Schneemann schrieb:.....
Allerdings stimme ich dir nicht ganz zu, was die Beispiele "Räterepublik" und "Bastille-Sturm" in Bezug auf Demokratiereife eines Volkes aussagen könnten, bzw. meine, dass beide Bsp. etwas fehl am Platz sind. Die Rätesysteme waren keine Vorboten einer florierenden Demokratie, sondern ein Mittel zum Zweck gegen Monarchie, Krieg und Kaiser sowie häufig ein verlängerter Arm bolschewistischer Einmischung. Und die Räte wollten auch von einer Demokratie nach unserer Prägung eigentlich nichts wissen, sondern strebten ihr Ideal an, was aber nicht demokratisch gewesen wäre, sondern allenfalls die Beförderung einer Ideologie unterstützt hätte. Und beim Bastille-Sturm sei daran erinnert, dass noch (fast) nie ein Umsturz derart viel Blut (bzw. Enthauptete) gefordert hat wie dieser. Und danach wurde auch nichts demokratisch, sondern Napoleon ernannte sich zum Monarch und überzog Europa mit zahlreichen Auseinandersetzungen, die Millionen Opfer forderten.
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Schneemann.
ich gebe zu, die Beispiele sind extrem gewählt, aber:
der
"Sturm auf die Bastille" (der ja historisch gar nicht stattgefunden hat, der Kommandeur hatte die Waffen gestreckt bevor überhaupt gestürmt wurde) steht für mich synonym für die Forderungen, die mit der französischen Revolution verbunden sind ... und zur "Aufklärung" führten, Du erinnerst Dich?
"Liberté, égalité, fraternité" ist das "ideologische" oder "ideelle" Grundgerüst der freiheitlichen Demokratie.
Und die
"Räterepublik in Deutschland" steht für mich synonym für die Umbruchzeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, den Zeitraum zwischen dem Sturz der Monarchien in Deutschland (und damit dem Ende der
Bismarcksche Reichsverfassung) und der Etablierung der ersten deutschen demokratischen Verfassung vom 11. August 1919. *) siehe :!:
Beides zusammen zeigt, dass ein Umbruch vielfach mit Unruhen und Wirren verbunden ist, letztendlich dann aber vielfach (oder meistens) die moderneren, fortschrittlichen Gedanken zum Durchbruch kommen.
Übrigends - nur nebenbei:
zu solchem Umbruchsituationen kommt es nur, wenn das alte System zu erstarrt ist, um sich über Reformen den neuen Bedingungen anzupassen.
In anderen europäischen Ländern haben sich die Monarchien auch zu parlamentarischen Monarchien gewandelt und die Regenten auf Repräsentationsaufgaben beschränkt ... so ging' es also auch.
Aber wir kommen jetzt von Tunesien ab: offenbar - Schlußfolgerung meiner Aussage - war das System in Tunesien nicht mehr so reformierbar, wie es die Anpassung an die höhere Bildung der Bevölkerung und deren zunehmende politische Emanzipation verlangt hätte.
So, jetzt noch aktuell aus Tunesien:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/tunesien200.html">http://www.tagesschau.de/ausland/tunesien200.html</a><!-- m -->
Zitat:Ausnahmezustand in Tunesien
Gewalt trotz Ausgangssperre
Nach dem Sturz des tunesischen Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali kommt das Land nicht zur Ruhe.
...
Neuwahlen binnen zwei Monaten
Der Verfassungsrat, das höchste juristische Gremium des Landes, bestimmte derweil die nächsten Schritte für den Machtwechsel. Laut Verfassung übernimmt der Ministerpräsident die Verantwortung, wenn der Präsident "vorerst amtsunfähig" ist. Ist dies dauerhaft der Fall, ist der Parlamentspräsident an der Reihe - Fouad Mbazaa. Dieser soll nun Neuwahlen vorbereiten, die binnen zwei Monaten abgehalten werden.
...
und zu den deutschen Touristen:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/tunesien196.html">http://www.tagesschau.de/ausland/tunesien196.html</a><!-- m -->
Zitat:Sondermaschinen für Tunesien
Keiner soll mehr hin - alle sollen raus
Mehrere Reiseveranstalter wollen im Laufe des Wochendendes ihre deutschen Kunden aus Tunesien zurückholen. Der Luftraum über dem Land am Mittelmeer wurde wieder geöffnet. Nach dem Reiseveranstalter Thomas Cook entschlossen sich auch TUI und Rewe Touristik, Rückholaktionen zu starten.
...
Stand: 15.01.2011 17:34 Uhr
:!: OT on:
*) Nur eine Anmerkung zu den historischen Darstellungen von Schneemann zur "Räterepublik":
Im Dezember 1918 beschlossen etwa 400 gegen 50 delegierte Räte aus ganz Deutschland im
Reichsrätekongress Wahlen zu einer verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung abzuhalten und entschieden sich somit mehrheitlich für eine parlamentarische Demokratie und gegen ein Rätesystem. Am 19. Januar 1919 fanden die Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung statt. Der Räteparagraph § 165 in der Weimarer Verfassung und Betriebsrätegesetz vom Februar 1920 sind Auswirkungen dieses Gedankengutes,
Auch wenn sich letztlich die Reichsregierung im März 1919 (und damals noch ohne neuer Verfassungsgrundlage) gegen die Räte in ganz Deutschland wandte und dieser "Räte-"Ansatz zugunsten des Präsidialsystems der
Weimarer Verfassungzunichte wurde:
der Reichsrätekongress war die Grundlage für die Wahlen zur Nationalversammlung und diese Nationalversammlung hat die Weimarer Verfassung erarbeitet. So ist die schlichte historische Wahrheit.
OT out :!: