Helios:
Zitat:Wer ist "man"?
Die vielen Bundeswehrsoldaten, Schreiber in Militärforen und Blogs und Sicherheitsexperten usw. die nur noch mit Verachtung, Arroganz und Herablassung auf das technologische Niveau von Russland blicken, das Geschehen in der Ukraine nicht ernst nehmen, von Not gegen Elend schreiben und glauben, in einem Krieg der Europäer gegen Russland würde ja alles vollständig anders sein und der Gegner sei technologisch so minderwertig, dass er ohnehin keine Chance habe etc.
Man liest und hört diese Einstellung sehr oft, zu oft als dass dies nur eine Minderheitenposition sein könnte. Ganz allgemein wird heute meiner rein privaten Ansicht nach die russische Technologie unterschätzt. Und ja, Russland ist hier auf einem absteigenden Ast, aber aus ganz anderen Gründen welche ich ja detailliert und mit praktischen Beispielen versehen dargelegt habe.
Zitat:Die tatsächliche Leistungsfähigkeit der modernsten Systeme, die (wie du richtigerweise anmerkst) nicht in Großserie produziert werden können ist hinreichend genau abschätzbar und kaum unterschätzt, und durch die Propaganda hat sich landläufig schon seit Jahrzehnten eher ein Überschätzen der Systeme breit gemacht, dem völlig die reale Basis fehlt.
Für die Bewertung der Kampfkraft ist das technologische Niveau als auch die Leistungsfähigkeit des Einzelsystems im Vergleich zu anderen Einzelsystemen aber nicht so relevant. Sondern man sollte stattdessen in einer ganzheitlichen Betrachtung die Frage stellen, was ausreichend ist und was dann in größerer Quantität produzierbar ist und wie sich der Gesamtverbund schlagen könnte.
Ich stimme dir zu, dass man russische Systeme lange überschätzt hat und dies auch heute noch oft der Fall ist, aber da gehört meiner Meinung nach einfach viel mehr dazu, um zu einer tatsächlichen Beurteilung der theoretisch generierbaren Kampfkraft insgesamt zu kommen.
Man betrachtet viel zu sehr Einzelsysteme und dann den Quartett-Vergleich derselben untereinander.
Die Russen hätten meiner Meinung nach ein ausreichend modernes technologisches Niveau. Sie könnten - wenn die Gesamtstrukturen ihres Staates, ihrer Forschung und ihrer Rüstungsindustrie nicht dermaßen dysfunktional wären sehr wohl mit der Technologie welche sie haben für uns extremst gefährlich / problematisch werden.
Und schlussendlich wollte ich nur darauf hinweisen: dass man die aktuell vorhandene modernste russische Rüstungstechnologie nicht unterschätzen sollte, wie das so viele tun.
Beispielsweise ist die Verachtung gegenüber russischen Kampfpanzern völlig unangebracht. Es spielt dafür überhaupt keine Rolle, ob ein T-90M besser oder schlechter ist als ein Leopard 2 Ax, dass ist hier gar nicht die Frage. Russische Kampfpanzer sind sehr gute Systeme, weil sie für den realen konventionellen Krieg sehr gut sind. Ihre konzeptionellen Schwächen sind intentional und würde daher, wenn die Russen ihre eigentlichen Konzepte umsetzen würden und umsetzen könnten gar keine so große Rolle spielen. Noch darüber hinaus sind diese Schwächen in Russland seit Jahren völlig klar und bekannt und es gab schon mehrfach Vorschläge für neue andere Panzertypen (und damit meine ich nicht die Armata Plattform), die aber allesamt in diesem ultrakorrupten völlig dysfunktionalen System untergegangen sind.
Zitat:Sowjetische und nachfolgend russische Systeme wurden doch nicht auf Durchhaltefähigkeit hin optimiert oder zeigen da nur irgendwie besondere Leistungen, im Gegenteil.
Gemäß der sowjetischen Doktrin waren Kampfpanzer ein Verbrauchsmaterial, welches man abnutzte, völlig klar.
Das heißt aber nicht umgekehrt, dass russische Systeme nicht durchhaltefähig wären. Denn ganz viele russische Systeme wären sehr durchhaltefähig, wenn man nur entsprechend Inst usw. anwenden würde. Das es nicht das Konzept war, Kampfpanzer zu bergen und zu reparieren ändert daran rein gar nichts. Vieles an russischer Rüstungstechnologie wäre robust und durchhaltefähig, und ist es vor allem deshalb nicht, weil man sowjetischer Doktrin folgend entsprechend keine Inst macht, die Systeme nicht birgt und repariert und sie einfach bedenkenlos verschwendet als gäbe es kein Morgen mehr und es war ja nicht zuletzt diese Annahme der Sowjets, welche diese Idee hervor gebracht hat.
