23.03.2022, 09:54
Ob die Russen wirklich so stark, wie angeführt, auf der Verliererstraße sind, kann man durchaus in Frage stellen, auch wenn die Anzeichen zumindest derzeit relativ eindeutig sind. Ich warne allerdings auch vor zu viel "Optimismus". Einerseits bin ich kein Freund von Jubelgeschrei im Kontext eines Krieges, da bin ich dann doch zu nüchtern, andererseits hat Russland in der Vergangenheit auch immer eine bemerkenswerte Ausdauer und auch Leidensfähigkeit gezeigt, was im Westen immer mal wieder für Überraschungen gesorgt hat.
Letztlich haben die Russen diese Operation völlig unterschätzt (übrigens genauso wie wir; fast alle hier sind bei uns in der Community von einem doch eher zügigen russischen Erfolg ausgegangen):
1.) Eigene Kraft überschätzt, Kampfwille des Gegners deutlich unterschätzt.
2.) Zu wenig Truppen für ein zu großes und topographisch zumindest nicht einfaches Terrain.
3.) Angriffsbeginn mitten in der Schlammphase bzw. während ungünstiger Boden- und Klimabedingungen.
4.) Moral-Kollaps bei eigener Truppe bedingt durch verfehlte Propagandaindoktrination.
5.) Unzureichende Logistik. (Ggf. Annahme eines "kurzen Kriegsverlaufes"?)
6.) Trotz aller Modernisierungen recht viel altes Gerät - dagegen moderne Abwehrmittel des Gegners.
7.) Takt. Vorgehensweise nicht Standards entsprechend (Ballungen, Engstellen, Flankenschutz).
8.) Aufklärung oftmals unzureichend (gewisse Ausnahmen im Bereich MASINT).
9.) Zurückhaltung der eigenen Luftwaffe.
10.) Luftsicherung oftmals nicht ausreichend (bspw. bei Drohnenangriffen).
11.) Wachsender Unmut über den Krieg an der Heimatfront, Erosion des Supports von zuhause.
12.) Wirtschaft sanktionsbedingt am Rand des Zusammenbruchs, ggf. Zahlungsunfähigkeit.
Nimmt man diese Faktoren zusammen, so ist eigentlich ersichtlich, dass ein Sieg zumindest in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird. Das bedeutet aber nicht, dass wir dem Irrtum aufsitzen sollten, dass die russische Armee nun zerfällt oder die Ukrainer großartig Gegenoffensiven vornehmen werden können.
Überlegungen, Teil 1:
Vielmehr könnte es sein, dass wir einem immer mehr statisch werdenden Krieg entgegen sehen, der noch recht lange tobt und der immer mehr den Charakter eines blutigen Abnutzungskrieges nach syrischem Schema annimmt und der allenfalls lokal begrenzte Angriffe und Gegenangriffe sieht. Bei allem zivilen Leid, das dabei entstehen wird, denke ich insofern nicht, dass eine große Spaltung des Landes - wie hier gemutmaßt - militärisch vorangetrieben werden wird können. Vielmehr werden die aktuellen Fronten weitestgehend einfrieren, bestenfalls geht es mal hier oder da 20 km hin oder her, und Russland wird die bereits eroberten ca. 15% des Landes unter Kontrolle halten bis zu einem Waffenstillstand etc. Bis dahin wird gefeilscht werden am Tisch.
Überlegungen, Teil 2:
Optional könnte es sein, wenn beide Seiten so lange durchhalten - ich denke aber nicht, dass die russische Wirtschaft noch länger als fünf Wochen durchhält (meine Prognose war nach Kriegs- bzw. Sanktionsbeginn, dass sie bestenfalls acht Wochen durchhalten kann) -, dass im Frühsommer und Sommer wieder Bewegung in die Sache kommt - vorausgesetzt natürlich, es gibt dann noch entsprechendes, "mobiles" Material. Wenn es heiß wird - und in der Ukraine kann es im Sommer sehr heiß sein -, werden die Böden fest bzw. trocken und befahrbar. Der rasche Bewegungskrieg abseits der Dorfstraßen und Hauptverbindungswege ist dann wieder möglich. Und man wird merken, dass dann die Spritversorgung genauso wichtig ist wie die Wasserversorgung der Truppen...
Wenn beide Seiten es also bis Sommer herauszögern wollen, dann schalten sie jetzt in diesem wirren Matsch-und-Stadt-Krieg einen Gang zurück und bereiten sich für den Showdown im Sommer vor. Die Russen holen neues schweres Gerät heran (da haben sie noch genügend eingelagert) und tauschen ihre Truppen nach Möglichkeit durch, ebenso kümmern sie sich um die Aufklärung und Luftsicherung. Und die Ukrainer sollten dann sehr gute, flexibel dehnbare und gestaffelte Stellungen haben und an kritischen Punkten Minensperren anlegen, weil die Javelins und Stinger werden ihnen dann auf freier Flur nur noch wenige Vorteile bringen. Zudem sollten sie jetzt ihre Kräfte schonen und nicht unnötige und wenig ergiebige Gegenangriffe starten (wie es an ein paar Stellen geschehen ist).
Aber wie gesagt: Das ist Spekulation von mir. Gut möglich, dass es vorher in Russland zum internen Großreinemachen kommt und Putin stürzt. Diese Geschichte um Bortnikow...
...hat mich schon hellhörig werden lassen. Wenn aus dem verschlossenen "Kosmos" Kreml so was heikles heraussickert, dann gärt es schon heftig hinter den Kulissen...
Schneemann
Letztlich haben die Russen diese Operation völlig unterschätzt (übrigens genauso wie wir; fast alle hier sind bei uns in der Community von einem doch eher zügigen russischen Erfolg ausgegangen):
1.) Eigene Kraft überschätzt, Kampfwille des Gegners deutlich unterschätzt.
