Das mag alles durchaus stimmen. Indien ist sicher von den Prozeduren her demokratischer als Pakistan, ohne Zweifel. Allerdings muss das nicht immer viel heißen: Einerseits steht das immer noch in vielen Teilen Indiens gültige Kastensystem gegen demokratische Grundregeln, andererseits findet man im demokratischen Spektrums Indiens auch religiös-nationalistische Strömungen, über deren "Verwurzelung in einem freiheitlich-liberalen-egaliären Gedankengut" man gut und gerne zweifeln könnte.
Sharif ist sicher kein Messias. Der Unternehmersohn selbst diente sich hoch als Politiker unter General Zia al-Huq, dem ersten Militärdiktator Pakistans und hatte durchaus seine politischen Vorteile davon, unter dem damaligen islamistischen Militärregime als Politiker und Provinzverwalter zu arbeiten. Nachdem al-Huq tot war, verdrängte er in den 90er Jahren seine Nachfolgerin Benazir Bhutto von der Macht und lieferte sich mit ihr unzählige politische Kämpfe um die Macht. Sharif galt und gilt als korrupt und hat in seiner Amtszeit bis 1999 die Auslandsschulden dramatisch hochgetrieben. Ob dieser Kandidat nun wie von ihm proklamiert, Pakistan zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückführen kann, darf bezweifelt werden! Immerhin herrschte beides auch nur bedingt unter seiner Ägide.
Ich denke, Demokratie braucht mehr als nur formal richtig abgehaltene Wahlen. Es braucht eine Mittelschicht, die politisch die Liberalisierungen tragen kann. Derzeit scheint auch durch die positiven Wirtschaftsreformen der Mittelstand wiederbesser dazustehen. Ob man aber nun wieder unbedingt sofort in die alten Muster der 90er zurück muss, als sich Sharifs Muslim League und Bhuttos Pakistan People´s Party ständig bekämpft haben, das weiß ich nicht.
Die Strategie von Musharraf ist wie schon mal von mir erläutert gefährlich. Er schaut nach allen Seiten und will irgendwie nur die Macht bewahren. Eine Allianz mit Bhutto scheint durchaus nun eine gute Idee. Ob daraus was wird, kann man aus der entfernten Beobachterposition nicht sagen. Dafür kann man die mikropolitischen Entwicklungen vor Ort zu schlecht bewerten.
Allerdings würde ich die islamistische Gefahr nicht überbewerten: Sicher haben sie Boden gewonnen, auch weil die Militärs viel zu ambivalent zu ihnen stehen. Allerdings frage ich mich, was wird denn Sharif machen als Chef der Muslim League, als Politiker, der unter einem islamistischen Militärchef seine politische Sozialisation erhalten hat und dem Amtmißbrauch immer wieder nachgesagt wurde?
Ich glaube, wie so oft, es gibt keine einfachen Antworten: Pakistan muss sich seinen Weg zur Demokratie nunmal erst suchen wie auch Indien noch weit von einem demkratischen-gesellschaftlichen Equilibrium entfernt ist (und nur als Nota: auch in Indien gibt es bewaffnete Rebellen, Maoisten, gut 15-20.000 an der Zahl, die in der waldreichen Mitte des Landes die Sicherheitskräfte beschäftigen).
Hier nochmal ein Artikel zu Sharif und seiner Ausweisung:
Zitat:Showdown für Musharrafs Erzfeind
Von Björn Hengst
Pakistans wankender Staatschef geht auf volles Risiko: Pervez Musharraf hat seinen Widersacher Sharif sofort nach der Heimkehr aus dem Exil wieder abschieben lassen - entgegen einem Gerichtsbeschluss. Damit könnte der Militärmachthaber seinen eigenen Niedergang befördert haben.
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http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,...08,00.html