28.02.2022, 15:54
@Quintus
Interessant ist auch, dass man, wenn man vorbeiziehende russische Kolonnen sieht, zwar Panzer, IFV, MRAPs und Lastwagen sieht (aber diese auch weniger), aber recht wenige Haubitzen oder Werfer. Vor einigen Tagen hieß es drohend, dass der berüchtigte TOS-1 nach vorne geschickt wird. Bislang sieht man davon nichts. Aber vielleicht sind das auch nur Momentbeobachtungen von mir.
Es wird sowieso sehr interessant bleiben.
Angenommen, man einigt sich auf einen Waffenstillstand, was für Ukrainer wie Russen (und auch für den Planeten) humanistisch betrachtet eminent wichtig und wünschenswert wäre, so ist die Frage, was dann innenpolitisch in Russland geschieht?
Putin ist, arg weit nach vorne gelehnt, mit Lügen und irrationalem Verhalten nach vorne geprescht, die Armee wurde kurzsichtig und durch Unfähigkeit in eine ziemlich verfahrene Lage gebracht, es gibt tausende Tote (und tausende Verhaftete in Russland selbst), hunderte abgeschossene Fahrzeuge, die Wirtschaft geht den Bach runter, auch infolge der massiven Sanktionen des Westens, Deutschland (bislang ein wichtiger Handelspartner bzw. wohl der wichtigste Partner in Europa) rüstet massiv auf und macht seine Energiegeschäfte mit anderen, und wenn dann am Ende herauskommt, dass man dafür nur ein paar Enklaven und vielleicht eine Art DMZ (so wie zwischen Nord- und Südkorea) um die Separatistengebiete im Donbass bekommt, könnte ich mir vorstellen, dass es in Moskau zu einem Umsturz kommt.
Das muss kein Putsch sein oder gar Bürgerkrieg - wie Helios schrieb -, eher vielleicht eine Kremlintrige; und solche gab es in der Vergangenheit schon zur Genüge, von Chruschtschow bis Gorbi. Die Schuld für dieses Desaster wird sehr wahrscheinlich ihm angelastet werden. Er wirkt gesundheitlich angezählt, geht auf die 70 zu, wirkt unberechenbar, droht quasi jedem (pseudo-)missliebigen Nachbarn mit Krieg und sogar indirekt mit Atomwaffen, hat quasi das slawische Brudervolk der Ukraine angegriffen, einen Keil zwischen alles und jeden getrieben, das Land ruiniert und international zum isolierten Paria gemacht - und am Ende könnte es sogar sein, dass sein aggressiv-paranoid verfolgtes Ziel, irgendwie die NATO mit Gewalt fernzuhalten oder zu schwächen, dazu führt, dass sie nun militärisch gestärkt wird und umso näher an den Grenzen Russlands steht.
Ob er dies politisch überlebt, wage ich zu bezweifeln.
Und die Frage, die wir uns dann stellen müssen, ist, was folgt auf ihn? Ein rechtsextremer Diktator, der umso massiver mit der Atomkeule droht? Quasi ein isoliertes "Obervolta mit Atomwaffen" (Helmut Schmidt) und einem neofaschistischen General am Ruder? Oder eine Art Gorbatschow, der auf Ausgleich und Deeskalation setzt? Zweiter Fall wäre der wünschenswerte, wenn ersterer eintritt, ist es gut, dass wir jetzt aufrüsten...
Schneemann
Zitat:Was völlig normal ist und zu erwarten war. Auch ein moderner Krieg ist nicht so schnell wie das immer angenommen wird. Bisher sind die russischen Geländegewinne zumindest für mich ganz normal und im Rahmen des erwartbaren.Ja bzgl. dem Umstand, dass solche eher gering anmutenden Geländegewinne in einem modernen Krieg mit durch unübersichtlichem Terrain durchaus logisch sind. Nein hinsichtlich der Truppenstärke von 50% "im Einsatz" (wenn die Zahl stimmt). Im Irak etwa dürften am Vormarsch der USA nur ca. 20% der zusammengezogenen Verbände beteiligt gewesen sein. Sicher mag die US-Logistik nochmal eine andere Kategorie sein, aber ich habe das Gefühl, dass die Russen mit einem schnellen Blitzerfolg gerechnet haben und annahmen, man würde den "Rest" schon bald nachziehen können.
