nur schwächen!" lässt sich aber eben nicht halten.
Schneemann