Norwegen: Die Entscheidung, den NH90-Vertrag zu stornieren, stößt selbst bei den Norwegern auf Verwunderung.
La tribune (französisch)
In Norwegen war die Entscheidung des Verteidigungsministers, den Vertrag über 14 NH90 zu stornieren, überraschend und wirft Fragen auf. Dies zeigt, wie unzuverlässig Norwegen in dieser Angelegenheit ist.
Der NH90 brachte laut einem norwegischen Offizier tatsächlich wertvolle neue Fähigkeiten mit sich (Credits: Norwegisches Verteidigungsministerium).
Es kam, wie es kommen musste. Norwegen kündigte schließlich den Vertrag über den Kauf von 14 NH90-Militärtransporthubschraubern, ein Programm, das von der NATO-Agentur Nahema (NATO Helicopter Management Agency) verwaltet wird. Auch für NHIndustries, das zu 62,5 Prozent Airbus, zu 32 Prozent Leonardo und zu 5,5 Prozent dem niederländischen Unternehmen Fokker gehört, ist dies keine Überraschung.
Seit mehreren Monaten hing ein Damoklesschwert über diesem Vertrag. Norwegen hatte vor mehreren Monaten eine Informationsanfrage (RFI) gestellt, um Alternativen zu seinen NH90-Hubschraubern zu finden, die seiner Meinung nach nicht alle Anforderungen der Küstenwache des Landes erfüllen konnten und eine niedrige Verfügbarkeitsrate aufweisen, die Achillesferse dieses europäischen Hubschraubers.
Oslos böser Wille
In dieser Geschichte haben alle Beteiligten extrem böswillig gehandelt, angefangen bei Norwegen, aber auch die Industrie, NHIndustries, und ihre beiden Hauptaktionäre, Leonardo und Airbus Helicopters, sind nicht frei von Schuld. Um ein Programm aufzugeben, das doch kurz vor dem Abschluss stand, musste sich Norwegen von einem amerikanischen oder sogar italienischen Angebot verführen lassen, erklärt man bei La Tribune. Die norwegische Marine hat jedoch bereits 13 der 14 im Jahr 2001 bestellten NH90 erhalten, der 14. steht zur Auslieferung bereit. "Wir waren nahe daran, den Hauptaspekt des ursprünglichen Vertrags abzuschließen", erklärte NHIndustries in einer Pressemitteilung.
Der norwegische Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram meinte auf einer Pressekonferenz: "Leider sind wir zu dem Schluss gekommen, dass, egal wie viele Stunden unsere Techniker gearbeitet haben und wie viele Ersatzteile bestellt wurden, dies nicht dazu führen wird, dass der NH90 den Anforderungen der norwegischen Armee gerecht werden kann.
Dies ist ganz und gar nicht die Meinung von Oberstleutnant Jan Egil Rekstad, Kommandeur des 334. Geschwaders, der im Dezember letzten Jahres in der Zeitschrift Teknisk Ukebla die Ansicht vertrat, dass der NH90 tatsächlich wertvolle neue Fähigkeiten mit sich bringe. Seiner Meinung nach kann der NH90 schnell abheben, sei es, um ein U-Boot zu jagen oder jemanden aus dem Meer zu retten.
Der Gewerkschaftsführer Torbjørn Bongo von der Norwegischen Offiziersgewerkschaft war seinerseits von der Ankündigung des Verteidigungsministers überrascht. Torbjørn Bongo war bislang immer skeptisch gegenüber der Vertragskündigung gewesen, da er der Ansicht war, dass ein wesentlicher Teil des Problems intern in den Streitkräften liegt.
"Man kann nicht erwarten, Ersatzteile auf Lager zu haben, wenn niemand sie bestellt oder das Geld dafür hat", erklärte er konkret. In seiner Stellungnahme bedauerte NHI zudem, "keine Gelegenheit gehabt zu haben, die neuesten Vorschläge zur Verbesserung der Verfügbarkeit des NH90 in Norwegen zu erörtern und auf die spezifischen Anforderungen" des skandinavischen Königreichs einzugehen. Dies legt den Schluss nahe, dass der Minister die NH90 auf jeden Fall loswerden wollte und die Schuld dafür ausschließlich NHIndustries zuschob.
Norwegen möchte die insgesamt 13 gelieferten Hubschrauber zurückgeben und fordert außerdem die Rückzahlung von 5 Milliarden Kronen (ca. 500 Millionen Euro), wie der Verteidigungsminister ankündigte. Es ist nicht sicher, ob die Industrie sich das gefallen lässt.
Man hat in letzter Zeit gesehen, dass Airbus sehr kämpferisch ist und z. B. den Forderungen eines seiner großen Kunden in der kommerziellen Luftfahrt Qatar Airways nicht nachgibt, der mit dem europäischen Flugzeughersteller wegen Beschichtungsproblemen bei seinen A350-Flugzeugen im Streit liegt. Norwegen könnte sich auf einen juristischen Marathon einlassen. Zumal die Industrie behauptet, dass die Annullierung des Vertrags "ohne rechtliche Grundlage" sei. In seiner Erklärung weist NHIndustries "die gegen den NH90 und das Unternehmen erhobenen Behauptungen zurück". Der Streit hat gerade erst begonnen.
Schlechter Glaube der Industriellen
Es bleibt dabei, dass der NH90 ein echtes Verfügbarkeitsproblem hat, das mit einer schwierigen Aufrechterhaltung des Betriebszustands (MCO) verbunden ist. In Frankreich hatte die Armeeministerin Anfang des Jahres gegenüber Airbus Helicopters deutlich gemacht, dass "bessere Ergebnisse" bei der Verfügbarkeit der NH90-Caïman-Hubschrauber der französischen Marine erzielt werden müssten. Dieses MCO-Problem ist bekannt und identifiziert. In Norwegen hätte sich NHIndustries daher viel effektiver um dieses seit Jahren verschleppte Verfügbarkeitsproblem kümmern müssen.
Die Komplexität der Betriebsbereitschaft des NH90 wird jedoch durch die Tatsache verstärkt, dass an diesem Programm innerhalb von NHIndustries zwei Industrieunternehmen beteiligt sind, die um die Märkte für den NH90 konkurrieren.
So soll Leonardo, der für das MCO der norwegischen Flugzeuge (6 NFH/ASW für die königliche norwegische Marine und 8 NFH für die Küstenwache) zuständig ist, das Spiel nicht wirklich voll ausgespielt haben, so wird vermutet.
Dem italienischen Industriellen wird außerdem der Hintergedanke nachgesagt, dass er anstelle der NH90 die AW101 Merlin verkaufen und in Norwegen einen neuen Coup landen wolle. 2013 entschied sich die norwegische Marine für den AW101 Merlin, der im Wettbewerb mit dem NH90 stand, um die 12 Sea King Mk-43 zu ersetzen. Ein komplexes und brisantes Dossier, wenn die Rückmeldungen zeigen, dass einige den Job nicht erledigt haben.