Das gleiche wie also umgekehrt bei den Klagen über die Leo 2. Es fehlen einfach die Grundlagen / Umstände um das System durchhaltefähig in Betrieb zu halten - was nicht dem System selbst, sondern eben den besagten Umständen drumherum anzulasten ist.
Russische Panzerbesatzungen klagen beispielsweise fortwährend über fehlende Ersatzteile. Ist nun der Panzer selbst daran schuld ?! Nein, es ist das Fehlen von Ersatzteilen, exakt so wie beim Leo 2 in der Ukraine auch usw.
Zitat:Aus der notwendigerweise primitiveren Auslegung (eine Frage der vorhandenen Technologie und der Ausbildung der Bediener) wurde schon immer eine Robustheit herbei phantasiert, die zumindest in der Form nicht vorhanden war und auch heute nicht vorhanden ist.
Das sehe ich nicht ganz so, bzw. meiner Meinung nach ist es komplexer. Ja, man die Systeme primitiv ausgelegt, und ja, aus dieser Primitivität heraus hat man Robustheit impliziert die aber in der extremen, übertrieben dargestellten Form so nicht vorhanden war. Aber das heißt nicht umgekehrt, dass russische Systeme nicht robust wären und dies auch dann, wenn sie explizit wie die Kampfpanzer als Verschleißartikel gedacht und konzipiert waren.
Und man sollte nicht per se von den Kampfpanzern auf alles andere schließen. Nur weil eine Armee ihr Material als Verschleißartikel konzipiert und daher auch technologisch primitiver konzipiert, heißt das nicht im Umkehrschluss, dass dieses Material bei einem normalen Umgang damit nicht robust und durchhaltefähig wäre.
Das Problem ist in ganz vielen Fällen schlicht und einfach der Umfang der Russen mit dem Material. Die gehen damit in einer Art und Weise um, die jedes unserer System noch schneller völlig zugrunde richten würde. Gerade in der Annahme, dass man ja ein bloßes Verschleißmaterial vor sich habe, wird damit völlig bedenkenlos umgegangen und nicht mal das grundlegendste getan um das Material zu erhalten. Russische Systeme halten dass dann im weiteren nicht aus, gar keine Frage, aber auch unsere Systeme würden einen solchen Umgang damit ganz genau so nicht aushalten.
Zitat:Die Systeme waren immer auf Verschleiß ausgelegt, der durch hohe Stückzahlen ausgeglichen werden sollte.
Ja natürlich. Aber trotzdem wären diese Systeme robust und durchhaltefähig, würde man eben nicht dermaßen bizarr gedankenlos mit ihnen umgehen. Würde man diese gleichen auf Verschleiß ausgelegten Systeme so instand halten wie das eigentlich mal auf unserer Seite früher vorgesehen war, wären sie immens viel durchhaltefähiger und würden dann auch nicht dermaßen im Feld versagen.
Empirischer Beweis: die Ukrainer haben Unmengen an russischen Kampfpanzern und sonstigen russischen Fahrzeugen erbeutet. Diese haben die Russen einfach wegen technischer Defekte liegen lassen, wobei ein Gros dieser Defekte vermeidbar gewesen wäre. Es gelang den Ukrainer dann im weiteren einen Gros dieser erbeuteten Systeme wieder in Stand zu setzen und dann auch einzusetzen. Aktuell hat die Ukraine mehr russische Beute-Systeme im Einsatz als eigene ukrainische vor dem Krieg (getrennt betrachtet von den gelieferten westlichen Systemen). Und auch die Ukraine betreibt Inst nicht so wie wir es eigentlich andenken würden.
Kurz und einfach: Russische Systeme hätten viel mehr Potential - obwohl sie als Verschleißartikel konzipiert waren / sind. Man könnte in Bezug auf die Durchhaltefähigkeit immens viel mehr aus ihenn heraus holen, als dass die Russen aktuell immer noch tun. Der Grund für die geringe Durchhaltefähigkeit ist nicht das jeweilige russische System selbst, sondern vor allem der geradezu abstruse Umgang der Russen damit und deren völlige Ignoranz in Bezug auf die Durchhaltefähigkeit.
Die sitzen da meiner Meinung nach teilweise auch ihrer eigenen Propaganda auf. Das reicht von Soldaten die ihre AK nie reinigen weil die ja soooo robust sind dass man sie nie reinigen muss über Schützen mit Zielfernrohr die dieses einfach in der Gegend herum werfen (was kein Zielfernrohr aushält) mit der Begründung dass das ja russische Zielfernrohre sind bis hin zu russischen Panzersoldaten die mit Getriebeschaden Vollgas querfeldein brettern und russischen FlaRak welche elektronische Störmeldungen ebenso ignorieren wie den Umstand dass die Kabel welche sie verwenden einfach an manchen Stellen offen sind usw usf
These: Mit einem vernünftigen Umgang wäre russisches Material durchaus durchhaltefähig, auch wenn es nicht dafür konzipiert wurde.