@CptDanjou:
Wenn ich dich richtig verstanden habe willst du wissen, ob die Kriegsgeschichte der Länder und die daraus gewachsene Militärkultur Einfluss auf die Struktur der jeweiligen Armeen der Länder gehabt hat insbesondere ob daraus bestimmte Stärken der jeweiligen Armeen gewachsen sind?
Die Frage ist sehr allgemein. Natürlich resultiert die Struktur der Armeen der jeweiligen Länder aus den Anforderungen der Vergangenheit und Gegenwart. Man hat sich halt die Armee geschaffen die man aufgrund der Situation brauchte.
Und daraus ergeben sich natürlich zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Armeen. In Bezug auf die Stärken resultieren diese Unterschiede primär jedoch aus dem jeweils aktuellen Gegner und weniger aus der Militärkultur und noch weniger aus der Militärgeschichte.
Bei allem Traditionalismus und bei allem grundsätzlichen Konservatismus der gerade dem Militär zueigen ist, beeinflusst primär der jeweilige Gegner die Struktur und die Stärken einer Armee und zwar umso mehr und umso länger je stärker der Gegner gewesen ist und stärker und länger wenn man mit diesem Gegner in einem konventionellen Krieg gestanden ist.
In längeren Friedenszeiten oder Zeiten in denen der Krieg auf Quasikriege beschränkt bleibt, gleichen sich jedoch die Armeen oft an und die Armeen verlieren ihre Stärken die sie sich vorher im Krieg angeeignet hatten.
Ein paar praktische Beispiele um meine Ausführungen zu erläutern:
1 Die Russische Armee war im Zweiten Weltkrieg herausragend im Kampf in Städten sowohl in der Verteidigung wie im Angriff. Der Kampf in Städten und insbesondere in Großstädten war die Stärke der russischen Armee.
Im Laufe des Kalten Krieges büsste aber die russische Armee ihr Können in diesem Bereich drastisch ein. In Tschetschenien trat diese Degeneration dann klar zutage, bei den Kämpfen um Grosny fiel die russische Armee vom Können her weit hinter ihr Niveau des Zweiten Weltkrieges zurück. Selbst im Zweiten Tschetschenienkrieg hatten die russischen Truppen immer noch nicht mal das Können, das sie im Zweiten Weltkrieg in dieser Kampfweise gehabt hatten.
2 Aufgrund des Kalten Krieges und der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges davor hat sich die russische Armee in dieser Zeit stark Panzerlastig und stark Offensiv entwickelt. Die Folge ist, daß bis heute russische Truppen im Vergleich extrem offensiv agieren und auch speziell dafür ausgerüstet sind. Das reicht über die Strategie und Taktik weit hinaus bis in die Militärische Mentalität und die Ausrüstung hinein. Die Panzer sind daher leichter, oft schwimmfähig zu ungunsten der Panzerung, man nimmt höhere Verluste dafür in Kauf. Um in der modernen Zeit gegen die immense Feuerkraft fast jedes Gegners überhaupt Offensiv voran zu kommen setzt man selbst ein Primat bei der Feuerkraft und versucht selbst überlegene Feuerkraft herzustellen.
Das ganze reicht eben bis in die Militärische Mentalität, die Militärkultur hinein, die Folge sind Waffensysteme wie die neuen russischen Schützenpanzer die eine Extreme Bewaffnung haben aber bei der Panzerung deutliche Mängel aufweisen.
3 Die Gurkhas wie die Fremdenlegion sind im Endeffekt beides Relikte ehemaliger Großmächte die über Kolonialbesitz verfügten. Solche Mächte verfügen bis heute über sehr ausgeglichene Armeen die keinen deutlichen Schwerpunkt aufweisen, dafür aber selbst in ihrer stark reduzierten Form eine allumfassende Bewaffnung aufrecht zu erhalten suchen.
