Ergänzend:
Zitat:Es gab im zweiten Golfkrieg sehr wohl statische Frontverläufe. Allerdings waren die Befestigungen der Iraker einem mehrwöchigen Luftbombardement ausgesetzt, so dass deren "Linien", als die alliierte Bodenoffensive dann begann, quasi nicht mehr wirklich existent waren.
Und selbst dass müsste noch weiter relativiert werden: denn tatsächlich waren diese Linien und Befestigungsanlagen auch nach dem mehrwöchigen Bombardement in erstaunlich großen Anteilen immer noch existent. Sie wurden nur nicht mehr verteidigt ! Die irakischen Truppen brachen vor allem psychologisch ein, und verweigerten im Prinzip den Kampf.
Beispielsweise gab es selbst nach Wochen noch Unmengen von im Boden eingegrabenen irakischen Panzern die immer noch einsatzfähig gewesen wären. Die Amis stellten dann zu ihrer Verblüffung fest, dass die Iraker diese Panzer gar nicht mehr bemannten, sie hatten diese als der Bodenangriff begann einfach verlassen und so wurden diese Panzer von den Amis wie beim Tontaubenschießen einer nach dem anderen abgeschossen, ohne dass übehaupt das Feuer erwiedert wurde. Der Grund war höchst einfach: es waren keine Iraker mehr in den Stellungen oder wo noch welche waren hatten sie sich irgendwo eingegraben und zogen nur noch die Köpfe ein um sich dann zu ergeben.
Das zeigt auch einmal mehr erneut die immense Bedeutung der psychologischen Seite des Krieges an, die selbst heute immer noch viel zu sehr unterschätzt wird. Und auch militärwissenschaftlich zu wenig untersucht wird.
Zitat:Gleichwohl könnte man allerdings auch argumentieren, dass die "Quote" dennoch schlecht ist, da die Artilleriesysteme heutzutage ungleich leistungsfähiger sind als jene wie vor 100 Jahren.
Die russischen im Querschnitt nicht unbedingt. Die meisten russischen Geschütze (nicht alle natürlich, aber doch die Mehrheit) haben keine so große effektive Reichweite, sie stehen relativ frontnah (auch weil die Rohre abgenutzt sind) und sie schießen primär Granaten mit Aufschlagzündern. Das Feuer ist daher relativ vergleichbar und gerade eben deshalb die ganze Grabenkriegsführung dort überhaupt so möglich.
Westliche Präzisionsbomben und Präzisionsgranaten mit anderen Zündern in ausreichender Quantität würden die ganzen Grabensysteme in der Ukraine im Prinzip unhaltbar machen. Es wäre dann auch die Frage, ob die Russen psychologisch dann überhaupt noch in der Lage wären weiter zu kämpfen, oder ob sie wie die Iraker primär psychologisch kollabieren würden.
alphall31:
Ich stimme dir zu, dass die russische Aufklärung insgesamt sehr viel besser geworden ist, was noch an mehreren anderen Faktoren als an den von dir aufgezählten liegt, beispielsweise weil die Russen jetzt in der Defensive sind, ihre Vorposten, Späher, leichte Aufklärer, Scharfschützen usw. sehr viele Informationen liefern etc, aber die Degeneration des russischen Artilleriefeuers ist trotz dieser Verbesserungen offenkundig.
Es lässt langsam aber stetig von seiner Effektivität nach, obwohl es zugleich Effizienter wird. Und das liegt an der schlichten Übernutzung / Abnutzung, also nicht primär an den Verlusten, sondern weil die Systeme die nicht zerstört werden schlicht und einfach durch die fortdauernde Belastung abgenutzt sind. Das ist übrigens kein Argument in der Art, dass die russischen Systeme schlecht wären, ganz im Gegenteil: es ist fraglich ob westliche Systeme auch nur ansatzweise so lange durchhalten könnten ohne schlicht und einfach auseinander zu fallen. Wir sprechen hier von geradezu irrealen Schusszahlen pro Rohr.
Und neue Artilleriesysteme kommen zwar nach, aber nicht ansatzweise in ausreichender Anzahl.
Im übrigen sind aktuell russische Mörser querschnittlich teilweise erfolgreicher als russische Artillerie, auch eine interessante Entwicklung, da man Mörser aufgrund ihrer Anfällig für Konterbatteriefeuer in weiten Kreisen der westlichen Militärwissenschaft bereits abgeschrieben hatte.