Zitat:Eine verteidigte moderne Stadt kann man nicht so einfach en passant stürmen. Beispielsweise könnte man Kiew mit den Mitteln der Ukrainer welche sie real haben selbst gegen wesentlich ernsthaftere und massivere Angriffe auf jeden Fall mindestens mehrere Wochen halten, ohne Probleme!Vielleicht mehrere Wochen nicht unbedingt, das hinge auch von der Brutalität ab, mit der man vorgeht. Aber generell ist eine moderne Stadt, in der ein zumindest halbwegs vorbereiteter Gegner sitzt, und der dazu noch bitter entschlossen ist, eine taktische Herausforderung für jede Armee, wenn ich nicht zehntausende Zivilisten umbringen will. Wenn die Russen in Kiew so wie in Grosny vorgegangen wären, gesetzt den Fall, sie wöllten und könnten es, würde sich die Stadt wohl nicht allzu lange halten - aber die Folgen wären absolut verheerend gewesen.
Interessant ist auch, dass man, wenn man vorbeiziehende russische Kolonnen sieht, zwar Panzer, IFV, MRAPs und Lastwagen sieht (aber diese auch weniger), aber recht wenige Haubitzen oder Werfer. Vor einigen Tagen hieß es drohend, dass der berüchtigte TOS-1 nach vorne geschickt wird. Bislang sieht man davon nichts. Aber vielleicht sind das auch nur Momentbeobachtungen von mir.
Zitat:Es ist einfach völlig illusorisch zu glauben, man könne ein Land wie die Ukraine einfach ad hoc überrennen, und die Städte einfach so auf der Stelle nehmen.Das ist absolut richtig, aber ich vermute, dass man das auf russischer Seite tatsächlich vorhatte. Möglicherweise, weil mancher Kommandeur die eigene Propaganda-Geschichten wirklich geglaubt hat, dass die meisten Ukrainer einen eh mit offenen Armen empfangen? Insgesamt betrachtet läuft die Sache aber dennoch unausgegoren, ja beinahe wirr ab. Sicherlich, der Gegner ist auch da, aber der ganze Aufmarsch wirkt unvollständig, überhastet.
Es wird sowieso sehr interessant bleiben.
Angenommen, man einigt sich auf einen Waffenstillstand, was für Ukrainer wie Russen (und auch für den Planeten) humanistisch betrachtet eminent wichtig und wünschenswert wäre, so ist die Frage, was dann innenpolitisch in Russland geschieht?
Putin ist, arg weit nach vorne gelehnt, mit Lügen und irrationalem Verhalten nach vorne geprescht, die Armee wurde kurzsichtig und durch Unfähigkeit in eine ziemlich verfahrene Lage gebracht, es gibt tausende Tote (und tausende Verhaftete in Russland selbst), hunderte abgeschossene Fahrzeuge, die Wirtschaft geht den Bach runter, auch infolge der massiven Sanktionen des Westens, Deutschland (bislang ein wichtiger Handelspartner bzw. wohl der wichtigste Partner in Europa) rüstet massiv auf und macht seine Energiegeschäfte mit anderen, und wenn dann am Ende herauskommt, dass man dafür nur ein paar Enklaven und vielleicht eine Art DMZ (so wie zwischen Nord- und Südkorea) um die Separatistengebiete im Donbass bekommt, könnte ich mir vorstellen, dass es in Moskau zu einem Umsturz kommt.
Das muss kein Putsch sein oder gar Bürgerkrieg - wie Helios schrieb -, eher vielleicht eine Kremlintrige; und solche gab es in der Vergangenheit schon zur Genüge, von Chruschtschow bis Gorbi. Die Schuld für dieses Desaster wird sehr wahrscheinlich ihm angelastet werden. Er wirkt gesundheitlich angezählt, geht auf die 70 zu, wirkt unberechenbar, droht quasi jedem (pseudo-)missliebigen Nachbarn mit Krieg und sogar indirekt mit Atomwaffen, hat quasi das slawische Brudervolk der Ukraine angegriffen, einen Keil zwischen alles und jeden getrieben, das Land ruiniert und international zum isolierten Paria gemacht - und am Ende könnte es sogar sein, dass sein aggressiv-paranoid verfolgtes Ziel, irgendwie die NATO mit Gewalt fernzuhalten oder zu schwächen, dazu führt, dass sie nun militärisch gestärkt wird und umso näher an den Grenzen Russlands steht.
Ob er dies politisch überlebt, wage ich zu bezweifeln.
Und die Frage, die wir uns dann stellen müssen, ist, was folgt auf ihn? Ein rechtsextremer Diktator, der umso massiver mit der Atomkeule droht? Quasi ein isoliertes "Obervolta mit Atomwaffen" (Helmut Schmidt) und einem neofaschistischen General am Ruder? Oder eine Art Gorbatschow, der auf Ausgleich und Deeskalation setzt? Zweiter Fall wäre der wünschenswerte, wenn ersterer eintritt, ist es gut, dass wir jetzt aufrüsten...
Schneemann