Leichte Infanterie in der beschriebenen Art unterscheidet sich aufgrund der Kolonialvergangenheit dieser Länder daher von Leichter Infanterie wie sie in Deutschland oder Russland bestand hatte aufgrund der durchgehenden Berufssoldatenstruktur. Diese Infanterie war von Anfang an primär für den Kolonialkrieg vorgesehen und hat daher eben eine andere Militärkultur und Mentalität als beispielsweise vergleichbare deutsche Leichte Infanterie die in der Form der Jägertruppe eine ganz andere Aufgabe und Herkunft hat.
Das sich diese Einheiten dann über den Kalten Krieg gehalten haben liegt an dem immer noch vorhandenen Einfluss dieser Länder in den ehemaligen Kolonialgebieten und das erst im Laufe von Jahrzehnten in ständiger Erosion die Kolonien dieser Länder verloren gingen. Heute erleben diese Einheiten dann aufgrund der Quasikriege wieder einen Aufschwung während man um 1985 noch überlegte sie aufzulösen oder im Fall der Gurkhas sogar zu verkaufen.
4 Während also bei Großbritannien und Frankreich die Militärkultur und daraus die Struktur der Armeen dieser beiden Ländern aus der Vergangenheit als Kolonialmacht und Großmacht herrührt, stammt die Struktur und Mentalität der US Armee primär aus dem Zweiten Weltkrieg. Hier haben wir eine Weltmacht vor uns die weltweit militärische Macht projiziert, aber anfangs und von der Intention her keine Kolonialkriege führen wollte.
Wie man aber heute sieht, stehen heute alle Armeen mehr oder weniger in Quasikriegen. Gleich woher ihre Armeen kulturell kommen, gleichen sich zur Zeit weltweit viele Armeen aneinander an.
Stärken und Schwächen der jeweiligen Armeen resultieren daher heute nicht mehr aus der Vergangenheit und immer weniger aus dem Kalten Krieg heraus sondern nur noch aus der Leistungskraft des jeweiligen Landes. Aufgrund dessen sind Europäische Armeen allgemein schwach während die Amerikaner mit viel Geld und Material und die Russen aufgrund der geringen Kosten weiter Teile ihrer Armee ihre militärische Überlegenheit aufrecht zu erhalten versuchen.
Ein paar Einzelanmerkungen:
Zitat:Ich meine z.B (derzeit) die deutsche Uboot-Waffe. Deutschland scheint mir dort sehr stark zu sein, einmal historisch betrachtet (I und II WK von der Technologie her) sowie auch derzeit mit den 2 Ubooten (ich komme gerade nicht auf die Bezeichnung) - die mit Brennstoffzellen (?) fahren und daher (theoretisch) mehrere Monate getaucht fahren können.
Heute ist Deutschland in der U-Boot Waffe nicht sehr stark. Viele andere Staaten verfügen über eine deutlich stärkere U-Boot Waffe.
Historisch betrachtet gab es auch andere Mächte die im Bereich der U-Boote sehr stark waren und mit diesen herrausragende Erfolge erzielten. Der Einsatz US Amerikanischer U-Boote gegen die Japaner im Zweiten Weltkrieg findet zum Beispiel kaum eine Beachtung.
Zitat:Kann man das "russische" Scharfschützenwesen als herausragend (im europäischen Vergleich) bezeichnen? (meine das mal so gelesen zu haben).
Das ist ein Stereotyp aus dem Zweiten Weltkrieg. Tatsächlich hinken die Russen im Scharfschützenwesen im Vergleich zum Westen hinterher. Die Westlichen Armeen verfügen über deutlich bessere Scharfschützen und diese über bessere Ausrüstung.
Man muß hier allerdings bedenken, daß die Russische Armee auch ganze andere Konzepte verfolgt und daher das russische Scharfschützenwesen eben im Gesamtkonzept betrachtet werden muss.
Zitat:Sind die deutschen Kampfschwimmer (auch) im europäischen Vergleich herausragend - oder"nur" ein nationaler elitärer Verband?
Gerade bei solchen Einheiten ist ein Vergleich der Einheiten untereinander völlig sinnfrei und unmöglich. Es gibt hier kein besser oder schlechter.
Was mir allgemein auffällt ist, wie typisch Deutsch deine Aussagen sind und wie stark dein Denken (wie das vieler Deutscher) immer noch von Zweiter Weltkrieg Propaganda geprägt ist.