2.) Zu wenig Truppen für ein zu großes und topographisch zumindest nicht einfaches Terrain.
3.) Angriffsbeginn mitten in der Schlammphase bzw. während ungünstiger Boden- und Klimabedingungen.
4.) Moral-Kollaps bei eigener Truppe bedingt durch verfehlte Propagandaindoktrination.
5.) Unzureichende Logistik. (Ggf. Annahme eines "kurzen Kriegsverlaufes"?)
6.) Trotz aller Modernisierungen recht viel altes Gerät - dagegen moderne Abwehrmittel des Gegners.
7.) Takt. Vorgehensweise nicht Standards entsprechend (Ballungen, Engstellen, Flankenschutz).
8.) Aufklärung oftmals unzureichend (gewisse Ausnahmen im Bereich MASINT).
9.) Zurückhaltung der eigenen Luftwaffe.
10.) Luftsicherung oftmals nicht ausreichend (bspw. bei Drohnenangriffen).
11.) Wachsender Unmut über den Krieg an der Heimatfront, Erosion des Supports von zuhause.
12.) Wirtschaft sanktionsbedingt am Rand des Zusammenbruchs, ggf. Zahlungsunfähigkeit.
Nimmt man diese Faktoren zusammen, so ist eigentlich ersichtlich, dass ein Sieg zumindest in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird. Das bedeutet aber nicht, dass wir dem Irrtum aufsitzen sollten, dass die russische Armee nun zerfällt oder die Ukrainer großartig Gegenoffensiven vornehmen werden können.
Überlegungen, Teil 1:
Vielmehr könnte es sein, dass wir einem immer mehr statisch werdenden Krieg entgegen sehen, der noch recht lange tobt und der immer mehr den Charakter eines blutigen Abnutzungskrieges nach syrischem Schema annimmt und der allenfalls lokal begrenzte Angriffe und Gegenangriffe sieht. Bei allem zivilen Leid, das dabei entstehen wird, denke ich insofern nicht, dass eine große Spaltung des Landes - wie hier gemutmaßt - militärisch vorangetrieben werden wird können. Vielmehr werden die aktuellen Fronten weitestgehend einfrieren, bestenfalls geht es mal hier oder da 20 km hin oder her, und Russland wird die bereits eroberten ca. 15% des Landes unter Kontrolle halten bis zu einem Waffenstillstand etc. Bis dahin wird gefeilscht werden am Tisch.
Überlegungen, Teil 2:
Optional könnte es sein, wenn beide Seiten so lange durchhalten - ich denke aber nicht, dass die russische Wirtschaft noch länger als fünf Wochen durchhält (meine Prognose war nach Kriegs- bzw. Sanktionsbeginn, dass sie bestenfalls acht Wochen durchhalten kann) -, dass im Frühsommer und Sommer wieder Bewegung in die Sache kommt - vorausgesetzt natürlich, es gibt dann noch entsprechendes, "mobiles" Material. Wenn es heiß wird - und in der Ukraine kann es im Sommer sehr heiß sein -, werden die Böden fest bzw. trocken und befahrbar. Der rasche Bewegungskrieg abseits der Dorfstraßen und Hauptverbindungswege ist dann wieder möglich. Und man wird merken, dass dann die Spritversorgung genauso wichtig ist wie die Wasserversorgung der Truppen...
Wenn beide Seiten es also bis Sommer herauszögern wollen, dann schalten sie jetzt in diesem wirren Matsch-und-Stadt-Krieg einen Gang zurück und bereiten sich für den Showdown im Sommer vor. Die Russen holen neues schweres Gerät heran (da haben sie noch genügend eingelagert) und tauschen ihre Truppen nach Möglichkeit durch, ebenso kümmern sie sich um die Aufklärung und Luftsicherung. Und die Ukrainer sollten dann sehr gute, flexibel dehnbare und gestaffelte Stellungen haben und an kritischen Punkten Minensperren anlegen, weil die Javelins und Stinger werden ihnen dann auf freier Flur nur noch wenige Vorteile bringen. Zudem sollten sie jetzt ihre Kräfte schonen und nicht unnötige und wenig ergiebige Gegenangriffe starten (wie es an ein paar Stellen geschehen ist).
Aber wie gesagt: Das ist Spekulation von mir. Gut möglich, dass es vorher in Russland zum internen Großreinemachen kommt und Putin stürzt. Diese Geschichte um Bortnikow...
Zitat:„Vergiftung, plötzliche Krankheit, Unfall“: Elite plant offenbar Putsch gegen Putinhttps://www.fr.de/politik/geheimdienst-n...24571.html
Moskau – In Russland planen die Eliten angeblich eine Absetzung des Präsidenten Wladimir Putin. Dabei sollen die mutmaßlichen Drahtzieherinnen und Drahtzieher auch schon einen Nachfolger im Auge haben. Das berichtet der ukrainische Geheimdienst – und das nicht sonderlich diskret. [...]
Russland: Ehemaliger Putin-Vertrauter soll Coup d’État mitplanen
Als Nachfolger habe man einen gewissen Alexander Wassiljewitsch Bortnikow auserkoren. Bortnikow ist General und zudem Direktor des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB (Föderaler Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation). Da er an der Planung der Ukraine-Invasion beteiligt gewesen sein soll, wurde Bortnikow vom Westen im Februar, ähnlich wie Putin und Außenminister Lawrow, sanktioniert.
...hat mich schon hellhörig werden lassen. Wenn aus dem verschlossenen "Kosmos" Kreml so was heikles heraussickert, dann gärt es schon heftig hinter den Kulissen...
Schneemann