Thomas Wach schrieb:@ Erich
..... Wie siehst du denn die Problempunkte, die ich schon im letzten Post gebracht hab und die du unkommentiert gelassen hast? Iran wird auch bei den irakischen Schiiten enorme Widerstände hervorrufen, denn sowohl die nationalistischen Kreise, sie auch und gerade in Al-Sadrs Gruppierung vorkommen und die Separatisten in Basra werden eine iranische Präsenz im Irak nicht hinnehmen werden. Auch iraknische Schiiten starben zu Hauf im iranisch-irakischen Krieg und der ist nicht völlig vergessen. Zudem verharmlost du den Iran viel zu sehr. Es mag ja durchaus stimmen, dass der Iran semidemokratische Institutionen hat, wobei vom institutionellen Design der Iran mit seiner theokratischen Komponente weiterhin sehr weit weg ist von einem Machtgleichgewicht und einer ausgewogenen Machtverteilung (daher auch semidemokratisch), nicht zu vergessen die ganzen Einschränkungen die bestehen im alltäglichen Leben.
nicht nur das - der Iran ist derzeit eines der brutalsten theokratischen Regime, in dem Folter offenbar zum Alltag gehört
Zitat:Aber das spielt nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist, was für eine Politik gemacht wird und Israel mag auch eine Demokratie sein, eine echte gar und trotzdem muss man sich vor deren Politik wie ich finde auch fürchten. Also, Iran würde solch eine Einladung machtpolitisch ausbeuten. Dazu ist ihre Außenpolitik zu sehr auf Machtausweitung ausgerichtet, als dass sie diese Chance nicht nutzen würden mit der Konsequenz, dass innerschiitisch der Konflikt weiter geht und die Sunniten ausrasten würden.
Syrien würde sich nimmer in den irak wagen, dass ein Gros der irakischen Baathisten ihre syrischen Brüder für deren Taktieren mit dem Iran hast und da die religiösen Kreise im Irak ebenso gegen dieses säkulare-alawitische Regime wettern würden. Wäre auch nicht gewonnen. Das Problem der gemischten Gebiete würde auch bleiben. Gemeinsame iranisch-syrische Patrouillen in gemischten Siedlungsgebieten, wo Schiiten und Sunniten sich weiter ermorden?? Das ist da Ticket direkt zu einem blutigen Jeder-gegen-jeden.
und genau das ist die Chance: die direkten Anlieger haben alles andere als Interesse daran, dass der Konflikt auf das eigene Land übergreift - sie werden daher alle Mittel in Bewegung setzen, um eine solche Eskalation im Keim zu ersticken.
Solange dagegen die Amerikaner (die ja jetzt die Suppe auslöffeln, die sich sich eingebrockt haben) die Prügel abkriegen, ist es den Beteiligten und den Drahtziehern im Hintergrund (zu denen man wohl durchaus den Iran zählen kann) schlicht zumindest egal - eher wäre sogar anzunehmen, dass einige Strippenzieher ihre Marionetten sogar noch heftiger tanzen lassen
Zitat:Und Ägypten würde sich auch dreimal überlegen, in solch einen Schlamassel sich hinein ziehen zu lassen. Denn auch sie würden im sunnitischen Bereich von Nationalisten und religiösen Fanatikern bekämpft.
eher weniger, wenn die Scheichs der Al-Ahram in Kairo hinter der Sache stehen und das ganze als "panislamische" oder "panarabische" Aktion zur Befriedung eines Brudervolkes aufbereitet und ausgeschlachtet wird.
Zitat:Zudem wäre der Umgang mit den Iranern auch nicht unproblematisch.
aber eher zu bewältigen als der Umgang der Amerikaner mit dem Iran, und die Israeli würden auch ruhiger schlafen wenn Ägypten als starker Kontrolleur beteiligt ist und ein Auge auf die anderen beiden wirft
Zitat:Die Saudis würden sich in so einem Szenario automatisch mit Waffen, Truppen und Geld einsetzen für ihre Glaubensbrüder, denn nur der Iran würde mitz Intensität und Freude kommen, die übrigen sunnitischen Staaten würden nur zaghaft kommen wollen
da spekulieren wir beide - ich denke dass gerade mit der Ausschlachtung einer "pan-arabischen-Hilfe" (vielleicht noch von der UNO und damit den USA gesponsert, die ihre Leute aus dem Feuer holen können) eine starke Begeisterung bei breiten Volksmassen zu wecken wäre, und die USA würden natürlich nur abziehen, wenn wirklich genug sunnitische Staaten da sind, die dem Iran nicht das Feld überlassen
Zitat:und da würden die Saudis zwangsläufig einspringen müssen und schon hätten wir bald einen Zweillevelkrieg: Einerseits der Kampf der regionalen Gruppen, andererseits der Kampf zwischen iranischen und saudischen Einheiten. Mit deinem Szenario würde nichts, aber auch gar nicht besser Erich, ganz im Gegenteil, es ist das Ticket direkt in einen regioalen Krieg, der in solch einer dynamischen Situation würden wohl viele der bestehenden Spannungen zum Ausbruch kommen.