Stereotype wie : Starke U-Boot Waffe, Russische Scharfschützen, usw sind im Endeffekt militärische Mythen die von der Realität losgelöst sind.
Zitat:Mir ging es eher darum, welches Land in welchem Bereich viel Know-How (technisch, taktisch etc) hat und daher eine Art "Schlüsselqualifikation" hat. (erstmal auf Europa bezogen).(wie zB Frankreich mit der Fremdenlegion oder Großbritannien mit den Ghurkas... a
Weder die Legion noch die Gurkhas sind eine Schlüsselqualifikation. Selbst wenn es sie gar nicht gäbe wären die Armeen der beiden Länder weder schwächer noch anders.
Weder vom Know How noch von der Technik oder Taktik her sind diese beiden Verbände für die jeweiligen Länder unersetzbar oder eine besondere Stärke. Natürlich gebietet das Eliteverständnis dieser Verbände bei den Angehörigen derselben eine andere Sichtweise.
Beide genannten Einheiten sind immer noch representativ für die Struktur der Armee an sich, also als Relikt des Kolonialreiches und daher natürlich besonders geeignet für den modernen Kolonialkrieg in Form des Quasikrieges. Das sind aber andere Infanterieeinheiten dieser Länder ebenso.
Man müsste also eher allgemein von einer gewissen Stärke der Infanterie dieser Länder im Kolonialkrieg sprechen, völlig unabhängig ob Legion, Gurkhas, Royal Marines, Reguläre oder andere.
Die genannten Einheiten sind nicht losgelöst von der restlichen Armee sondern eben typisch für diese. Die Offiziere der Gurkhas wie der Legion sind Offiziere der Armeen dieser Länder, das ist kein Inzuchtverein sondern die kommen von den gleichen Offiziersschulen wie die anderne Offiziere die ganz andere Infanterieeinheiten befehligen.
Zitat:uch "immer noch" im Bereich der Kommandos
Insbesondere Sondereinheiten sind völlig ungeeignet um eine Aussage über militärische Stärken eines Landes zu treffen. Leider haben heute Sondereinheiten eine Stellung in der Wahrnehmung die ihnen in Bezug auf ihre tatsächliche geringere Bedeutung nicht zusteht.
Und gerade bei Sondereinheiten ist der Vergleich völlig sinnfrei da gerade diese Einheiten weltweit überall sehr ähnlich sind. Eigentlich ist das der Bereich der Armeen, wo man aufgrund der Ähnlichkeiten am wenigsten vergleichen und die geringsten Unterschiede feststellen kann.
Zitat:Über die Härten der russischen Ausbildung
Es ist gar nicht die Härte der Ausbildung die die russische Infanterie auszeichnet sondern die Härte der Ausbildung ist nur ein Symptom, nicht die Ursache. Das Leben in Russland ist für Arme Menschen einfach sehr hart. Und diese stellen den größten Teil der Soldaten.
Das was in der Ausbildung dort geschieht ist eben ein Symptom. Russische Truppen wären auch ohne diese Ausbildung im Vergleich zu westlichen Truppen extrem anspruchslos und hart im Nehmen.
Zitat:Meines Erachtens, ist (oder war) der ABC-Spürpanzer Fuchs der Bw sehr "gefragt"
Das ist zum Beispiel wieder ein reales Beispiel für Unterschiede und Stärken. Die ABC Abwehr war bei der Bundeswehr sehr hoch entwickelt und eine Stärke der Deutschen Armee. In den letzten Jahren aber ist die ABC Abwehr degeneriert. Heute ist Deutschland in diesem Bereich nicht mehr führend.
Das Beispiel zeigt zugleich wie primär der jeweilige Gegner (Kalter Krieg - Warschauer Pakt) die Struktur und die Stärken einer Armee definiert.
Viele Stärken die die Bundeswehr hatte (Kampfpanzer, ABC Abwehr, Panzerabwehr, Küstenschutz durch die Marine) entwickelten sich einfach durch die Situation des Kalten Krieges. Und heute verfallen sie drastisch da die Anforderungen zur Zeit ganz andere sind.