Vielen Dank.
Zitat: Erstens:In den Debatten der vergangenen Wochen ist endgültig klar geworden, dass die USA, Deutschland und weitere Nato-Verbündete mehr Angst vor einer Ausbreitung des Krieges auf Nato-Gebiet haben als vor der Bedrohung der westlichen Sicherheit durch territoriale Eroberungen Russlands in der Ukraine. [...]
Das sehe ich absolut genau so und die gewählte Vokabel 'Selbstabschreckung' ist sehr treffend.
Nachvollziehbar ist und bleibt diese Angst für mich jedoch nicht. Russland selbst kann überhaupt kein Interesse daran haben, dass es zu einem Spillover Effekt kommt und die Nato in eine aktivere Rolle hineingedrängt wird. Genau genommen könnte die Nato viel, viel weiter gehen, weil Russland einen offenen Konflikt mit der Nato in der jetzigen Lage fast um jeden Preis vermeiden muss.
Zitat: Zweitens: Russland hat bisher 60 bis 70 Prozent der kritischen Infrastruktur in der Ukraine zerstört. Es ist nicht abzusehen, dass Kiew aus dem Westen ausreichend Luftverteidigungssysteme wie Iris-T, Nasams und Patriots erhalten wird, um die russische Zerstörungsorgie zu stoppen. [...]
Das sehe ich wiederrum sehr anders. Ich kann jetzt nicht sagen, wie viel Prozent welcher Infrastruktur nicht wiederherstellbar 'zerstört' sein sollen. Nach mehreren Monaten und etlichen Angriffswellen sehe ich aber, dass a) die Ukrainer eine sehr hohe Resilienz zeigen und überraschend schnell überraschend viel wieder zum laufen bringen, b) es jenseits der Front nirgendwo zu einem dauerhaften Zusammenbruch der Grundversorgung gekommen ist und die Menschen auch im tiefsten Winter überleben, c) das sich die russischen Angriffsbemühungen deutlich abschwächen und d) schon jetzt die Luftverteidigung der Ukraine regelmäßig hervorragende Ergebnisse erzielt.
Insofern, während die Lage diesbezüglich sicherlich nicht rosig ist erscheint sie mir allemal beherrschbar.
Richtig ist freilich, dass auch viel zu wenig Luftverteidigungssyteme geliefert werden und man den strategischen Luftkrieg der Russen eigentlich als Begründung hernehmen hätte müssen, der Ukraine Waffen mit großer Reichweite zu Angriffen auf russische Infrastruktur zu Verfügung zu stellen. Auch so eine Gelegenheit die man klar verpennt hat.
Zitat: Drittens: Russlands Militär versucht den westlichen Präzisionswaffen mit Masse zu begegnen und kann dabei auf genügend Ressourcen zurückgreifen. Das gilt vor allem im Panzerbereich. Russland dürfte demnächst laut der Londoner Denkfabrik International Institute for Strategic Studies (IISS) über 4000 einsetzbare Panzer verfügen – eine erdrückende Masse, die nicht nur ein großes Risiko für die westlichen Leopard-Panzer darstellt, sondern Russland auch jederzeit in die Lage versetzt, in die Offensive zu gehen.
Extrem oberflächliches Argument. Die Erkenntnis das Russland viele Panzer hat und eigentlich jederzeit in der Lage sein müsste, wenigstens 100 mal irgendwo für einen Durchbruch zu konzentrieren ist nicht neu. Führt aber seit nunmehr einem Jahr auch nicht zu irgendwelchen Erfolgen auf dem Schlachtfeld.
In der Praxis bleibt es nicht beim Panzerzählen irgendwo hinter dem Ural, in der Ukraine wollen diese Panzerarmeen verlegt, bemannt und versorgt werden. Und diesbezüglich sind die Möglichkeiten der Russen seit letzem Jahr nicht gerade gewachsen wenn man sie ansieht, wie HIMARS der russischen Logistik zusetzt.
Zitat: Viertens: Der Ukraine gehen mit zunehmender Dauer des Krieges die Soldaten aus. Man befindet sich bereits – je nach Betrachtung – mindestens in der achten Mobilisierungswelle, mittlerweile werden Männer über 60 Jahren an die Front geschickt.
Der gleiche BS wie bei Reisner. Zaluzhnyi sagte im Dezember, dass er kein Manpowerproblem hat, ihm fehlt die Ausrüstung. Könnte man mal zu Kenntnis nehmen. Oder den Umstand, dass die Ukraine im letzten Herbst keine neuen Wehrpflichtigen eingezogen hat.
Ansonsten einfach mal Logik: Das ist ein 40 Millionen Volk, die haben eine Generalmobilmachung, seit jeher eine Wehrpflichtigenarmee und zuletzt maximal eine Million unter Waffen. Was ist da bitte das Problem? Nur als Hausnummer, die Wehrmacht hatte bei Kriegsbeginn 1939 über 4 Millionen Mann unter Waffen, bei der doppelten Bevölkerung der Ukraine heute. Natürlich hat die Ukraine längst nicht mehr Zugriff auf seine komplette Bevölkerung, aber wir sind da noch deutlich vom Maximum entfernt.
Das da auch ältere Männer (Spezialisten?!) eingezogen werden ändern daran nichts.
Zitat: Fünftens: Russland dürfte aus den genannten Gründen nicht nur als militärischer Sieger mit territorialen Gewinnen aus diesem Krieg hervorgehen, sondern auch als politischer Sieger:
Das ist einfach eine Behauptung ohne Belege und in sich überhaupt kein Argument warum die Ukraine nicht (mehr) siegen können soll.
Zitat: Und wie ist die Lage derzeit auf dem Kriegsschauplatz?
Damit hat er grundsätzlich recht. Allerdings baut die Ukraine genauso wie die Russen ihre Stellungen aus und bildet Reserven. Wie die dann die tatsächlichen Kräfteverhältnisse im Frühling lokal und global an der Front sein werden lässt sich aus öffentlich zugänglichen Quellen nicht seriös abschätzen. Richtig ist: Die Ukraine bräuchte viel viel mehr Gerät um optimal ausgerüstet zu sein.
Zitat: Aus Angst vor dem Überschreiten „roter Linien“, die Russlands Präsident Wladimir Putin gesetzt hat, tun Europa und die USA auch nichts dafür, die russische Satellitenkommunikation zu stören, was die Angriffsfähigkeiten Moskaus massiv beeinträchtigen würde.
Nicht verwunderlich, das wäre schließlich ein astreiner Kriegsgrund.
Zitat: Und genau auf diesen schnellen Waffenstillstand läuft das Engagement des Westens mittlerweile hinaus – stillschweigend natürlich.
Sehe ich so nicht, dazu müsste die Kampfkraft der ukrainischen Armee weitgehend erschöpft sein und da sind wir noch lange nicht. Auch, weil vielleicht längst nicht genug, aber eben doch üppig geliefert wird. Vielmehr bleibt das Engagement des Westens bei dem Ansatz, die Ukraine nicht verloren gehen zu lassen aber sie auch nicht zum Sieg zu befähigen. Das Risiko dabei ist (abgesehen davon das es ein strategisch falscher und moralisch bankrotter Ansatz ist), dass man sich verkalkuliert und die Russen demnächst mehr Erfolg haben werden als gedacht und gewünscht.