richtig ist: die Saudis müssten am meisten zurückstecken, zumal sich Ägypten mit einer aktiven Rolle dann wieder als Führungsstaat der sunnitischen Araber profilieren könnte - die Saudis hätten aber die Möglichkeit, sich indirekt zu beteiligen, indem sie beispielsweise den Einsatz anderer sunnitischer Staaten sponsern, sogar den der Ägypter - und damit nicht nur als treue Verbündete in der arabischen Bevölkerung gefeiert werden können sondern auch dafür bezahlen, dass die arabischen Staaten einem iranisches Kontingent nicht zu viele unkontrollierte Aktionen gestatten;
damit wäre auch Deine Befürchtung einer direkten iranisch-saudischen Konfrontation ausgeräumt
ich sags mal ganz brutal aus möglicher saudischer Sicht:
die Iraner sollen die Schiiten kontrollieren und werden selbst von sunnitisch-arabischen Staaten, die wie Söldner von den Saudis finanziert werden, "in Schach gehalten" - die Saudis brauchen sich so nicht selbst "die Hände schmutzig zu machen" sondern finanzieren andere arabische Staaten, die keinen direkten Konflikt mit dem Iran haben
Zitat:Die Amerikaner werden einfach gebraucht als Puffer um die regionalen Spannungen und die Spannungen im Irak nicht zum Ausbruch gelangen zu lassen. Denn die Amerikaner müssen das von ihnen ausgelöste (nicht verursachte!! Ursache ist die multireligiöse Struktur des Irak...)Problem selbst bearbeiten.
in einem hast Du absolut Recht: wer den Schlamassel auslöst soll auch die Folgen beseitigen - aber das wird den Amerikanern nicht gelingen, ganz im Gegenteil:
solange die Amerikaner da sind wird sich die Spirale der Gewalt weiter drehen und damit die Situation immer mehr entgleiten
Zitat:Für meinen Geschmack unterschätzt du maßlos die innerislamischen Konfliktlinien und Risse (vielleicht hast du doch zu viel Hungtington gelesen...)
ich geb ja zu, Huntington hat mich angesprochen (nicht in allem, aber im Ansatz) - nur darum geht es nicht:
gerade weil die innerislamischen Konfliktlinien und Risse so komplex sind kann eine Lösung nur gelingen, wenn die Marionettenspieler im Hintergrund in die Konfliktlösung eingebunden werden.
Ohne den Iran lässt sich das Problem nicht lösen.
Iran muss wohl aktiv beteiligt werden, um an einer Lösung mit zu arbeiten, und zur Ausbalancierung des Iran braucht man sunnitisch-arabische Staaten, dabei kommen als potentielle "Machtstaaten" nur Syrien, Ägypten und vielleicht noch Algerien in Frage.
Auch Saudi Arabien muss eingebunden werden - wobei diese Beteiligung dann wohl nur "im Hintergrund" passieren wird, die saudische Marine wird wohl nicht gebraucht, die Luftwaffe kann Aufklärung fliegen (muss aber nicht im Land präsent sein) und die Armee .... nun, da erwarte ich mir von einer starken Infanterietruppe mehr, und das können die Syrer und Ägypter sein.
Iran und Syrien (und auch die Saudis und Kuwaiter) haben kein Interesse daran, dass die Situation ausser Kontrolle gerät. Saudis und Kuwaiter werden aber wohl eher finanziell einen entsprechenden Einsatz sponsern und für die Einhaltung der eigenen Interessen Dritte finanzieren, die einen Ausgleich und eine Balance zu Iranern und Syrern herstellen.
Ägypten möchte seine Rolle als sunnitisch-arabische Führungsmacht wieder festigen, und dürfte aus diesem Grunde letztendlicht mit starken Kräften in Erscheiung treten.
edit:
Und wenn es nicht gelingt, die Nachbarstaaten ASAP in Verantwortung zu ziehen, dann wird der Irak sehr bald in absolutes Chaos und Anarchie versinken
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,464758,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 58,00.html</a><!-- m -->
Zitat:06. Februar 2007
IRAK-STRATEGIE
Pentagon-Chef plant Truppenabzug schon Ende des Jahres
Noch mehr US-Soldaten sollen in den Irak, um das blutige Chaos unter Kontrolle bringen - so will es der Plan des Präsidenten. Nun verblüfft Bushs neuer Verteidigungsminister mit einer Ankündigung: Ende 2007 könnte ein Abzug der Truppen beginnen.
...
In der Hauptstadt Bagdad nimmt die Gewalt derweil nahezu mit jedem Tag zu. ....
... In jüngster Zeit hat die Gewalt so überhand genommen, dass nach Uno-Angaben täglich rund 100 Iraker getötet werden.